Gemeindenetzwerk

Ein Arbeitsbereich des Gemeindehilfsbundes

Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag Artikel empfehlen Artikel empfehlen

Die Zukunft Israels im Licht der Johannesoffenbarung

Samstag 31. Mai 2014 von Dr. Joachim Cochlovius


Dr. Joachim Cochlovius

I    Annäherungen an das Buch der Offenbarung Jesu Christi

Das Buch der Offenbarung Jesu Christi hat der Christenheit von Anfang an Mühe gemacht. Erst im 4. Jahrhundert setzte sich das Buch als kanonisch durch (367 wurde es in einem Rundschreiben des Kirchenvaters Athanasius in die Liste der neutestamentlichen Bücher aufgenommen). Verschiedene Auslegungsansätze stehen bis heute in Konkurrenz. Die zeitgeschichtliche Auslegung interpretiert das Buch aus den Verhältnissen der christlichen Gemeinde im ersten Jahrhundert. Die kirchengeschichtliche Auslegung sieht in den sieben Sendschreiben Epochen der Kirchengeschichte vorgeschattet. Die bundestheologische Auslegung (Dispensationalismus, von engl. dispensation = Zuteilung, Haushaltung, Zeitalter) erkennt in der Offenbarung eine Weissagung vom endgeschichtlichen Schicksal der Gemeinde und des Volkes Israel. Und für die endgeschichtliche Auslegung liegt das ganze Offenbarungsbuch oder zumindest ab Kap. 4 noch in der Zukunft. Alle vier Grundtypen werden oft in Mischformen vertreten, so dass wir eine Fülle ganz unterschiedlicher Auslegungen vorfinden.

Zwei Beobachtungen am Text des Offenbarungsbuchs haben mich zu einer konsequent eschatologischen und israelbezogenen Auslegung geführt.

Erstens will die Offenbarung zu einer bestimmten Personengruppe, den „Knechten Gottes“ sprechen (1,1). Sie werden in den sieben Sendschreiben zur Treue und Geduld aufgerufen. Ihnen werden bestimmte Verheißungen gegeben, die alle mit dem Neuen Jerusalem zusammenhängen. Sie werden schließlich am Thron des Lammes in Ewigkeit dienen und mit dem Lamm ewig regieren (22,3). Wer sind diese „Knechte Gottes?“ Wir wissen aus dem A.T., dass Knecht bzw. Diener Gottes ein jüdischer Ehrentitel ist. Schon Mose soll dem Pharao sagen, dass Israel Gottes Erstgeborener ist und dass Gott will, dass dieses Volk ihm diene (2 Mose 4,22f). In Jes 41,8f steht es explizit: „Du aber, Israel, mein Knecht,…, ich erwähle dich und verwerfe dich nicht“. Auch Paulus als Jude kann sich „Knecht Gottes“ nennen (Tit 1,1).

Ich habe mich gefragt, ob dieser Ehrentitel auch auf die Gemeinde angewendet wird, und ich habe festgestellt, dass unser Ehrentitel als Nachfolger Jesu aus den Völkern „Kinder Gottes“ ist. Die geistliche Neugeburt versetzt Christen in den Status der Gotteskindschaft und macht sie zu Erben der himmlischen Herrlichkeit (Röm 8,17; 1 Petr 1,4). Wenn die Offenbarung zu „Knechten Gottes“ redet, dann meint sie offensichtlich Angehörige des Volkes Israel.

Zweitens bezeugt Johannes, dass er in den „Tag des Herrn“ versetzt wurde (1,10). Der „Tag des Herrn“ ist ein ebenfalls durch das A.T. festgelegter Begriff. Vor allem Jesaja, Joel, Amos, Zephania sprechen von diesem Tag – den man sich nicht als einen 24 Std.-Tag vorstellen darf – immer im Zusammenhang furchtbarer endgeschichtlicher Geschehnisse. Genau solche Ereignisse schaut Johannes im Hauptteil seines Buchs. Es geht also nicht um Zeitgeschichte oder Kirchengeschichte, sondern um Endgeschichte. Offb 1,7 richtet die Blicke auf das Himmel und Erde umspannende Großereignis der Wiederkunft Christi. „Siehe, er kommt mit den Wolken“. Auf dieses Ereignis warten alle Himmelsbewohner und die ganze belebte Kreatur, wie wir es in Offb 5 erleben. Auf dieses Ereignis warten aber auch wir als Gemeinde Jesu, denn wir wissen, dass der wiederkommende Herr uns verwandeln und in unsere himmlische Heimat und Staatsbürgerschaft versetzen wird, egal ob wir dann leben oder gestorben sind (Phil 3,20f). Und auf dieses Ereignis werden dann auch die „Knechte Gottes“ warten, diejenigen von Israel, die berufen sind, am Thron des Lammes ewig zu dienen. Erst eine endgeschichtliche, eschatologische Auslegung der Offenbarung vermag die umfassende Bedeutung der Wiederkunft Jesu für Himmel und Erde, für die Gemeinde und für Israel herauszustellen.

Unverzichtbare „Augenöffner“ für die Auslegung der Offenbarung sind aus der Bibel vor allem das Buch Daniel und die Endzeitrede Jesu, vor allem in der Matthäusfassung Mt 24 und 25. An Literatur möchte ich nennen Ethelbert Bullinger, Die Apokalypse oder der Tag des Herrn (deutsch erschienen 1904) sowie die Auslegungen von Heinrich Langenberg und August Fuhr.

II             Die doppelte Berufung Israels zum Segensvolk für die Nationen

Wenn wir die Aussage in Röm 11,29 ernst nehmen, dass Gottes Gaben und Berufung ihn nicht gereuen können, dann gilt es, über Israels Berufung sorgfältig nachzudenken.

Aber vorher wollen wir eine grundsätzliche Frage klären. Warum und wozu beruft Gott überhaupt Menschen, und warum beruft er dieses eine Volk Israel? Die Antwort: Weil Gott Liebe ist, will er segnen, und er sucht sich zu diesem Zweck Segensträger. So handelt er in der Schöpfung und in seinen großen Stiftungen, die er uns Menschen geschenkt hat, in der Ehe und in der Gemeinde. In der Natur ist keine Zelle, kein Teil, kein Organ für sich selbst erschaffen. Alles hat dienende und segnende Funktion für das Ganze. In der Ehe beruft Gott den Mann zum Hauptsein, also zu liebender Fürsorge für seine Frau und Familie, und er beruft die Frau zum Beistand und zur Stütze („Hilfe“) ihres Mannes. In der Gemeinde beruft Gott Gemeindeglieder, die andere leiten, begleiten, stärken, ermahnen und aufrichten. Genauso handelt Gott auch in seinen großen Heilsplänen. Er segnet die Völker durch ein dazu berufenes Segensvolk, durch Israel.

In der ersten Berufung Israels bestimmt Gott Abraham und das aus ihm hervorgehende Volk zum Segensvolk für die Menschheit. „In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden“ (1 Mose 12,3). Ein kleines, unbedeutendes, halsstarriges Volk wird eingesetzt zum Heil für die ganze Menschheit. Eine hochinteressante Strategie Gottes, die viele Fragen weckt. Wie will Gott diesen Plan umsetzen? Wann wird er das tun? Ist Gott mit seinem Plan schon ans Ziel gekommen? Manche sagen, dass Christus aus dem Volk Israel kam und dass Israel insofern schon zum Segen für alle Welt geworden ist. Aber in der Abrahamverheißung ist ausdrücklich vom Volk Israel die Rede, das zum Segensträger werden soll. Und dieses Ziel hat Gott noch nicht erreicht. Aber er wird es erreichen, die Offenbarung bezeugt es. Deswegen ist die Offenbarung unverzichtbar wichtig für jeden, der die Vollendung der großen Pläne Gottes studieren will.

Und dann die zweite Berufung. Am Sinai erklärt Gott seinem Auserwählungsvolk feierlich: „Werdet ihr meiner Stimme gehorchen und meinen Bund halten, so sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern; denn die ganze Erde ist mein. Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein“ (2 Mose 19,5f). Auch hier könnte man sagen, dass sich diese Verheißung im N.T. erfüllt hat, denn Petrus hat ja die Christenheit in eben diese Funktion eingesetzt, eine „königliche Priesterschaft“ und ein „heiliges Volk“ zu sein (1 Petr 2,9). Aber die Berufungsgeschichte in 2 Mose 19 erklärt ausdrücklich die „Kinder Israel“ zu den Empfängern der Verheißung. Und diese Berufung hat sich noch nicht erfüllt. Wer wollte behaupten, dass das jüdische Volk heute aus heiligen Priestern besteht, die über die Völker regieren? Nein, so weit ist die Zeit noch nicht. Aber sie wird kommen, auch das bezeugt die Offenbarung.

Wer diese beiden großen Berufungsgeschichten Israels für abgeschlossen und als in der Gemeinde erfüllt ansieht, nimmt ihren Wortlaut nicht ernst. Sie greifen weiter. Die große Zeit Israels liegt nicht in der Vergangenheit und Gegenwart, sondern in der Zukunft. Die Offenbarung ist das einzige apostolische Buch, das über die endgeschichtliche und endgültige Zukunft Israels Aufschluss gibt, angefangen bei der großen Bedrängniszeit bis über die Wiederkunft Jesu und seine Gerichtsakte hin zur Bestimmung Israels in der neuen Welt.

III            Das vorübergehende „Beiseitegesetztwerden“ und die schließliche Wiederannahme Israels

Allen, die sich eine eschatologische Neuschöpfung Israels zum Segensträger und zu einer heiligen Priesterschaft nicht vorstellen können, kann man nur ein intensives Studium von Röm 9 bis 11 empfehlen. Dort entfaltet Paulus das vorübergehende Verstockungshandeln Gottes an seinem Auserwählungsvolk und dessen schließliche Wiederannahme und Errettung. Da sie das Heil nicht über das Hören des Evangeliums und über den Glauben an Jesus Christus suchen wollten, hat es Gott den Völkern zugewendet und Israel auf diese Weise beschämt. Aber daraus darf niemand den falschen Schluss ziehen, dass Israel nun von Gott verworfen wäre. Wer so denkt, dem antwortet Röm 11,20:

„Sei nicht überheblich, sondern bedenke, dass du jederzeit wieder dein Heil verlieren kannst, wenn Du aus Gottes Gnade heraustrittst“ (Röm 11,20). Wenn Gott das Volk Israel eine Zeitlang beiseite setzt, dann kann er es auch jederzeit wieder in den Ölbaum, d.h. in den Abrahamsegen einsetzen (Röm 11,23f). Wie er aus der geistlichen Verblendung Israels einen Segen für die Völker gemacht hat, so kann er auch, wenn Israel zum Heil kommt, einen noch viel größeren Segen den Menschen zuteil werden lassen. „Wenn schon ihr Beiseitegesetztwerden (gr. apobole) der Welt die Versöhnungsbotschaft gebracht hat, was wird dann ihre Wiederannahme (gr. proslempsis) anderes bewirken als die Auferstehung der Erlösten zum ewigen Leben (wörtlich: „Leben aus Toten“)?“ (Röm 11,15).

Wann ist mit der Wiederannahme zu rechnen? Darüber gibt Paulus eine klare Auskunft. Wenn Jesus wiederkommt zum Gericht. „Es wird kommen aus Zion der Erlöser, der abwenden wird alle Gottlosigkeit von Jakob. Und dies ist mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde“ (Röm 11,26f).

In diesen beiden Versen liegt zweifellos der Höhepunkt von Röm 9 bis 11. „Ganz Israel“ wird gerettet werden und Tilgung der Schuld empfangen, wenn Christus zum Zion kommt. Wie ist dieses „ganz Israel“ gemeint? Man muss hier die enge Entsprechung der Aussage über die Völker und über Israel bedenken. Wenn die von Gott festgesetzte Zahl der Erlösten aus den Völkern erreicht ist, wird auch die von Gott festgesetzte Zahl aus dem Volk Israel das Heil empfangen. In beiderlei Hinsicht geht es nicht um eine Kompletterrettung, weder der Völker noch Israels. „Ganz Israel“ meint die ganze von Gott gewollte Anzahl.

Die Propheten des A.T., Jesus in seiner Endzeitrede Jesu und die Offenbarung geben uns näheren Aufschluss über dieses gewaltige Geschehen. Sach 13,8: nur ein dritter Teil des Volkes Israel wird die endgeschichtliche Bedrängniszeit überleben. Dieser heilige Überrest wird dann den Namen des Herrn anrufen. Mt 24,15ff; Luk 21,20ff und Offb 12,14ff: dieser Rest, der dem Falschmessias widersteht, flieht an einen Bergungsort in der Wüste, wo er von Gott versorgt wird, bis Christus kommt. Sach 12,10a: Wenn Christus erscheint, wird dieser bewahrte Rest „den Geist der Gnade und des Gebets“ bekommen und Christus erkennen als den, den ihre Väter dem Kreuzestod ausgeliefert haben. „Sie werden mich ansehen, den sie durchbohrt haben“. Jes 53,3ff; Sach 12,10b; Offb 1,7: Dann werden sie über ihre bisherige Blindheit klagen. „Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet…Wir hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten“ (Jes 53,3-5). „Siehe, er kommt mit den Wolken, und es werden ihn sehen alle Augen und alle, die ihn durchbohrt haben, und es werden wehklagen um seinetwillen alle Stämme des Landes“ (Offb 1,7).

Die Errettung „ganz Israels“ ist also näher betrachtet ein umfassender Bußakt derjenigen vom Volk Israel, die bis zur Wiederkunft Jesu an der Messiashoffnung festgehalten haben und nun den Geist der Gnade bekommen und eine innere Erneuerung erfahren. Die alten Verheißungen, dass Gott einen neuen Bund mit Israel schließen wird (Jer 31,31ff; Hes 11,19 und 36,26), erfüllen sich. Aus dem steinernen Herzen wird ein fleischernes Herz. Israel wird nun ein heiliges Volk, das in Gottes Geboten wandelt. Und was Daniel geschaut hat, dass alle Macht über die Völker der Erde „dem Volk der Heiligen des Höchsten“ gegeben wird, kann nun eintreten (Dan 7,27). Das erneuerte Volk Israel ist nun ausgestattet für diese großartige Regierungsverantwortung in Gottes neuer Welt.

IV           Die Ablehnung Israels durch die Welt und die „Große Bedrängnis“ am Ende unserer Zeitrechnung

Jede Auserwählung schafft Neid und Feindschaft. Es ist die Sünde im Menschen, die es nicht ertragen kann, dass andere anscheinend mehr Einfluss, Können, Glück und Segen haben. Die Philister hassten Isaak, Saul hasste David, die Schriftgelehrten hassten Jesus, die Diaspora-Juden hassten Paulus. Immer richtet sich der Hass auf einen Auserwählten Gottes, der den Hassenden eigentlich Segen bringen sollte. Genauso ist das auch beim Volk Israel der Fall. Die Welt hasst Israel wegen seiner Auserwählung, weil sie nicht sieht, dass diese Auserwählung ihr zugute kommen soll. Seitdem Israel existiert, läuft der Israelhass wie ein roter Faden durch die Weltgeschichte mit. Letztlich ist es Satan selbst, der die Völker immer wieder gegen Israel aufwiegelt. Gott hat dieses Volk auserwählt, um die Menschheit zu segnen. Satan versucht, diesen Plan mit allen Mitteln zu hintertreiben.

Was uns in unserem Zusammenhang besonders interessiert, sind die biblischen Ankündigungen, welche Formen der Israelhass in der Endgeschichte annimmt. Daniel, der Israelprophet schlechthin, spricht von einer „Zeit so großer Bedrängnis, wie sie noch nie gewesen ist“ (Dan 12,1). Es ist klar, dass er als Israelprophet ein israelspezifisches Geschehen meint. Jesus bestätigt in seiner Endzeitrede diese Zunahme des Judenhasses am Ende dieses Äons. Er weist darauf hin, dass die Bedrängnis eine doppelte Gestalt haben wird, Verfolgung und Verführung. „Sie werden Euch der Bedrängnis preisgeben und euch töten. Und ihr werdet meinetwegen gehasst werden von allen Völkern“ (Mt 24,9). Das ist die Ankündigung massiver Judenverfolgung. „Es werden sich falsche Propheten erheben und werden viele verführen“ (Mt 24,11), und „es werden falsche Christusse und falsche Propheten aufstehen und große Zeichen und Wunder tun“ (Mt 24,24). Das ist die Ankündigung raffiniertester Verführung.

In Offb 13 tauchen diese beiden Begriffe wieder auf in Gestalt des falschen Christus und des falschen Propheten. Beide Gestalten treten am Ende des jetzigen Äons mit Zeichen und Wundern auf. Die erste, der falsche Christus, das „Tier aus dem Meer“, bezieht seine Macht unmittelbar vom Drachen, also von Satan. Er stirbt an einer tödlichen Wunde und kommt erneut auf die Erde, und zwar aus dem Abgrund (Offb 17,8). Er ist also die Verkörperung einer dämonischen Gestalt, kein natürlicher Mensch. Er ist der von Jesus angekündigte falsche Christus (Joh 5,43), der dreieinhalb Jahre das Volk Israel verfolgen und verführen wird. Er wird gegen die Heiligen kämpfen und sie überwinden (Offb 13,7). Viele Juden, die sich nicht verführen lassen, werden dann den Märtyrertod sterben. Die andere Gestalt ist der falsche Prophet, das „Tier aus der Erde“, der durch massive Wunderzeichen, Einschüchterung und Wirtschaftsterror viele vom Volk Israel zum Abfall führen wird. Erschütternd ist Offb 14,9ff, wo während dieser Bedrängniszeit ein Engel mit großer Stimme die Juden warnt, dem falschen Christus zu folgen und ihn anzubeten. Schlimmste Strafen werden angedroht. In Offb 16,2 werden diese Strafen dann an den Abgefallenen ausgeführt.

Die „Große Bedrängnis“ ist also zunächst eine relativ kurze, wahrscheinlich dreieinhalbjährige israelbezogene Verfolgungs- und Verführungszeit. Allerdings beschreibt die Offenbarung das erste Tier mit sieben Häuptern und zehn Hörnern. Das deutet auf eine weltweite machtpolitische Vernetzung des falschen Christus hin. Offensichtlich findet er für seinen Kampf gegen das jüdische Volk genügend Vasallen in der Welt. Insofern bekommt die „Große Bedrängnis“ eine globale Dimension. Nach Offb 16,12ff gelingt es dem Falschmessias, Völkerheere im Land Israel zusammenzuziehen. Die weltgeschichtliche Perspektive von Ps 2 erfüllt sich. Die „Könige der Erde lehnen sich auf und die Herren halten Rat miteinander wider den Herrn und seinen Gesalbten“.

Das jüdische Volk wird sich in dieser Notzeit spalten. Die Offenbarung gebraucht für die beiden Volksteile die Begriffe „Frau“ und „Hure“. Die „Frau“ sind diejenigen, die sich dem falschen Christus widersetzen. Wenn die Verfolgung und Verführung am schlimmsten ist, werden sie auf wunderbare Weise bewahrt und an einen Bergungssort geführt. Aus ihnen kommt eine besondere Widerstandsgruppe, die in der Offenbarung „der Männliche“ genannt wird (Offb 12,5), jüdische Männer, die für ihren Glauben an den wahren Messias ihr Leben lassen. Sie werden dann auf wunderbare Weise zu Gott entrückt werden und zusammen mit Christus wieder auf die Erde kommen (Offb 7 und 19).

Die übrigen Juden erliegen der Verführung durch den falschen Christus. Sie kooperieren mit ihm und verfolgen sogar ihre eigenen jüdischen Volksgenossen, so wie es Jesus vorhergesagt hat: „Viele werden abfallen und werden sich untereinander verraten und hassen“ (Mt 24,10). Die beiden Zeugen, wahrscheinlich Mose und Elia, die auf das bevorstehende Gericht hinweisen, finden kein Gehör (Offb 11,3ff). Glaubensabfall wird biblisch als „Hurerei“ bezeichnet. Deswegen wird das Machtzentrum der Abgefallenen „Hure Babylon“ genannt. Sie geht am Ende der Bedrängniszeit auf dramatische Weise unter. Die im Heiligen Land versammelten Völkerheere werden sie vernichten (Offb 17 und 18).

Aber auch diese Völkerheere kommen um. Der wiederkommende Christus wird sie, genauso wie es Sacharja in Sach 14,12 geschaut hat, mit seinem Wort umbringen, das wie ein Schwert aus seinem Mund dringen wird (Offb 19,15.21). Die beiden „Tiere“, der falsche Christus und der falsche Prophet, werden gefasst und in den Feuersee geworfen (Offb 19,17-20).

V             Die Knechte Gottes

Wer sind die „Knechte Gottes“, an die Christus im Auftrag Gottes durch Vermittlung eines Engels und des Apostels Johannes die Offenbarung gerichtet hat? Eine fundamentale Frage, an der sich das Verständnis dieses prophetischen Buchs entscheidet. Und was ist die Aufgabe und Berufung der Knechte Gottes in der letzten Zeit dieses Äons? Und ihre ewige Bestimmung?

Zur Beantwortung gehe ich zunächst in die sieben Sendschreiben, und zwar jeweils zu den Verheißungen, die dort den Überwindern zugesprochen werden. Sie sollen erstens vom Baum des Lebens essen, d.h. sie werden wieder lebendig gemacht. Zweitens wird der zweite Tod ihnen nicht schaden, d.h. sie bekommen einen unzerstörbaren Leib. Drittens empfangen sie eine himmlische Speise und einen neuen Namen. Viertens erhalten sie Gerichtshoheit über die Nationen. Fünftens bekommen sie weiße Priester und Königsgewänder. Sechstens bekommen sie Wohn- und Bleiberecht im Neuen Jerusalem und siebentens dürfen sie dort zusammen mit Christus die Menschheit auf der neuen Erde regieren.

Alle sieben Verheißungen erfüllen sich im Buch der Offenbarung Jesu Christi. In Kap. 7 schaut Johannes eine große Schar vor dem Thron Gottes stehen. Sie kommen aus dem Leid der großen Bedrängnis, und Gott wischt ihre Tränen ab, d.h. sie sind den Märtyrertod gestorben und nun wieder lebendig gemacht (Offb 7,9-17). In Offb 20,4-6 erfüllt sich die Verheißung des unzerstörbaren Leibes. Die Märtyrer werden gewürdigt, als Priester 1000 Jahre am Gericht über die Toten mitzuwirken. Die dritte Verheißung (himmlisches Manna, neuer Name) erfüllt sich in Offb 7,16 und 19,12, wo die Heiligen gespeist werden und zusammen mit Christus, der einen neuen Namen trägt, auf die Erde kommen. Die verliehene Hoheit über die Nationen üben die Überwinder aus, wenn sie zusammen mit Christus an den im Heiligen Land versammelten israel- und christusfeindlichen Völkerheeren das Gericht vollziehen (Offb 19,14). Die weißen Priestergewänder werden ihnen im Himmel vor dem Thron Gottes gegeben (Offb 7,9.13; 19,14). Dann finden wir die Überwinder im Neuen Jerusalem wieder. Die große Stimme vom Thron verkündet ihnen, dass sie nun in Ewigkeit bei Christus wohnen dürfen (Offb 21,3ff). Und schließlich erfüllt sich die Verheißung, dass sie mit Christus königlich regieren werden, in Offb 22,5.

Als Ergebnis halten wir fest: Die sieben Sendschreiben sind Ermahnungen und Ermutigungen für die bedrängten, auf Christus wartenden Juden in der Zeit der großen Bedrängnis, die wegen ihres Widerstands gegen den falschen Christus und falschen Propheten den Märtyrertod erleiden. Sie werden damit zu Überwindern Satans. So sagt es die große Stimme im Himmel nach dem Hinauswurf Satans „Sie haben ihn überwunden durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses und haben ihr Leben nicht geliebt, bis hin zum Tod“ (Offb 12,11). Diejenigen, die in diesem Sinn überwinden, erhalten großartige Verheißungen, deren Erfüllung Johannes im Laufe seiner Gesichte schaut. Die Knechte Gottes sind also jüdische Märtyrer, das Buch der Offenbarung ist also ein Märtyrerbuch. Nach Offb 7,1-8 sind es 144000 jüdische Männer.

Woher kommen diese Männer? Noch ein kurzer Blick auf Offb. 12. Hier steht in geheimnisvollen Andeutungen, woher diese Märtyrer kommen. Sie werden unter Schmerzen von der „Frau“ geboren, und der Drache, also Satan steht bereit, sie zu fressen. Die Frau ist der ganze auf Christus wartende Teil des Volkes Israel. Die Märtyrerschar wird in Offb. 12 „der Männliche“ genannt. Dieser merkwürdige Ausdruck ist aus Jes 66,7 genommen. Dort schaut Jesaja, wie „Zion“, also das fromme Israel, eine geheimnisvolle Sturzgeburt erlebt. „Ehe sie Wehen bekommt, hat sie geboren; ehe sie in Kindsnöte kommt, ist sie eines Knaben (=“Männlichen“) genesen“. Im bedrängten Volk Israel wird es also in der letzten Zeit durch ein besonderes Eingreifen Gottes martyriumswillige Männer geben. In Offb 14,4 wird erwähnt, dass sie nicht verheiratet sind und dass in ihrem Mund keine Lüge gefunden wird. Sie werden bereit sein, für ihre Hoffnung auf Christus zu sterben, und sie werden dafür einen ganz besonderen himmlischen Lohn empfangen.

VI           Der künftige Segensdienst Israels an den Nationen

Wir haben gesehen, dass die 144000 Knechte Gottes, die Märtyrerschar, eine besondere Gruppe aus dem Volk Israel darstellt. Ihr plötzliches Erscheinen ist rätselhaft. Ihre Versiegelung, wie sie in Offb 7,1-8 geschildert wird, ist eine göttliche Aktion zur Wiederherstellung des 12-Stämme-Verbandes. Ihr Leben ist genauso vorbildlich wie ihr Mut, den Tod zu erleiden für den wahren Messias Jesus Christus. Und wir haben gesehen, dass die Offenbarung ihnen großartige Verheißungen zuspricht.

Aber was ist mit den anderen frommen Juden der endgeschichtlichen Zeit, die sich ebenfalls nicht beugen vor dem falschen Christus und falschen Propheten? Nach Offb 13,10 kommen etliche ins Gefängnis, nach 13,11ff müssen sie wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen erleiden. Schon Jesus sprach in seiner Endzeitrede von Gerichtsverhandlungen (Lk 21,12ff) und Hungersnöten (Mt 24,7). Diejenigen Juden, die sich dem Regime des falschen Christus widersetzen, werden Zielscheibe eines allgemeinen Hasses werden (Mt 24,9). Aber es wird auch Menschen aus den Nationen geben, die den verfolgten Juden beistehen. Das ist die Aussage des sehr unterschiedlich ausgelegten Abschnitts Mt 25,31-46. Jesus spricht dort von Menschen, die „seinen geringsten Brüdern“ zu essen und zu trinken geben, sie bei sich zuhause aufnehmen, sie kleiden, sie versorgen, wenn sie krank sind und sie im Gefängnis aufsuchen. Und er fügt hinzu „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Solche Menschen, die sich während der Großen Bedrängnis um verfolgte Juden kümmern, werden von Jesus „Gesegnete meines Vaters“ genannt. Gott wird sie in das ihnen vorbereitete Reich aufnehmen. Diejenigen aber, die sich an der allgemeinen Judenverfolgung beteiligen, werden dagegen zu ewiger Strafe verurteilt.

Am schlimmsten wird es denjenigen Juden gehen, die in Jerusalem und Judäa wohnen, unmittelbar im Einflussbereich des falschen Messias. Jesus ermahnt sie in Mt 24,15ff dringend, in die Berge zu fliehen. Eine wunderbare göttliche Hilfe wird ihnen zuteil. Die Offenbarung spricht in ihrer Bildersprache davon, dass der „Frau“ für dreieinhalb Jahre ein Bergungsort bereitet ist, wo sie vor dem Zugriff Satans sicher ist und auf Christus warten kann (Offb 12,6.13-16).

Es fällt auf, dass Jesus im Zusammenhang seiner Endzeitreden immer wieder zur Wachsamkeit aufruft. Er erinnert an die Tage Noahs vor der Flut, als niemand an eine mögliche Flutkatastrophe dachte (Mt 24,37-39). Er fordert auf zum fürsorglichen Umgang mit Untergebenen und zu einem klugen Umgang mit anvertrautem Geld (Mt 24,45-51 und 25,14-30). Die fünf klugen Jungfrauen nehmen Öl für ihre Lampen mit, d.h. sie passen auf, dass ihre Hoffnung auf den kommenden Bräutigam nicht erlischt. Die törichten Jungfrauen haben ihre Hoffnung aufgegeben (Mt 25,1-13). Das sind alles Mahnungen an das Volk Israel in der letzten Zeit. Haltet durch, seid klug, gebt die Hoffnung nicht auf. Christus kommt bald. In Lk 21,28 heißt es „Erhebt eure Häupter!“. Das ist ganz wörtlich gemeint. Nicht von der Erde, sondern vom Himmel her kommt der wahre Messias. Dorthin sollen die Frommen aus Israel blicken.

Es kommt der große Augenblick des Erscheinens Christi. Die auf ihn wartenden Juden sehen ihren Messias. Die Josephsgeschichte erfüllt sich als prophetische Weissagung auf Christus. So wie Joseph sich seinen Brüdern zu erkennen gab, so gibt sich nun Christus seinem Volk zu erkennen. Aber es sind nicht alle dabei. Nach ist es nur ein Drittel, das für dieses große Ereignis der Vereinigung Christi mit seinem Volk bewahrt werden wird (Sach 13,7-9), wenn auch durch Leid und Läuterung hindurch. Die anderen sind durch die Verführung abgefallen. „Draußen sind die Hunde und die Zauberer und die Unzüchtigen und die Mörder und die Götzendiener und alle, die die Lüge lieben und tun“ (Offb 22,15). Der neue Bund Gottes mit seinem geliebten und auserwählten Volk wird geschlossen. Christus spricht die Vergebung zu (Röm 11,27). Das Hochzeitsmahl wird gefeiert (Offb 19,9).

Jetzt ist Israel an seiner Bestimmung angekommen, ein Segensvolk für die Menschheit zu sein. Nach den Gerichtsakten, die der wiederkommende Christus vollzieht, werden Himmel und Erde erneuert. Das Neue Jerusalem senkt sich herab. Die Menschheit wird dann befreit sein von Satans Verführungskünsten. Die dann lebenden Völker werden kommen, „den Herrn Zebaoth in Jerusalem zu suchen und den Herrn anzuflehen“ (Sach 8,22). „Denn von Zion wird Weisung ausgehen, und des Herrn Wort von Jerusalem“ (Jes. 2,3). Das Volk Israel wird großartige Aufgaben und einen erfüllenden Dienst haben, und zwar in Ewigkeit (Jes 66,22).

VII          Gott kommt mit Israel zum Ziel

Die Pläne, die sich Gott mit seinem Auserwählungsvolk Israel vorgenommen hat, sind über alle Maßen erstaunlich. Kein Mensch könnte sich das ausdenken.

Erst erschafft sich Gott auf wunderbare Weise aus kleinsten Anfängen ein Volk, führt es mit vielen Wundern und Zeichen in ein ausgewähltes Land und zeigt ihm durch Propheten und Könige seinen Willen, aus ihm ein heiliges und priesterliches Volk zu machen, das die Nationen weise und gerecht regieren soll. Dann muss er feststellen, dass er auf halber Strecke steckenbleibt. Das Volk verweigert sich diesen Plänen. Immer wieder bemüht er sich um sie, bis er schließlich selber in Gestalt des Erlösers zu ihnen kommt. Doch auch ihn verkennen sie und töten ihn, zusammen mit der mächtigsten Nation der damaligen heidnischen Welt.

Dann nimmt er eine Zeitlang seine Pläne in die eigenen Hände und lässt durch das Evangelium der Menschheit das Heil verkündigen. Israel setzt er beiseite, aber er lässt es nicht fallen. Wenige nehmen Christus an, die meisten verbleiben in geistlicher Verstockung. Paulus sagt „Israel strauchelt, aber es fällt nicht“ (Röm 11,11). Wenn die in Gottes Ratschluss vorgesetzte Anzahl der Heiden das Heil empfangen hat, wendet er sich erneut Israel zu. Wiederum ist es nur ein Rest, der in den Bedrängnissen der letzten Zeit an der Hoffnung auf den wahren Messias festhält. Eine bestimmte Anzahl von ihnen ist sogar bereit, für diese Hoffnung zu sterben. Die übrigen werden von Gott auf wunderbare Weise durch die letzten Nöte hindurch gebracht.

Dann aber, nach der Drangsalszeit, kommt Gott mit Israel endgültig zum Ziel. Sie erkennen im wiederkommenden Christus ihren Erlöser und bekommen ein neues Herz und können nun auf der neuen Erde das Segensvolk für die Menschheit werden, das sie schon immer sein sollten. Und diejenigen, die bereit waren, ihr Leben für Christus zu lassen, werden sogar gewürdigt, in alle Ewigkeit Christus im Neuen Jerusalem zu dienen.

Wenn man das auf sich wirken lässt, wie Gott seine Pläne mit Israel letztendlich verwirklicht, dann kann man nur mit Paulus voller Staunen und Anbetung sprechen: „O wie tief ist der Reichtum der Weisheit und der Einsicht Gottes. Wie unergründlich seine Urteile, wie unerforschlich seine Wege! Wer hat je die Gesinnung des Herrn erfasst? Ist je einer sein Ratgeber gewesen?“ (Röm 11,33 und 34)

Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag Artikel empfehlen Artikel empfehlen

Dieser Beitrag wurde erstellt am Samstag 31. Mai 2014 um 9:03 und abgelegt unter Gemeinde, Theologie.