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Die Bibel – ein Christusbuch

Mittwoch 21. März 2012 von Dr. Joachim Cochlovius


Dr. Joachim Cochlovius

Die Bibel – ein Christusbuch. Reformatorische Schriftauslegung heute

1.)       Eine Renaissance der Heiligen Schriften im Islam und Judentum

Wer Gelegenheit hat, einmal ins ägyptische oder jordanische Fernsehprogramm zu sehen, wird erstaunt feststellen, welche Rolle dort der Koran spielt. Was bei uns die Ratespiele mit hohen Geldpreisen sind, das sind dort die Wettbewerbe um das Auswendiglernen von Koransuren. Mit großer Leidenschaft sind da alle Altersgruppen engagiert. Schon 10-jährige Schüler bringen es zur Meisterschaft. Von einem Besuch in Durban/Südafrika ist mir ein riesiger Schriftzug an einem Hochhaus in Erinnerung geblieben: Read the Qoran, the last Testament.

Wer in Jerusalem eine Jeshiwa, eine Talmudschule besucht, findet sich plötzlich in einem großen Saal mit vielen schwarz gekleideten Männern wieder, die mit wippenden Bewegungen sich Talmudaussagen einprägen. Und wer dann noch an einem Bar Mizwa-Fest teilnimmt, wo der 13 jährige jüdische Junge (bzw. das 12 jährige Mädchen) in die jüdische religiöse Gemeinschaft aufgenommen wird, und die Begeisterung miterlebt, mit der die Jugendlichen aus der Thora vorlesen, und vielleicht auch noch an einem Einschulungsfest, wo die Schulanfänger eine in einen goldenen Umschlag gehüllte jüdische Bibel feierlich überreicht bekommen, der ahnt etwas von der zunehmenden Wertschätzung, die hier den Heiligen Schriften des Judentums entgegengebracht wird.

Wo gibt es bei uns einen vergleichbaren Eifer um das Buch der Bücher, die Bibel? Ist nicht eher Bibelfrust, Bibelmüdigkeit und Bibelvergessenheit festzustellen? Bei einem Ärztekongreß in Hannover erlebte ich, wie ein Kirchenvertreter ein Grußwort sprach und nichts weiter zu sagen wußte als eine jüdische Anekdote.

2.)       Unsere Bibelvergessenheit hat Tradition

Die deutschsprachige geistige Tradition wird wesentlich von Lessing, Kant und Goethe geprägt. Bibelchristen waren sie nicht. Lessing bestritt die Einzigartigkeit Jesu Christi und stellte den christlichen Glauben auf eine Stufe mit dem Judentum und Islam. Alle drei Religionen stiften zur Wahrheitssuche an, aber selber verkörpern sie die Wahrheit nicht. Kant suchte im Menschen die Wurzeln der Moral und des Pflichtbewußtseins. Im Christentum sah er eine moralische Instanz und in Jesus einen moralisch hochwertigen Menschen. Aber daß jemand freiwillig für die Schuld anderer litt und starb, damit konnte er nichts anfangen. Goethe glaubte an das Gute und Edle im Menschen und suchte das Göttliche überall in der Schöpfung. In Christus den menschgewordenen Gott zu suchen, wozu die Heilige Schrift uns auffordert, das wollte er nicht.

Wenn alle Religionen nach der Wahrheit streben, braucht es keine christliche Mission mehr. Wenn die Moralität im Menschen zu finden ist, braucht es keine Bibel mehr. Wenn der Mensch aus sich heraus gut sein kann, braucht es keine Bekehrung. So entstand ein Christentum ohne Mission, ohne Bibel, ohne Bekehrung. In den Tornistern der deutschen Soldaten des 1. Weltkriegs sollen mehr Also sprach Zarathustra-Ausgaben als Bibeln gewesen sein. So wenig Prägekraft hatte dieses bibellose Christentum bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts!

Der Protestantismus hat als eine Bibelbewegung begonnen. Wenn er die Bibel nicht mehr ernst nimmt, schneidet er sich von seiner Wurzel ab und macht sich bedeutungslos.

3.)       Das Schicksal des Protestantismus

Vor ein paar Tagen ist der anglikanische Erzbischof Rowan Williams vorzeitig zurückgetreten, immerhin geistlicher Leiter von 80 Millionen Anglikanern weltweit. Den meisten englischen Zeitungen war das keine Titelschlagzeile wert. Mein Doktorvater war in den 80er Jahren Bischof einer evangelisch-lutherischen Landeskirche. Einmal sagte er mir, daß die evangelischen Bischöfe früher von der Bundesregierung gefragt wurden, wenn größere Gesetzesvorhaben anstanden, seit einiger Zeit jedoch nicht mehr. Bedeutungsverlust. Die Röm.-kath. Kirche hat in ihrer Tradition und kirchlichen Überlieferung neben der Bibel ein zweites Standbein. Das hat der Protestantismus nicht. Wenn er die Bibel verliert, hat er alles verloren.

Wie kann er wieder zu einer Bibelbewegung werden, so wie am Anfang? Wenn er einen Zugang zur Bibel findet, bei dem sie sich selber als Wort des lebendiges Gottes erschließt. Einen Zugang, bei dem sich das Wort Gottes als Hammer erweist, der Felsen zerschmeißt (Jer 23,29), als schöpferisches Wort, das dem, was nicht ist, ruft, daß es sei (Röm 4,17). Das ist nichts weniger als eine Überlebensfrage. Wo finden wir einen solchen Zugang? Wenn überhaupt, dann in der reformatorischen Schriftauslegung.

4.)       Welche Autorität legt die Bibel letztverbindlich aus?

Die vorreformatorische Bibelexegese war extrem willkürlich. Als Auslegungsprinzip hatte sich die sog. Quadriga durchgesetzt, ein vierfacher Schlüssel, wonach der Exeget den Bibeltext entweder wörtlich, allegorisch, moralisch oder eschatologisch auslegte. Die allegorische Methode hatte jedoch alles überwuchert. Papst Bonifaz VIII hat in seiner Bulle Unam sanctam von 1302 mit Hilfe der Allegorie den päpstlichen Anspruch auf die Weltherrschaft begründet. In dieser Bulle wurde eine Stelle aus der Passionsgeschichte Jesu, wo die Jünger zwei Schwerter zu Jesus bringen (Luk 22,38), so umgedeutet, daß das eine Schwert von der Kirche und das andere für die Kirche gebraucht werden sollte. Diese Willkür wurde vom Lehramt der Röm.-kath. Kirche abgedeckt.

Im Zuge der beginnenden reformatorischen Bewegung kam es ab 1520 noch zu einer ganz anderen Bibelauslegung. Theologen wie Thomas Müntzer propagierten eine subjektive, auf übernatürlichen Erleuchtungen beruhende Bibelauslegung, die schließlich den offenen Aufruhr gegen die Fürsten als nötig verkündete, um das Reich Gottes auf Erden zu errichten.

Zwischen diesen beiden Autoritäten mußte sich die Reformation ihren Zugang zur Bibel suchen. Beiden Autoritäten gegenüber, dem kirchlichen Lehramt und der subjektiven Erleuchtung, blieb sie zutiefst mißtrauisch. Zu offensichtlich waren die negativen Folgen dieses Umgangs mit der Bibel.

Kurzer Exkurs in die Gegenwart. Welche Autoritäten bestimmen heute die offizielle kirchliche Bibelauslegung in der evangelischen Kirche? Der Gemeindehilfsbund hat im Oktober verg. Jahres an den Rat der EKD, an das Präsidium der Synode der EKD und an die Kirchenleitungen aller 22 Landeskirchen in Deutschland eine Resolution geschickt, die von den Teilnehmern eines bundesweiten Glaubens- und Besinnungstages am 24.9.11 verabschiedet worden war. Darin wurde erklärt, daß die Öffnung der evangelischen Pfarrhäuser für gleichgeschlechtliche Partnerschaften gegen Geist und Buchstaben der Heiligen Schrift verstößt. In der Antwort des Kirchenamts der EKD heißt es wörtlich: „Die EKD nimmt für sich in Anspruch, mit dem Pfarrdienstgesetz nicht eine bloße Anpassung an den Zeitgeist vorgenommen zu haben, sondern Grundsätze christlichen Wirklichkeitsverständnisses und Glaubens verantwortlich auf die gegenwärtige Situation und heutige Erkenntnisse zu beziehen“. Wir sind also wieder beim kirchlichen Lehramt als letzter Auslegungsinstanz angekommen. Noch einmal: Wie haben die Reformatoren die Heilige Schrift ausgelegt?

5.)       Die Suche nach einem gnädigen Gott

Was hatte nicht Luther alles getan, um den Frieden mit Gott zu finden. Die Entscheidung, Mönch zu werden, strenges Fasten, intensive Beichtgespräche, strikter Gehorsam gegenüber den Vorgesetzten, die Reise nach Rom. Die bange Frage, ob das ausreicht, um vor den strengen Augen Gottes zu bestehen, konnte er nicht beantworten. Wie finde ich die Gewißheit, daß Gott mir gnädig ist? Bei der Vorbereitung auf eine Römerbriefvorlesung wird er unruhig bei Röm 1,17: „Im Evangelium wird Gottes Gerechtigkeit offenbart“. Ein gerechter Gott muß mich strafen, böse wie ich bin. Das ist kein Evangelium für mich. Da wird ihm ein neues Verständnis von Röm 1,17 geschenkt. Gottes Gerechtigkeit, das ist nicht seine richterliche Gerechtigkeit, mit der er die Guten belohnt und die Bösen bestraft, sondern seine errettende Gerechtigkeit, mit der er allen Menschen Heil und Vergebung gibt, die an Christus glauben. Christus als Inbegriff des gnädigen Gottes, das wird zum Lebensthema der Reformation. Und damit ist ein neuer Zugang zur Bibel geöffnet. Die Bibel wird zum Christusbuch.

Nicht so, daß nun überall Spuren zu Christus gesucht werden, so wichtig sie sind, sondern so, daß die Bibel als Heilsbuch verstanden wird, das nur ein Ziel hat, Christus zu offenbaren. In diesem Horizont erkennt Luther überall den Christusbezug. „Das ist unbezweifelt, daß die ganze Schrift auf Christus allein gerichtet ist“ (Von Menschenlehre zu meiden, 1522). „Christus ist der Mittelpunkt des Zirkels, und alle Historien in der Heiligen Schrift, insofern sie recht angesehen werden, gehen auf Christus“ (Predigt über Joh 3,13f, 1538).

6.)       Gottes Reden durch die Heilige Schrift

Wenn die ganze Bibel ein Christusbuch ist, könnte man denken, sie sei durch und durch Evangelium. Doch das wäre ein Mißverständnis. Es liegt ja auch auf der Hand, daß die Bibel keineswegs überall Gottes Gnade zuspricht, sondern voller Gebote und Ermahnungen ist, im Alten und Neuen Testament. Sie ist, so das reformatorische Schriftverständnis, Gesetz und Evangelium, Anspruch und Zuspruch Gottes zugleich, und zwar sowohl im Alten als auch im Neuen Testament. Beides, Gesetz und Evangelium, muß in gleicher Weise gepredigt und gehört werden. Das gepredigte Gesetz zeigt uns unser ganzes Unvermögen, unsere ganze Bedürftigkeit und macht uns zu Sündern vor Gott. Das gepredigte Evangelium zeigt uns Christus als unseren Herrn und Heiland und lockt uns, mit unserer Sünde zu ihm zu kommen und bei ihm Vergebung und neues Leben zu suchen.

Eine Gemeinde oder eine Kirche, die nur das Evangelium predigt, verfehlt den geistlichen Zweck der Bibel genauso wie eine Verkündigung, die nur ermahnt und anklagt. Die öffentliche Verkündigung in den evangelischen Kirchen leidet heute massiv unter einem Mangel an vollmächtiger Gesetzespredigt. Die Sünde wird namenlos gemacht, um ein Wort von Pastor Heinrich Kemner aufzugreifen. Sünde gibt es nur noch in ungerechten Verhältnissen und gesellschaftlichen Strukturen, aber die Schuld des Einzelnen wird nicht mehr beim Namen genannt. Ehebruch, Abtreibung, Unzucht, Habgier, Lüge, Unbußwilligkeit. Dem Anspruch Gottes an den Menschen wird die Spitze abgebrochen. Die Liebe Gottes deckt ja alles zu. Genauso gravierend ist aber auch der Mangel an vollmächtiger Evangeliumspredigt. Der Ruf zu Christus, der Ruf zur Beichte, der Ruf zur Bekehrung ist leise geworden. Der Mensch bleibt allein gelassen mit seiner unvergebenen Schuld. Das ist ein geistliches Drama ohnegleichen.

Wie kann die Predigt des Gesetzes und Evangeliums konkret aussehen? Zwei Beispiele. In Hiob 1,1 wird Hiob geschildert als fromm, rechtschaffend, gottesfürchtig und das Böse meidend. Das ist zunächst Gesetz, denn Gott hat diesen Anspruch an uns alle. Aber es ist auch Evangelium, denn in Christus kann Gott und will Gott uns umgestalten. In Spr 6,6 wird der Fleiß der Ameise als Vorbild hervorgehoben. Das Gesetz fragt: Wie steht es mit unserem Fleiß? Das Evangelium verheißt: Jesus hilft mir meine Prioritäten zu ordnen.

7.)       Die Klarheit der Schrift

Infolge der Dominanz der historisch-kritischen Bibelauslegung hat sich bei vielen Christen die Überzeugung gebildet, daß zwischen den biblischen Texten und uns heute eine tiefe Kluft besteht, die nur durch kritische und geschichtliche Erforschung überwunden werden kann. So erklärte eine evangelische Synode 1998 „Wir halten es für grundlegend, daß jede sachgemäße Bibelauslegung die Distanz zwischen der konkreten Situation damals und der heutigen Situation auf vernünftige, dem heutigen Leben dienliche Weise zu berücksichtigen hat“. Daß die Heilige Schrift selber die Kraft hat, den geschichtlichen Abstand zu uns heutigen Menschen zu überwinden, kommt in solchen Stellungnahmen nicht mehr vor. Hier kann die reformatorische Lehre von der Klarheit bzw. Verständlichkeit der Schrift helfen.

Diese Lehre ergibt sich folgerichtig aus der Erkenntnis der Gnade Gottes. Wenn Gottes Liebe zur verlorenen Menschheit so stark ist, daß er seinen Sohn in die Welt sandte und dahingab, dann hat Gott auch dafür Sorge getragen, daß die Botschaft von diesem Ereignis klar und verständlich niedergeschrieben wurde und der Menschheit bekanntgemacht wird. Wenn Gott das höchste Geheimnis überhaupt, nämlich seine Menschwerdung, so deutlich und vor so vielen Zeugen vor aller Welt offenbart hat, wie er es getan hat, dann gibt es im Grunde keine Unklarheiten mehr, die nicht im Lichte dieses Geschehens erhellt werden können. So argumentiert Luther in seiner Schrift „Vom verknechteten Willen“ gegen Erasmus von Rotterdam (1525). Gleichzeitig betont er, daß diese „äußere Klarheit“ der Schrift, also ihre Verständlichkeit, nicht unmittelbar zum Glauben, zur „inneren Klarheit“ führt, sondern daß es dazu der Erleuchtung durch den Heiligen Geist bedarf.

Daß historische, linguistische, archäologische, geographische oder sozialgeschichtliche Untersuchungen zum Umfeld der Bibel nützliche Erkenntnisse vermitteln, steht außer Frage. Aber klar und verständlich ist die Bibel auch ohne sie.

8.)       Die Selbstauslegung der Schrift

Eng mit der Lehre von der doppelten Klarheit der Schrift hängt die Lehre von der Selbstauslegung der Schrift zusammen. Auch dieser Grundsatz ist theologisch, als Aussage über Gott, zu verstehen. Wer in persönlicher Existenznot nach Gottes Gnade in Christus greift, verläßt sich darauf, daß Gott selbst ihn zu einem richtigen Schriftverständnis führt und er nicht die eigenen frommen Wünsche in die Schrift hineinlegt. Der Glaube vertraut sich Gott auch im Umgang mit der Schrift vorbehaltlos an. Mit dem Grundsatz der Selbstauslegung der Schrift hat Luther den unmittelbaren Zugang zur Bibel eröffnet und die Freiheit des Christen von aller Bevormundung durch kirchliche oder theologische Instanzen gewährleistet. Auch die Selbstauslegung der Schrift ist christozentrisch gemeint. Die Schrift, oder besser gesagt der Heilige Geist, legt alles auf Christus hin aus. Jede Schriftstelle sagt mir dann, wer ich vor Gott bin und was ich in Christus habe.

Die reformatorische Lehre von der Selbstauslegung der Schrift ist heute von größter Bedeutung. Kirchliche Blätter verbreiten ungehindert Exegesen, welche die Fundamente des christlichen Glaubens verrücken. In der „Evangelischen Zeitung“ vom 19.2.2012 war zu lesen, daß die „Sühnopfertheorie“ zuerst von Paulus formuliert und dann von Anselm v. Canterbury auf den „dogmatischen Punkt“ gebracht worden sei, daß ihr aber schon immer widersprochen worden sei. Diese Theorie sei für Paulus „existentiell ganz wichtig“ gewesen, „um seine eigenen Schuldgefühle bei der Verfolgung der jungen Gemeinde verarbeiten zu können“. Der Verfasser schlägt statt dessen die folgende Deutung des Todes Jesu vor: „In Jesus hat Gott die unbeugsame Liebe zum irdischen Leben und zu allen Menschen in innerer und äußerer Not unbeirrt durchgehalten“. Mit wenigen Strichen wird hier das Versöhnungswerk Gottes auf Golgatha durchgestrichen. Wie gut, daß sich die Schrift selber auslegt, auf Christus hin!

9.)       Die reformatorische Schriftauslegung wird durch Paulus bestätigt

Ich wähle eine Kernaussage aus dem 2. Brief des Paulus an Timotheus aus. Paulus ermahnt Timotheus, bei den Heiligen Schriften zu bleiben, in die er schon von Kind auf unterwiesen worden ist. Dann sagt er als Grund: „Sie können dich unterweisen zur Errettung durch den Glauben an Christus Jesus“ (2 Tim 3,15). Die Aussage des Apostels ist erstaunlich. Wenn er „Heilige Schriften“ sagt, meint er selbstverständlich die Bücher des Alten Testaments. Den neutestamentlichen Kanon gab es zu seiner Zeit noch nicht. Das Alte Testament vermag also im Glauben an Christus Jesus zu unterweisen. Wie kann er so etwas sagen? Weil die Bücher des Alten Testaments Christusbücher sind. Weil Gott im Alten Testament durch Anspruch und Zuspruch redet. Weil es klar und verständlich vom Heil Gottes spricht. Und weil es sich selber zu Christus hin auslegt. Wir sehen, daß die reformatorische Schriftauslegung durch das Zeugnis der Apostel gestützt wird.

10.)     Der Heilige Geist ist der Verfasser der Bibel

Wir bleiben bei 2 Tim 3, weil wir hier noch weitere Entdeckungen zur Schriftauslegung machen können. Paulus sagt in V. 16a, daß die Schriften von Gott gehaucht sind. Hauch – Atem –Geist, das ist ein und dasselbe. Die Schriften des Alten Testaments, und wir können getrost hinzufügen auch die Schriften des Neuen Testaments haben auf geheimnisvolle Weise den Heiligen Geist zum Verfasser. Aber wir wissen aus Röm 8,16, daß der Heilige Geist mit dem menschlichen Geist korrespondiert. Er entmündigt ihn nicht, er bevollmächtigt ihn. Es war der vom Heiligen Geist inspirierte Geist der biblischen Verfasser, der ihre Schriften zu Christusbüchern gemacht hat. Wenn wir das verstehen, werden wir demütig vor diesem Wunder.

Luthers letzte Aufzeichnung kurz vor seinem Tod lautet: Den Vergil in seinen Bucolicis (Hirtenliedern) kann niemand verstehen, er sei denn fünf Jahre Hirte gewesen. Den Vergil in seinen Georgicis (Bauernliedern) kann niemand verstehen, er sei denn fünf Jahre Ackermann gewesen. Den Cicero in seinen Episteln kann niemand ganz verstehen, er habe denn fünfundzwanzig Jahre sich in einem großen Gemeinwesen bewegt. Die Heilige Schrift meine niemand genug geschmeckt zu haben, er habe denn hundert Jahre lang mit Propheten wie Elia und Elisa, Johannes dem Täufer, Christus und den Aposteln die Gemeinden regiert. Lege nicht Hand an diese göttliche Äneis, sondern gehe anbetend ihren Fußstapfen nach. Wir sind Bettler. Das ist wahr. 16. Februar, anno 1546

11.)     Die Bibel als Lehrer

In 2 Tim 3,16b nennt Paulus die von Gottes Geist inspirierten Schriften „nützlich zur Lehre“. Lehre im biblischen Sinn, das ist etwas anderes als unsere schulische und akademische Wissensvermittlung, das ist Einübung in die Bewältigung des Lebens. In diesem Sinn war Jesus Lehrer. Die Jünger nannten ihn Rabbi, wörtlich „mein Lehrer“, „mein Meister“. Er übte sie ein in ein Leben unter Gottes Herrschaft. Und die Bergpredigt ist die Verfassung dieses Lebens. So und nicht anders lehrt die Bibel: Es geht ihr um Lebensbewältigung, es geht um Todesbewältigung, es geht um Zukunftsbewältigung.

12.)     Leben lernen und sterben lernen durch die Bibel

Paulus schildert in 2 Tim 3,16b einen dreifachen geistlichen Nutzen der Bibel. Was kein Mensch vermag, das kann das Buch der Bücher. 12.1: Die Bibel deckt Schuld auf. Wenn Menschen versuchen, unsere Schuld aufzudecken, reagieren wir gereizt und „ent-schuldigen“ uns. Die Bibel schafft das Wunder: sie macht uns zu Sündern und wir sagen Ja dazu. 12.2: Die Bibel bringt uns auf den richtigen Weg. Niemand sonst kennt den richtigen Weg. Nur Christus, der es von sich selber so sagt. 12.3: Die Bibel erzieht uns zu einem Leben nach Gottes Willen. Gottes Willen ist, daß wir ihn über alles lieben und unseren Nächsten so wie uns.

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Mittwoch 21. März 2012 um 7:39 und abgelegt unter Gemeinde, Theologie.