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Hochzeit zu feiern ist nicht schwer, Ehe zu leben dagegen sehr!

Mittwoch 8. Februar 2012 von Ruth Heil


Ruth Heil

Hochzeit zu feiern ist nicht schwer, Ehe zu leben dagegen sehr! 

„Habt ihr schon einmal miteinander gestritten?“, fragte uns Walter Trobisch im Jahr 1965, als wir ihm erzählten, daß wir uns verloben wollten. Wir hatten! Aber ich fürchtete mich vor seinem erhobenen Zeigefinger. Deshalb schwieg ich. Mein damaliger Freund aber nickte, und was blieb mir anderes übrig, als dasselbe zu tun. Denn allein streitet es sich schlecht. „Ihr beide werdet streiten“, ließ er uns wissen. „Deshalb solltet ihr prüfen, ob ihr einander vergeben könnt. Sollte ich euch einmal trauen, wärt ihr das unterschiedlichste Ehepaar, das mir je begegnet ist“. Zu dieser Zeit nahm ich solche Mahnungen nicht ernst. Wir beide liebten uns herzlich. Das genügte. Oder doch nicht?

Über manches kann ich heute schmunzeln, aber in dem Moment, als es passierte, wirkte es auf mich wie eine Katastrophe. Die Hochzeit war ein wundervolles Fest. Doch im Vorfeld die Einigung auf die Zahl der eingeladenen Gäste zu erzielen war nicht unproblematisch. Ich hätte aus Freude am liebsten alle Menschen eingeladen, die ich kannte, er nur die engsten Verwandten und Freunde. Durch unseren Minigeldbeutel fiel allerdings die Entscheidung von selbst.

Glatteis und andere Verzögerungen ließen mich viel zu spät am Standesamt ankommen. Für meinen zukünftigen Mann war dies eine ungeheure Zerreißprobe. Ich fand es einfach aufregend und lustig. Bei der kirchlichen Trauung antwortete ich voll tiefer Überzeugung laut mit „Ja“, als ich gefragt wurde, ob ich in Freud und Leid ihm die Treue halten wollte. Sein „Ja“ war so gehaucht, dass man Mühe hatte, es richtig zu hören. Möglicherweise ahnte er damals schon die Herausforderung, die mit mir auf ihn zukam.

Nach meinem Schwesternexamen wohnten wir dann endlich ganz zusammen. Doch die Zeit und Mühe, die ein Pfarramt mit sich bringen würde, waren mir vorher nicht im Geringsten bewusst. Wir verbrachten viel Zeit mit Menschen, die in Not waren und uns um Hilfe baten. Aber uns blieb kaum Zeit, um miteinander das Gespräch zu pflegen. Manchmal war ich neidisch auf jeden, der als Gast an unserer Tür erschien.

Dann bekamen wir unser erstes, heiß ersehntes Kind. Es war eine schwere Geburt, und ich war danach völlig erschöpft, kaum fähig ein Mittagessen auf den Tisch zu bringen. Dem Kind allerdings widmete ich mich ganz. Ich stand mehrmals in der Nacht auf, um es zu stillen. Wenn mein Mann etwas von mir wollte, fühlte ich mich zu kraftlos und schwach. Das Kind war zum Zentrum meines Denkens geworden, mein Mann eine Randfigur. Er ging seiner Arbeit nach, ich meiner. Wir waren ein tolles Arbeitsteam, aber kein Ehepaar, das sich liebevoll beschenkte mit persönlichem Gespräch oder Nähe. Ging es um Dienst, funktionierte jeder von uns perfekt; ging es um Gefühle, fühlte jeder sich zu kurz gekommen. Wir litten beide.

Obwohl in unserem Dorf der Herr Pfarrer bekannt war für seine ausgezeichneten Predigten, lehrte ich ihn, seine Frau, nach jedem Gottesdienst, wie er es hätte noch besser machen können. Ich war nicht besonders aufbauend für ihn. Es war meine Aufgabe, so dachte ich, ihm echte Gehilfin zu sein und ihn zum Höchsten herauszufordern. Dass ich ihn dabei entmutigte und klein machte, wäre mir nicht einmal in den Sinn gekommen.

Viele Frauen haben von Gott die Gabe der Intuition bekommen. Es meint, dass eine Frau Vieles ganzheitlich wahrnimmt. Ihre Ergebnisse beruhen meist nicht auf logischer Denkarbeit und sind deshalb oft schwer erklärbar. Dadurch sind sie auch nicht nachvollziehbar für den Mann, vor allem für den Ehemann.

Da der Mann durch Nachdenken zu Antworten findet, braucht er für diesen Prozess länger. Durch die spontanen Entscheidungen der Frau wird er häufig blockiert. Das alles wusste ich nicht. Ich wünschte mir nur so sehr, dass mein Mann endlich die Entscheidungen in unserer Familie treffen sollte, dass er mich führen sollte, – und möglichst dann noch so, wie ich es mir wünschte! Dass ich ihm dazu weder Gelegenheit noch Zeit gab, das merkte ich nicht einmal.

Wenn mein Mann schwieg, fühlte ich mich abgelehnt. Ich meinte, dies wäre seine Art, um mich zu bestrafen. So gerne hätte ich mich mit ihm ausgesprochen, aber Aussprachen dieser Art mündeten in einer Diskussion, bei der wir Beide verletzt zurückblieben. Ich begriff nicht, dass meine Vorschläge zum Gespräch ihm vorkamen wie Einladungen, bei denen ich ihn mit Vorwürfen überhäufen wollte.

Ebenso ging es beim Gebet. Vor der Ehe hatte das wunderbar funktioniert. Da konnten wir lange zusammen beten. Aber nach der Hochzeit fing es an, problematisch zu werden. Ich wusste damals nicht, warum mein Mann nicht mehr mit mir beten wollte. Später sagte er mir, dass ich für seine Begriffe viel zu langatmig gebetet hätte. Außerdem hätte ich die Angewohnheit gehabt, im Gebet Gott alles vorzuklagen, was er, mein Mann, angeblich falsch gemacht oder wo er mich nicht verstanden hätte. Mein Mann war es leid, meine Klagelieder anzuhören, die ich Gott über ihn vorgejammert hatte.

Wir sind älter geworden. Fast 45 Jahre sind seit der Hochzeit vergangen. Es ist Gottes Gnade, dass wir noch beisammen sind. Mit seiner Liebe hat er unsere Liebe füreinander immer wieder erneuert. Ich danke Gott, dass wir heute wieder so von Herzen miteinander beten können.

Nach wenigen Ehejahren klappte es endlich, einen Urlaub zu planen. Wir hatten inzwischen ein oder zwei Kinder. Friedlich schliefen sie in unserer Ferienwohnung. Wir nutzten die Zeit zu einem kleinen Abendspaziergang. Dunkel wirkte der Wald, aber hell erleuchtete der Mond einen kleinen Pfad. Als mein Mann den Arm um mich legte, erfüllte mich ein großes Glücksgefühl. Es war nur einfach der Alltag, der uns einander so fremd machte, dachte ich in meinem Herzen. Eigentlich haben wir doch einander sehr lieb. „An was denkst du denn?“, fragte ich ihn schwärmerisch. „Weißt du“, sagte er ganz ehrlich, „dort drüben am Berg muss eine Straße sein. Ich sehe immer wieder Autolichter. Und nun überlegte ich gerade, ob es die Lichter eines Mercedes oder eines VW sein könnten.“

Ich war tief erschüttert. War das alles, worüber er nachdachte? War ich an seiner Seite nicht viel wichtiger? Er liebt mich nicht, das war das Ergebnis meines Denkens. Er hat mich noch nie wirklich geliebt. Enttäuscht rannte ich den Waldweg entlang und weinte laut. Er kam hinterher: „Was in aller Welt habe ich wieder falsch gemacht?“ fragte er, „ich habe nur auf deine Frage geantwortet.“

Heute bereite ich Fragen anders vor, wenn ich entsprechende Antworten hören will. Und mein Mann sagt augenzwinkernd: „Wenn meine Frau so eigenartig fragt, dass ich spüre, sie will eine ganz spezielle Antwort, habe ich mir von Gott einen bestimmten Hebel wachsen lassen. Den betätige ich dann und frage Gott: „Herr, was will sie eben hören?“

Ehekrisen? Jede Ehephase ist eine neue Herausforderung….

Kleinkinder
Die Phase mit kleinen Kindern birgt die Gefahr, den Ehepartner zu vernachlässigen. Nähe hatte ich genug und sehnte mich nach Gespräch. Mein Mann aber hatte viele Gespräche mit Menschen und wollte Nähe. Diese unterschiedlichen Erwartungen machten wir uns gegenseitig zum Vorwurf. Jeder hatte ein permanentes Hungergefühl – nur nicht nach dem, wonach der andere verlangte. Wir fühlten uns beide zu kurz gekommen und brauchten eine ganze Weile, bis wir begriffen, dass der andere auch litt.

Erziehungsphase
Dann begann die Erziehungsphase. Meine Stärke war es, dem Kind Verstehen, Umarmungen, Zeit zu geben. Wenn mein Mann in die Erziehung eingriff, meinte ich ständig abmildern zu müssen, was er für richtig hielt. Er aber hatte den Eindruck, meine Weichheit wäre keine Erziehung, sondern führte zur vollständigen Verwöhnung des Kindes. Auf seine Weise versuchte jeder die „Fehler“ des Partners aufzufangen, die gar nicht wirklich falsch waren, sondern Besonderheiten. Das führte zum ständigen Hinterfragen und Hintergehen der Regeln, die der andere gesetzt hatte. Heute freue ich mich, wenn mein Mann immer wieder eingreift zu einem Zeitpunkt, an dem Verstehen von meiner Seite die Kinder fast zur Überschreitung anleitet.

Wenn Kinder erwachsen werden
Als unser fünftes Kind, eine Tochter von siebzehn Jahren, uns zu verstehen gab, dass sie heiraten werde, wenn sie ihren 18. Geburtstag erreicht hätte, fiel für mich fast die Welt zusammen. Mein Mann sah darin gar keine so große Tragödie und konnte meine Sorgen kaum nachvollziehen. Warum sollte sie nicht heiraten und dann doch das Abitur schaffen? Ich war ihm Gram, dass er sich so wenig mit mir darüber unterhielt. Heute bin ich dankbar dafür, dass er nicht meine Sicht übernahm, sie an der Hochzeit hindern zu wollen. Wahrscheinlich hätte dies ohnehin nichts genutzt. Inzwischen geht das junge Paar seit 7 Jahren einen guten Weg miteinander. Unsere Tochter studiert heute in U.S.A.

Krankheit
Krankheitszeiten waren immer besondere Belastungsproben unserer Ehe, weil einer plötzlich für alles zuständig war. Trotzdem haben uns diese schweren Zeiten auch immer neu sensibel füreinander gemacht. Wenn einer von uns erkrankte, wurde uns oft erst bewusst, wie viel der andere uns bedeutete, wie wichtig er für unser Leben war. Ich sehe Krankheitszeiten als Gnadenzeiten an, selbst wenn sie manchmal nur schwer zu bewältigen sind.

Die Frau über 40
Eine besondere Phase in unserer Ehe hat begonnen, seit ich über vierzig bin. Mir scheint, als wolle Gott alles Vergangene noch einmal ins Bewusstsein bringen, gut durchschütteln und uns schließlich zur Verarbeitung überlassen. Alte Selbstwertzweifel wachten neu auf, unbewältigte Erlebnisse, unverarbeitete Bitterkeit, die Wurzeln geschlagen hatte, und vor allen Dingen eine große Sehnsucht nach Leben, nach dem vollkommenen Mann, der alles verstehen, alles ertragen kann und immer noch, beziehungsweise wie damals vor der Hochzeit romantische Liebeserklärungen macht.

Jede Persönlichkeitskrise zieht auch im weiteren Verlauf eine Ehekrise nach sich. Weil man sich selbst hinterfragt, hinterfragt man auch den Partner. Und wer mit sich selbst unglücklich ist, ist kaum fähig, einen anderen froh zu machen. Er erträgt auch nicht, dass dieser sich freut, während man selbst im Loch sitzt. Ich klagte ein, was im Laufe unserer Ehe für mich unbefriedigend war. So verirrt war ich manchmal in meinem Denken, meiner Sehnsucht und meinen Wünschen, dass ich bereit war, ziemlich viel aufzugeben, um wirkliches Glück erleben zu können. Wie sehr mir mein Verstand auch Widerstand leistete, wie sehr auch mein Leben mit Gott eigentlich den Mittelpunkt meines Lebens ausmachte, ich meinte, ein Recht auf Leben zu haben. Was ich mir genau darunter vorstellte, hätte ich nicht einmal richtig formulieren können.

So kam es, dass ich Gefühlseinbrüche hatte und oft anfing zu weinen, ohne sagen zu können, warum. Ich fühlte mich ausgelaugt und alt und beschuldigte dafür die ganze Welt, am meisten meinen Mann und danach noch den Rest der Familie. Vielleicht lässt Gott diese Phase zu, um in unserem Denken eine Wende zu schaffen, uns ganz klar zu sagen: dieses Leben hat ein Ende. Es ist begrenzt. Du kannst die Zeit nicht aufhalten. Denke über die Ewigkeit nach.

Aber zunächst ist einfach nur der Schock da: Ist es das gewesen? War das alles, was Liebe meint? Ich klagte Liebe ein, forderte meinen Mann auf, mir zu sagen, dass er mich liebte. Kopfschüttelnd konnte er manchmal nur kommentieren: „Hast du dich verändert!“

Um meinetwillen begann er Worte auszusprechen, die so gar nicht sein Stil waren. Er spürte, dass ich es brauchte, sein „Ich liebe dich“. Und als ich es ihn – fast ungläubig – das erste Mal wieder aussprechen hörte, fragte ich beglückt: „Meinst du das auch so?“ „Ehrlich gesagt“, meinte er trocken, „so würde ich meine Liebe zu dir eigentlich nicht ausdrücken. Aber ich spreche trotzdem so, weil du es brauchst.“

„Männer sind krisengeübt“, ließ mich neulich ein Ehemann wissen. „Mindestens einmal pro Monat muss man mit seiner Frau durch die Zykluskrise. Aber man weiß im Laufe der Zeit dann auch, dass es in zwei bis drei Tagen vorbei ist.“ Vielleicht ist dies einer der Gründe, warum Männer echte Krisen oft zu spät wahrnehmen, d.h., erst dann, wenn ihre Frauen nicht mehr mit ihnen leben wollen, weil sie keine Hoffnung mehr haben für die eigene Ehe.

Wir sind inzwischen krisengeübt. 32 Ehejahre heißt: 32 mal 365 Tage gemeinsame Bewältigung von Alltag und Ferien, Sorgen und Freuden, Enttäuschungen und Jubel, Fehlern und Vergebung. Gott sagt in seinem Wort, dass seine Barmherzigkeit alle Morgen neu ist (Klag. 3,23). Diese Barmherzigkeit wollen wir uns täglich neu schenken lassen.

Je länger wir verheiratet sind, umso mehr entdecke ich in unserer Ehe das große Geschenk, das Gott schuf, als er sagte: „und die beiden werden ein Fleisch“ (1. Mose 2,24). Ich kann es mir nicht mehr vorstellen, ohne meinen Mann weiterleben zu können. Innerlich fühle ich mich so verknüpft und verbunden mit ihm, dass ich nur sagen kann: Mein Gott, wie wunderbar hast du dir Ehe ausgedacht! Wie beschenkst du uns damit!

Ob es noch Konflikte gibt? Klar! Immer noch sind wir unterschiedlich. Immer noch müssen wir manchmal weite Wege gehen, um zu mancher Entscheidung zu finden, die jeder von uns bejahen kann. Immer noch brauchen wir gegenseitige Vergebung. Immer noch brauchen wir Jesus Christus in unserer Mitte als der Teil der dreifältigen Schnur (Prediger 4,12), die stark genug ist, uns mit unseren menschlichen Schwächen zu tragen.

Ausgestandene Konflikte können zu Wachstumsschüben, Stabilität und Reife in der eigenen Persönlichkeit und in der Ehebeziehung werden. Das habe ich so erlebt. Deshalb wünsche ich Ihnen: Gottes Segen beim Wachsen!

Ruth Heil (Family Life Mission e.V.)

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Mittwoch 8. Februar 2012 um 16:31 und abgelegt unter Ehe u. Familie.