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Stroherne Epistel oder Schwarzbrot für die Seele?

Montag 19. Oktober 2009 von Johann Hesse


Johann Hesse

Der Jakobusbrief – Stroherne Epistel oder Schwarzbrot für die Seele?

0 Der Jakobusbrief

0.1 Die stroherne Epistel

In seiner Vorrede zum Neuen Testament bezeichnete Martin Luther den Jakobusbrief als “recht stroherne Epistel”. Er hielt den Brief für nicht apostolisch, weil er gegen Paulus und die Rechtfertigung aus dem Glauben allein streite und des Leidens, der Auferstehung und des Geistes Christi nicht gedenke. In der Vorrede zum Jakobusbrief von 1522 schrieb Luther: “Das ist der rechte Prüfstein, alle Bücher zu tadeln, wenn man sieht, ob sie Christum treiben oder nicht. Sintemal alle Schrift Christum zeigt (Rö 3), und Paulus nichts denn Christum wissen will (1Kor 2). Was Christum nicht lehrt, das ist nicht apostolisch, wenn gleich Petrus oder Paulus lehrt; wiederum was Christum predigt, das ist apostolisch, wenn’s gleich Judas, Hannas, Pilatus, Herodes täte.” Er kommt zu dem Ergebnis: “Darum will ich ihn nicht haben in meiner Bibel in der Zahl der rechten Hauptbücher, will aber damit niemand wehren, dass er ihn setze und hebe, wie es ihn gelüste; denn es sind viele gute Sprüche sonst drinnen.” Wir wollen der Frage nachgehen, ob der Jakobusbrief eine “recht stroherne Epistel” oder Schwarzbrot für die Seele ist. Um diese Frage zu beantworten, werden wir einige Streifzüge durch die verschiedenen Themenschwerpunkte des Jakobusbriefes zu machen.

0.2 Der Verfasser des Briefes

Es kann nicht mit letzter Gewissheit gesagt werden, wer der Verfasser des Briefes war, doch deutet Vieles daraufhin, dass der Halbbruder Jesu der Verfasser gewesen ist: Jesus hatte vier Brüder: Jakobus, Josef, Simon und Judas. Sie werden uns in Matthäus 13,54.55 genannt. Im Brief an die Galater schreibt der Apostel Paulus: „Von den andern Aposteln aber sah ich keinen außer Jakobus, des Herrn Bruder“. (Gal 1,19). Jakobus gehörte zwar nicht zum Kreis der 12 Apostel, kam aber nach der Kreuzigung und Auferstehung seines Bruders zum Glauben (1Kor 15,7) und wurde danach zum Kreis der Apostel gerechnet. Er wurde zusammen mit den Aposteln Petrus und Johannes als tragende Säule der Jerusalemer Urgemeinde angesehen (Gal 2,9). In einer wichtigen Unterredung hatten die Apostel untereinander beschlossen, dass Paulus und Barnabas vor allem unter den Nichtjuden, Petrus, Johannes und Jakobus vor allem unter den Juden evangelisieren sollten (Gal 2,9).

0.3 Die Zwölf Stämme

Der Brief richtet sich an die “Zwölf Stämme in der Zerstreuung”, was eine judenchristliche Leserschaft nahelegt. Das wird bestätig durch den Gebrauch des Begriffes Synagoge in 2,2, durch die Verwendung alttestamentlicher Glaubensvorbilder (Abraham, Rahab, Hiob, Elia). Eine merkwürdige Adressierung, waren doch 10 Stämme schon seit dem Jahre 722 v. Chr. durch die assyrische Deportation im Völkermeer aufgegangen. Von den Propheten des Alten Testament bis hin zur Offenbarung wird die Sammlung und Wiederherstellung des ganzen Volkes Israels mitsamt der zwölf Stämme am Ende der Zeiten unter dem verheißenen Messias angekündigt (Hes 47,13; Offb 7,1-8). Jakobus ist überzeugt, dass diese Sammlung des Volkes in Jesus Christus begonnen wurde und vollendet wird. Die vor allem jüdisch-christlichen Leser des Briefes sind durch den Glauben an Jesus Christus Teil des endzeitlichen Israels.

0.4 Judenchristen in der Diaspora

Jakobus nennt auch den Aufenthaltsort seiner Leser. Sie sind nicht einer ganz bestimmten Ortsgemeinde zuzurechnen, wie z. B. im Brief des Paulus an die Gemeinden in Rom, Ephesus oder Philippi. Die Empfänger des Jakobusbriefes leben in der Diaspora, also in der Zerstreuung. Die Apostelgeschichte berichtet, dass in Jerusalem nach Pfingsten tausende von Juden zum Glauben an Jesus Christus fanden. In der Apostelgeschichte finden wir dann einen bemerkenswerten Hinweis: “Die aber zerstreut waren wegen der Verfolgung, die sich wegen Stephanus erhob, gingen bis nach Phönizien und Zypern und Antiochia und verkündigten das Wort niemandem als allein den Juden” (Apg 11,19) Hier wird das Verb “diaspeiro” gebraucht, dessen Substantiv “Diaspora” in Jak 1,1 verwendet wird. Im Anschluss an die Steinigung des Stephanus wurde die judenchristliche Gemeinde in Jerusalem massiv verfolgt und weit verstreut. Da Jakobus nun seine Gemeinde nicht mehr unmittelbar betreuen konnte, nutzte er die Form des Briefes, um die verfolgten und versprengten Gläubigen zu erreichen. Einmal geschrieben konnte er kopiert werden und sodann an verschiedene judenchristliche Versammlungen in der Diaspora verschickt werden.

0.5 Das zentrale Anliegen des Jakobusbriefes

Martin Luther hatte den Eindruck, dass Jakobus Paulus widerspräche, weil er nicht die Rechtfertigung allein aus Glauben lehrte, sondern den Werken einen Anteil an der Rechtfertigung zukommen ließ. Doch der Widerspruch löst sich schnell auf, wenn man bedenkt, dass Jakobus und Paulus an unterschiedliche Leserkreise mit unterschiedlichen Problemstellungen schrieb. Paulus reagierte mit seinen Briefen auf die falsche Lehre, dass das erlösende Heil nicht vollständig in Christus gegründet sei und man sich das Heil durch das Halten des Gesetzes und des Tuns von guten Werken verdienen müsse. Jakobus dagegen reagierte auf die falsche Lehre, dass das bloße Anerkennen der göttlichen Erlösungslehre ohne eine sichtbare Neuorientierung des Lebensstils ausreiche, um das Heil zu erlangen. Berücksichtigt man diese unterschiedliche Frontstellung nicht, kommt man wie Luther zu dem Ergebnis, Jakobus widerspräche Paulus. Johannes Calvin sah diesen Widerspruch nicht. Er gestand es dem Jakobusbrief zu, den Schwerpunkt anders zu setzen, ohne dabei anderen Schriften der Bibel zu widersprechen. Er schrieb: “Denn den Anschein, als würde im zweiten Kapitel die Lehre von der Rechtfertigung allein aus Gnade erschüttert, werden wir seines Ortes leicht zerstreuen.” Zur Auslegung von 2,24 schrieb Calvin: “Der Mensch wird nicht durch den bloßen Glauben gerechtfertigt, d. h. durch eine nackte und leere Kenntnis Gottes. Gerechtfertigt wird er durch Werke, d. h. aus den Früchten wird seine Gerechtigkeit erkannt und als gültig erweisen.” Jakobus will Christen ermutigen, in schweren Zeiten geduldig am Glauben festzuhalten. Er kämpft gegen den Irrglauben, es genüge, bestimmte Wahrheiten als wahr anzuerkennen. Er tritt ein für einen lebendigen und tatkräftigen Glauben, der unser ganzes Denken, Reden und Handeln in allen Lebensbereichen bestimmt.

1 Der leidgeprüfte Glaube

1.1 Der angefochtene Glaube

“Meine lieben Brüder, erachtet es für lauter Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallt.” Jakobus steigt steil und herausfordernd ein. Wer an Jesus Christus glaubt, muss mit Nöten, mit Schwierigkeiten und Anfechtungen rechnen. Genau das hatten die Christen der Urgemeinde erlebt. Nachdem sie Jesus Christus als Herrn und Messias erkannt und angenommen hatten, wurden sie in Jerusalem massiv verfolgt und mussten aus der Stadt flüchten. Durch den Glauben waren sie plötzlich schweren Angriffen und lebensbedrohlicher Verfolgung ausgesetzt.

1.2 Das Kreuz als Ausgangspunkt

Ohne dass Jakobus auch nur einmal in seinem Brief das Leiden und Sterben Christi ausdrücklich nennt, ist hier das Kreuz Christi der Ausgangspunkt der Christusnachfolge. Jesus Christus litt und starb am Kreuz von Golgatha für unsere Sünden. Wer Jesus nachfolgt, wird in der Nachfolge auch Anteil nehmen am Leiden Christi. Jesus hatte gesagt: “Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir” (Mt 16,24). Nachfolge Christi ist nicht ohne das Kreuz, nicht ohne Leiden und Lasten zu haben.

1.3 Mancherlei Anfechtungen

Keineswegs geht es Jakobus ausschließlich um die Verfolgung von Christen. Er schreibt von “mancherlei Anfechtungen” und weitet damit das Spektrum der Lasten und Nöte aus, in die wir fallen können. Der Arbeitsplatzverlust führt einen Familienvater in finanzielle Nöte. Eine junge Christin erkrankt an einer unheilbaren Krankheit. Durch einen schweren Verkehrsunfall wird ein Mensch für den Rest seines Lebens an einen Rollstuhl gefesselt. Das sogenannte Wohlstandsevangelium, das Wohlstand und Gesundheit verheißt, ist eine falsche Lehre, die mit dem Neuen Testament nicht vereinbar ist. Wer als Christ lebt hat immer auch Anteil an den Leiden Christi und erleidet in der Nachfolge ganz unterschiedliche Anfechtungen.

1.4 Eine seltsame Freude

Hier nun die eigentliche Herausforderung dieses ersten Verses: “Meine lieben Brüder, erachtet es für lauter Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallt.” Ist es nicht ein Ding der Unmöglichkeit, was Jakobus hier fordert? Widerspricht das nicht unserem menschlichen Empfinden und Erleben? Alle Formen von Schwierigkeiten, die wir erleben, lösen im Normalfall bei uns keine große Freude aus. Und doch sagt Jakobus: Freue dich, wenn du in Schwierigkeiten kommst. Von was für einer seltsamen und ungewöhnlichen Freude spricht Jakobus hier?

1.5 Intensivierung des Glaubens

„… und wißt, dass euer Glaube, wenn er bewährt ist, Geduld wirkt“. Die Not der Anfechtung führt den Christen in eine geistliche Dynamik. Durch die Not intensiviert sich meine Beziehung zu Gott, mein Glaube bewährt sich als tragfähig und echt. Der Glaube erweist sich gerade in der Not als echter Glaube. Petrus vergleicht diese Prüfung des Glaubens im Feuer der Anfechtung mit dem Läutern des Goldes. So wie das Gold im Feuer von Mängeln gereinigt wird und sich als echt erweist, wird auch der Glaube durch die Not der Anfechtung gereinigt und erweist sich als echt (vgl. 1Petr 1,6) Der Teufel warf Hiob vor, Hiob glaube Gott nur, weil Gott ihn mit materiellem Reichtum gesegnet hatte. Seine Wette war: Geht es ihm schlecht, wirft er den Glauben fort. Doch Hiob hielt fest an Gott auch in der Not, ja seine Beziehung zu Gott wurde noch stärker und intensiver. Sein Glaube und seine Geduld wuchsen gerade in den Zeiten der Not. Jakobus erinnert uns im fünften Kapitel an den Glauben Hiobs: „Siehe, wir preisen selig, die erduldet haben. Von der Geduld Hiobs habt ihr gehört und habt gesehen…“. (Jak 5,11)

1.6 Die Not vom Ende her sehen

Jakobus möchte, dass wir die Not vom Ende her sehen: „Die Geduld aber soll ihr Werk tun bis ans Ende, damit ihr vollkommen und unversehrt und kein Mangel an euch sei.“ (1,4) Jesus hatte seinen Jüngern gesagt: Ihr sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist (Mt 5,48). Eine Vollkommenheit, die wir aus uns heraus nicht produzieren können. Doch Gott gebraucht die Not unseres Lebens, um uns umzugestalten und uns vollkommen zu machen. Die Not dieser Zeit bereitet uns vor auf die Ewigkeit. Wenn wir in der Ewigkeit angelangt sind, werden wir verstehen, dass die Schwierigkeiten des Lebens dazu da waren, um uns vollkommen zu machen. Sie hatten den tieferen Sinn, uns auf die Begegnung mit dem lebendigen Gott vorzubereiten. Ein Zitat von Eugen Roth bringt es auf den Punkt: „Ein Mensch schaut in die Zeit zurück, sein Unglück war sein Glück.“

1.7 Nach dem Leid die Krone des Lebens

Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, die Gott verheißen hat denen, die ihn lieb haben. Vers 2 und Vers 12 bilden inhaltlich eine Klammer. Wie in Vers 2 begegnet uns die Anfechtung, die Seligkeit, die nah an der Freude liegt und die Bewährung.

So wie Jesus die Armen und Verfolgten selig preist, so sagt Jakobus: Selig sind, die Männer und Frauen, die die Anfechtung erdulden. Und so wie Jesus in den Seligpreisungen jeweils auch den Lohn nennt, so nennt Jakobus auch hier den Lohn: „Er wird die Krone des Lebens empfangen.“

-„Selig“: Was bedeutet es selig zu sein? Es gibt Glücksforscher, die sich ganz dem Thema „Glück“ widmen, um herauszufinden, was Menschen glücklich macht. Seligkeit schließt das emotionale Glückempfinden mit ein, ist aber viel mehr als das. Seligkeit schließt die Dimension der Ewigkeit, die Dimension Gottes mit ein.

– „Die Anfechtung erdulden“: Wörtlich ist hier von einem Menschen die Rede, der „darunter bleibt.“ Ein Bergsteiger bleibt auf dem Weg zum Gipfelkreuz geduldig unter der Last seines schweren Rucksackes. Er wirft ihn nicht einfach fort. So wird der Christ seliggepriesen, der die Last der Ausgrenzung, ja der Verfolgung geduldig erträgt, ohne auf Rache zu sinnen. Selig ist die Frau, die obwohl sie immer wieder von Kollegen gemobbt wurde, für diese betet und sie im Namen Gottes segnet. Selig ist der junge Mann, der trotz seiner tödlichen Krankheit, nicht gegen Gott rebelliert, sondern um Gottes Güte weiß und andere tröstet und sie zu einem Leben mit Gott einlädt.

Die Krone des Lebens ist der Lohn, den Gott denen verheißt, die ihn lieben. Hier ist nicht eine diamantenbesetzte Königskrone im Blick, sondern der Siegerkranz, den der Athlet am Ende seines Laufes erhielt (vgl. 1Kor 9,25; 2Tim 4,7.8). Wer Gott liebt und trotz aller Anfechtungen und Widrigkeiten des Lebens an Jesus und seinem Wort festhält, der wird einen unfassbar herrlichen Lohn erhalten. Er wird gekrönt mit der unvergänglichen Krone des ewigen Lebens. Jakobus ermutigt uns, unser Leben vom Ziel her zu sehen. Er ermutigt uns in den Nöten und Sorgen des Alltags nicht zu resignieren und daran zu verzweifeln, sondern den Kopf zu erheben, auf das herrliche Ziel des ewigen Lebens in der Gegenwart Gottes zu blicken, um dann wieder getröstet und gestärkt die Lasten des Lebens zu tragen und sich den Herausforderungen unseres Alltags zu stellen.

2 Der Glaube und die Versuchung

2.1 Gott versucht uns nicht

Um mit Versuchungen richtig umgehen zu können, ist es sehr wichtig zu wissen, woher die Versuchungen kommen. Jakobus beginnt, indem er klarstellt, dass die Versuchung zur Sünde hin niemals von Gott kommt. Niemand sage, wenn er versucht wird, dass er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand (1,13). Ein verheirateter Christ verliebt sich in eine andere Frau. Er rechtfertigt die Scheidung von seiner ersten Frau, indem er argumentiert, Gott habe ihm ganz klar gemacht, dass die Heirat seiner ersten Frau ein Fehler war. Er ist sich sicher, dass Gott ihm die Liebe zur zweiten Frau ins Herz gegeben hat. Jakobus schiebt solch einer Argumentation einen Riegel vor und sagt: Du kannst Gott nicht für Deine Sünden verantwortlich machen. Er versucht dich nicht zum Bösen. Du selbst bist die Quelle, aus der Begierde und Sünde hervorbricht.

2.2 Das böse Herz

Sondern ein jeder, der versucht wird, wird von seinen eigenen Begierden gereizt und gelockt (1,14). Die Quelle der Versuchungen liegt in uns selbst. Christen neigen dazu, sofort auf den Satan zeigen, wenn es um Versuchung geht. Ja, wir sollen Wissen, dass Satan keine Erfindung des Mittelalters ist, sondern eine ganz wirkliche und in der Geschichte wirksame Macht, die böse ist und uns zum Bösen verführt. Doch dieses Wissen muss immer ergänzt werden um das Wissen, dass dein Herz kein gutes, sondern ein böses Herz ist. Das Herz, also unser ganzes Denken und Wollen, ist keineswegs gut, sondern durch und durch böse. Jesus hat einmal gesagt: Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsches Zeugnis, Lästerung (Mt 15,19). In meinem und in Ihrem Herzen stecken lauter böse Gedanken. Satan braucht hier nur anzuknüpfen, um mich durch meine eigenen Begierden zu reizen und zu locken. Die Bibel lehrt uns eine sehr entscheidende Selbsterkenntnis: Mein Herz ist böse. Das Böse kommt aus meinem Herzen. Ich bin versuchbar, weil ich ein böses Herz habe.

2.3 Dynamik des Todes

Vers 14 korrespondiert mit den Versen 3.4. Dort führt uns die Anfechtung in eine Dynamik des Lebens. Die Anfechtung intensiviert die Beziehung zu Gott. Aus der Anfechtung wachsen Glaube und Geduld. Der Christ wird in einem geistlichen Umformungsprozess vorbereitet auf die endgültige Begegnung mit Gott. Hier warnt uns Jakobus eindringlich vor einer gegenläufigen Dynamik des Todes. Eine widergöttliche Dynamik will uns durch die Begierde versuchen, will uns in die Sünde treiben und uns am Ende dem Tod in seiner zeitlichen und ewigkeitlichen Dimension ausliefern.

2.4 Gottes gute Gaben haben befreiende Kraft

„Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab, von dem Vater des Lichts, bei dem keine Veränderung ist noch Wechsel des Lichts und der Finsternis“. (1,17) Der Blick auf den Geber aller guten Gaben und der Blick auf die Gaben selbst sind ein äußerst wirksames Gegenmittel in der Versuchungssituation. Als Eva im Paradies versucht wurde, hätte sie nur eines tun müssen: Wenn sie sich von der Frucht des verbotenen Baumes abgewandt hätte, hätte sie den Blick frei gehabt auf einen herrlichen Paradiesgarten mit einer unendlichen Vielfalt an herrlichen Früchten, die sie alle hätte genießen dürfen. Gottes gute Gaben sind oft so nah. Wir übersehen sie und blicken gierig auf das, was der andere hat oder was uns verwehrt ist. Hier hilft der Blickwechsel auf die guten Gaben Gottes, die Gott mir zugedacht hat. Dieser Blickwechsel entfaltet eine befreiende Kraft, die mir in der Versuchung hilft zu widerstehen. Ihr Herz wird von Neid und Gier erfüllt, weil jemand ein Glück, eine Gabe ein Gut hat, was sie nicht besitzen. Der Neid will immer stärker werden. Hier hilft nur der suchende Blick zu Gott und seinen Gaben. Lassen sie sich von ihm zeigen, wie er sie reich und vollkommen beschenkt hat. Wer diesen Blickwechsel ernsthaft sucht, dem wird Gott die Befreiung aus der Versuchung schenken.

3 Der tatkräftige Glaube

3.1 Die Neugeburt durch das Wort

Bereits im ersten Kapitel kündigen sich die zentralen Aussagen zum Thema Glaube und Werke im zweiten Kapitel an. Eine wichtige Grundlage wird in 1,18 gelegt: “Gott hat uns geboren nach seinem Willen durch das Wort der Wahrheit, damit wir Erstlinge seiner Geschöpfe seien” (1,18). Wie bei Paulus in Rö 10,17 oder in Eph 1,13.14 entsteht der Glaube durch das Hören des Evangeliums vom gekreuzigten und auferstandenen Christus (Wort der Wahrheit), wird demnach auch nicht durch gute Werke erworben.

3.2 Täter des Wortes

Doch der Neugeborene Christ soll nun nicht beim Hören stehen bleiben. Der Hörer muss ein Täter sein. Alles andere ist Selbstbetrug. In Bezug auf die Christusnachfolge kann es auch gar nicht anders sein. Das Heilswort Gottes bringt uns die Heilstat Gottes. Wort und Tat sind schon von ihrem göttlichen Ursprung her untrennbar miteinander verbunden. Gottes Verheißungen sind immer wieder auf konkrete Taten Gottes bezogen, die bereits geschichtlich vollzogen wurden oder noch vollzogen werden. Er durch das gehört Wort errettete Gläubige, muss zwangsläufig zum Täter des Wortes werden, um nicht das Wesen dieses Wortes zu verleugnen (vgl. 1,27; 2,1ff; 2,15).

3.3 Gerechtfertigt durch Glauben und Werke

Wer diesen Zusammenhang leugnet, indem er sagt, dass es ausreiche nur recht zu glauben, ohne aber auch zu tun, was das Wort Gottes sagt, der betrügt sich selbst und bezeugt damit, dass er einen toten Glauben hat (2,17). Der rechtfertigende Glaube Abrahams war ein Glaube, der in seiner Bereitschaft, seinen Sohn zu opfern, zum Ausdruck kam. Der rechtfertigende Glaube Rahabs zeigte sich in ihrer Aufnahme der Boten Israels in Jericho (2,25). Gegenüber Lehrern, die sich durch ihre Werkgerechtigkeit das Heil verdienen wollen und damit das Kreuz Christi entwerteten, kann Paulus sagen: “So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben” (Rö 3,28). Gegenüber Christen, die meinten, es genüge allein das Fürwahrhalten von Glaubensaussagen ohne eine Veränderung des gesamten Lebens, muss Jakobus sagen: “So seht ihr nun, dass der Mensch durch Werke gerecht wird, nicht durch Glauben allein” (Jak 2,24). Jakobus stimmt darin mit Paulus überein (vgl. Rö 2,6.7; Gal 5,6; Eph 2,8-10).

4 Der Glaube und die Zähmung der Zunge

4.1 Glaube und Worte

Der Glaube entsteht durch das gehörte Wort und wirkt sich dann unmittelbar aus auf das gesprochene Wort. Wer durch das Wort der Wahrheit wiedergeboren wurde, sollte ein verändertes Verhältnis zu seiner Zunge bekommen. Jakobus knüpft hier sowohl an die Sprüche Salomos als auch an die Verkündigung Jesu an. Zwei Beispiele seien kurz erwähnt:

„Wer unvorsichtig herausfährt mit Worten, sticht wie ein Schwert; aber die Zunge der Weisen bringt Heilung.“ (12,18)

„Ich sage euch aber, dass die Menschen Rechenschaft geben müssen am Tage des Gerichts von jedem nichtsnutzigen Wort, das sie geredet haben.“ (Mt 12,36)

4.2 Das Urteil über die Lehrer

Ein wichtiges Wort auch und gerade in den kirchenpolitischen Auseinandersetzungen unserer Zeit finden wir in 3,1. Hier knüpft Jakobus indirekt an das Wort Jesu am Anfang der Bergpredigt an: “Wer eines dieser kleinsten der Gebote auflöst und so die Leute lehrt, wird der Kleinste heißen im Himmelreich“ (5,19). Wie sehr müssen sich Lehrer der Kirche von den Worten Jesu distanziert haben, wenn sie einerseits ganz klar anerkennen, dass die Bibel Homosexualität als Sünde bezeichnet, man andererseits aber für eine Anerkennung von Homosexualität als akzeptierte Lebensform eintritt. Wird das strenge Urteil, das Jakobus hier ankündigt überhaupt noch gefürchtet?

4.3 Die Macht der Zunge

Schon im ersten Kapitel bereitet Jakobus uns auf das Kapitel 3 vor, wenn er uns auffordert: Seid schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn (1,19). Wer nur Hörer und nicht Täter des Wortes ist, betrügt sich u. a. damit selbst, dass er seine Zunge nicht im Zaum hält (1,26) Auch im letzten Kapitel des Briefes kommt Jakobus erneut auf das Thema zu sprechen (5,12). Vor allem aber in Kapitel 3 zeigt Jakobus dann die ungeheure Macht der Zunge, die gewaltige Macht des Wortes. Das Wort der Wahrheit bringt uns die lebensschaffende Kraft des Evangeliums. Doch das Wort der Ungerechtigkeit entfesselt die Hölle auf Erden. Das dritte Reich zeigt uns wie der zweite Weltkrieg und die Verfolgung und systematische Ausrottung der Juden in Deutschland durch das Wort vorbereitet wurde. Durch ständig wiederkehrende Worte der Propaganda wurde der Jude zum Ungeziefer degradiert. Aus dem Wort kam die Tat. Der Holocaust. Wir sollten gute Hörer sein in unserer Zeit. Wir sollten aufmerksam hören und lesen, was Kirchenfunktionäre, Päpste, Politiker sagen und wir sollten darauf achten, was wir selber sagen. Das Wort hat eine unfassbare Macht. Was für Botschaften vermitteln wir? Vermitteln wir Botschaften des Todes oder haben wir Worte des ewigen Lebens?

5 Der Glaube und die Gefahr des Reichtums

So wie die Gefahr des Reichtums in der Verkündigung Jesu eine zentrale Rolle spielte, so geht auch Jakobus sowohl in den Kapiteln 1 und 2 als auch den Kapiteln 4 und 5 auf diese Thematik ein. Der reiche Kornbauer sammelt Schätze und hat keinen Reichtum bei Gott. Er ist ein Narr! Jakobus sagt dem Reichen im ersten Kapitel: So wie die Blume verwelkt, vergeht auch der Reiche mit dem, was er unternimmt (1,11). Die Nähe zur Verkündigung Jesu wird dann besonders in Kapitel 5,1-3 sichtbar (vgl. Mt 6,19). Jakobus bedroht hier in direkter Ansprache die Reichen mit Gericht, die auf ihre irdischen Schätze vertrauen, die irdische Schätze gesammelt haben, die in Saus und Braus gelebt und den Gerechten unterdrückt und getötet haben. Jakobus appelliert damit auch an unsere Verantwortung: Wie gehen wir mit dem uns anvertrauten Reichtümern um? Teilen wir, was wir empfangen haben? Leben wir in Saus und Braus, während unser Glaubensgeschwister weltweit durch große Nöte hindurchgehen. Der Jakobusbrief wirft hier Fragen auf, die auch in unserer Zeit hochaktuell sind. Wir leben als Christen in der ersten Welt in einem unfassbaren Wohlstand, während Menschen und eben auch unsere Geschwister in den ärmsten Länder der Welt gerade mal das Nötigste zum Überleben haben, wenn überhaupt. Hier hat der Jakobusbrief eine sozialdiakonische Botschaft, die wir nicht überhören dürfen. Auch hier muss es heißen: Seid nicht nur Hörer, sondern Täter des Wortes.

6 Der Glaube und das Kommen unseres Herrn

6.1 Sei getrost: Der Herr kommt wieder

“So seid nun geduldig, liebe Brüder, bis zum Kommen des Herrn…Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen, denn das Kommen des Herrn ist nahe.” (Jak 5,7.8)

Jakobus holt die Gläubigen ab in ihrer ganz irdischen Bedrängnis, die sie hier und jetzt erleben, als verfolgte Christen und als sozial Benachteiligte und zum Teil durch Reiche ausgebeutete. Er fordert sie auf, geduldig unter der Last zu bleiben, die ihnen zur Zeit auferlegt ist. Aber unter dieser Last sollen sie getrost und zuversichtlich sein, weil das Kommen des Herrn nahe ist. Der Herr kommt wieder. Das ist der große Trost, der alle Christen zu allen Zeiten aufgerichtet und getröstet hat. Wir haben auch gesehen: Das Kreuz ist der Ausgangspunkt. Das Ziel ist die Wiederkunft. Die Auferstehung muss die unausgesprochene Mitte sein. Im 1. Kor. 15 wird uns berichtet, dass der Auferstandene auch Jakobus begegnet ist. Nur wer um die Auferstehung Christi weiß, kann auch mit seiner Wiederkunft rechnen. Jakobus richtet unseren Blick aus den Tiefen des Alltags, aus den Tiefen der Anfechtung und der Lasten unseres Lebens heraus auf den wiederkommenden Herrn. Sei getrost! Der Herr kommt!

6.2 Sei gewarnt: Der Richter steht vor der Tür

Mit dem Trost einher geht aber auch die Warnung: Haltet Frieden untereinander (vgl. 4,1ff), trachtet nicht nach irdischen Gütern und unterdrückt nicht die Armen und Schwachen. (4,13ff und 5,1ff). Gott wird Gericht halten. Es wird schrecklich sein, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.

6.3 Den Sünder bekehren

“Liebe Brüder, wenn jemand unter euch abirren würde von der Wahrheit und jemand bekehrte ihn, der soll wissen. Wer den Sünder bekehrt hat von seinem Irrweg, der wird seine Seele vom Tode erretten und wird bedecken die Menge der Sünden”. (5,19.20) Jakobus formuliert hier den dringlichen Auftrag auch für unsere Zeit: Der Sünder muss sich von seinem Irrweg bekehren, damit er im wiederkommenden Christus nicht dem strafenden Richter, sondern dem rettenden Herrn begegnet. Gott hat uns damit beauftragt, den Menschen unserer Zeit den Irrweg der Sünde aufzuzeigen und ihnen das rettende Wort der Wahrheit sagen.

7 Schwarzbrot für die Seele

Luthers Prüfstein für den Jakobusbrief war die Frage, ob der Autor “Christum treibet“. Der Name “Jesus Christus” erscheint nur zweimal im Jakobusbrief, Kreuz und Auferstehung werden nicht genant. Ist der Jakobusbrief tatsächlich nur eine stroherne Epistel? Die kleinen Streifzüge durch den Jakobusbrief machen deutlich, dass der Jakobusbrief die Prüfung besteht: Er verkündigt dem Leser, dass er allein durch das Wort der Wahrheit (1,18), das Evangelium von Jesus Christus, vor dem kommenden Gericht (2,13; 5,9) gerettet werden kann. Jakobus erinnert uns daran, dass die Nachfolge Christi, immer auch Kreuzesnachfolge bedeutet und somit Anfechtungen und Leiden mit sich bringt (1,2; 5,10). Jakobus tröstet uns, indem er uns zum geduldigen Warten aufruft und unseren Blick auf den auferstandenen und wiederkommenden Herrn Jesus Christus ausrichtet. Der Jakobusbrief ruft uns in die Nachfolge des gekreuzigten, auferstandenen und wiederkommenden Herrn. Schwarzbrot für die Seele!

Prediger Johann Hesse, Geschäftsführer des Gemeindehilfsbundes, Vortrag beim Regionaltreffen des Gemeindehilfsbundes in Rotenburg / Wümme am 17.10.2009

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 19. Oktober 2009 um 10:02 und abgelegt unter Predigten / Andachten.