Störung des sozialen Friedens? – Der längste Strafprozeß der Bibel (Apg 19–28) und seine Ähnlichkeiten zum Latzel-Prozeß
Donnerstag 20. Februar 2025 von Pastor Dr. Stefan Felber

Im griechischen Neuen Testament heißt die Apostelgeschichte „praxeis apostolon“, „Taten der Apostel“ (vgl. 19,18). Man denkt an die vollmächtige Verkündigung des Evangeliums und Bekehrungen in großer Zahl … Doch das große letzte Drittel des Buches behandelt nicht, wie man erwarten könnte, die weitere Ausbreitung des Evangeliums, nicht neue Wunder, nicht noch mehr Evangelisationspredigten, sondern die Verteidigung des Glaubens vor den römischen und jüdischen Autoritäten (exousiai) der Zeit. Damit zeigt uns der Heilige Geist, was und wie auf die grassierenden Mißverständnisse und Verdrehungen des Glaubens an Jesus zu antworten ist.
Was ist geschehen?
Nach zwei Jahren und drei Monaten Gemeindeaufbau in Ephesus entschloß sich Paulus, weiter zu ziehen:
Apg 19,21: Als das geschehen war, nahm sich Paulus im Geist vor, durch Makedonien und Achaia zu ziehen und nach Jerusalem zu reisen, und sprach: Wenn ich dort gewesen bin, muß ich auch Rom sehen.
Von hier ab behielt er das neue Ziel unverrückt vor Augen, obwohl er gewarnt wurde, daß Leiden und Tod auf ihn warteten. Selbst die Warnung der Brüder „durch den Geist, er solle nicht nach Jerusalem hinaufziehen“ (21,4+11f.), brachte ihn nicht davon ab. Daß der Dienst für das Evangelium, besonders das Apostelamt tödlich sein kann, war seit den Hinrichtungen von Stephanus (Kap. 7) und Jakobus (Kap. 12) klar. Die Aussicht auf Verluste durfte einen ziel-bewußten Apostel nicht schrecken!
20,24: Aber ich achte mein Leben (griech. psychä) nicht der Rede wert, wenn ich nur meinen Lauf (2. Tim 4,7!) vollende und das Amt (griech. diakonia) ausrichte, das ich von dem Herrn Jesus empfangen habe, zu bezeugen das Evangelium von der Gnade Gottes.
21,13–14: Paulus aber antwortete: Was macht ihr, daß ihr weint und brecht mir das Herz? Denn ich bin bereit, nicht allein mich binden zu lassen, sondern auch zu sterben in Jerusalem für den Namen des Herrn Jesus. 14 Da er sich aber nicht überreden ließ, schwiegen wir und sprachen: Des Herrn Wille geschehe.
Für Paulus endete die freie Zeit in Ephesus mit dem Aufruhr der Silberschmiede, deren Geschäft mit dem Götzenkult der Diana bedroht war (19,23–27; vgl. 16,19 und den Ablaßhandel zur Zeit Luthers!). In Jerusalem angekommen (ab 21,15), dauerte es nur zwölf Tage, bis er gefangengesetzt wurde. Denn sein Versuch, sich als jüdisch gesetzestreu zu erweisen, indem er an Reinigungsriten teilnimmt und die Kosten dafür übernimmt (21,17–26), schlug fehl: Man argwöhnte, er habe Heiden in den Tempel gebracht. Ein Massenauflauf war die Folge, der das Eingreifen der römischen Wache erforderlich machte (21,27–36). Paulus gerät in Gewahrsam, um geschützt zu werden, und blieb gefangen, um die Welt vor ihm zu „schützen“. Von nun an war er weggesperrt für rund vier Jahre und beschäftigt mit frustrierenden Dialogen, abgebrochenen Reden (22,22; vgl. 26,24), unendlichen Mißverständnissen, mit Eitelkeit und Gefallsucht seiner Gegner!
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Irrtümer und falsche Anschuldigungen gegen Paulus
- 14,11: Paulus sei der griechische Gott Hermes, Barnabas sei Zeus.
- 19,37: Paulus sei ein Tempelräuber und Götzenbeschimpfer!
- 21,28: Paulus lehre gegen Israel, Gesetz und Tempel. Er habe Heiden in den Tempel gebracht und diesen somit entweiht.
- 21,38: Paulus sei ein ägyptischer Revolutionär.
- 24,5: Paulus sei eine „Pest“ und errege überall Aufruhr!
- 24,6: Paulus habe versucht (vgl. 21,28), den Tempel zu entweihen!
- 24,26: Könnte Paulus Geld geben, um sich frei zu kaufen?
- 28,4: Ist Paulus ein Mörder, der endlich von der Rachegöttin bestraft wird?
- 28,5: Ist Paulus ein Gott, dem selbst eine Schlange nichts anhaben kann?
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Diese wollten ihn nicht mehr vom Gegenteil überzeugen, sondern nur noch vernichten. Das war die Cancel Culture im 1. Jahrhundert nach Christus. Wahrheit scheut die Auseinandersetzung nicht, die Lüge bleibt lieber im Dunkeln, um nicht aufgedeckt zu werden … bis heute!
Warum hat der Heilige Geist einen so langen Teil der Apostelgeschichte dafür reserviert? Es geht genau darum, daß das Evangelium nicht nur schlicht zu proklamieren, sondern auch im streitbaren Dialog denkerisch zu verteidigen ist. Gott setzt durch den Glauben nicht die Vernunft außer Kraft, sondern erst recht ans Werk, und das ausgerechnet von einem Gefangenen, der sich nicht mit Anwälten und Literatur beraten kann. Die Reaktion des Festus auf das Schlußwort der letzten Verteidigungsrede im Heiligen Land gibt Paulus Gelegenheit, die Vernünftigkeit seines Glaubens herauszustellen:
26,24–26: 24 Als er aber dies zu seiner Verteidigung sagte, sprach Festus mit lauter Stimme: Paulus, du bist von Sinnen! Das viele Studieren macht dich wahnsinnig. 25 Paulus aber sprach: Hochgeehrter Festus, ich bin nicht von Sinnen, sondern ich rede wahre und vernünftige Worte. 26 Der König, zu dem ich frei und offen rede, versteht sich auf diese Dinge. Denn ich bin gewiß, daß ihm nichts davon verborgen ist; denn dies ist nicht im Winkel geschehen.
Er scheut den Streit nicht, im Gegenteil. „Wahre und vernünftige Worte spreche ich aus!“ Mit „vernünftig“ wird ein Wort übersetzt, das auch Besonnenheit, Selbstbeherrschung und Mäßigung bezeichnet, etwa in 2. Tim 1,7: „Geist der Zucht/Besonnenheit“. Paulus präsentiert nicht ein wildes Durchrasen durch die Heiligen Schriften, sondern einen ruhig-geordneten, klar-besonnenen Gedankengang, der völlig organisch bei Jesus Christus und der Auferstehung von den Toten landet. Und hier ist das Schlußwort:
26,22–23: 22 Aber Gottes Hilfe habe ich erfahren bis zum heutigen Tag und stehe nun hier und bin sein Zeuge bei Klein und Groß und sage nichts, als was die Propheten und Mose gesagt haben, daß es geschehen soll: 23 daß Christus müsse leiden und als Erster auferstehen von den Toten und verkündigen das Licht seinem Volk und den Heiden.
Das ist das grandiose Finale der Verteidigungsreden des Paulus. Man beachte, wie oft er das Bild „Licht, erleuchten“ verwendet (V. 13. 18. 23): „enlightenment“ – Aufklärung und Vernunft durch Offenbarung, nicht gegen sie!
Schauen wir uns den Fortgang der Kapitel im Ãœberblick an!
Bitte öffnen Sie die Tabelle hier.
War die Strategie des Paulus geeignet? Â
Man mag sich wundern, daß Paulus lieber vor ein Gericht der götzendienerischen Römer gestellt wird, als von den Juden beurteilt zu werden. Die Römer wissen nicht, was sie mit Paulus anfangen sollen, denn sie finden einfach nichts, was verurteilt werden muß. Wer die Texte aufmerksam liest, wird von Lukas ständig darauf gestoßen: Paulus ist unschuldig. Man schlage die vielen Stellen auf, in denen Lukas daran erinnert: 19,37.40 („ohne Grund“); 23,9. 29; 24,13. 26f.; 25,7f. 10f. 18f. 25; 26,28. 31! Die Stellenliste zeigt, daß Paulus wie Jesus von den Juden verworfen und den Heiden (Pilatus bzw. Felix, Festus, Agrippa) übergeben wurde, die zunächst nichts Verwerfliches an ihm fanden, aber ihn schlußendlich ebenfalls töteten. (Angesichts der Verkündigung des „Reiches Gottes“ könnte die Frage des Königtums ähnlich wie vor Pilatus eine Rolle gespielt haben [vgl. Joh 18,33], da Paulus bekräftigt, sich nicht am Kaiser versündigt zu haben, 25,8.)
Blicken wir nur auf die letzte Äußerung in der Reihe …
26,31–32: 31 Und als sie sich zurückzogen, redeten sie miteinander und sprachen: Dieser Mensch hat nichts getan, was Tod oder Gefängnis verdient hätte. 32 Agrippa aber sagte zu Festus: Dieser Mensch könnte freigelassen werden, wenn er sich nicht auf den Kaiser berufen hätte.
… und fragen: War die Berufung des Paulus auf den Kaiser (25,10; vgl. 16,37.38; 22,25–28) ein Fehler? Er wäre offenbar freigelassen worden, wenn er nicht die höchste Instanz angerufen hätte. Der Appell hat auf jeden Fall sein Leben verlängert, denn in Jerusalem hätte Festus kaum dem Druck standgehalten. Aber nicht Lebensverlängerung, sondern Zielerreichung war das Motiv. Die ihm von Gott gegebene Vision, via Jerusalem nach Rom zu gehen (oft bekräftigt, man schlage nach: 19,21; 20,16.22; 21,13f.; 23,11; 27,24; Röm 1,15; 15,25f.), nicht als freier Tourist, sondern als gefesselter Gefangener, um vor den höchsten Autoritäten Zeugnis zu geben (Mt 10,18f. und Phil 1,13!), konnte nur dadurch Wirklichkeit werden, daß er den Leidensweg auf sich nahm. Es war wie bei Jesus: „Es mußte so geschehen“ (Lk 24,7.26.44; Apg 17,3)! Aufgrund der letzten Verteidigungsrede wäre der Hauptadressat Agrippa beinahe bekehrt worden (26,26–28).
Nachdem eindeutig war, daß Paulus bei den Juden sein Recht verweigert wurde (ausdrücklich in 23,3!), mußte sich dies auch noch bei den Römern erweisen. So stehen am Ende beide schuldig da: Juden und Heiden. Die Berufung auf den Kaiser wird also auch aus theologischen Gründen plausibel und nicht nur, weil Paulus einfach den Auftrag erhalten hatte, nach Rom zu gelangen! Die Schuld ist so universal, wie das Evangelium allen gilt, „Juden zuerst und ebenso den Griechen“ (Röm 1,16).
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Eine Einladung zum Blättern in der Apostelgeschichte
- Göttliche Notwendigkeit: 1,16.21; 4,20; 9,16; 13,27.29.33; 14,22; 17,3; 19,21; 23,11; 27,24.
- Ausführung durch Eingreifen von Engeln: 5,19; 12,7–11.23; 27,23f.
- Visionen: 10,10–20; 16,9; 18,9; 22,17–21
- Erfüllung der Schrift: 1,20; 2,16–21.25–2834f.; 3,22f.; 4,11.25f.7,48f.; 8,31–35; 13,33–37.40f.47; 15,15–18; 17,2f.; 26,22f.; 28,25–27
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Worauf konzentrierten nun die Ankläger ihre Anklage? Es geht um das, was man heute Volksverhetzung nennt. Es gibt eine große Gruppe, die sich in ihren Rechten bedroht fühlt. Sie instrumentalisiert die staatliche Gewalt, um unliebsame Infragestellungen zum Schweigen zu bringen.
Die staatliche Gewalt bzw. das Justizwesen jedoch hat Mühe, etwas Verurteilungswürdiges zu finden. „Nulla poena sine lege“: Was nicht gesetzlich verboten ist, kann auch nicht bestraft werden. Dieses sog. Gesetzlichkeitsprinzip ist nicht, wie Wikipedia[1] behauptet, eine Errungenschaft der Aufklärung, sondern geht auf die Mose-Tora zurück, die alle, auch die Obrigkeit, auf die geschrieben vorgegebene Verfassung verpflichtet und beschränkt. Interessant sind die bei Wikipedia erwähnten vier Einzelprinzipien des Gesetzlichkeitsprinzips:
- Notwendigkeit zur schriftlichen Fixierung der Strafbarkeit (Verbot strafbegründenden Gewohnheitsrechts, nulla poena sine lege scripta).
- Notwendigkeit der Fixierung vor Begehung der Tat (strafrechtliches Rückwirkungsverbot, nulla poena sine lege praevia).
- Notwendigkeit hinreichender Bestimmtheit des Gesetzes (strafrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz, nulla poena sine lege certa).
- Verbot von Analogie zu Lasten des Täters über den Wortlaut des Gesetzes hinaus (Analogieverbot im Strafrecht, nulla poena sine lege stricta).
Es waren diese Rechtsgrundsätze, die es den Römern verwehrten, mit Paulus kurzen Prozeß zu machen (vgl. Statthalter Gallio in 18,15: „Lehre und Namen und Gesetz bei euch … so seht ihr selber zu; ich gedenke, darüber nicht Richter zu sein“!) – und dieselben, die es den Bremer Gerichten verwehrten, mit Pastor Olaf Latzel kurzen Prozeß zu machen.
Die beiden Prozesse weisen gewisse Ähnlichkeiten auf:
- Ein Unschuldiger wird vor Gericht gezerrt, weil eine bestimmte Gruppe meint, durch Kritik an ihrem Verhalten in ihren Rechten oder in ihrer Würde beschnitten zu sein.
- Mangels klarer Rechtsgrundsätze für das Vergehen dauert der Prozeß lange; in beiden Fällen über vier Jahre (Angaben in 24,27 und 28,30).
- Es wird kein simpel abhandelbarer Verstoß gefunden (vgl. 21,24). Der Vorwurf der Tempelentweihung gegen Paulus wird schweigend fallengelassen. Es bleibt der schwammigere Tatbestand der Unruhestiftung (seditio). Es ist paradox: Die Ankläger empören sich und klagen dann wegen Empörung an. Sie schlagen den Angeklagten gegen das Gesetz und behaupten das Gesetz als Maßstab (23,3). Man denke an gewaltsame Gegendemos beim Marsch fürs Leben (über die bisweilen mehr berichtet wird als über das eigentliche Anliegen des Marsches).
– Bei Paulus: Apg 16,20f. „Erregung“; 17,6 „Aufwiegelung“; 18,12 „Empörung“; 19,23 „Unruhe“; 19,40 „Zusammenrottung“; 24,5 „Aufstand“ (vgl. die Furcht der Juden vor einem Umsturz in Joh 11,48 bzw. schon Esther 3,8).
– Bei Latzel: Volksverhetzung nach § 130 Strafgesetzbuch, d.h. die diskriminierende Abwertung einer bestimmten Menschengruppe.
In beiden Fällen geht es um den sozialen Frieden.
- Die Prozeßlänge selbst ist für den Angeklagten eine Strafe, die viele Kräfte bindet. Die Bremer Richterin hat bei ihrem Schlußwort am 28.8.2024 ausdrücklich anerkannt, daß Latzel damit außergewöhnlich belastet war. Paulus wurde (zunächst zum eigenen Schutz) die ganze Zeit gefangen gehalten, teils geschlagen (Apg 22,24; vgl. 16,22).
- Die falschen Brüder und die Liebe zu ihnen: Paulus spricht die Juden, die ihn gerade grün und blau geschlagen hatten (21,32; 23,2) und ans Messer liefern wollen (21,31), als seine „Brüder und Väter“ an (22,1; 23,1). Warum? Die Antwort ist klar: Er liebte sie mehr als sich selbst (Röm 9,1–5) und lehrte die Heidenchristen, sie zu lieben (Röm 11,17–32)! Alles, was er tat, tat er aus Liebe zu seinem Volk. Stets, sogar noch in Rom, waren die Juden die ersten, die er aufsuchte. „Die Juden zuerst …“ (Röm 1,16)! Weil er sie liebte, und weil er früher genauso dachte wie sie, verstand er sie. Um sie auf seinen Erkenntnisweg mitzunehmen, erzählte er ihnen seine Vergangenheit, seine Bekehrung und sein gutes Gewissen in allem (Apg 22,1–21; 23,1; 24,16; 2. Kor 1,12).
Im Prozeß gegen Latzel hat Leitungspersonal aus den Landeskirchen die verwerflichste Rolle gespielt und tut es noch. Daß Latzel aus Glauben predigte und ein gutes Gewissen habe, billigten sie ihm nicht zu. Mehr noch: Sie hätten aus der Schrift wissen müssen, daß Kritik an Homosexualität und Gender im biblischen Recht ist und hätten dies auch gegen eine anderslautende juristische Einschätzung durchhalten müssen. Sie hätten sich solidarisch wenigstens zur inhaltlichen Position Latzels bekennen müssen. Statt dessen wurde aus ihren Reihen noch gegen ihn agitiert. (Leider gab es in den Zeiten des nationalen und des internationalen Sozialismus in Deutschland ähnliche Fälle.)
Unterstützung für Paulus und für Latzel kam vor allem von der Gemeindebasis.
- Die Methoden der heidnischen und jüdischen Gegner des Paulus sind ähnlich. Sowohl die Silberschmiede (Apg 19) als auch die Juden (Apg 21) wollen die Obrigkeit nutzen, einen unliebsamen Unschuldigen zu beseitigen. Auch die Bremer Kirchenleitung hat sich weithin hinter den weltlichen Gerichten versteckt und mit einem eigenen Urteil gewartet, bis die staatlichen Gerichte gesprochen haben.
- Wenn die Ankläger genügend Energie mitbringen, den Vertreter der Wahrheit auszusortieren, werden sie es schaffen. Führende Sadduzäer, die theologisch Liberalen ihrer Zeit (23,8), hatten ihren Frieden mit den Römern gemacht und wollten auf ihre reichlichen Einnahmen aus dem Tempelgeschäft nicht verzichten; ein Messias gleich welcher Art würde nur stören. Dafür waren sie skrupellos bis zum Mord. Der römische Statthalter Felix konnte sich laut Tacitus aufgrund seiner Ehe- und Verwandtschaftsbeziehungen alles erlauben. Also: Kein menschliches Recht ist so hart, daß es nicht verbogen werden könnte, auch unser zu Recht hochgeschätztes Grundgesetz nicht. Die jüngste Vergangenheit hat es wieder gezeigt.
Es gibt keine völlig unabhängigen Richter, obwohl sie wie Festus und Agrippa gut Bescheid wissen (siehe Tabelle). Sie stehen oft in wechselseitigen Abhängigkeiten und wollen Anerkennung (und oft Geld) – damals wie heute. Die deutschen Staatsanwälte stehen unter Weisungsbefugnis der Minister mit ihren eigenen Interessen.
Sehr schön klingt Apg 25,16: „Es ist der Römer Art nicht, einen Angeklagten preiszugeben, bevor er seinen Klägern gegenüberstand und Gelegenheit hatte, sich gegen die Anklage zu verteidigen“ (vgl. 16,37; 22,25–29). „Audiatur et altera pars“ (auch die andere Seite ist zu hören)! Theoretisch gilt dies auch heute. Dennoch spricht man oft lieber über Gegner als mit ihnen …
- Der Prozeß ist für die Ankläger eine Möglichkeit, sich als besonders staatstreu und als nützlich für den sozialen Frieden in Szene zu setzen.
– Besonders schleimig tritt der Anwalt[2] der anklagenden Juden, Tertullus, mit einer langen Lobhudelei für den „edelsten Felix“ auf (24,2–8).
– Die Gegner von Olaf Latzel haben die Inszenierung ihrer gesellschaftlichen Nützlichkeit so weit getrieben, daß die zu ihrem Dunstkreis gehörenden NGOs auf beträchtliche staatliche Finanzmittel zurückgreifen können.
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… - Der Prozeß gibt dem Angeklagten – ungesucht – die Möglichkeit, auch vor den höchsten Gerichten das Evangelium zu verteidigen, Mißverständnisse und Unterstellungen auszuräumen. Hierbei ist mir noch folgendes wichtig:
a) Sachlich: Paulus hat die Kontinuität des Evangeliums zum Alten Bund und somit das geistlich-theologische Recht seiner Verkündigung Er hat nicht direkt bei Jesus begonnen, sondern bei der gemeinsamen „Hoffnung der Väter“, „der Hoffnung Israels“ (24,14; 26,6f.; 28,20).
b) Das Motiv war nicht, seine Haut zu retten, sondern eben, wie die Aussendungsrede Jesu vorgegeben hat, das Evangelium auch dort zu plazieren, wo man als schlichter Bürger keinen Zutritt hätte: Nämlich bei den von Gott eingesetzten Autoritäten (Mt 10,18: „vor Statthalter und Könige um meinetwillen, ihnen und den Heiden zum Zeugnis“!).
c) Persönlich: Paulus hat ebenso ausführlich die Redlichkeit seiner eigenen Lebensführung dargelegt. Die Botschaft sollte nicht durch einen ethisch zweifelhaften Boten beschädigt werden!
Darum: Führen wir ein geheiligtes Leben!
Was folgt aus alledem für uns?
Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Das sollte uns ein großer Trost sein. Doch dieser Trost sollte nicht zu laschen Händen führen (Hebr 12,12), sondern zu gleicher Entschlossenheit im Ringen mit dem Zeitgeist und den von ihm Verführten, wie es Paulus und Pastor Latzel hatten. „Nicht einschüchtern lassen“ (Phil 1,28), schreibt Paulus in Ketten!
Angesagt wäre auch eine verstärkte Solidarität von Christen untereinander. Ein Rückzug ins Private mit dem Argument, man wolle ja nicht „politisch“ sein, hat sich angesichts der im sprachlichen Bereich beginnenden und in den medizinischen und juristischen Bereichen fortsetzenden Übergriffe überlebt.
Wir sollten die Frage, wie politisch Glaube sein darf, einmal umdrehen und fragen: „Wie religiös darf Politik sein?“ und damit den Staat im wesentlichen auf seine originären Aufgaben (Friede und Ordnung) hinweisen und beschränken. Will er mehr, so weicht die Religionsfreiheit, und mit ihr die Freiheit aller Bürger.
Die Apostelgeschichte endet nicht mit einem Triumph des Apostels, sondern mit seiner weiteren Internierung (Hausarrest). Frei ist nach dem letzten Vers nicht der Botschafter, sondern nur die Botschaft, die Reich-Gottes-Predigt selbst! Zugleich verzichtet sie, seinen Märtyrertod zu berichten. Das mag auch für uns der rechte Mittelweg sein: nicht den Märtyrertod herbeiwünschen, sondern freimütig bekennen, egal ob hinter schwedischen Gardinen oder auf den Podien der Marktplätze.
Nicht zögern: „Ich habe euch vom ersten Tag an … nichts vorenthalten“ (20,18.20).
„Seid wachsam!“ (20,31).
Selbst vor Gericht Evangelist sein (26,27)!
Erstabdruck in: Aufbruch – Informationen des Gemeindehilfsbundes (November 2025), Seite 3 bis 7.
Wenn Sie den Aufbruch kostenlos abonnieren möchten, schreiben Sie bitte an info@gemeindehilfsbund.de und nennen uns Ihre Postadresse.
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Nulla_poena_sine_lege (25.09.2024).
[2] Apg 24,2 griech. rhetor, d.h. „Redner“!
Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 20. Februar 2025 um 17:45 und abgelegt unter Christenverfolgung, Gemeinde, Gesellschaft / Politik, Kirche, Predigten / Andachten, Sexualethik.