Predigt über Jeremia 23,11-29 – Die falschen Propheten
Samstag 8. Juni 2024 von Pfr. Dr. Hans-Gerd Krabbe
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Kraft Heiligen Geistes sei mit uns allen! Amen.
Verschiedentlich ist es klar zu hören, der Wunsch: ›Wenn doch, ja wenn doch die Kirche mit einer Stimme redete! Wenn sie doch Gottes Wort und Willen klar und eindeutig verkündigte! Wenn sie doch unmissverständlich Stellung bezieht: zum Beispiel zur Frage des Schwangerschaftsabbruchs, zur Frage der Globalisierung, zur Frage der Gender-Ideologie etwa. Wo so viel über Werteverlust und Orientierungslosigkeit geklagt wird: Wenn doch die Kirchen / die Pfarrer / die Bischöfe klare Orientierung gäben aus dem Wort Gottes heraus!‹
Hinter diesem Wunsch steckt doch wohl die Erfahrung: Kirchenleute reden angepasst, alles andere als Klartext, mit verschiedenen Zungen, die einen so / die anderen anders. Sie wollen es mit niemandem verderben, niemandem ›auf den Fuß treten‹, sie wollen es jedem rechtmachen – schließlich reden sie den Leuten nach dem Munde. Aber das, was Gottes Wille ist, kommt immer weniger vor? Ist das so? Nur nicht anecken / nur nicht auffallen / nur ja keine Überzeugung vom Stapel lassen, die dem sog. Mainstream widerspricht / nur ja nicht nach dem gesunden Menschenverstand eine eigene Meinung vertreten / nur ja keine unbequemen Fragen stellen oder gar kritische Erklärungen abgeben: nein, das alles lieber nicht. Man könnte ja furchtbar schnell mit der Phobie-Keule bedacht werden oder gar in die rechtsradikale Ecke abgedrängt werden. Wer aber wundert sich dann noch, wenn immer mehr Leute immer weniger zu mit einer eigenen Überzeugung herausragen / wenn die Meinungsfreiheit Schaden nimmt / wenn immer mehr Leute grundsätzlich nach der Relevanz von Kirche fragen und die Kirche als nichtssagend, als farblos und langweilig empfinden, alles andere als attraktiv? ›Salz und Licht für die Welt‹ sollen die Christen doch sein: ist das etwa in Vergessenheit geraten?
Manch einer unter uns mag überrascht sein: 600 v. Chr., zur Zeit des Propheten Jeremia, zur Zeit des Königs Josia war´s nicht viel anders. Damals schon gab´s solche und solche Propheten – solche, die den Menschen nach dem Munde redeten – und einen von Format wie den Jeremia. Der stand hin, wie ein Fels in der Brandung, und sagte:
»›Denn Propheten wie Priester sind ruchlos; auch in meinem Hause finde ich ihre Bosheit‹, spricht der HERR. ›Darum ist ihr Weg wie ein glatter Weg, auf dem sie im Finstern gleiten und fallen; denn ICH will Unheil über sie kommen lassen, das Jahr ihrer Heimsuchung‹, spricht der HERR. ›Auch bei den Propheten zu Samaria sah ich Anstößiges, dass sie weissagten im Namen des Baal und mein Volk Israel verführten – aber bei den Propheten zu Jerusalem sehe ich Gräuel, wie sie ehebrechen und mit Lügen umgehen und die Boshaften stärken, auf dass sich ja niemand bekehre von seiner Bosheit. Sie sind alle vor mir gleichwie Sodom und die Bürger Jerusalems wie Gomorra.‹ Darum spricht der HERR Zebaoth über die Propheten: ›Siehe, ICH will sie mit Wermut speisen und mit Gift tränken; denn von den Propheten Jerusalems geht Ruchlosigkeit aus ins ganze Land.‹ So spricht der HERR Zebaoth: ›Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch weissagen! Sie betrügen euch, sie verkünden euch Gesichte aus ihrem eigenen Herzen und nicht aus dem Mund des HERRN. Sie sagen denen, die des HERRN Wort verachten: Es wird euch wohlgehen – und allen, die im Starrsinn ihres Herzens wandeln, sagen sie: Es wird kein Unheil über euch kommen. Aber wer hat im Rat des HERRN gestanden, dass er Sein Wort gesehen und gehört hätte? Wer hat Sein Wort vernommen und gehört?‹
Siehe, es wird ein Wetter des HERRN kommen voll Grimm und ein schreckliches Ungewitter auf den Kopf der Gottlosen niedergehen. Und des HERRN Zorn wird nicht ablassen, bis ER tue und ausrichte, was ER im Sinn hat – zur letzten Zeit werdet ihr es klar erkennen.
›ICH sandte die Propheten nicht, und doch laufen sie; ICH redete nicht zu ihnen, und doch weissagen sie. Denn wenn sie in meinem Rat gestanden hätten, so hätten sie meine Worte meinem Volk gepredigt, um es von seinem bösen Wandel und von seinem bösen Tun zu bekehren. Bin ich nur ein GOTT, der nahe ist,‹ spricht der HERR, ›und nicht auch ein GOTT, der ferne ist? Meinst du, dass sich jemand so heimlich verbergen könne, dass ICH ihn nicht sehe?‹, spricht der HERR. ›Bin ICH es nicht, der Himmel und Erde erfüllt?‹, spricht der HERR. ›ICH höre es wohl, was die Propheten reden, die Lüge weissagen in meinem Namen und sprechen: Mir hat geträumt, mir hat geträumt. Wann wollen doch die Propheten aufhören, die Lüge weissagen und ihres Herzens Trug weissagen und wollen, dass mein Volk meinen Namen vergesse über ihren Träumen, die einer dem andern erzählt, so wie ihre Väter meinen Namen vergaßen über dem Baal? Ein Prophet, der Träume hat, der erzähle Träume; wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen?‹, spricht der HERR. ›Ist mein Wort nicht wie ein Feuer‹, spricht der HERR, ›und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?‹«
»Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der HERR, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?« – ›Das ist ein Hammer‹, mögen Jugendliche sagen, wenn da etwas auf sie zukommt, mit dem sie nicht gerechnet haben: etwas gänzlich Unerwartetes. Aber – Gottes Wort (?): wie ein Hammer?? / Wer denn fragt heutzutage noch ernstlich nach Gottes Wort? Wer denn liest regelmäßig Bibel?
Gottes Wort wie ein Feuer, wie ein Hammer? Viele Menschen machen ganz andere Erfahrungen: Gottes Wort bleibt ohne Wirkung, verhallt, verpufft, prallt ab. Die Menschen mögen in der Bibel lesen, aber der entscheidende Funke springt nicht über! Menschen gehen aus der Kirche heraus, wie sie hineinkamen / innerlich genauso leer wieder hinaus, wie sie hineingingen? In keiner Weise angesprochen, wachgerüttelt, gestärkt, ermutigt oder getröstet? Ist das so?
Gottes Wort wie ein Feuer, wie ein Hammer: Diese Aussage stellt den Gipfel dar in der Auseinandersetzung zwischen Jeremia und den falschen Propheten, die ihre eigenen menschlichen Vorstellungen, ihre Wünsche und Interessen, ihre Träume und Visionen auch noch als Gottes Wort (!) ausgeben wollen! Was erlauben die sich! Ihre eigenen Träume und Hoffnungen verbreiten sie: ›mundgerecht‹, wie ›geschmiertes Oel‹ – wen wundert´s, dass sie mit ihren gängigen Parolen beim Volk starken Zulauf erfahren? Mit Parolen, die niemandem wehtun, die aber letztlich überflüssig sind? Wie ist das (?): Macht sich eine Kirche, die sich dem Zeitgeist anpasst, nicht letztlich überflüssig? Ist das so (?): Eine Kirche, die mit dem Zeitgeist geht, geht mit der Zeit?
Doch mit aller Vehemenz / mit aller nur möglichen Schärfe wendet sich Jeremia gegen diese vermeintlichen Propheten. Sie lassen GOTT ›einen lieben, braven, im Grunde aber harmlosen Mann‹, Entschuldigung: ›einen Hampelmann‹ sein: er ist ja ›der liebe Gott‹! – Mit aller Entschiedenheit hält Jeremia solchem Denken entgegen: GOTT kann auch zornig werden! GOTT kann auch ›aus der Haut fahren‹, ›ausrasten‹ (!) – unverständlich, unbegreiflich, schrecklich gar reagieren! – Falsche Propheten wollen dir einreden: ER ist ja ›der liebe Gott‹ / der, der keiner Fliege etwas zuleide tun kann / der, der alles schon irgendwie akzeptiert / der Mann mit Wasserpfeife und mit weißem Rauschebart / der, dessen einzige Aufgabe darin besteht: zu vergeben und zu verzeihen … ›Vorsicht!‹, kann ich da nur sagen! Verwechseln wir Gottes Wort nicht mit Streicheleinheiten, die uns in unserer Lebensweise immer nur bestätigen sollen! Wer Gottes Wort nur braucht, um sich selber ins rechte Licht zu setzen / wer aus Gottes Wort nur das heraushören will, was er selber längst schon denkt: der betrügt sich selbst. Der macht sich etwas vor. Der macht aus GOTT – Entschuldigung – einen Hampelmann! Vielleicht sogar eine Witzfigur!
Übrigens: Die Rede vom ›lieben GOTT‹ missfällt mir zunehmend: verstehen Sie das?
Gottes Wort – wie Feuer? Ein Hammer! – Das heißt nun doch auch: Gottes Wort schreckt uns auf – reißt uns heraus ›aus dem Schlaf der Sicherheit‹ – Gottes Wort steckt voller Kraft, voller Dynamit! Gottes Wort verändert, verwandelt, ruft zur Buße, zur Sündenerkenntnis, zur Umkehr und zu neuem Leben, reißt vom Hocker, reißt weg von bösen Worten und von bösen Taten!
Dass sie das Volk verführen und verblenden, das wirft Jeremia den falschen Propheten vor. Er weiß nur zu gut: GOTT ist wahrlich kein harmloser Vertreter, wahrlich kein Spielball in der Hand von Menschen. »Bin ICH nur ein GOTT, der nahe ist?«, fragt ER, »und nicht auch ein GOTT von ferne her?« Ein ›Deus absconditus‹? / Ein verborgener, ein unbegreiflicher, ein geheimnisvoller, ein furchterregender, auch ein rätselhafter GOTT? Der allein Heilige, den wir bestenfalls nur in Ehrfurcht und in Demut anrufen, anbeten, andenken dürfen?
Falsche Propheten, die GOTT vergessen oder überflüssig machen wollen / ›die Künder, die euch umdunsten‹ / diese elenden Schmeichler, die sich ein-schmeicheln wollen, die vernebeln und einlullen: die gibt´s auch heute genug. Vor ihnen warnt uns Jeremia: nicht, damit wir unsicher werden, wohl aber, damit wir wachsam sind und auf der Hut. Denn es ist nicht alles Gottes Wort, was von den Kanzeln herab geredet wird. Es ist nicht schon deshalb Gottes Wort, weil es aus dem Munde eines Talarträgers stammt. Also, auch wenn etwas mit frommem Vokabular angereichert wird, garantiert dies nicht, dass hier wirklich der lebendige GOTT in der Kraft Seines Heiligen Geistes redet! Auch in den Kirchen kann sich wiederholen, was den falschen Propheten vorgeworfen wird: ›Sie verkünden Gesichte aus ihrem eigenen Herzen, sie predigen ihre eigenen Träumereien, nichts weiter als ihre eigenen Sehnsüchte, ihre eigenen Ideen zur Weltverbesserung, ihre eigenen Interessen. Ihre vorrangigen Themen sind Klimawandel, AfD, Geschlechter-gerechtigkeit und Gender-Sternchen und Transsexualität / ›Gott ist queer‹ – aber nicht das, was sie von GOTT her vielleicht sperrig-verquer zu sagen haben …
Drum ist zu fragen: Was will GOTT – und was ist nur kirchliches Geschwätz? Wie entdecken wir, was die Stimme Gottes ist – und was die Stimme des eigenen Herzens, der eigenen Wünsche und Ängste?
Für den Propheten Jeremia scheint dies kein großes Problem zu sein. Er erinnert an den Unterschied zwischen Stroh und Weizen – will sagen: Nur Gottes Wort macht satt! Nur von Gottes lebendigem Wort geht Kraft und Wirkung aus! – Das unterscheidet Gottes Wort von frommen Luftballons, von Sprechblasen und Formeln und Worthülsen, von Konzepten und Reform-versuchen unserer Zeit: Gottes Wort macht satt, macht lebendig, zeigt, wo´s langgeht / zeigt, was ich zu tun und zu lassen habe! Gottes Wort gibt mir sehr wohl ein, was ER von mir will und erwartet! Welchen Anspruch ER mir gegenüber hat …
Da kommt aber nun jemand treu zum Gottesdienst, aber er hört diese Stimme nicht / sein Gewissen rührt sich nicht / seine Seele wird nicht satt. Hoffentlich nur kommt er weiterhin / hoffentlich kommt er wieder – in der Erwartung, dass Gottes Wort ihm eines Tages schon deutlich aufgeht, ihn trifft, ihn packt, ihn schüttelt! Ihm deutlich macht, wie er leben, wie er sich verhalten, wie er entscheiden soll. Und plötzlich packt ihn Gottes Wort, zeigt ihm den Weg, entfacht in ihm Feuer: Heiliges Feuer!
Gott führe uns an den Punkt, wo Sein Heiliges Feuer anfängt, in uns zu brennen und zu lodern! Amen.
Pfarrer em. Dr. Hans-Gerd Krabbe / Achern
Am ersten Sonntag nach Trinitatis, Christuskirche Achern, 2. Juni 2024
Dieser Beitrag wurde erstellt am Samstag 8. Juni 2024 um 10:12 und abgelegt unter Gemeinde, Gesellschaft / Politik, Kirche, Predigten / Andachten.