Buchempfehlung: Thierry Wey, Glaube als Widerstand – Die religiöse Entwicklung des Grafen Helmuth James von Moltke (1907-1945) und seine Frömmigkeit in den letzten Monaten seines Lebens
Dienstag 28. Mai 2024 von Administrator
„Nur in einem sind das Christentum und wir gleich: wir fordern den ganzen Menschen!“ In der Verhandlung gegen den Widerstandskämpfer Helmuth James Graf von Moltke schleuderte Roland Freisler dem Angeklagten diese Worte entgegen. Er fragte Moltke: „Von wem nehmen Sie Ihre Befehle? Vom Jenseits oder von Adolf Hitler! Wem gilt Ihre Treue und Ihr Glaube?“ Moltke schrieb dazu an seine Frau Freya: „Alles rhetorische Fragen, natürlich. – Freisler ist jedenfalls der erste Nationalsozialist, der begriffen hat, wer ich bin.“ Moltke stand vor Freisler als „Christ und als gar nichts anderes“.
Thierry Wey, Pfarrer an der Reformierten Kirche Olten (Schweiz), hat mit dem vorliegenden Buch sein Masterstudium an der STH Basel abgeschlossen. Darin zeichnet er akribisch und mit vielen Belegen und Zitaten Moltkes Glaubensentwicklung in drei Kapiteln nach: „Die religiöse Entwicklung von der Kindheit bis zur Inhaftierung 1944“, „Frömmigkeit und Entwicklung während der Schutzhaft in Ravensbrück“ und „Frömmigkeit im Gefängnis Tegel“. Je aussichtsloser die äußeren Umstände, desto eindeutiger verließ Moltke sich auf den gekreuzigten und auferstandenen Christus und desto mehr beschäftigte er sich vor allem mit der Bibel, dem evangelischen Gesangbuch sowie mit weiterführender theologischer Literatur, zum Ende hin nur noch mit der Bibel. Er verstand seine Haft als Lebens- und Glaubensschule: „Wenn ich ehrlich bin, so muss ich sagen, dass ich diese 11 Monate in meinem Leben nicht missen möchte. … Ich habe die Bibel kennengelernt, wie es mir sonst wohl nie möglich gewesen wäre, ich habe Tiefen und Höhen erlebt, bin gedemütigt und wieder aufgerichtet worden.“
Moltke las die Bibel nicht nur intensiv von vorne bis hinten durch, sondern lernte auch intensiv Bibelverse, Psalmen und ganze Kapitel auswendig, um sich auf die Zeit zwischen Verurteilung und Hinrichtung vorzubereiten; ihm war bewusst, dass er dann keine Bibel mehr haben würde. Römer 14,8 war der Bibelvers, der Helmuth und Freya zum Leitmotiv wurde. Er wurde zu ihrem gemeinsamen Glaubensfundament: „Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.“
Moltkes Leben, so Thierry Wey, zeuge eindrücklich von der „Unvereinbarkeit von Christentum und – um es gleich allgemeiner zu fassen – einem Staat, der einen totalen Machtanspruch auf seine Bürger verfolgt. Die Beschäftigung mit Moltke schärft unsere Sinne für solche totalitären Strukturen und verdeutlicht, was es heißt, dass wir zwar dem Kaiser geben sollen, was des Kaisers ist, jedoch auch Gott, was Gottes ist (Mt 22,21). Der Mensch an sich gehört Gott und soll sich nur ihm ganz verpflichten.“ Moltke machte die Erfahrung, dass es die Bibel ist, die einem die Kraft, die Grundlage und den inneren Kompass im Widerstand gibt. Wer hier von Moltkes Erfahrung für das eigene Leben und die heutige Zeit lernen will, dem sei dieses Buch herzlich empfohlen.
Johann Hesse, Aufbruch – Dezember 2023
Thierry Wey
Glaube als Widerstand – Die religiöse Entwicklung des Grafen Helmuth James von Moltke (1907-1945) und seine Frömmigkeit in den letzten Monaten seines Lebens
Logos Editions, Ansbach 2023, 112 Seiten, 9,95 Euro
ISBN: 978-3-9458-1836-7
Dieser Beitrag wurde erstellt am Dienstag 28. Mai 2024 um 9:29 und abgelegt unter Gesellschaft / Politik, Rezensionen.