Gemeindenetzwerk

Ein Arbeitsbereich des Gemeindehilfsbundes

„Ihr nehmt solche, die in der Gemeinde nichts gelten, und setzt sie zu Richtern. Euch zur Schande muß ich das sagen“ (1. Kor 6,4–5). Luthers Lehre von den zwei Regierweisen Gottes und das Verhältnis von Kirche und Staat heute

Dienstag 15. Juni 2021 von Pastor Dr. Stefan Felber


Pastor Dr. Stefan Felber

Die Entdeckung der Glaubensgerechtigkeit allein aus Gnaden steht in der Mitte von Luthers theologischen Denkens und Verkündigens. Als Mitte seiner Ethik gilt seine Lehre von den zwei Regierweisen Gottes, die jedem anhand seines Standes bzw. Standortes Orientierung für sein Handeln in der Welt gibt.[1] Wenn wir heute Luther mit der Frage nach dem Verhältnis von Kirche und Obrigkeit lesen, entsteht aus meiner Sicht der Eindruck einer bleibenden Aktualität.

1. Der totale Staat und der christliche Widerstand

Als der totale, nationalsozialistische Staat alle Lebensbereiche „gleichschalten“ wollte, mußten die Einsichten der Reformatoren von der Freiheit der Kirche diejenigen in Konflikte führen, die ihre biblisch-reformatorischen Wurzeln nicht abschneiden wollen. Das bekannteste Beispiel ist die Barmer Theologische Erklärung vom Mai 1934. In den Artikeln 2 und 5 kamen die Einsichten Luthers gegenüber dem Staat neu zur Geltung: Wir dienen Jesus Christus in allen Bereichen.[2] Die beiden Regierweisen Gottes stehen weder beziehungslos nebeneinander noch sind sie ein beliebiges Durcheinander. Vielmehr haben Staat und Kirche je auf verschiedene Weise Gottes Auftrag wahrzunehmen. Wohl einem Staat, dem die Kirche so kräftig ins Gewissen reden kann, wie das Luther tat oder wie es in Barmen gewagt wurde. Weniger bekannt ist, daß die Barmer Synode zusammen mit ihrer berühmten Erklärung, die von dem reformierten Theologen Karl Barth aufgesetzt worden war, auch den Einführungsvortrag des lutherischen Pfarrers Hans Asmussen offiziell mit angenommen und verabschiedet hat. In diesem heißt es:

„Beide, Staat und Kirche sind gebundene, diese im Bereich des Evangeliums, jener im Bereich des Gesetzes. Ihre Bindung bezeichnet den Raum ihrer Freiheit. Jede Überschreitung der Bindung führt sowohl die Kirche wie auch den Staat in eine ihrem Wesen fremde Knechtung. Allein aus der jeder der beiden Größen eigenen Bindung erwachsen ihr Dienst und ihre Aufgaben aneinander. Verkündigt der Staat ein ewiges Reich, ein ewiges Gesetz und eine ewige Gerechtigkeit, dann verdirbt er sich selbst und mit sich sein Volk. Verkündigt die Kirche ein staatliches Reich, ein irdisches Gesetz und die Gerechtigkeit einer menschlichen Gesellschaftsform, dann überschreitet sie ihre Grenzen und reißt den Staat in ihre eigene Versumpfung mit hinab.“

Peter Brunner hat 1958 in einem exzellenten Volkshochschulvortrag über „Die Stellung des Christen in einer verantwortlichen Gesellschaft“ ebenfalls gezeigt, wie gerade die Zweiheit, das Gegenüber von Kirche und Staat notwendig ist, einen Raum der Freiheit zu erhalten: „Überall dort, wo Christen als Gemeinde Jesu Christi miteinander leben, nötigen sie den Staat, auf die Vergötzung seiner selbst zu verzichten. Sie nötigen ihn, in der ihm zukommenden Profanität[3] zu verharren und darum im Gegenüber zur christlichen Kirche und in der sich daraus ergebenden Begrenzung zu existieren. Mit dieser Zweiheit von Staat und Kirche ist ein Raum der Freiheit geschaffen. Ursprunghaft ist dies ein Raum der Freiheit für die Verkündigung des Evangeliums an alle Menschen und für das Leben der Christen als Gemeinde und Kirche. Aber dieser Raum der Freiheit könnte sich sehr wohl als Fundament und Bürgschaft für andere Freiheiten, für die bürgerlichen Freiheiten erweisen. Wo der freie Raum für die Evangeliumsverkündigung und das christliche Gemeindeleben von der Staatsmacht bedroht wird, dort sind gewiß auch die bürgerlichen Freiheiten wie der freien Meinungsäußerung und der Versammlungs- und Pressefreiheit gefährdet, wenn nicht sogar bereits verschwunden“[4]!

2. Aktuelle Herausforderungen

Daß diese Freiheiten nicht selbstverständlich sind, hat in jüngster Zeit die Corona-Krise überdeutlich gemacht. In vielen Staaten dieser Welt wurden nicht nur bürgerliche Versammlungs- und Bewegungsfreiheiten eingeschränkt, sondern auch religiöse Freiheiten. Daß sich demokratisch gewählte Regierungen anmaßen, die Zahl der Gottesdienstbesucher zu reglementieren und zu kontrollieren, ja zu entscheiden, ob Gottesdienste überhaupt stattfinden, ob gesungen werden darf oder nicht – all das wäre vor kurzem nicht vorstellbar gewesen. Nach allem, was wir aus der Schrift und der Reformation über das Wesen von Kirche und Staat lernen, haben diese Staaten damit eine heilige Grenze überschritten. Sie haben sich nicht auf Hygieneempfehlungen für Gemeinden beschränkt, sondern mit Zwangsmaßnahmen in einen Bereich eingegriffen, in dem sie keine Kompetenz innehaben. Die Obrigkeiten taten dies, obwohl ihnen im Raum der Kirche keine Kenntnis und Befugnis eignet: Mit dem Lobpreis und der Liturgie der Gemeinde ist der intimste geistliche Bezirk der Kirche bezeichnet. Wenn Glaubensgeschwister gemäß 1.Kor 6 nicht einmal Streitereien über Dinge dieser Welt vor weltlichen Richtern austragen sollen, um wieviel weniger haben diese Einsicht und Recht, in den Gottesdienst einzugreifen! „Wißt ihr nicht, daß die Heiligen die Welt richten werden? Wenn nun die Welt von euch gerichtet werden soll, seid ihr dann nicht gut genug, geringe Sachen zu richten? Wißt ihr nicht, daß wir über Engel richten werden? Wie viel mehr über Dinge des täglichen Lebens. Ihr aber, wenn ihr über diese Dinge rechtet, nehmt solche, die in der Gemeinde nichts gelten, und setzt sie zu Richtern. Euch zur Schande muß ich das sagen …“ (1.Kor 6,2–5a) Jede Gemeinde, die hier nicht klar sieht und Widerstand leistet, schwächt die Stellung der übrigen, die Widerstand leisten wollen, sich aber alleingelassen sehen. Insbesondere im christlich geprägten Westen hätte ein Aufschrei sondergleichen erfolgen müssen!

Ein striktes Nein muss also festgehalten werden gegenüber allen staatlichen Versuchen, bestimmte religiöse Versammlungen oder Glaubensinhalte zu erlauben oder zu verbieten, auch etwa zu definieren, wie Kirchenmitgliedschaft begründet[5] oder nach welchen Grundsätzen die Kirchen Religionsunterricht erteilen. Dazu hat der Staat nach Gottes Ordnung und nach der Einsicht des unverändert gültigen Böckenförde-Theorems[6] keine Kompetenz. Gut und Böse sind dem Staat in den Zehn Geboten (bzw. der Schöpfungs- und Erhaltungsordnung) so fasslich wie umfassend vorgegeben, und er täte bzw. tut gut daran, die transzendente Instanz, die er über sich hat, anzuerkennen und dies auch (weiterhin) zu benennen. Die EKD schrieb noch 1985 offiziell über die kirchliche Predigt: „Ihre Aufgabe ist es nicht, ein eigenes politisches Programm zu verkündigen, wohl aber politische Programme darauf zu befragen, wie sie sich mit dem Gebot Gottes vertragen.“[7] Wenn nun ein Pfarrer versetzt wird, weil er die Sinnhaftigkeit kirchlicher Unterstützung für Seenotrettung im Mittelmeer in Frage stellt, wird klar, welch weiten Weg die Kirchenleitungen seither zurückgelegt haben.

Die Frage des früheren Hannoverschen Landesbischofs Eduard Lohse (1924–2015), ob die Kirchen in einem zunehmend christenfeindlichen Umfeld die Kraft haben werden, den weiten Rahmen, der ihnen von der Verfassung (an)geboten wird, auszufüllen[8], stellt sich immer dringlicher, zumal von landeskirchlicher Seite selbst Verrat und Auslieferung droht (vgl. Joh 16,2 und den Latzel-Prozeß). Zur Orientierung dienen dabei auch die Propheten: Samuel trat gegen König Saul, Nathan gegen König David, Elia gegen König Ahab auf usw.; im Neuen Testament trat Johannes der Täufer gegen Herodes auf. Es ging um Verfehlungen gegenüber dem Kult, gegen Familie und Ehe des Nächsten, gegen den rechten Glauben oder das Eigentum des Volkes. Johannes der Täufer trat nicht als Revolutionär auf, sondern mit einem mutigen Bußruf gegenüber König und Volk gleichermaßen, orientiert an den Geboten: „Es ist nicht recht, daß Du Deines Bruders Frau hast!“ Eben dieses „Es ist nicht recht!“ mit dem klaren Hinweis auf das Gericht Gottes wäre dem Staat heute wegen der Ermöglichung der vorgeburtlichen Kindstötung[9], des assistierten Suizids, der Umdefinierung der Ehe, der Frühsexualisierung, der Gender-Sprache oder der Volksenteignung durch sogenannte Euro-Rettungsmaßnahmen entgegenzuhalten. Eine Kirche aber, die staatliche Maßnahmen, die Gottes Gebote verletzen, abnickt und noch gegen Kritik aus den eigenen Reihen verteidigt, macht sich selbst zur Hure. Ihre Hoffnung, Relevanz („Systemrelevanz“) und Akzeptanz durch ihre „Staatsfrömmigkeit“ (Armin Laschet) zu gewinnen, zerbrach, als sie selbst erklärte, Corona sei kein Gericht Gottes, und sie werde alle Maßnahmen bis zur Einstellung von Gottesdiensten mittragen. Sie ist damit der zivilreligiösen Versuchung erlegen, d.h. der Versuchung, sich durch ihre Fokussierung ihrer Arbeit und Verkündigung auf sozialen Zusammenhalt vor der Welt zu legitimieren. Im Sinne der Zitate von Asmussen und Brunner kann man sagen: Die Systemrelevanz der Kirche geht verloren, sobald sie systemkonform wird. Wenn Kirche das ist, an das Schema dieser Welt angepaßt, dann muß sie die Frage des Herrn hören: „Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander nehmt?“ (Joh 5,44)

Es stimmt: Wir können nicht glauben, weil und wenn wir auf Anerkennung und Ehre bei Menschen schielen. Nur der Geist Gottes kann dem toten Gerippe der Kirche neues Leben einhauchen. Dazu laßt uns fasten und beten!

3. Besinnung auf die Grundlagen: Zwei Regierweisen Gottes nach Luther

Das Grundproblem, dass die Reiche – man spricht auch von Regimenten, gemeint sind aber nicht militärische Einheiten, sondern eben „Regierweisen“ – vermischt werden, hatte bereits Luther voll im Blick (das landesherrliche Kirchenregiment nahm er daher nur als Zwischenzustand hin). So schreibt er 1534 zu Psalm 101:

„Ich muß immer solchen Unterschied dieser zweier Reiche einbleuen und einkäuen, obs wohl so oft, daß es verdrießlich ist, geschrieben und gesagt ist. Denn der leidige Teufel höret auch nicht auf, diese zwei Reiche ineinander zu kochen und zu brauen. Die weltlichen Herren wollen in Teufels Namen immer Christum lehren und meistern, wie er seine Kirche und geistlich Regiment soll führen. So wollen die falsch Pfaffen und Rottengeister, nicht in Gottes Namen, immer lehren und meistern, wie man soll das weltlich Regiment ordnen. Und ist also der Teufel zu beiden Seiten da sehr unmüßig und hat viel zu tun. Gott wollt ihm wehren. Amen, so wir‘s wert sind.“[10]

In der damaligen Zeit, in der man an Bischöfe mit weltlicher Macht und Landesherrn mit geistlicher Macht gewöhnt war, war das ein revolutionärer Ansatz! Daß man sich von einem weltlichen Herren in Glaubensdingen nichts vorschreiben lassen kann, war „eine glatte Absage an das mittelalterliche Ketzerrecht“ und „ein wichtiger Beitrag zur Gewissensfreiheit“![11]

Von woher sind Wesen und Würde der beiden Regierweisen Gottes gemäß Luther zu bestimmen? Luther will die weltliche Obrigkeit und ihr Wesen nicht nach dem Augenschein bestimmen, sondern gemäß der Setzung bzw. „Stiftung“ Gottes (ähnlich sein Wort zur Ehe!). Legte man nur das Erscheinungsbild der weltlichen (und kirchlichen) Obrigkeiten zugrunde, könnte man verzagen angesichts von so viel Egoismus und Torheit.

Gott hat, so Luther, die Obrigkeit als weltliche Ordnungsmacht eingesetzt, um der Zerstörung durch eine sich chaotisch ausufernde Sünde zu wehren. Analoges gelte von der Kirche: Kirche ist dort, wo Gottes Wort recht gepredigt und die Sakramente stiftungsgemäß gereicht werden. Das ist genug – hier wächst das Reich Gottes zur Rechten unaufhaltsam, weil Gottes Wort stärker ist als aller menschlicher Eigenwille.

In drei Punkten seien die Regierweisen Gottes im Sinne Luthers umrissen.

  1. In beiden Reichen, durch beide Regierweisen regiert der dreieinige Gott; in beiden will er der Sünde wehren; in beiden aber werden sündige Menschen tätig.
    Wie nun sind die beiden Regierweisen zu unterscheiden?
    Im Reich zur Rechten regiert Gott nicht mit Gewalt, sondern durch die Liebe, nicht durch menschliche Gesetze, sondern durch sein göttliches Gesetz und sein Evangelium, nicht durch Zwang, sondern durch den Heiligen Geist, der das Wort führt und den guten Willen, die Liebe via Wort und Sakrament ins Herz pflanzt.
    Im Reich zur Linken regiert Gott so, daß seine Schöpfung geschützt wird vor Chaos und Zerstörung. Das geht nicht ohne Gewalt und Militär, strukturiert durch menschliche Gesetze. Inwieweit diese mit den Geboten Gottes übereinstimmen, wäre von der Kirche zu prüfen.
  2. Ein Nichtchrist befindet sich nur im Reich zur Linken; ein Christ lebt unter beiden Regierweisen bzw. Reichen Gottes zugleich. Wie erkennt er nun den Willen Gottes für sein Tun in der Welt? Luther verweist hier zunächst auf den Ort, an dem sich ein Christ vorfindet, sei es als Kind, als Ehemann/Ehefrau, als Knecht oder Adeliger. Ehe, Familie und Staat sind die Grundeinteilungen, die für die Frage nach unserem Sollen in der Gesellschaft zu beachten sind. Beruf und Berufung gehören eng zusammen.
    Die Berufe gruppierte man im Mittelalter nach den sogenannten Ständen (lat. status, gradus, oder ordo). Im Hintergrund standen neben Platons arbeitsteiligem Idealstaat (von Philosophen geleitet, von Wächtern beschützt, von Bauern und Handwerkern ernährt) noch römische und germanische Traditionen. Die Gliederung in Schichten (Adel, Freie und Unfreie) hielt sich bis in die Neuzeit. Bei Augustin und Thomas von Aquin ging es noch um eine festgefügte Seinsordnung. Auch Luther geht von hier aus. Er gibt aber, ohne die Hierarchie aufzulösen, einer funktionalen Beschreibung Raum. Gott könne eine Person „durch alle stende bis hinauff“ führen[12]. Es geht um drei Stände:
    1. Lehrstand: insbesondere Pfarrer, Theologen, Lehrer (daher der Talar, das Gewand der Gelehrten, der später nur noch den Pfarrern und Richtern blieb[13]) – im wesentlichen der Klerus. Weltliche Lehrer gab es kaum.
    2. Wehrstand: die Obrigkeit und alle, die in ihrem direkten Dienst standen und mithalfen, die Ordnung aufrechtzuerhalten, dem Bösen zu wehren, im Krieg zu verteidigen.
    3. Nährstand: alle übrigen, d.h. die Bauern- und Handwerkerfamilien – das Gros der damaligen Bevölkerung.[14]
    Gegen den Versuch von Schwärmern und Aufrührern, neue Ordnungen zu setzen, betonte Luther später mehr die Verbindlichkeit des Gewordenen. Der Ruf Gottes erreiche den Menschen in seiner konkreten Ordnung, egal ob oben oder unten. Jeder soziologische Ort kann so ein Ort der Gnade werden.[15]Die Ausdifferenzierung der Arbeitswelt ist in den Jahrhunderten nach Luther sehr viel größer geworden, zugleich haben sich die quantitativen Schwerpunkte verlagert. Der Dienstleistungssektor hat gewaltig zugenommen (Deutschland 2019: rund 70%, Nahrungsproduktion: unter 1%[16]). Doch von bleibender Bedeutung an Luthers Regimentenlehre ist unter anderem die Erkenntnis, daß der Wehrstand moralisch nicht produktiv sein kann. Er baut wohl z.B. Straßen und verhindert den Einfall von Räubern. Er verteidigt die Rechtsordnung, aber kann sie nicht begründen; sie wird als gottgegeben gesehen. Im wesentlichen verhindert der Wehrstand das Chaos.
  3. Die beiden Reiche (oder eben besser ‚Regierweisen‘) stehen „nicht beziehungslos nebeneinander, sondern Gott selbst hat das, was er durch sein weltliches Regiment wirkt, teleologisch[17] hingeordnet auf seinen Willen im geistlichen Regiment.“[18] Warum also wird die Menschheit durch die Ordnungen oder Stiftungen Gottes, nämlich Ehe und Familie, Arbeit und Wirtschaft, Obrigkeit, Wissenschaft und Kunst vor dem Absinken ins Chaos geschützt? Warum gibt es noch eine für Menschen bewohnbare, ja wunderschöne Erde? Darum, weil Gott in dieser Erdenzeit noch die Sammlung seiner Auserwählten für sein ewiges Reich vollenden will. Ist das einmal geschehen, wird auch das geschichtliche Dasein der Menschheit und der Kirche aufhören.[19]
    Luther hat also das Reich zur Linken keineswegs einer Eigengesetzlichkeit überlassen, die am Ende noch den Nationalsozialismus rechtfertigen half[20], Deutschlands Weg in die Demokratie behinderte oder das Christentum auf Innerlichkeit reduzierte. Letzteres mag bei einem schwach gewordenen späteren Luthertum so sein[21], aber nicht bei Luther selbst. In seiner Schrift „Von weltlicher Obrigkeit – wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei“ (1523) hat er mit scharfer Feder und spitzem Witz seine Fürsten attackiert! Ein paar Zitate folgen gleich.

Ein Christ lebt also in zwei Reichen; neben seinem weltlichen Bürgerrecht (Reich zur Linken; z.B. Paulus‘ römisches Bürgerrecht) hat er nach Phil 3,20 (vgl. Hebr 13,14) ein geistliches Bürgerrecht im Himmel (mit der Gemeinde im Reich zur Rechten). Folglich kann ein Christ jedes Amt in dieser Welt innehaben, auch das eines Soldaten, Richters oder sogar Henkers. Die Schuhe des christlichen Schusters werden zwar nicht notwendigerweise besser sein als die seines heidnischen Konkurrenten. Aber nur der Christ, der aus der Schrift erkennt, daß und wie Gott auch auf „weltliche“ Weise regiert, sieht den größeren Zusammenhang, in dem Wirtschaft und Staat stehen. Er wird daher das Schwert nicht aus Eigennutz führen, um sich selbst zu rächen oder zu bereichern, sondern aus Liebe zu Volk, Fürst und Familie.[22] Er wird dienen oder herrschen oder wirtschaften, nicht um die Konkurrenten aus dem Feld zu werfen, sondern zum gemeinsamen Nutzen, und um seinen Nächsten in der Gnadenzeit vor der Wiederkunft Christi die Tür zum Himmel offenzuhalten.

So versucht Luther beiden Abgründen zu wehren: der skrupellosen Machtentfaltung auf der einen Seite, wie er sie bei selbstherrlichen Fürsten sieht, die über geistliche Dinge urteilen und bestimmen wollen oder einen Krieg vom Zaun brechen[23], und auf der anderen Seite dem Rückzug in eine fromme Innerlichkeit, die meint, mit der bösen äußeren Welt nichts mehr zu tun zu haben. Gerade gegenüber dieser letzten Seite hat Luther in Theorie und Praxis die Ehre des nichtklösterlichen Lebens neu auf den Leuchter gestellt: Auch gutes und ehrliches Handwerk ist Gottesdienst! Gottesdienst, der fröhlich getan werden soll, findet statt an allen Tagen der Woche, gerade in und nicht außerhalb der weltlichen Arbeit. Also kann auch die Arbeit eines Soldaten oder sogar eines Henkers mit gutem Gewissen im Glauben getan werden, wenn denn wirklich die Bösen bestraft und die Guten belohnt werden. Ebenso ist die Ehe eine gute göttliche Stiftung; wer in ihr lebt, wird durch sie gesegnet, selbst wenn er Gottes Hand in ihr nicht erkennt. „Der eheliche Stand ist auch köstlich und göttlich, dennoch ist mancher Schalk und Bube drinnen.“[24]

Wer die Ehe verachtet und umdefinieren will, verliert auch ihren Segen. Hier nähern wir uns der heutigen Problematik einer gottlosen Willkür: Der Staat bzw. die Gesellschaft will selbst entscheiden, was gut und böse ist, was Ehe ist, wann das Lebensrecht des Ungeborenen beginnt, was ein zulässiger Glaube und was ein naiver oder eigennütziger Glaube ist, wie das Bundesamt für Migration bei der Entscheidung, ob Bekehrungen von Migranten echt sind. Auch damit maßt sich der Staat religiöse Kompetenz auch dort an, wo er selbst nicht ausdrücklich von Gott spricht, ja wo ihn kein Wort Gottes dazu beruft.

Luther hat durch seine Lehre auch Bischöfe und Päpste mutig in die Schranken gewiesen, die die weltliche Rechtsprechung über eigene Gebiete beanspruchen. So hat die Reformation entscheidend dazu geholfen, der schon alttestamentlich angebahnten Aufgabentrennung von Priestertum und Königtum in der Neuzeit endlich zum Durchbruch zu verhelfen. In der modernen Vorstellung von der demokratischen Gewaltenteilung haben wir einen (wenn auch leider schwindenden) Nachhall davon.

„Von weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei“ (1523)[25]

In seiner Schrift „Von weltlicher Obrigkeit“ führt Luther die Unterscheidung zwischen den beiden Regierweisen mit einem klaren Kriterium ein: Die Dinge, die der Mensch regieren soll, stehen geschöpflich unter ihm. Es sind die äußeren Angelegenheiten des Lebens, aufgezählt im Herrschaftsauftrag für den gottebenbildlichen Menschen nach 1.Mose 1,26–28 (Fische, Vögel, Landtiere, die ganze Erde: „füllet die Erde und machet sie euch untertan“). Gegen Erasmus schrieb er wenig später (1525): quod supra nos, nihil ad nos – was über uns steht, geht uns nichts an.[26] Mit anderen Worten: In geistlichen Dingen hat der natürliche Mensch keine Kompetenz, keine Freiheit. Darum hat hier die Obrigkeit keine Macht, irgend etwas hineinzureden. Schon der Untertitel deutet an, daß es um eine Grenzziehung geht. Ich möchte abschließend mit einem längeren Zitat einen Eindruck davon geben, wie kräftig Luther die Obrigkeit an ihre gottgegebene Aufgabe zurückbindet und sie gerade davor behüten will, in die Kirche hineinzuregieren:

„Auf‘s erste ist zu merken, daß die zwei Teile Adamskinder, deren einer in Gottes Reich unter Christus, deren anderer in der Welt Reich unter der Obrigkeit ist (wie oben gesagt), zweierlei Gesetz haben. Denn ein jegliches Reich muß seine Gesetze und Recht haben, und ohne Gesetz kann kein Reich bestehen, wie das hinreichend die tägliche Erfahrung ergibt. Das weltliche Regiment hat Gesetze, die sich nicht weiter erstrecken als über Leib und Gut und was äußerlich auf Erden ist. Denn über die Seele[27] kann und will Gott niemand regieren lassen als sich selbst allein. Deshalb: wo weltliche Gewalt sich vermißt, der Seele Gesetze zu geben, da greift sie Gott in sein Regiment und verführt und verdirbt nur die Seelen. Das wollen wir so klar machen, daß man‘s mit Händen greifen solle, auf daß unsere Junker, die Fürsten und Bischöfe sehen, was sie für Narren sind, wenn sie die Menschen mit ihren Gesetzen und Geboten zwingen wollen, so oder so zu glauben.

Wenn man ein Menschengesetz auf die Seele legt, daß sie glauben soll, so oder so, wie derselbe Mensch es angibt, so ist da gewiß nicht Gottes Wort. Ist Gottes Wort nicht da, so ist‘s ungewiß, ob‘s Gott haben will. Denn was er nicht gebietet, dessen kann man nicht sicher sein, daß es ihm gefalle: ja, man ist gewiß, daß es Gott nicht gefalle. Denn er will unsern Glauben bloß und lauter allein auf sein göttliches Wort gegründet haben, wie er Matth. 16, 18 sagt: ‚Auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen‘, und Joh. 10, 4. 5: ‚Meine Schafe hören meine Stimme und kennen mich; aber der Fremden Stimme hören sie nicht, sondern fliehen vor ihnen.‘ Daraus folgt denn, daß weltliche Gewalt die Seelen mit solchem Frevelgebot zum ewigen Tode drängt, denn sie zwingt solches zu glauben, als das recht und gewiß Gott gefällig sei, während es doch ungewiß ist, ja gewiß, daß es mißfällt, weil kein klares Gotteswort da ist. Denn wer das für Recht glaubt, was unrecht oder ungewiß ist, der verleugnet die Wahrheit, die Gott selbst ist, und glaubt an die Lügen und Irrtümer, hält das für recht, was unrecht ist.

Deshalb ist‘s ein gar überaus närrisch Ding, wenn sie gebieten, man solle der Kirche, den Vätern, Konzilien glauben, obgleich kein Gotteswort da sei. Teufelsapostel gebieten solches und nicht die Kirche. Denn die Kirche gebietet nichts, sie wisse denn sicher, daß es Gottes Wort sei, wie 1.Petr. 4,11 sagt: ‚Wenn jemand redet, daß er‘s rede als Gottes Wort‘. Sie werden aber gar lange nicht beweisen, daß der Konzile Sätze Gottes Wort sind. Viel närrischer ist‘s aber noch, wenn man sagt: die Könige und Fürsten und die Menge glaubt so.[28] Mein Lieber, wir sind nicht getauft auf Könige, Fürsten, noch auf die Menge, sondern auf Christus und Gott selbst. Wir heißen auch nicht Könige, Fürsten oder Menge, wir heißen Christen. Der Seele soll und kann niemand gebieten, er wisse ihr denn den Weg gen Himmel zu weisen. Das kann aber kein Mensch tun, sondern Gott allein. Deshalb soll in den Sachen, die der Seele Seligkeit betreffen, nichts als Gottes Wort gelehrt und angenommen werden.

Ferner: wenn sie gleich grobe Narren sind, so müssen sie ja das bekennen, daß sie keine Gewalt über die Seelen haben. Denn es kann ja kein Mensch eine Seele töten oder lebendig machen, gen Himmel oder zur Hölle führen. Und wenn sie uns das nicht glauben wollen, wird Christus das ja stark genug bezeugen, da er Matth. 10, 28 sagt: ‚Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten und die Seele nicht können töten; fürchtet euch aber vielmehr vor dem, der Leib und Seele verderben kann in der Hölle‘. Ich meine wenigstens, daß hier klar genug die Seele [die geistlichen Dinge] aus aller Menschen Hand genommen und allein unter Gottes Gewalt gestellt sei. Nun sage mir, wieviel Verstand muß der Kopf wohl haben, der an dem Ort Gebote aufstellt, wo er gar keine Gewalt hat? Wer wollte den nicht für unsinnig halten, der dem Mond geböte, er sollte scheinen, wann er wollte? Überdies kann man‘s auch daran begreifen, daß eine jegliche Gewalt nur da handeln soll und kann, wo sie sehen, erkennen, richten, urteilen, wandeln und ändern kann. Denn was wäre mir das für ein Richter, der blindlings die Sachen richten wollte, die er weder hört noch sieht? Nun sage mir, wie kann ein Mensch die Herzen sehen, erkennen, richten, beurteilen und ändern? Denn solches ist allein Gott vorbehalten, wie Ps. 7, 9–10 sagt: ‚Gott prüft Herzen und Nieren‘, ferner: ‚Der Herr ist Richter über die Völker‘, und Apg. 1,24: ‚Der Herr kennt alle Herzen‘, und Jer. 17,9f.: ‚Es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding, wer kann es ergründen? Ich, der Herr, kann das Herz ergründen und die Nieren prüfen‘. Ein Gericht soll und muß ganz sicher sein, wenn es urteilen soll, und alles am hellen Licht haben. Aber der Seelen Gedanken und Gesinnungen können niemand als Gott offenbar sein. Deshalb ist es umsonst und unmöglich, jemand zu gebieten oder ihn mit Gewalt zu zwingen, so oder so zu glauben. Es gehört ein anderer Griff dazu, die Gewalt tut‘s nicht. Und mich wundern die großen Narren, sintemal sie selbst allesamt sagen: Verborgene Sachen richtet die Kirche nicht. Wenn denn der Kirche geistliches Regiment nur offenbare Dinge regiert, wessen untersteht sich denn die unsinnige, weltliche Gewalt, solch heimlich, geistlich, verborgen Ding, wie es der Glaube ist, zu richten und zu meistern?“[29]

Pfr. Dr. Stefan Felber

Erschienen in: akzente für Theologie und Dienst – Biblisch-theologische Dreimonatsschrift der RGAV-Dienstgemeinschaft für Verkündigung und Seelsorge e.V. (Mai 2021)

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Zitierte Literatur

Brecht, Martin: Martin Luther. Bd. 2: Ordnung und Abgrenzung der Reformation 1521–1532, Stuttgart 1986, 517 S.

Brunner, Peter: Der Christ in den zwei Reichen [1949], in: Brunner, Peter (Hg.): Pro Ecclesia I. Gesammelte Aufsätze zur dogmatischen Theologie, Berlin, Hamburg 1962, S. 360–374.

Brunner, Peter: Die Stellung des Christen in einer verantwortlichen Gesellschaft [1958], in: aaO. 375–388.

EKD: Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie. Der Staat des Grundgesetzes als Angebot und Aufgabe. Eine Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gütersloh 1985, 41990, 48 S. (Vorworte: Eduard Lohse und Trutz Rendtorff).

Felber, Stefan: „Kein König außer dem Kaiser“? Warum Kirche und Staat durch Zivilreligion ihr Wesen verlieren, Freimund-Verlag, erscheint ca. Juni 2021, ca. 200 S.

Lohse, Eduard: Erneuern und Bewahren. Evangelische Kirche 1970–1990, Göttingen 1993, 343 S.

Luther, Martin: Von weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei (1523), zitiert aus der Alandschen Lutherausgabe, Band 7, 21967, S. 9–51 (zu finden u.a. in www.checkluther.com/wp-content/uploads/1523-Von-weltlicher-Obrigkeit-wie-weit-man-ihr-Gehorsam-schuldig-sei.pdf, zitiert von S. 11f.; vgl. auch www.projekt-gutenberg.org/luther/weltobri/weltobri.html), auch zu finden in der Münchner Ausgabe (hg. von H. H. Borcherdt und G. Merz): Band V, München 1936, S. 1–44 (= WA 11, S. 245–281). Der längere zitierte Text findet sich außerdem wieder in der 2. Walch-Auflage, Bd. X, 1987, Sp. 395–398 (Nr. 38–42).

Luther, Martin: Ob Kriegsleute auch in seligem Stande sein können (1526), in: Münchner Ausgabe (w. o.), S. 197–239 (= WA 19, S. 623–662).

Mantey, Volker: Zwei Schwerter – zwei Reiche. Martin Luthers Zwei-Reiche-Lehre vor ihrem spätmittelalterlichen Hintergrund, Tübingen 2005, 334 S. (Rezension von Hermut Löhr, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung 2.11.2005, Nr. 255, S. 40).

Nef, Robert: Freiheit in Geschichte und Gegenwart: Die neue Dreigliederung der Gesellschaft, hg. v. Bouillon, Hardy; Gebauer, Carlos A., Reinbek 2020, S. 321–339.

Siemon-Netto, Uwe: Der erfundene Luther. Wider das Klischee vom ‚Wegbereiter Hitlers‘, Gross Oesingen 1999, 134 S.

Thier, Erich: Art. Stand, in: Deutscher Evangelischer Kirchentag; Karrenberg, Friedrich (Hg.): Evangelisches Soziallexikon, Stuttgart 1954, Sp. 1002–1005.

Thimme, Hans: Luthers Lehre von den beiden Reichen, Heft 21 des Gnadauer Materialdienstes 21, 1983; enthalten auch in: Heimbucher, Kurt (Hg.): Luther und der Pietismus. An alle, die mit Ernst Christen sein wollen, Giessen, Basel: Brunnen (TVG) 21999, S. 170–195.

Tietz, Christiane: Die politische Aufgabe der Kirche im Anschluss an die Lutherische „Zwei-Regimenten-Lehre“, in: Dingel, Irene; Tietz, Christiane (Hg.): Die politische Aufgabe von Religion. Perspektiven der drei monotheistischen Religionen. Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz Beiheft Bd. 87, Göttingen 2011, S. 259–273.

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[1] Dabei ist zuzugestehen, daß die aus Luthers Lehre von den zwei Regierweisen Gottes erwachsene Praxis oft nicht so einleuchtet, wie das in der Theorie erscheint. Das trifft aber nicht nur auf Luther zu.– Meine Besinnung beschränkt sich auf die Grundlinien.

[2] These 2:

„‚Jesus Christus ist uns gemacht von Gott zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung‘ (1.Kor. 1, 30).

Wie Jesus Christus Gottes Zuspruch der Vergebung aller unserer Sünden ist, so und mit gleichem Ernst ist er auch Gottes kräftiger Anspruch auf unser ganzes Leben; durch ihn widerfährt uns frohe Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt zu freiem, dankbarem Dienst an seinen Geschöpfen.

Wir verwerfen die falsche Lehre, als gebe es Bereiche unseres Lebens, in denen wir nicht Jesus Christus, sondern anderen Herren zu eigen wären, Bereiche, in denen wir nicht der Rechtfertigung und Heiligung durch ihn bedürfen.“

These 5:

„‘Fürchtet Gott, ehret den König!‘ (1.Petr. 2,17).

Die Schrift sagt uns, daß der Staat nach göttlicher Anordnung die Aufgabe hat, in der noch nicht erlösten Welt, in der auch die Kirche steht, nach dem Maß menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens unter Androhung und Ausübung von Gewalt für Recht und Frieden zu sorgen.

Die Kirche erkennt in Dank und Ehrfurcht gegen Gott die Wohltat dieser seiner Anordnung an. Sie erinnert an Gottes Reich, an Gottes Gebot und Gerechtigkeit und damit an die Verantwortung der Regierenden und Regierten. Sie vertraut und gehorcht der Kraft des Wortes, durch das Gott alle Dinge trägt.

Wir verwerfen die falsche Lehre, als solle und könne der Staat über seinen besonderen Auftrag hinaus die einzige und totale Ordnung menschlichen Lebens werden und also auch die Bestimmung der Kirche erfüllen.

Wir verwerfen die falsche Lehre, als solle und könne sich die Kirche über ihren besonderen Auftrag hinaus staatliche Art, staatliche Aufgaben und staatliche Würde aneignen und damit selbst zu einem Organ des Staates werden.“

[3] = Weltlichkeit.

[4] Brunner, Stellung des Christen, S. 380.

[5] In der FDP gab es 1973/74 die nicht gerade liberale Forderung, erst ab Religionsmündigkeit sollte Kirchenmitgliedschaft möglich sein (hierzu Lohse, Erneuern und Bewahren, S. 73–77).

[6] Über dieses siehe mein im Literaturverzeichnis angekündigtes Buch.

[7] EKD, Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie, S. 23 (Hervorh. S.F.).

[8] Lohse, Erneuern und Bewahren, S. 73.

[9] Zugleich wäre daran zu erinnern, daß bis in die 1970er Jahre ein ökumenischer und gesellschaftlicher Konsens von der Sittenwidrigkeit der Abtreibung bestanden hatte. Noch 1975 beurteilte das Bundesverfassungsgericht die „Fristenlösung“ als unvereinbar mit dem Recht auf Leben.

[10] Orthographisch modernisiert zitiert nach Thimme, Luthers Lehre von den beiden Reichen, S. 3.

[11] Brecht, Luther II, S. 121. Ob der ältere Luther dem selbst immer gerecht geworden ist, steht auf einem anderen Blatt.– Brecht (aaO. 111–122) verweist auf weitere Schriften (Predigten und Briefe), in denen Luther seine Konzeption weiter entfaltete.

[12] Zitiert bei Thier, Art. Stand, Sp. 1003.

[13] Luther trug zu den Abendmahlsfeiern noch Messgewänder, lediglich zur Predigt den schwarzen Rock der damaligen theologischen Universitätsprofessoren (https://de.wikipedia.org/wiki/Talar, 20.03.2020).

[14] Vgl. Nef, Neue Dreigliederung.

[15] Thier, Art. Stand, Sp. 1003f.

[16] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36846/umfrage/anteil-der-wirtschaftsbereiche-am-bruttoinlandsprodukt/ (13.11.2020).

[17] D.h. zielgerichtet.

[18] Brunner, Der Christ in den zwei Reichen, S. 365.

[19] Im Anschluß an Brunner (ebd.).

[20] Karl Barth warf Luther dies vor (1939 Brief an Frankreich, 1940 Brief an Holland). Vgl. Siemon-Netto, Der erfundene Luther.

[21] Z.B. führt Tietz (Politische Aufgabe der Kirche, S. 261f.) dafür Christoph Ernst Luthardt an. Zu Recht?

[22] Von weltlicher Obrigkeit, in: Münchner Ausgabe V, 1936, S. 14f.+22 mit schönen Beispielen aus Altem und Neuem Testament.

[23] In Luthers „Ob Kriegsleute auch in seligem Stande sein mögen“ (1526) heißt es: „Denn das will ich vor allen Dingen zuvor gesagt haben: Wer Krieg anfängt, der ist unrecht, und es ist billig, daß der geschlagen oder doch zuletzt gestraft werde, der am ehesten das Messer zückt … Denn weltliche Obrigkeit ist nicht eingesetzt von Gott, daß sie solle Frieden sprechen und Kriege anfangen, sondern dazu, daß sie den Frieden handhabe und den Kriegen wehre … So sei in diesem Stücke das erste, daß Kriegen nicht recht ist … Darum laßt euch sagen, ihr lieben Herren: Hütet euch vor Krieg, es sei denn, daß ihr wehren und schützen müßt, und euer aufgelegtes Amt euch zwingt zu kriegen“ (zit. nach Thimme, Luthers Lehre von den beiden Reichen, S. 14). Von daher bejaht Luther sogar das Recht zur Kriegsdienstverweigerung mit der clausula Petri (Apg 5,29; Thimme aaO. 15; Luther, Ob Kriegsleute auch in seligem Stande, S. 233)!

[24] Ob Kriegsleute auch in seligem Stande, S. 199.

[25] Zur Traditionsgeschichte grundlegend: Mantey, Zwei Schwerter; zum zeitgeschichtlichen Hintergrund ferner: Brecht, Luther II, S. 112. 120ff. (weitere Literatur u.a. bei Tietz, Politische Aufgabe der Kirche, S. 260ff.).– Unter anderem: Am 5.11.1522 war in Nürnberg der Verkauf von Luthers Büchern untersagt worden. Herzog Georg von Sachsen verbot am 7.11.1522 den Verkauf oder Kauf von Luthers Übersetzung des Neuen Testaments.

[26] De servo arbitrio, 1525, in: W. Härle u.a. (Hg.) Martin Luther. Lateinisch-deutsche Studienausgabe Band I, 2006, S. 232 und 404.

[27] Luther meint mit ‚Seele‘ wohl allgemein die geistlichen Dinge.

[28] Also kein Mehrheitsprinzip!

[29] WA 11, S. 262–264 (= Alandsche Lutherausgabe Band 7, S. 29–31).

Dieser Beitrag wurde erstellt am Dienstag 15. Juni 2021 um 11:54 und abgelegt unter Gesellschaft / Politik, Kirche, Kirchengeschichte, Theologie.