Gemeindenetzwerk

Ein Arbeitsbereich des Gemeindehilfsbundes

„Ihr seid alle Brüder“

Dienstag 16. März 2021 von Holger Lahayne


Holger Lahayne

Was ist ein Christ? Sicher kann man hierauf verschiedene Antworten geben. Eine der klarsten und prägnantsten ist folgende: Ein Christ ist jemand, der Gott zum Vater hat; Christen sind Kinder Gottes, und Nichtchristen sind es nicht. „‘Vater’ ist die christliche Anrede Gottes“, so J.I. Packer (1926–2020) in Gott erkennen. Leider liest und hört man heute meist etwas anderes. Alle Menschen seien Kinder Gottes, und man könne auch in nichtchristlichen Religionen ein Kind Gottes sein. Diverse Esoteriker und Sektierer, aber auch Katholiken wie Protestanten äußern sich heute so. Es waren leider gerade Letztere, die dieses Denken populär gemacht haben. Vor gut hundert Jahren betonten besonders die liberalen evangelischen Theologen die „allgemeine Vaterschaft Gottes“. Die Bibel lehrt jedoch: einzig ein Christ hat Gott zum Vater. Dass alle Menschen Kinder Gottes wären, ist ein Gedanke, den man in der Bibel nicht finden kann.

Gott ist der Schöpfer aller Menschen. Er will das Beste für alle seine Geschöpfe. Alle profitieren davon, dass Gott diese Welt erhält und lenkt und die alle Menschen vielfach beschenkt und segnet. Auch die Bösen, so Jesus in Matthäus 5,45, haben von Sonne und Regen Nutzen. Paulus betont in Apostelgeschichte 14,17, dass Gott den Heiden „viel Gutes“ getan hat, ja er schenkt ihnen Freude. Auch in Römer 2,4 spricht er von „Gottes Güte“ zu allen Menschen.

Gott handelt in väterlicher Weise mit allen Geschöpfen, aber Er ist nur der Vater der Gläubigen, eben „unser Vater“. Das ist der Höhepunkt der biblischen Offenbarung, denn näher kann ein Mensch Gott nicht kommen. So ist auch kein Zufall, dass fast alle Briefe im Neuen Testament im Einleitungsteil Gott, den Vater (meist „unser Vater“) erwähnen (Röm 1,7; 1 Kor 1,3; 1 Kor 1,2; Gal 1,3; Eph 1,2; Phil 1,2; Kol 1,2; 1 Thes 1,1; 2 Thes 1,2; 1 Tim 1,2; 2 Tim 1,2; Tit 1,4; Phlm 3; 1 Pt 1,2; 1 Joh 1,3; 2 Jph 3; Jud 1). Nichtgläubige dagegen sind „Kinder des Bösen“ (Mt 13,38) oder „Kinder der Welt“ (Lk 16,8).

Kinder Gottes sind nur die Glaubenden. Paulus schreibt: „Ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus“ (Gal 3,26). Es ist jedoch nicht irgendein Glaube, der rettet. Nur Glaube an Jesus Christus macht zum Kind Gottes: „Niemand kommt zum Vater“, d.h. wird Kind Gottes, „denn durch mich“ (Joh 14,6). Nur wer Jesus seinen Bruder nennen kann, ist Kind Gottes (s. z.B. Hbr 2,11; Joh 20,17).

„Der Gerechten Gebet vermag viel…“

Christen müssen unbedingt die Privilegien begreifen, die wir als Kinder Gottes genießen. Weil ihre Sünden vergeben sind, haben Christen freien „Zugang zum Vater“; wir sind „Gottes Hausgenossen“ und können uns deshalb immer an unseren Vater wenden (Eph 2,18–19; s. auch 3,12). Auch in Hbr 10,19ff wird dieser freie Zugang zum Vater ausdrücklich betont. Wir brauchen daher auch keine Vermittler wie Maria und besondere Heilige.

Grundsätzlich gilt natürlich von Gott: „Du erhörst Gebet…“ (Ps 65,3). Aber die Bibel unterscheidet hier durchaus. „… das Gebet der Frommen ist ihm wohlgefällig“ (Spr 15,8), „Der Gerechten Gebet vermag viel…“ (Jak 5,16). Den Gläubigen im Alten wie im Neuen Testament, die in Gerechtigkeit leben und mit Ernst beten, ist Gebetserhörung verheißen. „Bittet, so wird euch gegeben…“ (Mt 7,7) sagt Jesus. Aber dies verspricht er hier in der Bergpredigt den Jüngern, nicht jedermann, denn nur sie haben den „Vater im Himmel“ (V. 11).

Umgekehrt gilt, dass Gott Gebete von Nichtgläubigen nicht erhört. Sie verharren in Sünde und Rebellion Gott gegenüber, haben daher keinen freien Zugang zu ihm. Jesus in Joh 9,31: „Wir wissen, dass Gott die Sünder nicht erhört; sondern den, der gottesfürchtig ist und seinen Willen tut, den erhört er“. Jesaja 1,15 macht deutlich, dass man seine Sünden nicht mit viel Gebet zudecken kann: „… und wenn ihr auch viel betet, höre ich euch doch nicht; denn eure Hände sind voll Blut.“ Sprüche 28,9 ist bsonders scharf im Ton: „Wer sein Ohr abwendet, um die Weisung nicht zu hören, dessen Gebet ist ein Greuel“ (s. auch Jes 59,2; Spr 15,29; 1,20–28; Ps 66,18).

Gott sieht das Herz an. So weiß er natürlich, wenn ein bisher ungläubiger Mensch sich ihm von ganzem Herzen zuwendet und Buße tun will. Das Gebet des Sünders, der bereit ist zur Umkehr, erhört er natürlich! Daher sollten wir Nichtchristen folgende Ratschläge nicht geben: „Versuch‘s doch mal mit einem Gebet. Das hilft sicher! Mir hat‘s jedenfalls geholfen.“ Das ist zwar gut gemeint und klingt auch gut, ja wie ein Zeugnis, ist aber ein falscher Rat. Biblisch ist er jedenfalls nicht. Und was tun wir, wenn die Leute dann meinen, Gott habe ihr Gebet erhört?? Sie meinen dann nur allzuleicht, dass zwischen ihnen und Gott alles irgendwie in Ordnung ist. Gott heilt auch Nichtchristen, er bewahrt sie und ihre Kinder, er schenkt ihnen Erfolg bei Prüfungen usw. – aber er tut dies aus seinem freien Willen und teilt seine Gnade auch Bösen mit; er tut dies nicht, weil er der Menschen Gebet erhört hätte.

„Brüder und Schwestern jeder religiösen Tradition“

Nichtchristen sollten daher nicht wie selbstverständlich in ein Gebet mitheineingenommen werden. Dies gilt natürlich auch für das Gebet mit Anhängern anderer Religionen. Aber gerade dieser katholischen Tradition (seit Johannes Paul II) folgt Papst Franziskus regelmäßig und gerne. Seine heute zu Ende gegangene Reise in den Irak stand unter dem Motto „Ihr alle seid Brüder“. Vor einigen Tagen bat das Oberhaupt der katholischen Kirche im Gebet on Mossul „für uns alle“, „dass wir über die religiösen Bekenntnisse hinweg in Harmonie und Frieden leben können, in dem Bewusstsein, dass wir in den Augen Gottes alle Brüder und Schwestern sind“ (s. Foto ganz o.).

Drückten sich Vorgänger Benedikt XVI und andere Katholiken in dieser Frage vorsichtig oder mitunter auch mißverständlich aus, so ist für den derzeitigen Papst ganz klar: Alle Menschen sind Kinder Gottes – nicht zufällig unterstreicht auch der Titel seiner letzten Enyzklika Fratelli tutti genau diesen Gedanken. So wandte sich Franziskus auch schon in einer Videobotschaft im Vorfeld des Irak-Besuchs an Christen wie Muslime, an „Brüder und Schwestern jeder religiösen Tradition“. In der Abrahamsstadt Ur (s.o. Foto) stand dann am vergangenen Samstag eine interreligiöse Begegnung auf dem Programm. Der Papst sprach die „lieben Brüder und Schwestern“ der verschiedenen Religionen an und meinte: „Heute ehren wir – Juden, Christen und Muslime – gemeinsam mit den Brüdern und Schwestern anderer Religionen unseren Vater Abraham“.

Hier kann nur mit Kurt Hennig (1910–1992) entgegengehalten werden: „Bruder ist Bruder in Christus und sonst niemand.“

Holger Lahayne, 8.3.2021 (www.lahayne.lt)

Dieser Beitrag wurde erstellt am Dienstag 16. März 2021 um 10:57 und abgelegt unter Christentum weltweit, Kirche, Theologie.