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Sola scriptura – Allein die Schrift (6 Thesen zum Reformationsjubiläum)

Sonntag 16. Juli 2017 von Dr. Joachim Cochlovius


Dr. Joachim Cochlovius

1  Der Grundsatz „Allein die Schrift“ geht auf Martin Luther zurück: „Ich will, dass allein die Heilige Schrift herrsche, ich will nicht, dass sie durch meinen Geist oder durch den Geist anderer Menschen ausgelegt werde, sondern dass sie durch sich selbst und durch ihren eigenen Geist verstanden werde“ (Assertio omnium articulorum, 1520). Es geht also um die Frage, wer die Auslegungskompetenz hat. Im Hintergrund steht die Auslegungswillkür im Mittelalter (Beispiel: Bulle ‚Unam sanctam‘ von Papst Bonifaz VIII 1302, wo mit Luk 22,38 allegorisch die Oberherrschaft der Röm.-kath. Kirche über Staat und Christenheit begründet wurde). Später wurde der Grundsatz von Luther auch gegen die „Schwärmer“ angewendet, die sich bei der Bibelauslegung auf persönliche Erfahrungen mit dem Heiligen Geist beriefen.

2  Mit dem Grundsatz „Allein die Schrift“ (auch „Schriftprinzip“ genannt) wurde der Protestantismus eine Bibelbewegung und steht damit im Widerspruch zur Röm.-kath. Kirche, die sich im Konzil von Trient (1545-1563) eine doppelte Grundlage gegeben hat, die Bibel und die Lehrtradition, und die ihr eigenes kirchliches Lehramt als letzte Autorität für das richtige Bibelverständnis bestimmt hat. Wenn die evangelische Kirche die Bibel nicht mehr als Autorität für Leben und Lehre anerkennt, verliert sie ihre Autorität und Existenzberechtigung. Wenn die Röm.-kath. Kirche das Vertrauen in die Bibelautorität verliert, kann sie dennoch aufgrund ihrer Lehrtraditionen weiterexistieren.

3  Wie legen wir die Bibel so aus, dass der Grundsatz „Allein die Schrift“ gewährleistet bleibt? Die reformatorische Antwort lautet: Indem wir sie als Christusbuch lesen. Luther: „Da sollte sich unser Studieren und Lesen sich üben und sehen, wer Christus sei, wozu er uns gegeben ist, wie er uns verheißen war, und wie sich die ganze Schrift auf ihn bezieht, wie er selber in Joh 5,46 gesagt hat“ (Vorrede zur Wartburgpostille 1522). Man soll also in der ganzen Bibel, auch im A.T., danach forschen und erkennen, „was Christum treibet“, d.h. die Spuren und Hinweise auf Christus und seine Sendung erforschen, z.B in der Abrahamsgeschichte, Josephsgeschichte und Danielgeschichte, oder auch in den Berichten über die Freistädte und in den Opfergesetzen (vgl. Wilhelm Busch, Spuren zum Kreuz).

4  Wie bringt die Bibel Christus zu uns? Indem sie auf eine doppelte Weise zu uns redet, als Anspruch und als Zuspruch Gottes, als Gesetz und Evangelium. Das Gesetz sagt uns, dass wir verlorene Sünder sind, weil wir dem Anspruch Gottes nicht genügen, aber das Evangelium sagt uns, dass wir in Christus Vergebung, Heil und Veränderung finden. Für ein geistlich förderliches Bibelverständnis ist es nötig, dass wir uns auf diese doppelte Redeweise der Schrift einstellen. Wer sie nur als Gesetz hört, macht sie zu einem frommen Forderungskatalog, der den Menschen knechtet. Wer sie nur als Evangelium hört, verliert den Blick auf die Realität seiner Sünde. Beispiel: Hiob 1,1 „Es war ein Mann im Lande Uz, der war fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und mied das Böse“. Das Gesetz sagt, dass wir alle so sein sollen. Das Evangelium sagt, dass Christus uns durch den Heiligen Geist so umgestalten kann.

5  Die Ziele der Schrift mit uns nach 2 Tim 3,16f.: „Jedes Buch der Schrift entstammt dem Heiligen Geist und ist nützlich zur Lehre, nämlich zur Überführung der Sünde, zur Zurechtbringung und zur Erziehung in der Glaubensgerechtigkeit, damit der Mensch Gottes zu jedem guten Werk bereit und zugerüstet ist“. Der Heilige Geist deckt uns also durch die Bibel unsere Sünde auf, er macht uns Mut, der Sünde zu widerstehen, und er hilft uns zur Heiligung. So führt uns die Schrift immer wieder ins Kreuzeszeichen hinein, indem sie uns ins Licht Gottes stellt und zum Dienst am Nächsten auffordert.

6  Unsere Aufgabe besteht darin, am Wort Gottes dranzubleiben. „Du aber bleibe bei dem, was du gelernt hast“ (2 Tim 3,14). Die innere Geschichte des Protestantismus zeigt, dass viele evangelische Christen diese Aufgabe immer wieder versäumt haben, leider auch maßgebliche Geistesgrößen und kirchliche Amtsträger bis heute. Beispiele aus der deutschen Geistesgeschichte: Lessing, Kant, Goethe. Beispiele aus der evang. Kirche: Beschluss der bayrischen Landessynode zur Abtreibung 1991, Empfehlung der VELKD-Bischofskonferenz zur Öffnung der evangelischen Pfarrhäuser für gleichgeschlechtliche Partnerschaften 2004, EKD-Grundlagentext ‚Rechtfertigung und Freiheit‘ von 2014, wonach man heute die Bibel nicht mehr so als Wort Gottes ansehen könne wie zur Zeit der Reformatoren. Desto wichtiger ist es für jeden evangelischen Christen, die ganze Bibel des Alten und Neuen Testaments als Christusbuch zu lesen und sich im Leben und Glauben an der Lehre der Apostel auszurichten.

 

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Sonntag 16. Juli 2017 um 8:30 und abgelegt unter Gesellschaft / Politik, Kirche, Theologie.