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Predigt über 2. Korinther 4, 7-11: Warum Gott unzerbrechliche Schätze in zerbrechliche Gefäße legt.

Mittwoch 28. Juni 2017 von Dietmar Kamlah


Dietmar Kamlah

Diesen Schatz tragen wir aber in zerbrechlichen Tongefäßen, wie wir es sind, damit deutlich wird, dass die alles überragende Kraft von Gott stammt und nicht von uns. Von allen Seiten werden wir bedrängt, sind aber nicht erdrückt; wir sind oft ratlos, aber nicht kopflos, wir werden verfolgt, sind aber nicht verlassen, wir werden zu Boden geschlagen, und kommen doch nicht um. Immer und überall tragen wir das Sterben von Jesus an unserem Körper herum, damit auch sein Leben an uns deutlich sichtbar wird. Weil wir zu Jesus gehören, werden wir als Lebende ständig dem Tod ausgeliefert, damit sein Leben auch an unserem sterblichen Körper offenbar wird. (2. Korinther 4, 7-11)

In der Pfalz, in der ich  22 Jahre gelebt habe, habe ich 2 wichtige Kalender kennengelernt. Wer an der südlichen Weinstraße lebt, schätzt den Kalender, der im Zeitraum September/Oktober übersichtlich auflistet an welchem Wochenende, wo, welches der zahlreichen Weinfeste stattfindet. In der von hohem Ausländeranteil gekennzeichneten Industriestadt Ludwigshafen am Rhein stand zumindest damals ein Kalender effektiv in noch höherem Kurs, der Sperrmüllkalender. Scherzhaft wurde beim Sperrmüll sammeln von den inoffiziellen türkischen Feiertagen gesprochen. Aber natürlich waren es längst nicht nur türkische Landsleute, die mit Taschenlampen und Fahrradanhänger zu später Nachtstunde durch die Straßen zogen, um auf diesem kollektiven Flohmarkt noch das eine oder andere Wertvolle zu entdecken. Denn was, die Leute da alles so vor die Tür stellen, ist ja längst nicht nur unbrauchbarer und vergammelter Schrott. Ein Sperrmüllexperte hat ein Auge dafür, was man mitnehmen sollte und was man stehen lassen muss, weil es einfach nichts mehr taugt.

Ein ehemals schöner Holzschrank, der 30 Jahre in einem feuchten und muffigen Keller zugebracht hat und an dem Schimmel, Fäulnis und Holzwurm ihre unübersehbaren Spuren hinterlassen haben, der taugt nicht mehr als Rahmen für das wertvolle Sonntagsporzellan.

Genau das aber schien das Problem gewesen zu sein, dass einige der Korinther mit Paulus hatten. Sie hörten ihn von der Herrlichkeit Gottes reden, von seiner Kraft und Allmacht, seiner Liebe und Barmherzigkeit, seiner unendlichen Fürsorge und Güte, aber wenn man seine Lebensumstände, seine Lebenswirklichkeit anschaute, dann schien das irgendwie nicht dazu zu passen.

Was häufte sich im Leben dieses Mannes nicht alles an Schwierigkeiten, Widrigkeiten, Auseinandersetzungen, Angriffen und Belastungen. Sind das nicht alles Dinge, die einem wirklich mit Gott verbundenen Leben, einem wirklich gesegneten Leben Hohn sprechen?

Sollte Gott die kraftvolle Botschaft seiner Herrlichkeit wirklich in ein so jämmerliches, schwaches und zerbrechliches Gefäß legen?

Müsste da nicht statt Verfolgung Erfolg zu verbuchen sein, statt Verlegenheiten Gelegenheiten, statt Bedrückungen ekstatische Entrückungen?

War da für einen Menschen, der behauptete vom Messias persönlich berufen worden zu sein, nicht viel zuviel von Angst, von Not, von Trübsal und von Leiden die Rede?

Diese weltüberwindende Siegesbotschaft der Auferstehung und diese ständig von Not und Tod überschattete Existenz, das passte doch einfach nicht zusammen.

„Doch das passt zusammen“, sagt Paulus, „ja, vielmehr ganz allein so kann es nur sein. Dieser wunderbare himmlische Schatz kann nur in zerbrechlichen Tongefäßen angemessen aufbewahrt werden. In anderen Gefäßen würde er verfaulen, in anderen Gefäßen käme er niemals zur Geltung. Nicht nur die Korinther sondern auch wir Menschen des beginnenden 21.Jahrhunderts hören diese Sätze mit Befremden. Das ist eine Wahrheit, die der westlichen Welt zunehmend fremd geworden ist, so schreibt es Tatiana Goritschewa in ihrem sehr lesenswerten Buch „Die Kraft der Ohnmächtigen“. „Hier im Westen erlebe ich eine große Leidensscheu bei den Christen. Sie schämen sich sogar zu sagen, dass sie leiden oder Not haben. Aber wie sollen diese Christen die Tiefen und damit den Reichtum des Lebens überhaupt einmal erfassen können?

Gott verbirgt das Glück im bestehenden Leid, denn wer das Leid annimmt, erlebt darin auch eine besondere Nähe zu Gott, die jedes andere Glück weit übersteigt. Man soll das Leid nicht suchen. Aber man soll es aufnehmen als Gnade, die einem von Gott geschenkt wird.“

Wir spüren alle, wie schwer uns solche Sätze eingehen.

Es fällt uns schwer dem Liederdichter Karl Friedrich Hartmann beizupflichten, der in einem Lied über das Leid gedichtet hat:

„Leiden macht das Wort verständlich, Leiden macht in allem gründlich; Leiden, wer ist deiner wert? Hier heißt man dich eine Bürde, droben bist du eine Würde, die nicht jedem widerfährt.“

Wer die Spur des Stichwortes „zerbrechliches Tongefäß“ im Alten Testament verfolgt, stößt auf drei sehr interessante Episoden, in denen Tonkrüge eine bedeutsame Rolle spielen.

Diese drei Episoden können so etwas wie einen Dreiklang bilden, durch den der Ausdruck vom Schatz der Heilsbotschaft in zerbrechlichen Gefäßen, erst richtig zu klingen beginnt.

In den ersten beiden Episoden geht es um Jeremia. Sein öffentlicher Verkündigungsdienst stand von Anfang an unter dem Vorzeichen der Konfrontation. Jeremias Auftrag war es mit eiserner Härte und schonungsloser Unerbittlichkeit im Namen Gottes gegen die Regierung, gegen die Religionsvertreter, gegen die Meinungsmacher, ja gegen das Volk als Ganzes Stellung zu beziehen.

Damit war ein anstrengendes, zermürbendes, ja qualvolles Leben vorprogrammiert mit übermächtiger Gegnerschaft auf allen Seiten, mit Angriffen, Anfechtungen und frustrierenden Erfahrungen permanenter Erfolglosigkeit.

Auch bei Jeremia kann wie bei Paulus die Grundsatzfrage gestellt werden, ob ein Mann, der im göttlichen Auftrag unterwegs ist, so ein jämmerliches Bild abgeben darf. Jeremia kommt psychisch bis an den Punkt, wo er den Tag seiner Geburt verwünscht, aber es gelingt ihm nicht, seinen Auftrag abzuschütteln.

Er muss eine harte Botschaft verkündigen und er unterstreicht seine Botschaft mit markanten, sinnenfälligen Aktionen. So nahm er sich beispielsweise einen Tonkrug und trug ihn im Dabeisein etlicher Verantwortungsträger vor die Jerusalemer Stadtmauern, an den Ort an dem die Leute von Juda und von Jerusalem den heidnischen Götzen Moloch und Baal ihre schrecklichen Opfer darbrachten. Hier wurden u.a. Kinder bei lebendigem Leibe verbrannt. Jeremia muss nun ankündigen, dass dieser Ort zu einem einzigen großen Friedhof werden wird, wenn Gott den schrecklichen Götzendienst heimsuchen wird. Dann zerschlägt Jeremia den Tonkrug mit den Worten: „So wird Gott Jerusalem und seine Bewohner zerschlagen!“.

Hier haben wir den ersten Ton. Gott legt den Schatz seines Wortes in schwache, zerbrechliche und angreifbare Gefäße, um durch ihren gewaltsamen Zerrbruch das unausweichliche Gericht über alle gottwidrigen Mächte und Gewalten anzuzeigen.

Eine Regierung, ein Staat, ein Volk, dass die wehrlosen Verkündiger des Evangeliums in ihrer Zerbrechlichkeit verfolgt, inhaftiert, peinigt oder tötet, zeigt damit öffentlich selber an, dass es einem unausweichlichen Gericht, einem von Gott Zerschlagen-werden entgegen geht.

Diese Regime haben sich im gewaltsamen Zerschmettern der Gemeinde selber das Urteil gesprochen. Die Arenen im Römischen Reich, die KZs im Nationalsozialistischen Deutschland, die Gulags in Russland, die Lager und Gefängnisse in Nordkorea oder aber die Stätten des Köpfens und Hälse Durchschneidens in den Hoheitsgebieten des Islam, alle diese Orte, in denen die Christen leiden, sind damit Orte, die ihr eigenes unausweichliches Gericht und Ende anzeigen.

Vielleicht darf man das Gleichnis vom großen Weltgericht, das Jesus erzählt hat, auch in dieser Richtung verstehen: „Was ihr nicht getan habt einem dieser meiner geringsten Brüder, das habt ihr mir nicht getan!“

Nun kommt aber noch einmal ein Tonkrug bei Jeremia vor. Als das angedrohte Gericht sich zu realisieren beginnt, liegt Jeremia im königlichen Gefängnis in Jerusalem. Die babylonische Großmacht ist unter Nebukadnezar in Juda eingefallen und belagert die Hauptstadt Jerusalem. Jeremia ist inhaftiert worden, weil der König die demoralisierende Wirkung seiner Verkündigung unterbinden will. Jeremia verkündigt immer wieder, dass es keinerlei Chance gäbe und dass Jerusalem fallen werde. Da kommt ein Verwandter ins Gefängnis. Er will ein Erbgrundstück verkaufen und nach der gesetzlichen Regelung ist Jeremia der erste Kaufberechtigte.

Aufgrund göttlicher Weisung geht Jeremia auf diesen Handel ein. Ein Vertrag wird aufgesetzt und Jeremia ordnet an, diesen Vertrag in einen Tonkrug zu legen, damit er lange erhalten bliebe.

Gott würde zwar schreckliches Gericht halten, aber er wird sich einmal wieder erbarmen und sein Volk aus der Zerstreuung nach Judäa zurückbringen. Das von den Babyloniern verwüstete Gebiet wird wieder bewohnt und bebaut werden, es wird wieder etwas wert sein, so dass man Äcker und Grundstücke mit Brief und Siegel als Wertgegenstände handeln wird.

Das ist der zweite Ton des Akkords. Gott legt seinen Schatz in irdene Gefäße, weil die verbriefte Hoffnung allein im Schutzraum irdener Gefäße vor dem Verfall bewahrt bleibt.

Die Hoffnung würde als Hoffnung nicht erhalten bleiben, würde sie nicht immer wieder in Menschen gelegt, die in ihrer eigenen Ohnmacht und Hilflosigkeit, die verbrieften Zusagen und Verheißungen Gottes in sich aufnehmen und sie als Gotteskraft und damit als unvergleichliche Schätze bewahren.

Damit die Hoffnung erhalten bleibt inmitten einer Welt der Vergänglichkeit, der Nichtigkeit und der Auflösung, legt Gott die Schätze seiner Verheißungen hinein in das Innere von Menschen deren Leib weiterhin teilhat am Seufzen aller Kreaturen. Deshalb preist Jesus in der Bergpredigt die Leidenden, Trauernden und Hungrigen selig.

Der dritte Ton des Akkords wird uns durch eine Episode aus der Richterzeit eindrücklich vor Augen geführt.

Israel wird von den Midianitern und Amalekitern belagert. Gideon sammelt 30.000 Kriegsleute, um zum entscheidenden Befreiungsschlag auszuholen. Aber Gott ist nicht einverstanden mit dieser beeindruckenden Ansammlung menschlicher Wehrhaftigkeit. Hier ruht das Vertrauen nicht auf ihm, sondern auf der eigenen Macht und Stärke.

Gott befiehlt das Heer von 30.000 auf 300 zu dezimieren, damit für jeden offensichtlich ist, dass es nicht die militärische Schlagkraft sondern das Gott es ist, der den Sieg schenkt.

Die Ausrüstung für den entscheidenden Zugriff ist kurios. Jeder Soldat bekommt in seine rechte Hand eine Posaune und in seine linke Hand einen Tonkrug mit einer brennenden Fackel darin. So umringen sie das feindliche Lager und auf ein gemeinsames Kommando blasen sie in die Posaunen und zerschlagen ihre Tonkrüge, so dass mit einem Schlage ein Kranz von Licht das Lager umschließt. Das Ganze war so schockierend, dass in der ausbrechenden Panik sich die Midianiter und Amalekiter gegenseitig für Feinde hielten und damit selber aufrieben.

Das ist der dritte Ton des Akkords. Gott legt seinen Schatz in irdene Gefäße, um mitten in deren Zerrbruch das strahlende Licht hervorleuchten zu lassen, dass auch noch den letzten Feind zu überwinden vermag.

„Immer und überall tragen wir das Sterben von Jesus an unserem Körper herum, damit auch sein Leben an uns deutlich sichtbar wird“, so sagt es Paulus.

Was für den Apostel in Besonderem Sinne gilt, das gilt auf umfassenderer Ebene für jeden Christen, wir werden in Angreifbarkeit, Verletzlichkeit, Ohnmacht, Schwachheit und Hinfälligkeit hineingegeben, damit mitten in unserer Schwachheit die Kraft Gottes aufleuchten kann.

So verbindet sich das Kreuz und die Auferstehung Jesu ganz mit unserem Leben. Der Auferstandene nimmt durch seinen Geist Wohnung in uns, um mitten im Zerrbruch unseres zerbrechlichen Tongefäßes hervorzuleuchten.

Ein alter Pfarrer schrieb vor vielen Jahren ein eindrückliches biographisches Büchlein mit dem Titel „Warum ich noch ein Christ bin“.

Er bekannte darin, dass ihn nichts so stark von der Wahrheit des Evangeliums überzeugt habe, wie die eigentümliche Erfahrung, die er immer wieder einmal an den Sterbebetten seiner Gemeindeglieder gemacht habe. „Da sei“, so sagt er, „bei einigen ganz einfachen Menschen mitten in allen Dunkelheiten des Todeskampfes für ein paar Sekunden etwas von der Herrlichkeit aufgeleuchtet. „Es ist, wenn auch überschattet von Finsternissen des Todeskampfes, so doch in den Sekunden, in denen es aufglänzt, unvergesslich. Diesem Gesehen-haben des Christusgesichtes verdanke ich, dass ich trotz allem, ja, trotz meiner selbst ein Christ bin und es bleibe.“

Wer Jesus als seinen unverlierbaren Schatz in sich trägt,

  • der kann wohl von viel Not bedrängt, aber nie ganz und gar erdrückt werden,
  • der kann wohl vor großen Problemen stehen, muss aber nicht in endgültiger Verzweiflung versinken,
  • der kann wohl verfolgt aber niemals in eine absolute Verlassenheit gebracht werden,
  • der kann wohl zu Boden gestreckt aber nie vollkommen zugrunde gerichtet werden.

Wer Jesus als seinen Schatz in sich trägt, für den kommt das Schönste noch und mitten im Zerbruch des äußeren Menschen kann es bereits siegreich hervorleuchten.

Amen.

Predigt im NbC-GHB-Gottesdienst in Landau-Mörzheim am 25. Juni 2017

Dietmar Kamlah – Vorsitzender des Süddeutschen Gemeinschaftsverbandes

 

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Mittwoch 28. Juni 2017 um 9:24 und abgelegt unter Predigten / Andachten.