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Postmoderne und gesellschaftliche Zukunft

Donnerstag 1. Dezember 2016 von Prof. Dr. Rainer Mayer


Prof. Dr. Rainer Mayer

In der Postmoderne wird die Vernunft entthront. Denn eine wichtige postmoderne These lautet, dass es nicht die eine Wahrheit gibt, um die gerungen werden muss, sondern dass unendlich viele Verständnisse von Wahrheit existieren. Deshalb müsse, so die Folgerung, nicht länger um Wahrheitsansprüche gerungen werden. Die Vielfalt als solche wird gefeiert. Wer eine These vertritt, die in sich selbst widersprüchlich ist, lässt sich im Horizont postmodernen Denkens keineswegs dadurch umstimmen, dass er auf die Vernunftwidrigkeit seiner Meinung hingewiesen wird. (Z.B. bei der Gender-Ideologie, nach der es unendlich viele frei variable „Geschlechter“ gibt, während gleichzeitig homosexuelle Neigungen als unveränderlich angeboren gelten.)

Es heißt dann, das alles sei doch nur eine Frage der Perspektive. Jeder Mensch habe halt seine eigene Sichtweise. Und die sei zu respektieren. Wichtiger als logische Stimmigkeit sei es, die Gesellschaft so zu verändern, dass in der Anerkennung von Vielfalt niemand ausgegrenzt werde. Das Stichwort dafür lautet „Diversity“.

Zu dieser Denkweise gilt: Es ist gewiss erstrebenswert, alle Menschen zu achten, sie in Entscheidungsprozesse einzubeziehen und niemanden zu „diskriminieren“. Doch um Entscheidungsprozesse sinnvoll voranzutreiben, braucht es übergeordnete Ziele. Aus der Vielfalt selbst lassen sich nämlich keine Ziele ableiten, sondern lediglich Chaos. Auch z.B. die Diskurstheorie setzt voraus, dass die Diskursteilnehmer ein Ziel kennen, etwa ein gutes Leben. Also wird ein Konsens über „gutes Leben“ zumindest annäherungsweise vorausgesetzt. Stets ist zu fragen: „Was wollen wir, worauf soll’s hinaus?“

In der Wirtschaft wird z.B. von „Diversity-Management“ gesprochen. Gemeint ist, dass sich alle Betriebsangehörigen, die sich in ethnischer, kultureller und anderer Hinsicht voneinander unterscheiden, in einem Team ihre jeweilige Sichtweise einbringen. Das kann in der Tat hilfreich sein. Doch vorausgesetzt ist ein Betriebsziel, in diesem Fall der wirtschaftliche Erfolg, vielleicht in Kombination mit Umweltschutz usw. Aber unbestreitbar geht es um Ziele. Die Pluralität selbst ist nicht das Ziel, sondern wird als ein Element eingebracht, um das gesetzte Ziel zu erreichen.

Nun aber fehlen in der Postmoderne die „großen Erzählungen“ des Abendlandes, der  überwölbende Sinn- und Zielhorizont, zu dem auch Bibel und christlicher Glaube gehören. Ebenso zählt die Vernunftbegründung, wie sie von der Aufklärung her prägend geworden ist, nicht mehr (siehe oben). So ist Europa „alt geworden“, ein Weltteil, der ohne Orientierung durch die Zeiten taumelt. Wo der Mangel bemerkt wird, wird nach „Werten“ gerufen. Doch „Werte“ ohne ethischen Kontext gibt es nicht. Das Postulat nach „Werten“ ist eine Leerformel. Denn die Pluralität selbst gilt ja als höchster „Wert“. So dreht sich das Geschehen orientierungslos im Kreis und wird als „Buntheit“ schöngeredet. Wer jedoch wirklich Ethik und geistige Orientierung vermittelt, wird als „konservativ“, als „fundamentalistisch“ oder „extremistisch“ gebrandmarkt; manchmal wird sogar eine „Phobie“ (= Angstneurose) unterstellt.

Darum besteht die akute Gefahr, dass sich ein neuer Totalitarismus etabliert. Denn kein Gemeinwesen überdauert die Zeiten ohne Gemeinsamkeiten. Die ersten Ansätze zeigen sich bereits. Demokratie wird ausgehöhlt. Es wird „Stimmung“ gemacht. Meinungen werden abgefragt. Begründungen fehlen. Autoritär von oben nach unten („top down“) werden Entscheidungen aufgezwungen, wie z.B. die Gender-Agenda und entsprechende „Bildungspläne“. Was die Betroffenen wirklich brauchen, spielt keine Rolle. Sie sollen umerzogen werden. – Außerdem bleibt durchweg unbeachtet, dass Begriffe ganz verschiedene Inhalte transportieren können. Zum Beispiel ist Religionsfreiheit richtig und wichtig. Doch sind wirklich alle Religionen in gleicher Weise förderungswürdig? – Es wird nicht bedacht, welches die geistigen Voraussetzungen für eine gelungene Demokratie sind.

Angesichts dieser Lage besteht eine Chance zur Rettung allein in Bekehrung zum biblischen Glauben und Umkehr zur Vernunft. „Es gibt keinen intimeren Freund des gesunden Menschenverstandes als den Heiligen Geist“ (Karl Barth; KD IV/4,31).

Prof. Dr. Rainer Mayer, Stuttgart

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 1. Dezember 2016 um 11:11 und abgelegt unter Gesellschaft / Politik, Sexualethik.