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Mut zum Gottesbezug

Mittwoch 11. Mai 2016 von Christian Hausen


Christian Hausen

Vielen Bürgern wird bange um unsere Demokratie. Sorgen bereiten schon lange die unter Missachtung der Gewaltenteilung von einer Exekutive erlassenen Richtlinien der EU. Die Ängste im Kontext mit nicht integrierten oder gar nicht integrierbaren Flüchtlingen stärken europaweit von Politikern und Medien als rechtsextrem bezeichnete Parteien. Gewisse Kriminalitätsbereiche wie die Wohnungseinbrüche nehmen dramatisch zu. Die Kluft zwischen Reich und Arm wird größer. Der Reigen lässt sich fortsetzen. So kann man natürlich fragen wie jüngst eine Zeitung in Schleswig-Holstein „Darf Gott nun doch noch in die schleswig-holsteinische Landesverfassung?“.

Eine Präambel in einer Landesverfassung mit den Worten „Verantwortung vor Gott und den Menschen“ ist in Deutschland „vor allem eine Antwort des Verfassungsgebers auf das vorausgegangene nationalsozialistische Unrechtsregime und seine menschenverachtende Ideologie“. Das war die Denkweise des Parlamentarischen Rats bei der Schaffung des Grundgesetzes. Mit dem Gottesbezug wurde bewusst allen Formen totalitärer Ideologien eine Absage erteilt. Der Landtag hat im Herbst 2014 Änderungen an dem heimischen „Grundgesetz“ vorgenommen, aber nicht mehrheitlich für den Gottesbezug gestimmt. Die Katholische Kirche hat sofort Vorbereitungen für eine Volksinitiative getroffen, die Evangelische Nordkirche hatte sich zunächst zurückgehalten, um dann dem Engagement der anderen Konfession beizutreten. Die „Gottesformel“ hat in der Tat Sinn für unsere Heimat Schleswig-Holstein, und zwar aus mehreren Gründen:

1.) Zunächst einmal wird mit dem Gottesbezug ein „relativistischer Gesetzespositivismus“ verworfen, welcher alles als recht und damit als rechtmäßig ansieht, was als Gesetz beschlossen ist. Unrecht wird eben nicht dadurch zu Recht, dass es in Gesetzesform gegossen ist. Der Inhalt der Präambel stellt eine Demutsformel dar, welche die Endlichkeit und Fehlbarkeit auch einer demokratischen Verfassungsordnung betont. Gewarnt wird vor der Hybris menschlicher Herrschaftsausübung und der Verabsolutierung von Staatsgewalt. Letztlich geht es um eine Mahnung zu Bescheidenheit und Verachtung jeglicher menschlicher Allmachtsphantasien. Der „Menschenbezug“ lenkt den Blick auf die Verantwortung gegenüber der gesamten Menschheit. So irren sich die Jusos, welche fordern, dass der Laizismus in Deutschland prägend wird. Ihr Denken ist längst überholt, zumindest seit dem Bestseller „Unterwerfung“ von Michel Houellebecq, der bekennt: „Der Laizismus ist tot“; die Aufklärung habe Schlimmes angerichtet, es sei Hybris gewesen, „ohne Gott und ohne vorgegebene Ordnung auskommen zu können“. Eine dem intellektuellen Anspruch unseres Bundeslandes entsprechende Begründung der jungen Sozialdemokraten ist nicht ersichtlich.

2.) Auf keinen Fall diskriminiert ein Gottesbezug nichtreligiöse Mitmenschen, geschweige denn liegt ein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot vor. Jede Person kann damit die eigene Gottesvorstellung integrieren. Die Verfassung trifft also keine weltanschauliche Festlegung, denn die Erwähnung Gottes bedeutet weder eine Verpflichtung des Einzelnen auf das Christentum noch charakterisiert sie Schleswig-Holstein als christliches Bundesland. Damit wird auch nicht – wie z. B. in der Schweiz – im Sinne einer „invocatio dei“ zum Ausdruck gebracht, dass die für die Verfassung Verantwortlichen diese „im Namen Gottes“ erlassen haben. Es geht nur um eine Verantwortungsformel mit der Bezugnahme auf Gott („nominatio dei“). Diverse Vertreter der Weltreliteratur meinen: „Der Mensch ist unheimlich religiös“. Heute spürt man dies weltweit durch den Machtzuwachs des Islam, in der westlichen Welt vor allem durch die Ideologien Politische Korrektheit und Gender-Mainstreaming. In den Weltanschauungen gibt es löbliche Ansätze, aber es besteht die große Gefahr der Meinungsdiktatur. Davor schützt der Gottesbezug. Nicht umsonst haben mehr als 15 Staaten dafür gesorgt, dass das christliche Kreuz in der Staatsflagge enthalten ist. Nachstehendes ist gewiss kein Beweis, stimmt aber nachdenklich. Immerhin gehören in Schleswig-Holstein mehr als 50 % der Bürger einer christlichen Kirche an, was dem Mehrheitsprinzip entspricht.

3.) Der Wunsch nach einer Gott einbeziehenden Präambel stammt von Politikern, welche im Zusammenhang mit dem Grundgesetz die „Verfassungseinheit“ betonen wollen. So hat sich der Arbeitskreis „SPD & Kirche“ hinter die Befürworter eines Gottesbezugs gestellt. Der Vorschlag beziehe sowohl gläubige Menschen als auch Anhänger einer humanistischen Weltanschauung ein. Die Landesverfassung sollte nicht hinter das Grundgesetz zurückfallen; andernfalls entstehe der Eindruck, „dass die in der Verfassung festgeschriebenen Ziele ohne festen Wertekanon gemeint sind“. Dies führe zur Beliebigkeit und damit zum Werteverlust. Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU) sprach sich ebenso wie seine Fraktion für eine entsprechende Ergänzung der Landesverfassung aus. Es geht hier nicht um Fragen der Konformität oder Uniformität, sondern nur um ein gewisses Maß an Homogenität (vgl. Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung 41 S. 88, 119). Das höchste deutsche Gericht hatte bereits 1973 entschieden, dass die Präambel Grundrechtscharakter hat. Es handelt sich um einen erläuternden Vorspruch. Dieser bedeutet für die gesamte deutsche Justiz eine intellektuelle Wegweisung, zumal damit die Verantwortung für die Pflicht, Recht zu schaffen, unterstrichen wird.

4.) Dies gilt auch für die Kirchen und den muslimischen Schura-Verband sowie trifft für prominente Landespolitiker wie den SPD-Fraktionschef Ralf Stegner und den Grünen-Abgeordneten und Synodalpräsidenten der Nordkirche Andreas Tietze zu. In unserem Bundesland mit überwiegend Evangelischen, hat auch die Meinung des schleswig-holsteinischen Bischofs Gothart Magaard Bedeutung: Gerade in der deutschen Vergangenheit habe sich gezeigt, wie willkürlich und begrenzt menschliches Handeln sein könne. „Deshalb ist es richtig und wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass der Staat nicht die höchste und letzte Instanz sein darf“. Das deckt sich auch mit dem berühmten Ausspruch des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Ernst-Wolfgang Böckenförde: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann“. Die Piratenpartei, welche sich bereits für die Verkürzung der (christlichen) Stillen Feiertage eingesetzt hat, meint, Religion habe in der Verfassung „nichts zu suchen“ (Patrick Breyer). Dabei nutzt sie die Errungenschaften der toleranten christlichen Kultur doch aus, denn sie darf trotz ihres aggressiven Atheismus im Landtag tätig sein. Es passt nicht zu unserem Bundesland, wenn einer Sakralisierung des Laizismus das Wort geredet wird.

5.) Auch der folgende Sachverhalt ist bedenkenswert: Schleswig-Holstein ist auf Ausgleichsleistung der Süddeutschen angewiesen – auch wenn dies in der Nachkriegszeit eher umgekehrt war. Könnten die wirtschaftliche Schwäche und auch z. B. die Tatsache, dass wir niemals einen Fußballverein in der ersten Bundesliga hatten, an der Selbstanmaßung liegen? In Baden-Württemberg beinhaltet die Präambel u. a.: „Im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, die Freiheit und Würde des Menschen zu sichern, dem Frieden zu dienen, das Gemeinschaftsleben nach den Grundsätzen der sozialen Gerechtigkeit zu ordnen, den wirtschaftlichen Fortschritt aller zu fördern, und entschlossen, dieses demokratische Land als lebendiges Glied der Bundesrepublik Deutschland in einem vereinten Europa, dessen Aufbau föderativen Prinzipien und dem Grundsatz der Subsidiarität entspricht zu gestalten…“. Wenn auch die Grünen in Schleswig-Holstein bislang den Gottesbezug abgelehnt haben, so haben sie es in dem süddeutschen Bundesland nicht geschafft, Gott aus der Gesetzgebung zu eliminieren. Immerhin steht fest, dass Schleswig-Holstein im Vergleich zu Baden-Württemberg deutlich schlechter abschneidet, soweit es im Erwerbsleben um Fehltage wegen psychischer Störungen geht: 2,9 zu 2,0 (Platz 16 zu Platz 3).

6.) Unsere schleswig-holsteinische Verfassung hingegen beginnt – ohne Präambel –  mit Artikel 1: „Das Land Schleswig-Holstein ist ein Gliedstaat der Bundesrepublik Deutschland.“, was allzu bescheiden klingt. Im Hinblick auf das Grundgesetz war man damals im Parlamentarischen Rat über Einzelformulierungen gar nicht so sicher, so dass erwogen wurde die Aufnahme des Hinweises, die Besetzung Deutschlands sei Konsequenz einer deutschen Aggression gewesen; der Gedanke wurde dann aber wieder fallen gelassen, um dem Nationalsozialismus nicht auf diesem Wege ein „ewiges Denkmal“ zu setzen. Artikel 2 der Landesverfassung fordert: „Das Volk bekundet seinen Willen durch Wahlen und Abstimmungen“. So ist der Volksentscheid absolut demokratisch. Entscheidend ist „das Volk“; wenn an die 60 % einer Kirche angehören, so ist deren Affinität zu Gott alles andere als unbeachtlich. Man könnte Derartiges natürlich fix damit abtun, dass Gedanken, die etwas mit „völkisch“ zu tun haben, nicht zu Schleswig-Holsteins Kultur gehören; aber die Bevölkerung empfindet ganz natürlich.

Unabhängig davon ist jeder Atheist und Agnostiker als Geschöpf Gottes zu akzeptieren, seine Anschauung ist allemal zu respektieren. Im Rahmen der heute viel diskutierten Toleranz ist aber zu beachten: Das Christentum ist in Bezug auf seine Quelle die wohl toleranteste Weltanschauung aller Zeiten. Das Neue Testament (juristisch: der neue Bund oder Vertrag zwischen Menschen und Gott) kennt nicht nur keinen einzigen Vers mit einem Tötungspostulat, sondern fordert – gerade in der berühmten Bergpredigt Jesu – die uneingeschränkte Liebe zum Nächsten. Das hat zur Folge, dass in kaum einem Staat es den Atheisten (in Deutschland: den Gegnern der christlich-abendländischen Kultur) besser geht als in der Bundesrepublik; nicht selten kommt es in anderen Ländern zur Todesstrafe, wenn die „Staatsreligion“ bekämpft oder sogar nur abgelehnt wird. Die Andersdenkenden in Schleswig-Holstein können sich unbeschadet so gut wie jede Blasphemie leisten. Sie kommen in den Genuss der Folgewirkungen des Christentums: dieses kann sich allemal mit Aufklärung und Humanismus messen; die Alternatividee, in der Verfassung auf das „humanistische Erbe“ aufmerksam zu machen, kann nicht überzeugen, nachdem der kürzlich verstorbene Literaturnobelpreisträger Imre Kertesz im SWR geäußert hatte, dass Auschwitz auf die Aufklärung und den Humanismus zurückzuführen sei. Letztlich geht es bei der Angleichung der Landesverfassung um ein „zielgerichtetes Gesamtpanorama der angestrebten Stellung Deutschlands in der internationalen Gemeinschaft“.

Aus diesen Gründen erscheint es vernünftig und opportun, den Gottesbezug in unsere Landesverfassung zu integrieren – nach der verunglückten Entscheidung des Landtags nun über die Volksabstimmung. Es kann, wie im Grundgesetz, mit der Formulierung „in Verantwortung vor Gott und Menschen“ formuliert werden. Immerhin hat sich unser benachbartes Bundesland Niedersachsen im zweiten Anlauf überzeugen lassen. Alternativ wäre ein Kompromiss denkbar: „In Achtung der Verantwortung, die sich aus dem Glauben an Gott oder aus anderen universellen Quellen gemeinsamer Werte ergibt….“. Dabei ist sicher, dass dies nie schädlich sein wird. Nach der Erfahrung wird es eher nützlich sein und entspricht den Vorstellungen des Verfassungsgebers, etwa in den Artikeln 65 und 56 Grundgesetz. Der Jurist kann nicht feststellen, dass sich die Verantwortung vor Gott und Menschen negativ auf die Entwicklung eines Bundeslandes ausgewirkt hat; im Gegenteil besteht im Hinblick auf all das Bewährte die „Vermutung der Richtigkeit“. Man kann eigentlich nur sagen: „Im Zweifel für die christlich-abendländische Kultur!“.

Christian Hausen, Rechtsanwalt, www.kanzlei-hausen.de

NeumĂĽnster, 28.04.2016

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Mittwoch 11. Mai 2016 um 10:02 und abgelegt unter Gesellschaft / Politik.