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Brauchen wir eine „Theologie des Kindes“, um Weihnachten zu verstehen?

Mittwoch 3. Januar 2007 von Dr. Joachim Cochlovius


Dr. Joachim Cochlovius

Brauchen wir eine „Theologie des Kindes“, um Weihnachten zu verstehen?

Drei Anmerkungen zum „Weihnachtswort“ der Hannoverschen Landesbischöfin: „Als Gottes Kinder sind wir alle behütet“ (Evangelische Zeitung 24.12.06)

Wer an den Weihnachtstagen keine Gelegenheit hatte, an einem Gottesdienst teilzunehmen, oder sich einfach noch einmal die Weihnachtsbotschaft vergegenwärtigen wollte, konnte in der weltlichen und kirchlichen Presse wieder manches besinnliche Wort finden. Grund genug für alle Christen, dafür dankbar zu sein, daß in unserem Land das Evangelium noch öffentlich und ungehindert verkündigt und publiziert werden kann. Desto größer ist allerdings die Verantwortung der Verkündiger und aller Christen, denen die öffentliche Verkündigung am Herzen liegt. Die folgenden Anmerkungen orientieren sich an dieser Verantwortung.

1.) Ausgangspunkt der Weihnachtsbotschaft von Landesbischöfin Dr. Käßmann sind die Sätze „Gott kommt als Kind“ und „Gott kommt schwach zur Welt“. Es ist ihr ein Anliegen, die Normalität des Jesuskindes zu unterstreichen. „Ein ganz und gar menschliches Kind, das in Windeln gewickelt werden muß wie jedes andere Kind auf der Welt. Die Mutter stillt es, jemand bringt ihm Laufen bei und Sprechen“. Aus diesen Feststellungen zieht sie den folgenden Schluß: „Wir begegnen da Gott, wo wir uns einem Kind zuwenden, einem Kranken, einer Sterbenden“.

Sowohl der Ausgangspunkt als auch die Schlußfolgerung sind einseitige Interpretationen der biblischen Weihnachtsbotschaft. Dort kann man schnell feststellen, daß die neutestamentlichen Schriftsteller keineswegs an der Tatsache des bloßen Kindsein Jesu interessiert sind, sondern gerade die absolute Einzigartigkeit des Jesuskindes herausstellen, die dieses Kind unendlich über alle anderen Kinder heraushebt, und die sie mit den Begriffen „Herr“, „Heiland“, „König“ und „Sohn Gottes“ beschreiben. Elisabeth nennt Maria „die Mutter meines Herrn“ (Luk 1,43). Die schwangere Maria rühmt Gott, daß er an ihr „große Dinge“ getan hat (Luk 1,49). Die Hirten breiten das „Wort“ vom Heiland aus, das die Engel ihnen von diesem Kind gesagt hatten (Luk. 2,17). Die drei Weisen kommen, um den „neugeborenen König der Juden“ anzubeten (Mt 2,2). Paulus stellt fest: „Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn“ (Gal. 4,4). Sie alle erkennen im Jesuskind auf unterschiedliche Weise den Sohn Gottes. Nicht das Kindsein Jesu ist also Inbegriff der biblischen Weihnachtsbotschaft, sondern daß in diesem Kind der Erretter der Menschheit von Sünde, Tod und Teufel auf die Welt gekommen ist. Wir begegnen Gott demzufolge nicht dort, wo wir uns Kindern bzw. schwachen Menschen zuwenden, sondern wenn wir im Jesuskind den Christus entdecken.

2.) Mit Recht weist Frau Dr. Käßmann auf die vielen „traurigen Kindergeschichten“ hin, die 2006 passiert sind. „Ein Kind verhungert, ein Mädchen wird getötet und verschwindet schlicht unter den Augen der Nachbarschaft, ein Säugling hört auf zu schreien, weil er verdurstet ist und niemand wird aufmerksam“. Ebenso mahnt sie zu Recht eine höhere Aufmerksamkeit der Politik für die Belange des Kindes an und stellt fest, daß wir ohne Kinder „Lebenslust, Kreativität und Zukunftshoffnung“ verlieren.

So richtig und nötig diese Feststellungen sind, sie nennen leider die Ursachen nicht und beschreiben nur die Spitze des Eisbergs. Die heutige gesellschaftliche Gleichgültigkeit gegenüber dem Kind hat ihre wesentliche Wurzel im postmodernen Paradigma der Selbstbestimmung, das den Menschen nicht mehr als Beziehungswesen sieht, sondern als ein Einzelwesen, das sich gegenüber den anderen durchsetzen muß. Hier muß eine Gesellschaftskritik ansetzen, die dem jüdisch-christlichen Erbe verpflichtet sein will. Unter dem Vorzeichen der Selbstbestimmung der Frau wurde in unserem Land sukzessive die Tötung der Ungeborenen im Mutterleib legalisiert, so daß mittlerweile weite Teile unseres Volkes hinsichtlich der Abtreibung kein Unrechtsbewußtsein mehr haben. Ein gesellschaftskritisches Weihnachtswort müßte unbedingt auch diese verhängnisvolle Folge der Selbstbestimmungsideologie beim Namen nennen und eine Revision des geltenden Strafrechts fordern.

3.) Aus der Feststellung, „daß Gott selbst Kind wurde“, leitet das Weihnachtswort gesellschaftspolitische und missionarische Appelle ab: „Eine Kultur der Achtsamkeit auf Kinder muß entstehen!“ „Erziehungsberatung, qualifizierte Krippenplätze, Kindertafeln, gute Kindertagesstätten sind gefragt“. „Vor allem aber gilt es, Kindern die gute Nachricht weiterzugeben“. „Wie wichtig ist es, daß sie beten lernen, ja daß sie überhaupt wissen: ich kann beten zu Gott, Gott will für mich da sein!“

In der Tat brauchen wir eine neue Achtsamkeit auf Kinder. Die Frage ist nur, wie wir sie bekommen. Das bischöfliche Weihnachtswort beschränkt sich hier auf Appelle. Solche weihnachtlichen Appelle hören sich gut an, aber sie fruchten wenig. Wirkliche Achtsamkeit ist eine Frucht der Liebe. Wahre Liebe entsteht aber nur aus dem Glauben an Jesus Christus. Daß wir im Jesuskind den Herrn der Welt, den Befreier aus der eigenen Schuldverstrickung, aus Sinnlosigkeit und Lebensangst entdecken können, das ist die Botschaft, die wir unserem Volk schuldig sind. Wo Gott durch den Glauben Liebe schenkt, dort sucht man das Beste für den anderen. Dann wird man es sich auch noch einmal überlegen, ob die Betreuung in der Kinderkrippe oder nicht doch die persönliche Zuwendung für das Kind besser ist. Und da ist es dann auch keine Frage, daß man den Kindern das Evangelium nahebringt, denn dann weiß man: Der Heiland in der Krippe ist der Heiland für die Großen und die Kleinen, und sie alle brauchen ihn.

3.1.2007

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Mittwoch 3. Januar 2007 um 15:44 und abgelegt unter Kirche.