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Bedingungsloses JA für jedes menschliche Leben

Freitag 12. Dezember 2014 von Deutsche Evangelische Allianz


Deutsche Evangelische Allianz

Die Deutsche Evangelische Allianz nimmt Stellung zur Diskussion um Fragen der „Beihilfe zur Selbsttötung“

Wir sind sehr dankbar für die ernsthafte und ausführliche erste Ausspracherunde im Plenum des Deutschen Bundestags am 13. November 2014. Sie macht Hoffnung auf eine weiterhin grundsätzliche, inhaltsreiche und sachliche Debatte im Verlauf des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens. Denn es gibt für die menschliche Gemeinschaft keine wichtigere Diskussion und Entscheidungsfindung als dann, wenn es um die Grundfragen des menschlichen Lebens selbst geht.

Dank der Fortschritte im medizinischen Können, der Professionalisierung und der Hochleistungsmedizin ist in unserem Wohlstands- und Wohlfahrtsstaat die unmittelbare Erfahrung von Leben und Tod, von Geburt und Sterben, weithin aus dem Alltag ausgeklammert. Auch deshalb ist unsere Gesellschaft in der Gefahr auszublenden, dass mit dem Geboren werden, mit dem körperlich und geistig Schwach werden, und mit dem Sterbeprozess fast regelmäßig sehr viel Schmerzen und Leid verbunden sind. Wenn dann alle medizinische Hilfestellung und selbst die schmerzlindernde Palliativmedizin an ihr Ende kommen, fällt es schwer, Schmerz und Leid zu ertragen. Und oft fällt es noch schwerer, dem mehr oder weniger hilflos zusehen zu müssen. Deshalb ist es verständlich, wenn darum gerungen wird, ob es dann und wann nicht auch richtig sein kann, dem Leben selbst ein Ende zu setzen und jene dabei zu unterstützen, die das gar nicht selbst können, psychisch oder physisch, die es aber wollen oder deren Wollen angenommen wird.

Obwohl wir uns solcher Situationen voller Not und mitunter Elend sehr bewusst sind, bitten wir den Deutschen Bundestag, in der anstehenden Gesetzesdebatte in den nächsten Monaten sich für ein bedingungsloses JA zum menschlichen Leben und seiner Würde auszusprechen, für die noch großzügigere Förderung und den weiteren Ausbau der Schmerztherapie und einem flächendeckenden Angebot von Hospizen, um Menschen in der letzten Phase Leiden und Schmerz erträglicher zu machen und sie würdevoll im Abschiednehmen vom menschlichen Leben zu begleiten und im Sterbeprozess beizustehen.

Es entspricht aber allen Beobachtungen – sowohl der Erfahrungen in der Geschichte als auch der Gestaltung von Rechtsbeziehungen in der Gegenwart, – dass sich Menschenrechte, insbesondere Freiheitsrechte, nur dort und dann hinreichend leben und gestalten lassen, wo und wenn ihre Verletzung auch durch die Strafgesetze geschützt werden. Wenn also auch nur die Gefahr besteht, dass die Würde des Menschen und sein Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verletzt werden könnten, ist darum auch die Schutzpflicht der staatlichen Gemeinschaft besonders hoch. Darum bitten wir die Abgeordneten des Deutschen Bundestags, dass das bedingungslose JA zum Leben durch das bedingungslose NEIN zum aktiven Beenden menschlichen Lebens ergänzt wird.

Jedes menschliche Leben ist von seinem frühesten Beginn bis zu seinem natürlichen Ende voller Würde. „Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“ (Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes). Wir widersprechen darum der Auffassung, dass es zu irgendeinem Zeitpunkt ein unwürdiges menschliches Leben geben könnte, in dem der Tod und die Beihilfe zum Tod eine Option der Menschenwürde sein könnte. Wir sind tief davon überzeugt, dass jeder Mensch, vom Zeitpunkt der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle an bis zu seinem natürlichen Lebensende, als Gottes Geschöpf der menschlichen Willkür entzogen ist.

Aber genauso wenig wie ein Mensch selbst bestimmen kann, ob und wann er zum Leben kommen will, so hat er auch kein Recht, seinem Leben selbst ein Ende zu setzen und über seinen eigenen Todeszeitpunkt zu bestimmen. Gott gibt das Leben und er beendet es. Darum ist auch die Beihilfe zur Selbsttötung eine Grenzüberschreitung vermeintlicher Selbstbestimmung. Ärztliches Handeln muss in erster Linie auf Heilung, bei nicht oder noch nicht möglich erscheinender Heilung auf die Verbesserung des Gesundheitszustandes von Kranken, ausgerichtet sein. Soweit dies nicht möglich ist, kann es nur darum gehen, Schmerzen und Leiden zu mindern.

Uns ist klar, dass die biblisch-christliche Argumentation vom von Gott geschenkten Leben in unserer säkularen Gesellschaft nicht mehr alle Entscheidungsträger zu überzeugen vermag. Aber selbst wenn man den Gottesbezug außen vor lassen würde, und dem Selbstbestimmungsrecht des Menschen die absolute Priorität geben wollte, lässt dies nach unserer Auffassung keine andere Regelung zu. Denn es herrscht doch wenigstens darin Übereinstimmung, dass die Selbstbestimmung für das eigene Lebensrecht und die eigene Lebensgestaltungsrecht nicht höher eingeschätzt werden darf als die anderer Mitmenschen, weil die Freiheit der Entfaltung der Persönlichkeit nur so weit gilt, „soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt“ (Artikel 2, 1 Grundgesetz). Darum muss doch gefragt werden, wie die Selbstbestimmung denn für alle andere auch geschützt werden kann. Wie es z.B. auch für jene garantiert werden kann, die körperlich, verbal oder intellektuell nicht mehr Selbstbehauptungswillen entwickeln können als andere? Wie soll der Erpressung gewehrt werden? Wie dem gesellschaftlichen und dem privaten Druck? Wie soll dem am Ende des Lebens standgehalten werden, wenn es zur Norm geworden sein wird, gegebenenfalls freiwillig und rechtzeitig aus dem Leben zu scheiden, um noch einen letzten Beitrag zur Verminderung des Pflegenotstands, zur Gesundung der sozialen Kassen, zur Erleichterung für die pflegenden Angehörigen oder gar zur rechtzeitigen Überlassung des Erbes zu leisten? Selbst wenn man der Idee der absoluten Selbstbestimmung jedes Menschen über sein Leben und seinen Tod folgen wollte, bräuchte es eine rechtlich einwandfreie, rechtsstaatlich gebotene Regelung; es müsste sich also eine völlig unabhängige Person, nämlich ein unabhängiger Richter, davon in einem ordentlichen Rechtsverfahren überzeugen, dass kein Missbrauch vorliegt, keine Erpressung, kein lediglich unterstellter Selbsttötungswillen. Es kann und darf in einem Rechtsstaat nicht sein, dass über Leben und Tod einfach privat verfügt wird, weil dies die Freiheit zur Selbstbestimmung nicht ermöglicht sondern beraubt.

Bisher ist die Beihilfe zur Selbsttötung in Deutschland kein Straftatbestand (in nicht wenigen anderen Ländern schon). Es schien nicht nötig, weil das Sittengesetz „Solches tut man nicht“ zur Verhinderung ausreichte. Nun besteht weitgehend Übereinstimmung, dass durch die in manchen europäischen Ländern „euthanasiefreundliche“ Rechtslage und die Ausbreitung entsprechender Gesinnung und Organisationen auch in Deutschland das Mittel des Strafrechts eingesetzt werden muss. Aber gerade der Blick ins Ausland und die dabei leicht möglichen Beobachtungen zeigen, dass ein wirksamer dauerhafter Rechtsschutz nur möglich ist, wenn alle Beihilfen zum Tod ausnahmslos verboten werden. Denn überall dort, wo Selbsttötungen und ihre Beihilfen erlaubt sind, werden die Bedingungen immer weiter abgesenkt, inzwischen schon bis hin zur Tötung Neugeborener, denen ärztlich nur eine sehr kurze Lebensdauer prognostiziert wird (Ärzteblatt 13. Juli 2013, www.aerzteblatt.de/nachrichten/54769/Niederlande-legalisieren-Sterbehilfe-bei-todkranken-Babys).

Eine Ausnahme von der Beihilfe zur Selbsttötung würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, wie in anderen Fällen des Lebensschutzes und wie in anderen Ländern schon beobachtbar,

– das (Un-)Rechtsbewusstsein noch weiter kippen,

– die „Beihilfe“, dann das „Nachhelfen“ und schließlich das „Töten auf Verlangen“ zunehmen,

– die Unterscheidung zwischen dem, was noch rechtens und dem was nicht mehr rechtens ist immer schwieriger werden lassen,

– den unmenschlichen und unwürdigen Druck auf Alte, Kranke, Behinderte erhöhen, „freiwillig“ aus dem Leben zu scheiden.

Darum bitten wir um ein JA zum Leben ohne jedes NEIN und darum ein bedingungs- und ausnahmsloses NEIN zur Beihilfe zum Tod.

Für weitere Infos oder Rückfragen steht der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb, zur Verfügung (mobil: 0172 4525587).

Quelle: www.ead.de

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Freitag 12. Dezember 2014 um 8:57 und abgelegt unter Gesellschaft / Politik, Medizinische Ethik.