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Stellungnahme des DIJG zur Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag

Mittwoch 6. Februar 2008 von Dr. med. Christl R. Vonholdt


Dr. med. Christl R. Vonholdt

Stellungnahme des Deutschen Instituts für Jugend und Gesellschaft (DIJG) zur Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag (Drucksache 16/9717)

1. Das DIJG

Das Deutsche Institut für Jugend und Gesellschaft (DIJG) ist das Studien- und Forschungszentrum der ökumenischen Kommunität Offensive Junger Christen – OJC e.V. Die OJC ist eine Kommunität in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Das DIJG forscht und informiert über zukunftsfähige Lebensgrundlagen in den Bereichen Lebenskultur, Zusammenleben von Kulturen und Religionen, Anthropologie, Ehe und Familie, Identität und Identitätsentwicklung, Sexualität, Homosexualität. Auf der Grundlage eines jüdisch-christlichen Menschen- und Weltbildes, gespeist aus den Wurzeln unserer europäischen Geschichte, gibt es Orientierungshilfen zu den genannten Schwerpunkten. Das DIJG ist eine von Bundes- und Landesbehörden anerkannte wissenschaftliche Einrichtung. Die Anerkennung wird sichtbar darin, dass die SPD-Bundesregierung (1980), die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag (2004) und die Hessische Landesregierung (2007) das DIJG zu offiziellen Stellungnahmen zu verschiedenen gesellschaftspolitischen Themen aufforderten. Zudem ist die Arbeit des DIJG im Verein der OJC e.V. von den Finanzbehörden als „wissenschaftlich“ anerkannt. Das DIJG ist unabhängig. Es erhält weder von Bund, Ländern, Kommunen noch Kirchen finanzielle Zuwendungen. Das DIJG hat einen wissenschaftlichen Beirat.

2. Geschichte und Forschungsschwerpunkte

Das DIJG wurde 1969 gegründet. Anfangs lag einer der Arbeitsschwerpunkte in der Erforschung pathogener Strukturen in Jugendreligionen. Ausgelöst wurde dies durch zwei junge Menschen, die aus Jugendsekten ausgestiegen waren und in der OJC-Kommunität mitlebten. Das DIJG begann, sich mit den Zielen, Methoden und Motiven solcher Gruppen und mit den Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft auseinanderzusetzen. Mehrere Publikationen folgten. 1980 erfolgte eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit (SPD) zum Thema: „Differentielle Wirkungen der Praxis der Transzendentalen Meditation – Eine empirische Analyse pathogener Strukturen als Hilfe für die Beratung.“ Später befaßte sich das DIJG erneut mit dem Thema, diesmal aus dem Blickwinkel der Religionsfreiheit in Europa. In den 1980er Jahren wurden Sorge und Fürsorge für Menschen im südlichen Afrika Ausgangspunkt neuer Forschungsarbeit. Abermals begann dieses Engagement mit einer Begegnung. Eine Gruppe schwarzer Studenten aus Südafrika besuchte die OJC und berichtete über die Nöte in ihrem durch die Apartheid-Politik geprägten Land. Als Folge begann das DIJG, sich intensiv mit Fragen von Gewalt, struktureller Gewalt und gewaltlosen Alternativen zu befassen. Gleichzeitig förderte die OJC Landwirtschaftsprojekte für schwarze Farmer und Kleinbetriebe für schwarze Frauen und engagierte sich im Aufbau medizinischer Versorgung in einer ländlichen Region. Ausgelöst durch eine Begegnung mit dem führenden AIDS-Grundlagenforscher Michael G. Koch (Schweden), der das DIJG besuchte, begann die OJC Deutsches Institut für Jugend und Gesellschaft auch, sich mit der AIDS-Problematik zu befassen. Bis heute engagiert sich die OJC bei AIDS-Projekten im südlichen Afrika und besonders im Kongo. Seit den 1990er Jahren wurde die Frage der Interkulturalität ein weiterer Seminar- und Forschungsschwerpunkt des DIJG. Die Frage des interkulturellen und interreligiösen Miteinanders im Angesicht eines zusammenwachsenden Europa führte zu mehreren Symposien und Buchpublikationen. In sogenannten Dialogtagungen kamen Experten aus Judentum, Christentum und Islam miteinander ins Gespräch. Das zentrale Thema der Versöhnung führte in der Folge einer ersten Tagungsreihe dazu, daß die OJC 1995 vierzig Holocaust-überlebende Juden, die selber oder deren Vorfahren ehemals in Reichelsheim lebten, zu einer Begegnung in ihre alte Heimat eingeladen hat. Seither gibt es regelmäßige bilaterale Versöhnungsreisen zwischen Deutschen und Israelis, die die OJC durchführt. Im Horizont des jungen Europa startete die OJC seit 1995 jährliche internationale Baucamps mit jungen Leuten aus aller Welt. Für das Projekt und die Studie „Internationales Baucamp:

Bausteine für ein gelingendes Zusammenleben im 21. Jahrhundert“ wurde Dr. Dominik Klenk, Mitarbeiter des DIJG, in 2005 von der BMW-Stiftung mit dem BMW-Award für interkulturelles Lernen ausgezeichnet. Seit den 1980er Jahren begann das DIJG auch mit seiner Forschungsarbeit zu den Themen Anthropologie, Identität, Identitätsentwicklung, Sexualität, Homosexualität. Später kam verstärkt das Thema Ehe und Familie aus psychologischer, soziologischer, sozialethischer und gesellschaftspolitischer Perspektive dazu. Das DIJG gründete zusammen mit anderen Organisationen die bundesweite Initiative Bündnis Ehe und Familie.

3. Homosexualität

Auch dieser Forschungszweig im DIJG wurde ausgelöst durch junge Erwachsene, die sich in der Folge des Evangelischen Kirchentages in Nürnberg 1979 an uns wandten. Es waren Männer und Frauen, die ihre homosexuellen Impulse als unvereinbar mit ihren Wünschen, Überzeugungen und Lebenszielen ansahen. Sie suchten konstruktive Wege zu einer Abnahme ihrer homosexuellen Impulse und zur Verstärkung und Entwicklung ihres heterosexuellen Potentials, kurz, Wege zu einer Veränderung. Wir hatten die Wahl, diese Menschen abzuweisen oder aber sie und ihre Wünsche und Hoffnungen auf Veränderung ernst zu nehmen. Wir haben uns für das Zweite entschieden. Einige von ihnen lebten dann auch zeitweise mit uns in der Kommunität. Das DIJG begann damals, sich intensiv mit der Ursachenforschung sowie mit Therapie- und Veränderungsmöglichkeiten bei ungewünschten homosexuellen Empfindungen zu befassen. In der Folge dieser Arbeit wurde das DIJG assoziierter Partner der Psychotherapeutenvereinigung NARTH (National Association for Research and Therapy of Homosexuality), Partner der internationalen jüdischen Vereinigung JONAH (Jews Offering New Alternatives to Homosexuality) und Gründungsmitglied des Zusammenschlusses PATH (Positive Alternatives to Homosexuality).

3a. Das Recht auf Selbstbestimmung

Das DIJG respektiert die Würde, Autonomie und den freien Willen eines jeden Menschen. Homosexuell empfindende Menschen haben das Recht, eine homosexuelle Identität anzunehmen; sie haben aber ebenso das Recht, einen Weg der Veränderung zu gehen mit dem Ziel der Abnahme ihrer homosexuellen Impulse. Das Recht, eine Therapie mit dem Ziel der Abnahme homosexueller Impulse einzugehen, sollte unveräußerliches Recht sein; es gehört zur Selbstbestimmung und Freiheit eines jeden Menschen. Eine freie Gesellschaft muß zudem auch Raum lassen für sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, welches die Kernidentität eines Menschen ist und was Sinn, Ziel und Bestimmung menschlicher Sexualität ist.

Menschen, die unter ihren homosexuellen Impulsen leiden und die diese als unvereinbar mit ihren Wünschen und Überzeugungen ansehen, sind heute in unserer Gesellschaft eine weithin übersehene und vergessene Minderheit. Das DIJG setzt sich für sie ein.

3b. Das Recht auf Therapie

Leidenden Menschen das Recht absprechen zu wollen, eine Therapie ihrer Wahl einzugehen und ein Therapieziel ihrer Wahl anzustreben, ist unsensibel und diskriminierend. Hier geht es um das freie Selbstbestimmungsrecht des Menschen. Diese Position des DIJG wird unterstützt von einigen führenden Persönlichkeiten in der Amerikanischen Psychologenvereinigung (APA). So äußerte sich der frühere Präsident der Amerikanischen Psychologenvereinigung (APA), Robert Perloff 2004: „Der Einzelne hat das Recht zu wählen, ob er eine homosexuelle Identität annehmen will oder nicht. Es ist die Wahl des Einzelnen, nicht die Entscheidung einer ideologisch geprägten Interessensgruppe. Einen Psychotherapeuten, der einen Klienten mit Konversionswunsch begleiten möchte, davon abzuhalten, ist Anti-Forschung, Anti-Wissenschaft und antagonistisch zur Suche nach Wahrheit.“ (Anm. 1) Auch Nicholas Cummings, ebenfalls prominentes Mitglied der APA, ist der Überzeugung: „Ich setze mich auf das Entschiedenste für die Freiheit der Wahl für jeden ein, insbesondere für das Recht des Einzelnen, das Ziel seiner Therapie selbst zu wählen.“ (Anm. 2). Auf der Jahrestagung der APA 2006 stellte der APA-Präsident Gerald Koocher ausdrücklich fest, daß die APA keine Probleme damit hat, daß Psychologen Reparativtherapien, also Therapien, die das Ziel einer Abnahme homosexueller Impulse haben, anbieten. Selbst der bekannte US-amerikanische Homosexuellenaktivist Doug Haldemann ist der Auffassung: „Eine ähnliche Sache für viele ist, daß sie ein tiefes Gefühl für ihre religiöse oder spirituelle Identität haben, die manchmal ebenso tief gefühlt wird wie die sexuelle Orientierung. Für einige ist es leichter und emotional weniger eingreifend, eine Veränderung der sexuellen Orientierung zu erwägen, statt sich von einem religiösen Lebensstil zu lösen, der als absolut zentral für das eigene Persönlichkeits- und Sinngefühl angesehen wird… (…) Wie immer wir solche Entscheidung oder ihre psychologischen Beweggründe sehen mögen – haben wir das Recht einem solchen Menschen eine Therapie zu verweigern, die ihm helfen kann, sein Leben so zu führen, wie es seiner Entscheidung nach für ihn richtig ist? Ich denke, das haben wir nicht.“ (Anm. 3) Reparativtherapien (der Begriff geht auf die Psychoanalytikerin Anna Freud zurück und hat nichts mit einem „Reparieren“ der Homosexualität zu tun!) können verhaltenstherapeutische, tiefenpsychologisch orientierte oder affekt-fokussierte Therapien sein. Therapien, die das Ziel einer Abnahme homosexueller Impulse haben, sind wirksam. Das hat zuletzt die Studie von Robert Spitzer, Columbia Universität New York (2003) gezeigt. Eine Schädlichkeit dieser Therapien ist nicht nachgewiesen, auch das bestätigt die Studie von Spitzer. „Im Gegenteil“, so Spitzer, „sie [die Klienten] berichteten, daß diese in verschiedener Hinsicht hilfreich waren auch über die Veränderung der sexuellen Orientierung selbst hinaus.“ (Anm. 4)

3c. Wofür wir uns einsetzen

Für persönliche Wahlfreiheit

Nach wie vor entscheiden sich Männer und Frauen mit homosexuellen Empfindungen, ihre homosexuellen Gefühle nicht auszuleben. Ein homosexueller Lebensstil ist für sie nicht attraktiv. Sie wollen auch keine homosexuelle Identität annehmen. Obwohl sie die Möglichkeit einer gay-affirmativen Therapie hätten, lehnen sie diese für sich ab und suchen therapeutische und seelsorgerliche Wege zur Abnahme ihrer homosexuellen Impulse. Das DIJG unterstützt diese Menschen.

Für das Recht auf freien Zugang zu Informationen

Jeder hat die Freiheit, sich seine Auffassung über Homosexualität zu bilden. Das DIJG setzt sich dafür ein, daß Informationen über Ursachen und Veränderungsmöglichkeiten homosexueller Impulse für jeden frei zugänglich sind. Wir wissen noch längst nicht alles über Homosexualität. Das DIJG setzt sich für eine unabhängige Forschung ein. Für das Recht des Einzelnen auf persönliche Selbstbestimmung Menschen, die ihre homosexuellen Impulse als unvereinbar mit ihren Wünschen und Lebenszielen erleben, haben das Recht auf therapeutische, seelsorgerliche und andere Hilfe (z.B. in Selbsthilfegruppen), um ihren selbstbestimmten Weg der Veränderung gehen zu können.

Für das Recht auf Respekt

Das DIJG fordert Respekt für Menschen, die solche Wege der Abnahme homosexueller Impulse gegangen sind, gehen oder gehen möchten. Das DIJG wendet sich gegen alle Gesetzesvorhaben, die das Recht des Einzelnen, diese Wege der Veränderung in freier Selbstbestimmung gehen zu können, einschränken.

06. Februar 2008

Appendix

Das in der Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an die Bundesregierung gebrachte Zitat aus dem 1985 veröffentlichten und seit vielen Jahren vergriffenen Buch des holländischen Psychotherapeuten Dr. Gerard van den Aardweg ist ohne den Zusammenhang nicht verständlich. Es handelt sich hierbei um einen anerkannten Therapieansatz, der das Ziel verfolgt, daß ein Mensch lernt, sich in humorvoller Weise von sich selbst und z.B. seinen Ängsten zu distanzieren. Dazu gehört, daß er sein subjektiv erlebtes Leiden absichtlich bis ins Absurde hin übertreibt. Auch van den Aardweg sagt direkt im Anschluß an das genannte Zitat deutlich, daß es hierbei nicht um Sadismus geht, sondern um ein absichtliches Ãœbertreiben durch den Betroffenen selbst. Zitat: „…, weil diese Phantasien Absurdes enthalten sollten, damit sie nicht vollkommen ernstgenommen werden können…“ (S. 441). Dieser Ansatz wird in verschiedenen anerkannten Therapieverfahren verwendet, etwa in der paradoxen Intention im Rahmen der Logotherapie von Prof. Dr. Viktor Frankl und den paradoxen Interventionen von Prof. Dr. Paul Watzlawick. Aufgrund neuerer Forschung und der Entwicklung neuerer Therapieformen wird dieser Ansatz aber heute bei ungewünschten homosexuellen Impulsen nach unserem Kenntnisstand nicht mehr angewandt.

Anm. 1: Zit. nach Nicolosi, J., Open Letter to APA President Koocher, APA Convention 2006, in: NARTH-Bulletin, hrsg. Von NARTH, Encino, Kalifornien, Herbst 2006, vol. 14, no. 2, S. 40.

Anm. 2: Zit. nach Nicolosi, J., NARTH-Bulletin Herbst 2006, ebd., S. 40.

Anm. 3: Haldeman, D., Gay rights, patients’ rights: the implementation of sexual orientation conversion therapy (Paper presented at the meeting of the American Psychological Association), Washington, D.C., August 2000, S. 3; zit nach Byrd, A. D., Ist Homosexualität angeboren und unveränderbar? in: Bulletin des DIJG, Sonderheft Männliche Homosexualität, Januar 2005, S. 5.

Anm. 4: Spitzer, R., Can Some Gay Men and Lesbians Change Their Sexual Orientation? 200 Participants reporting a Change from Homosexual to Heterosexual Orientation, Arch. Sex. Behavior, 32, 5, 2003, S. 403-417, S. 414.

Dr. med. Christl Ruth Vonholdt
Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin
Deutsches Institut für Jugend und Gesellschaft,
www.dijg.de
Offensive Junger Christen – OJC e.V.
64385 Reichelsheim

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Mittwoch 6. Februar 2008 um 15:57 und abgelegt unter Gesellschaft / Politik, Sexualethik.