Gemeindenetzwerk

Ein Arbeitsbereich des Gemeindehilfsbundes

Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag Artikel empfehlen Artikel empfehlen

Vergebung und Strafe

Samstag 25. Januar 2014 von Dr. Joachim Cochlovius


Dr. Joachim Cochlovius

Die Frage, ob die Vergebung der Schuld auch die Befreiung von Strafe einschließt, ist sowohl von theologischer als auch von seelsorgerlicher Bedeutung. Theologisch ist sie bedeutsam, weil sie den Umfang der göttlichen Vergebung berührt, seelsorgerlich ist sie wichtig, weil alle, die Gottes Vergebung empfangen haben, wissen müssen, ob sie u.U. noch mit göttlichen Strafhandlungen rechnen müssen oder nicht

Beobachtungen am biblischen Wort

Dem großen Gotteslob Moses in 2. Mose 34,6f. kann man entnehmen, daß Gottes Vergebungswillen zwar unendlich stark und seine Vergebungskraft unendlich groß ist, daß seine Vergebung aber nicht automatisch seine Strafe aufhebt. „Herr, Herr, Gott, barmherzig, gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue, der da Tausenden Gnade bewahrt und vergibt Missetat, Übertretung und Sünde, aber ungestraft läßt er niemand, sondern sucht die Missetat der Väter heim an Kindern und Kindeskindern bis ins dritte und vierte Glied“.

Nachdem das Volk Israel von Gott abgefallen war und das goldene Kalb angebetet hatte, erwirkte Mose zwar die Vergebung Gottes, aber das Volk mußte als Strafe hinnehmen, daß es von Gott fortan nicht mehr persönlich begleitet wurde (2. Mose 32,30-33,6). „Ich will dich bringen in das Land, darin Milch und Honig fließt. Ich selbst will nicht mit dir hinausziehen, denn du bist ein halsstarriges Volk; ich würde dich unterwegs vertilgen“. Ähnlich ist die Lage, als das Volk aufgrund der Berichte der Kundschafter Angst vor dem Einzug in das gelobte Land bekommt. Mose muß wieder Gott um Vergebung für das Volk bitten. Wieder wird sie ihm gewährt, doch Gott straft das Volk mit einer zusätzlichen 38-jährigen Wüstenwanderung (4. Mose 14). „Und der Herr sprach: Ich habe vergeben, wie du es erbeten hast. Aber so wahr ich lebe und alle Welt der Herrlichkeit des Herrn voll werden soll: alle die Männer, die meine Herrlichkeit und meine Zeichen gesehen haben, die ich getan habe in Ägypten und in der Wüste, und mich nun zehnmal versucht und meiner Stimme nicht gehorcht haben, von denen soll keiner das Land sehen, das ich ihren Vätern zu geben geschworen habe; auch keiner soll es sehen, der mich gelästert hat“. Auch David mußte nach seinem Ehebruch trotz Gottes Vergebung als Strafe den Tod des von ihm gezeugten Sohnes hinnehmen, weil seine Tat den Feinden Gottes einen Grund zur Lästerung verschafft hatte (2. Sam. 12,13f.). „Nathan sprach zu David: So hat auch der Herr deine Sünde weggenommen; du wirst nicht sterben. Aber weil du die Feinde des Herrn durch diese Sache zum Lästern gebracht hast, wird der Sohn, der dir geboren ist, des Todes sterben“.

Theologische Schlußfolgerungen

 1.) Man muß angesichts dieser zunächst unverständlichen Handlungsweise Gottes zunächst zwischen der ewigkeitlichen und der zeitlichen Dimension von Gottes Handeln am begnadigten Sünder unterscheiden. Gottes Vergebung hat immer eine ewigkeitliche Dimension, denn sie ist vorweggenommener Freispruch im Gericht. Diese ewigkeitliche Bedeutung der Vergebung wiegt schwerer und ist wichtiger als eventuelle zeitliche Folgen begangenen Unrechts. In Röm. 8,18 werden die Leiden dieser Zeit im Vergleich zur ewigen Herrlichkeit als unmaßgeblich bezeichnet.

2.) Die zeitlichen Folgen des schuldhaften Verhaltens können als ein Züchtigungshandeln Gottes verstanden werden, mit dem Gott nach dem Zeugnis des Hebräerbriefs immer gute Ziele verfolgt. Gottes Züchtigungen dienen „zu unserm Besten, damit wir an seiner Heiligkeit Anteil erlangen“ (Hebr. 12,10). Dabei ist zu bedenken, daß nach Hebr. 12 gerade das Züchtigungshandeln Gottes ein Kennzeichen seiner Liebe zum begnadigten Sünder ist.

3.) Wenn Gott dem begnadigten Sünder Folgen seiner Schuld im Sinne einer Züchtigung auferlegt, darf davon ausgegangen werden, daß Gott die Lasten, die er auferlegt, auch zu tragen hilft (Ps. 68,20). „Gott ist treu, der euch nicht versuchen läßt über eure Kraft, sondern macht, daß die Anfechtung so ein Ende nimmt, daß ihr’s ertragen könnt“ (1. Kor. 10,13).

4.) Obwohl die Vergebung ein ewigkeitliches Geschehen ist, hat sie doch auch zeitliche Auswirkungen. Der begnadigte Sünder wird durch die Vergebung wieder in ein ungetrübtes und herzliches Verhältnis zu seinem himmlischen Vater hineingenommen. Der Heilige Geist vermittelt ihm neues Vertrauen in die Vatergüte Gottes (Gal. 4,6). In diesem Vertrauen darf er auch um Milderung oder Tilgung der Folgen der Schuld und um ein Ende der göttlichen Züchtigung bitten. In diesem Vertrauen darf er aber auch glauben, daß die ihm auferlegte göttliche Strafe einen tieferen göttlichen Sinn in sich trägt und daß Gott gerade aus dem bewußten Annehmen dieser Strafe einen neuen Segen erwachsen lassen kann (Röm. 4,17; 8,28).

Fazit

Nach dem biblischen Befund wird durch die Vergebung zwar die Schuld vollständig getilgt, aber nicht in jedem Fall auch die Freisprechung bzw. Befreiung von Folgelasten für den Schuldiggewordenen bewirkt. Die Erfahrung, trotz Vergebung noch an den Folgen der Schuld tragen und leiden zu müssen, kann für Christen eine Anfechtung und sogar eine Glaubensversuchung bedeuten. Ihnen muß seelsorgerlich geholfen werden, und zwar indem ihnen der unendliche Wert der Vergebung nahegebracht wird, indem sie zu einem Annehmen göttlicher Züchtigungen geführt und zu einem neuen Vertrauen in die Vatergüte Gottes ermutigt werden, der keinen Fehler macht, der Strafen jederzeit mildern und wegnehmen kann und der beim Tragen der von ihm auferlegten Lasten mit göttlicher Kraft hilft.

Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag Artikel empfehlen Artikel empfehlen

Dieser Beitrag wurde erstellt am Samstag 25. Januar 2014 um 17:49 und abgelegt unter Seelsorge / Lebenshilfe, Theologie.