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Bildungsarmer Bildungsplan

Donnerstag 23. Januar 2014 von Christian Hausen


Christian Hausen

Das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg hat im Kontext mit den fünf Leitprinzipien des Bildungsplans 2015 „um Stellungnahmen und Rückmeldungen zu der Arbeitsfassung“ bis Ende Januar gebeten. Als jahrzehntelangem Bürger Baden-Württembergs, dem ich mit meiner Familie viel zu verdanken habe, ist mir das Wohl der dortigen Bevölkerung ein Anliegen. Nach meiner Überzeugung enthält die Bildungsplanreform mit den Leitprinzipien durchaus konstruktive Ideen, ist aber leider tendenziös und damit überwiegend problematisch. Ich erlaube mir, auf folgende Gesichtspunkte hinzuweisen:

Guter Ansatz

Die fünf Untertitelungen von der beruflichen Orientierung bis zur Verbraucherbildung gefallen mir gut. Begriffe wie Selbstbestimmung, Vorurteilsfreiheit, Werthaltungen, Respektieren, Menschenrechte oder eigene Bedürfnisse sind allemal förderungswert. Vor allem ist und bleibt es wichtig, dass Minderheiten in alternativen Lebensformen nicht diskriminiert werden. Eine solche Haltung erachte ich als Jurist für selbstverständlich; dies sollte für jeden Staatsbürger auch so sein. Wichtig dabei ist – gerade für die pädagogische Authentizität –, wahrheitstreu vom Lateinischen „discriminare“, also „unterscheiden“, auszugehen und sich nicht modischen Begriffsverbiegungen zu unterwerfen. Nicht zu verkennen ist, dass heute die „Gleichheit“ der „Freiheit“ vorgezogen wird; im Kontext mit den Gerechtigkeitsbestrebungen zugunsten sexueller Orientierungen steht die „Égalité“ der Französischen Revolution leider zu sehr im Vordergrund: Es kommt dem unbefangenen Leser so vor, als ob mit der Guillotine einerseits der Kopf und andererseits auch die Füße abgetrennt werden sollen, um alle Menschen gleich groß zu machen. In meinem Buch „Hilfe, wir werden diskriminiert!“ (sdv-Verlag) habe ich auf die Erforderlichkeit der Differenzierung aufmerksam gemacht.

Unverzichtbare Aufklärung

Hilfreich ist allemal eine sensible Aufklärung der Schülerschaft gerade im Hinblick auf die Sexualität. Vor allem ist die „Medienbildung“ unverzichtbar, da die Vierte Gewalt eine erhebliche Neigung zur Indoktrination der Bevölkerung offenbart. Eine Überpointierung sexuellen Wissens und Handelns stellt für die Meinungsmacher eine große Versuchung dar. Sie sind nicht nur dominant, sondern auch befangen, denkt man etwa an deren Familiensinn: Die Ehescheidungsquote ist bei ihnen überdurchschnittlich hoch; Kinder haben sie im Bereich von nur einem Viertel der ohnehin geringen Zahl der in Deutschland geborener Abkömmlinge. Man könnte fast von einer medialen Inkompetenz sprechen. Das wird bereits deutlich in den Titulierungen der Leitmedien zur Petition „Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens“. Beim „Stern“ heißt es: „Petitionen gegen Homosexualität als Schulthema“, während es in Wirklichkeit nur um die ideologische Überhöhung geht. Der „Spiegel“ schreibt, die Initiative „hetzt gegen sexuelle Toleranz“; ähnlich meint die „Süddeutsche Zeitung“, der verantwortliche Lehrer habe etwas „wider die Toleranz“ veranlasst. Bei intellektueller Redlichkeit wird deutlich, dass es in der Petition um die Unterscheidung zwischen dem Respekt gegenüber alternativ sexuell Orientierten und der Förderung dessen geht, was jahrhundertelang als unmoralisch oder gar pervers angesehen worden ist. Die Journalisten wirken hilf- und ratlos; sie haben ihre Aufgabe völlig verfehlt: Anstatt die Urheber des Bildungsplans zu kritisieren und sich mit der Petition intellektuell auseinanderzusetzen, werden die Kritiker verächtlich gemacht.

Vorrangige Gesundheit

Die „Gesundheitsförderung“ ist in jeder Hinsicht zu begrüßen. Das passt auch zur Regierungskoalition, da speziell die Grünen zu Recht auf Gefahren durch Luftverschmutzung oder Lärmbelästigung aufmerksam machen und ihnen gerade die Nachhaltigkeit ein Grundanliegen ist. Das Engagement etwa für sauberes Wasser, natürliche Nahrung oder biologischen Anbau ist lobenswert. Allerdings besteht im Hinblick auf diesen großen Einsatz für die Natur ein Widerspruch, wenn – vielleicht auch nur unbewusst – das Verständnis z. B. für gleichgeschlechtlich Empfindende überbetont wird. Wenn das Robert-Koch-Institut permanent auf die fürchterlichen Folgen homosexueller Praxis hinweist, dann gibt das Anlass zu Bedenken. 75 % der Aids-Kranken sind homosexuell aktive Männer, bei den Syphilis-Patienten sind es gar 80 %. Hier würde man zur Gesundheitsförderung von den Grünen doch eher ein vorsichtiges Abraten von homosexueller Praxis erwarten. Die von ihnen immer behauptete „gleichgeschlechtliche Identität“ ist wissenschaftlich überhaupt nicht nachgewiesen. Hält man sich noch die christlich-abendländische Kultur vor Augen, so wird auch ein Ministerpräsident Kretschmann als bekennender Katholik einräumen müssen, dass biblische warnende Äußerungen wie etwa im neutestamentlichen Römer-Brief Kap. 1 bis heute nicht widerlegt worden sind. Zur Korrektur, ja zur Umkehr genügt nicht die Erkenntnis der Bildungspolitischen Sprecherin der Grünen, im Bildungsplan befänden sich „unglückliche Formulierungen“. Regierungen, an denen Grüne beteiligt sind, müssen aufpassen, dass ihr Vorpreschen nicht letztlich zu Experimenten mit Menschen (Goethes „Faust“: Homunkulus) führt.

Leichtfertige Bildungsverantwortliche

Nun könnte dem Kultusministerium Aufwind bieten das hochstilisierte Coming-Out des Fußballprofis Thomas Hitzlsperger. Mit Hilfe der Medien ist es in Deutschland zu einem Jubelschrei gekommen. Dabei hat dieser nicht mehr aktive Nationalspieler nur etwas getan, was bei Politikern oder Schauspielern zur Selbstverständlichkeit geworden ist, nämlich das Bekenntnis gleichgeschlechtlichen Empfindens. Dass durch seine Äußerungen eine Diskussion entfacht wurde, bestätigt prinzipiell das Anliegen des Kultusministeriums, nämlich noch bestehenden Ressentiments in der Gesellschaft gegenüber Homosexuellen über schulische Lehrpläne etwas entgegenzusetzen. Es fragt sich nur, ob z. B. die Online-Petition „Zukunft – Verantwortung – Lernen: Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens“ zu Recht von Herrn Kultusminister Andreas Stoch (SPD) als „falsch und diskriminierend“ eingeordnet werden kann. Zur Bildung – gerade im Sinne des noch nicht ausgemerzten Humboldt’schen Ideals – gehört auch die sprachliche Selbstdisziplin, nicht zu schnell von Minderheiten und ideologisierten Journalisten geprägte Wortumdeutungen zu übernehmen. Der Initiator Gabriel Stängle hat das eines Pädagogen Würdige getan, nämlich „unterschieden“, und zwar ohne etwa Homosexuelle und andere sexuell alternativ Lebende zu diskreditieren oder gar zu desavouieren. Das Kultusministerium setzt sich insoweit dem Verdacht aus, dass es sich von einer umstrittenen Ideologie beherrschen lässt. Wenn der Realschullehrer auf Gesundheitsgefährdungen durch homosexuelle Praktiken hinweist, so entspricht das dem heutigen wissenschaftlichen Standard. Gleichwohl bleibt Kultusminister Andreas Stoch offensichtlich trotz der Mängel unbeeindruckt.

Verwirrte FuĂźballwelt

Der für die Bildungsplaner ein wenig herabsetzend erscheinende von Stängle verwendete Begriff „Umerziehung“ wird bereits durch die modische Auslegung des Begriffs „diskriminierend“ unterstrichen, erst recht durch Abstempelungen als „homophob“. Wenn bislang mehr als 100 000 Mitbürger – auch über Baden-Württemberg hinaus – sich über die pädagogischen Ideen Sorgen machen, so sollten Bildungsministerien den demokratischen Geist positiv bewerten. Es kommen diese aus der Mitte der Gesellschaft – anders als etwa bei den Lobbyisten des Netzwerks LSBTTI. Gerade bei Hitzlsperger ist zu berücksichtigen, dass – wie den Leitmedien zu entnehmen ist – er gemäß seinem Bekenntnis nach acht Jahren des Zusammenseins mit einer Freundin erst vor ca. drei Jahren (also mit 28) das Bewusstsein erlangt habe, er liebe Männer, woraus sich schließen lässt, dass zumindest gar nicht eindeutig ist, es handele sich insoweit um etwas biologisch Angelegtes. Selbst der Deutsche Fußballbund agiert auf die Veröffentlichung des Nationalspielers „seltsam unsicher“, worauf „Der Spiegel“ verweist. Das Kultusministerium geht offensichtlich etwas zu forsch vor und lässt sich als Zweite Gewalt allzu sehr von der Vierten lenken, denkt man nur an die total einseitige Berichterstattung zum Outing; so hatte Maybritt Illner (ZDF) am 05. Januar ausschließlich Jubler eingeladen; „ttt“ (ARD) zürnte über die vermeintliche „Homophobie“, die bei den Deutschen noch tief säße; der Gemeinschaftssender 3sat sprach in der „Kulturzeit“ vom 13. Januar über die Fußballwelt, welche das Grundgesetz missachte, das ja die sexuelle Identität schütze. Gerade dieser Elite-Sender hat sich an unserer Zivilisation und an unserem Recht vergangen, denn einerseits ist diese Konkretion in unserer Verfassung nicht vorhanden, andererseits wurden die Unterzeichner der Petition begründungslos in die fundamentalistische Ecke gedrängt – ein Spitzenbeispiel wahrheitswidriger Behauptungen und ideologisch motivierter Rechtsunkenntnis. Die Erfahrung zeigt: Die Ausgrenzung gilt nicht dieser Gruppe, sondern ausschließlich – und zwar zu Recht – den Pädophilen.

Juristische Kunstfehler

Bereits aus diesen Gründen ist der Anteil der positiven Äußerungen über die geschlechtliche Orientierung offensichtlich überhöht, das Warnungspotenzial erscheint fast als unterdrückt. Der Jurist hat die unfreundlichen Definitionen zum „Lügenparagrafen“ 263 StGB im Hinterkopf. Es geht bei der Unwahrheit nicht nur um falsche Äußerungen, sondern auch um Entstellungen, Unterlassungen und Unterdrückungen. Hier wird der Bevölkerung die nicht so positive Seite der neuen Lebensformen vorenthalten, obgleich eine Rechtspflicht zur Aufklärung besteht. Aus rechtlicher Perspektive kommt hinzu: Der Bildungsplan kommt in einen erheblichen Konflikt mit Artikel 16 der Landesverfassung. Danach muss die Erziehung der Kinder sich an christlichen und abendländischen Bildungs- und Kulturwerten orientieren. Kinder sind in der „Ehrfurcht vor Gott“ zu erziehen. Das ist gewiss in den unter Ziff. 1 genannten Titulierungen der Fall, aber insoweit bestehen erhebliche Defizite, wenn es um das Detail geht. Das Kultusministerium übersieht auch, dass bestimmte politische Kräfte wirklich „scharf darauf sind“, Kinder und Jugendliche möglichst früh zu sexualisieren; entsprechende Passagen müssten insoweit verantwortungsbewusst „abgeklopft“ werden. Es gibt Untersuchungen, welche darauf verweisen, dass die Gefahr des sexuellen Kindesmissbrauchs bei homosexuell Orientierten ein Dutzend mal höher ist als bei den heterosexuell Lebenden (bestätigt durch „Odenwaldschule“).

Sklavische Regierungssender

Irritierend sind zwangsläufig auch die Reaktionen in den Medien. So hat sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen der Problematik nicht gewachsen gezeigt. Der Sender SWR1 Baden-Württemberg hat in der „Landesschau aktuell“ das vernachlässigt, was eigentlich einen Journalisten ausmacht, nämlich Kritik am politischen Handeln zu üben. Er hat den Bildungsplan fast nur bejubelt. Dabei hat sich die Redaktion in übler Weise an demokratischen Prinzipien vergangen. Statt wie das Kultusministerium auf faire Art um Stellungnahmen nachzusuchen, hat es in diktatorischer Weise Kritiker desavouiert. Beliebt ist dabei, gerade bürgerlich Denkende in die rechtsextreme Ecke zu stellen. Ähnlich steht es mit der Behauptung, Einwände entstammten evangelisch-freikirchlichen Kreisen. Anstatt selbst – im Sinne der vornehmen Aufgabe eines Journalisten – konstruktive Kritik gegenüber dem Kultusministerium zu üben, werden denkende und argumentierende Mitbürger veralbert. Es ist schon bemerkenswert, dass ausgerechnet die Intellektuellen, die das Wort „Toleranz“ bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit im Munde führen, eine Ihrer Auffassung entgegengesetzte Meinung überhaupt nicht zu tolerieren in der Lage sind! Im Gegenteil offenbaren sie eine unfassbar erscheinende totalitäre Intoleranz, die in Gewalt zu münden scheint.

Eklatante Vertragsverstöße

Dabei hat ja gerade der öffentlich-rechtliche Rundfunk gemäß Artikel 11 Rundfunkstaatsvertrag eine Pflicht, christliches Gedankengut zu fördern (siehe mein Buch „Macht statt Geist“). In der Berichterstattung durch Rundfunk und Fernsehen soll dies einen Schwerpunkt bilden, wie sich aus dem Beck’schen Kommentar ergibt. Gerade bei sensiblen Themen ist die Ausgewogenheit unverzichtbar, vor allem erwartet man eine wirklich wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der die Politik immer mehr beeinflussenden Ideologie des Gender-Mainstreaming. Man wird kaum behaupten können, dass es sich hier um fundamentierte Forschungsergebnisse handelt, wenn das soziale Geschlecht das biologische verdrängt. Eigentlich müsste es zu den grünen Prinzipien gehören, hier die Natur und nicht irgendwelche vom Zeitgeist intendierte Ideen zu realisieren. Die große 150 Jahre alte Volkspartei der Sozialdemokraten sollte sich schämen, sich von dem kleineren ideologisch agierenden Koalitionspartner unterjochen zu lassen. Denkt man an den beliebten ehemaligen Bundeskanzler Willy Brandt, der ja lange Zeit Vorsitzender einer Volkspartei war, dann wird man – entgegen der heutigen Gender-Ideologie – an seine Worte erinnert: „Demokratie darf nicht so weit gehen, dass in der Familie darüber abgestimmt wird, wer der Vater ist“.

Vergessene Demokratie

In der Tat hat dieser Erfinder der Slogans „Mehr Demokratie wagen“ als ein von den Nazis Verfolgter die Weichen in eine großartige freiheitliche Zukunft gestellt. Wenn der Südwest-Rundfunk die Petition als „umstritten“ hinstellt und Andeutungen über „rechtsextreme“ Einflüsse macht, so sollten sich die Nachfolger Willy Brandts diesem am Faschismus orientierten Gedankengut der öffentlich-rechtlichen Sender nicht angleichen. Wer jemanden in die Nazi-Ecke stellt, hat den Vorteil, dass er sich nicht weiter mit der Materie auseinandersetzen muss und auf Begründungen für seinen Standpunkt verzichten kann. Es fällt dann leicht im Sinne der heutigen „Toleranz“, nicht mehr nur Duldsamkeit im Sinne des lateinischen Begriffs zu fordern, sondern alle alternativen Meinungen als gleich wichtig hinzustellen. Die Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG scheint abgeschafft. Wer dem nicht folgt, ist als intolerant zu denunzieren. Das ist kahler Fundamentalismus, von welchem der Bildungsplan keinesfalls frei erscheint. Er wirkt eher rückwärtsgewandt, gerade was „das Durchpeitschen eigener Interessen“ betrifft (Erziehungswissenschaftler Albert Wunsch). Vom „herrschaftsfreien Diskurs“, den der anerkannte Philosoph Jürgen Habermas fordert, kann hier beim besten Willen nicht die Rede sein. So sind nach den Regeln der Gender-Ideologie Umdefinierungen der Familienbegriffe des Art. 6 GG geradezu Pflicht geworden. Willy Brandts „Vater-Mutter-Kind-Muss“ gilt als überholt. Die Egalisierung erzeugt eine gefährliche indirekte Wirkung. Es wird über den „Respekt“ hinaus „Akzeptanz“ verlangt: Gleichwertigkeit der ehelichen und der homosexuellen Praxis. Pubertierende folgern aus einer natürlichen homoerotischen Phase, sie seien homosexuell veranlagt. Hätte die von NS-Schergen ermordete Anne Frank ihre kurze lesbische Periode so gedeutet, hätte sie sich nicht mehr in ihren Peter verlieben können. Es fehlt partout die Differenzierung, ja die hierarchische Ordnung! Der vom Westen geächtete russische Präsident Putin unterscheidet zwischen totaler Freiheit der homosexuellen Praxis und dem Verbot der Glorifizierung gleichgeschlechtlicher Aktivitäten.

Autoritäres Vorgehen

Wissenschaft spielt offenbar in der Bildung keine Rolle mehr, wie die Unterweisung der Kinder über die Erforderlichkeit der Polarität zwischen Vater und Mutter. Intakte Familien werden letztlich durch den Bildungsplan bloßgestellt, den Kindern wird suggeriert, es handele sich bei der Familie um ein spießiges Rollenmodell. So schön auch die „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ erscheint, muss von Bildungspolitikern doch verlangt werden, im Sinne der christlich-abendländischen Kultur die notwendigen Differenzierungen vorzunehmen. Ein Bundesland wie Baden-Württemberg, das von einem konstruktiven Pietismus bzw. Evangelikalismus sowie einem lebendigen Katholizismus geprägt ist, sollte sich nicht mit den herrschenden Medienmachern der Ideologie der Political Correctness unterordnen. Wesentliche Merkmale einer solchen sind universale Herrschaft (a), Anstreben einer „idealen“ Gesellschaft (b), flexible Taktik mit vordergründigen Detailzielen (c) und gewaltbereite Strategie (d). Diese Problematik hab ich durch meinen Beitrag im Buch „Schlagseite – MannFrau kontrovers“ (Herausgeber Eckhard Kuhla, Eschborn) verdeutlicht. Mit der 2012 verstorbenen Psychologin Margarete Mitscherlich ist zu beachten, dass sich die Studenten der 68er Bewegung zwar zu Recht von der Nazi-Generation distanzierten, aber in ihrer Vorgehensweise ähnliche Charaktereigenschaften an den Tag legten, nämlich Gewalt und Intoleranz. Ansätze zeigen sich bereits durch die homosexuelle Gewalt beim Bremer Jugendtreffen „Christival“ und beim Marburger Psychologenkongress, bei welchem dem Rowdytum freier Lauf gelassen wurde und Lobbyist Volker Beck vornehm schwieg.

Abzulehnende Zensur

Natürlich geht es trotz der unverhältnismäßigen Macht der Journalisten auf keinen Fall um eine irgendwie geartete Zensur. Es ist klar, dass unter den deutschen Medienmachern ein großer Aufruhr herrscht, wenn Politiker sie auch nur andeutungsweise kritisieren. Man denke an den inzwischen verstorbenen „Spiegel“-Herausgeber Rudolf Augstein, der tief gekränkt war, als der aus Baden-Württemberg stammende Bundespräsident Richard von Weizsäcker die Journalisten zur Einhaltung ihrer Regeln ermunterte; er meinte, das Staatsoberhaupt hätte die Zensur wieder eingeführt. Dabei ist in der Gesellschaft, auch in Juristenkreisen, der Begriff „pouvoir neutre“ wenig bekannt. Diese bedeutet eine selbständige, über den drei klassischen Gewalten stehende Vierte Gewalt, die dem Staatsoberhaupt zusteht. Das gilt sinngemäß natürlich auch für die Inhaber von Regierungsämtern. Interessant wäre doch eine Konkurrenz der Regierenden mit der Vierten Gewalt, um mutig ohne Zensur die mächtigen Journalisten in die Schranken zu weisen. Unabhängig davon ist es eine erstrangige Aufgabe der Politiker, alles zu unternehmen, um das in Art. 6 GG verankerte Recht der Eltern und das Wohl der Kinder auf keinen Fall zu beeinträchtigen.

Partielle Umfunktionierung

Tröstlich ist, dass es auch journalistische Selbstkritik gibt. Man denke an den Herausgeber des „Handelsblatts“ Gabor Steingart: „Nicht wenige politische Redakteure pilgern zu den Flachbauten der Parteipolitik, als handele es sich um Kathedralen. Man sieht sich in einer Bedeutungskoalition mit den Parteigrößen. Deren Niedergang wird als eigener erlebt – und deshalb weich gezeichnet. … Die Demutshaltung gegenüber den Mächtigen gehört verboten“. Hier kann der SWR noch lernen, das Kultusministerium darf durchaus öffentlich bekunden, dass es vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk unabhängig ist. Natürlich weiß der Bürger, dass grundsätzlich nach jedem Regierungswechsel ein Eingriff in die Schulpolitik quasi zum Pflichtprogramm gehört. Nachdem die CDU jahrzehntelang in Baden-Württemberg regiert hat, soll die Reform umso gründlicher sein. Es geht einerseits um die Beendigung des dreigliedrigen Systems mit dem Ziel der Gemeinschaftsschule und andererseits um das zentrale Anliegen der 68er Studentenbewegung, sexuelles Denken und Handeln umzufunktionieren. Dem Kultusministerium sollte bewusst werden, dass es sich hier in gewisser Hinsicht – wie die Petition zum Ausdruck bringt – um eine ideologische Umerziehung handelt. Im Zusammenhang mit der „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ wird dies ganz deutlich durch den Zwang, die verschiedenen Formen des Zusammenlebens mit den Andersempfindenden zu reflektieren und schließlich zu akzeptieren; der Respekt – nach unserer Kultur eine Selbstverständlichkeit – soll nicht mehr genügen. Der Realschullehrer hat sich doch durch eindeutige Formulierungen gegen Diskriminierungen wegen sexueller Orientierung gestellt. Kultusministerium und Leitmedien haben ihm offensichtlich verstandesmäßig nichts entgegenzusetzen. Der Leiter des Evangelischen Fachverbandes für Sexualethik Weißes Kreuz, Rolf Tauernicht, fragt: „Würde auch ein Fußballer gefeiert, der sich von seiner Homosexualität abwendet“?

Christliche Werteordnung

Vielleicht täte es auch gut, etwas mehr auf  Weiterführendes der Kirchen zu hören. Das Forum Deutscher Katholiken hat sich geäußert: „Unter dem Vorwand der rechtlichen Gleichstellung der Geschlechter werden geschlechtsbedingte Unterschiede eingeebnet und Ehe und Familie als eine Gesellschaft tragende Struktur zerstört und die Schöpfungsordnung und die Vorgaben der Natur missachtet. Das Forum Deutscher Katholiken ruft alle Bürger auf, im Interesse unserer Kinder und der Gesellschaft gegen diese Pläne ihren Protest einzubringen“. Das dürfte letztlich auch der Auffassung des Ministerpräsidenten Kretschmann entsprechen. Er wird sich wohl kaum an den Ergüssen gewisser Protestanten orientieren, etwa der theologiefreien „Orientierungshilfe“ zu Ehe und Familie, in welcher es um eine fast nahtlose Übernahme der modischen „Politischen Korrektheit“ geht. Der württembergische evangelische Oberkirchenrat Werner Bauer fordert allerdings, dass den Leitprinzipien für einen verantwortbaren Bildungsplan ein anthropologisch und geistesgeschichtlich durchdachtes Menschenbild zugrunde liegen müsse. Der Plan müsse mehr sein als eine bloße Addition von Interessen gesellschaftlicher Gruppen. Unter Berücksichtigung der Präambel des Grundgesetzes und § 16 LV sollte christliches Denken eine größere Rolle im Bildungsplan spielen. Darauf habe ich in meinem Buch „Mehr Mut zum C in der Politik“ (sdv-Verlag) deutlich hingewiesen. Der vor einem halben Jahrhundert verstorbene Denker C. S. Lewis meint. „Glaube ist die Kunst, an etwas festzuhalten, was der Verstand einmal akzeptiert hat“.

Differenzierte Denkweise 

Es ist gewiss nicht ehrenwert, wenn in einem blühenden Bundesland wie Baden-Württemberg, in dem die christliche Kultur im Vergleich zur Bundesrepublik eine überdurchschnittliche Bedeutung hat, marxistisch anmutendes Gedankengut realisiert wird. Wenn es im Manifest der Kommunistischen Partei 1848 heißt: „Wir heben die trautesten Verhältnisse auf, indem wir an die Stelle der häuslichen Erziehung die gesellschaftliche setzen“, dann passt das nicht zu dem Land der Dichter und Denker. Kritiker müssen fragen, ob die für den Bildungsplan Verantwortlichen sich überhaupt mit dem großen Psychoanalytiker Sigmund Freud befasst haben, der meinte: „Kinder, die sexuell stimuliert werden, sind nicht mehr erziehungsfähig“ (Gesammelte Werke VII S. 149). Der Text des Leitprinzipienentwurfs ist jedenfalls nicht frei von Gedanken einer gezielten Förderung der Sexualität, wenn man sich etwa an dem Pädagogikprofessor H. J. Gamm orientiert, der äußerte: „Wir brauchen die sexuelle Stimulierung der Schüler, um die sozialistische Umstrukturierung der Gesellschaft durchzuführen und den Autoritätsgehorsam einschließlich der Kindesliebe zu den Eltern gründlich zu beseitigen“. Das mag übertrieben sein, sollte aber Anlass zum Nachdenken bieten. Die Gefährdungen sind für Politiker, die für die Bildung verantwortlich sind, in der Tat nicht zu leugnen. Es muss genügen, dass nicht die „Akzeptanz“ der sexuellen Vielfalt gefordert wird, sondern nur ein umfassender „Respekt“. Sonst hätte der Realschullehrer Stängle wirklich Recht, wenn er von der „Umerziehung“ schreibt. Es ist aufschlussreich, dass die jubelnden Medien gegenüber Hitzlsperger und dem Bildungsplan generell konstatieren, die Gesellschaft sei inzwischen tolerant gegenüber Homosexuellen (so z. B. „Die Zeit“).

Fazit

Aus den genannten Gründen kann ich dem Bildungsplan 2015 in seiner Gesamtheit  nicht beipflichten, erachte ihn in dieser Form gar als schädlich. Nachvollziehbar erscheint mir die Petition gegen Indoktrination durch „Regenbogen-Ideologie in Baden-Württembergs Schulen“. Die Initiatoren weisen zu Recht Grundlagen des Plans zurück, soweit die Schule als „homophober Ort“ bezeichnet wird. Es ist eine Selbstverständlichkeit, Homosexuelle und anders Orientierte auf keinen Fall zu beleidigen und zu benachteiligen. Unverzichtbar ist der Respekt gegenüber sexuell alternativ empfindenden Mitbürgern; höchst problematisch ist jedoch bereits die Glorifizierung etwa homosexueller Praxis, welche das russische Parlament verboten hat und die westeuropäischen Eliten zu problematischem Spott verleitet; die „Homo-Ehe“ lässt sich nur mit äußerstem Krampf in Einklang mit Artikel 6 des Grundgesetzes über den besonderen Schutz der traditionellen Familie bringen. Aus kultureller Perspektive ist zu beachten: Der Ausruf „Es lebe das Neue!“ ist eben nicht allgemein gültig. Man muss von der Vermutung der Richtigkeit ausgehen, dass die traditionelle Familie erstrangig ist, und zwar bis zum unzweideutigen Beweis des Gegenteils. Mit Fritz Rinnhofer ist festzuhalten: „Ein Konservativer ist eigentlich ein Progressiver. Er verteidigt Werte, die noch in 100 Jahren Bestand haben werden“. Die Probleme sind sehr kompliziert und komplex, es besteht noch erheblicher Erklärungs- und konstruktiver Handlungsbedarf.

Christian Hausen
Rechtsanwalt in NeumĂĽnster/Holstein
www.kanzlei-hausen.de

 

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 23. Januar 2014 um 0:16 und abgelegt unter Gesellschaft / Politik, Sexualethik.