Sieben Erfolgswerte in der christlich-abendländischen Kultur
Mittwoch 25. April 2012 von Hans-Joachim Hahn
Werte als Basis für Gemeinschaft und Erfolg
Werte prägen unser Leben und unsere Arbeit. Werte spiegeln unsere Weltanschauung wider. Wir erlernen Sie aber nicht aus dem Philosophiebuch, wir übernehmen sie in der Regel von Vorbildern. Werte sind Ausdruck des Charakters und zeigen sich im Umgang von Menschen miteinander. Werte sind der Verhaltenskonsens einer Kultur, einer Gemeinschaft von Menschen mit gemeinsamen Wurzeln, Interessen und Zielen. Meistens entstammen sie religiösen Traditionen.
Werte haben einen Preis
Die Geschichte kennt viele Beispiele des persönlichen Einsatzes für Werte. In der berühmten Schlacht an den Thermophylen widerstand der Spartanerkönig Leonidas mit 300 Elitekriegern erfolgreich dem übermächtigen Heer des Persischen Tyrannen Xerxes, bis ein Verräter sie in einen Hinterhalt führte. Außer einem Abgesandten in die Heimat ließen alle Kämpfer ihr Leben auf dem Schlachtfeld für die Werte Griechenlands – der Freiheit und Ehre.
Mahatma Gandhi besiegte in einem entschlossenen, gewaltlosen Kampf die Kolonialbürokratie des englischen Weltreiches. Damit errang er seinen indischen Landsleuten den Wert der Menschenwürde – der Gleichberechtigung mit der weißen Rasse. Was hatte Gandhi inspiriert? Bei seinem Studium in England lernte er das Neue Testament und die christlichen Werte kennen. Als Anwalt kehrte er später nach Indien zurück. Enttäuscht stellte er fest, dass die Kolonialregierung weit davon entfernt war, diese Werte selbst zu praktizieren. Da reifte in ihm der Entschluss, sie mit ihren eigenen geistigen „Waffen“ zu besiegen. Sein Vorgehen wurde zum Lehrbeispiel für friedliche Revolutionen.
Werte sind nicht austauschbar
Jede Kultur prägt ihre eigenen Werte. Die Erfolgsgeschichte der westlichen Wirtschaft und Demokratie hat ihre wesentlichen Wurzeln in den christlichen Klöstern des Mittelalters. Als Gegenentwürfe gegen die Zerfallserscheinungen in Kirche und Gesellschaft entwickelten sie überlebensfähige Zukunftsmodelle. Sie adelten Arbeit als gesellschaftlichen Wert (Benedikt von Nursia: „Bete und arbeite“). Sie schufen die Grundlage für Universitäten und freie Bildungsstätten. Sie pflegten Kultur, Kunst und Spiritualität. Damit legten sie das Fundament für die Freiheit der Forschung und Lehre, sowie für die Trennung von Staat und Kirche. Die einzigartige Erfolgsgeschichte der Sozialen Marktwirtschaft im westlichen Nachkriegs-Deutschland ist untrennbar verbunden mit der Verwurzelung ihrer Gründerväter in den Werten des Neuen Testamentes: Der unternehmerischen Freiheit und Initiative des Einzelnen – ausgeprägter in der protestantischen Tradition; sowie der sozialen Verantwortung gegenüber den Schwächeren – deutlicher in der katholischen Tradition. (s. Gründerväter: Alfred Müller-Armack, Walter Eucken, Franz Böhm, Alexander Rüstow und Wilhelm Röpke.)
Sieben wichtige Erfolgswerte konkret
1. Arbeitsethos – Fleiß und Gewissenhaftigkeit.
Unerwartet für das Publikum des Kongresses christlicher Führungskräfte im Februar 2011 thematisierte der indische Volkswirtschaftler Prabhu Guptara die Frage:
„Warum wurde Zentraleuropa, das bis ins 16. Jh. einer der ärmsten Erdteile war, im 19. Jh. zu einem der reichsten der Erde?“ Seine Antwort: „Ein Schlüsselfaktor war die Reformation. Sie schuf eine an den Werten der Bibel orientierte Kultur, in der eine ehrliche Qualitätsleistung im Austausch für einen angemessenen Profit gefordert wird. Die drei `protestantischen Tugenden´: Fleiß, Ehrlichkeit und Bescheidenheit wurden zum geistigen Motor des Wohlstandes. … Diese Wirtschaftsethik der Reformation wurde jedoch untergraben durch den Darwinismus – die Speerspitze der Gottlosigkeit: Seit 1880 zunächst in elitären Kreisen in Europa; mit 50 Jahren Verzögerung dann in den USA. Nach dem zweiten Weltkrieg durch die systematische Indoktrination von Millionen von Menschen im gesamten westlichen Raum. Deshalb reden wir heute von Raubtierkapitalismus: der Stärkere verdrängt den Schwächeren – ganz im Sinne von Darwins Evolutionstheorie.“ Soweit Guptara.
Manchmal müssen Vertreter anderer Kulturen uns unsere Stärken und Vorzüge aufzeigen, aber auch vor unsren Abgründen warnen, wenn wir sie ignorieren.
Ein Blick auf andere ältere Kulturen und ihre Einstellung zur Arbeit ist hier aufschlussreich:
Im Alten China betätigten sich höher gestellte Bürger in der Staatsbürokratie; handwerkliche Arbeit und Landbau überließ man gern den niederen Schichten. Entsprechend sah China über viele Jahrhunderte kaum einen technischen oder wirtschaftlichen Fortschritt. Ähnliches gilt auch für Indien.
In den arabischen Kulturen wurden wirtschaftliche Gewinne weniger aus harter Arbeit erzielt als vielmehr durch klugen und geschickten Handel. Das antike Griechenland und Rom verachtete die Arbeit mit den Händen ganz unverhohlen: Marcus Tullius Cicero: „Ordinär ist der Lebensunterhalt des gedungenen Arbeiters, den wir für bloße Arbeit mit den Händen ausbezahlen. Alle Handwerker haben ein ordinäres Gewerbe.“ (de officiis 1,150). In Athen kamen teilweise fünf Sklaven auf einen freien Bürger. Der Reichtum Athens und Roms ruhte auf dem Rücken von Sklaven und dem Raub aus den Eroberungskriegen.
Ganz anders verhielten sich die von der hebräischen Kultur inspirierten Christen: Der Lehrer und Apostel Paulus war sich nicht zu schade, auf seinen Reisen vom erlernten Handwerk des Zeltmachers zu leben, statt seinen Lebensunterhalt von den gegründeten Gemeinden einzufordern: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ (2.Thess.3,10) war sein Motto. Handarbeit war für die ersten Christen im Kontrast zu ihrer Umwelt eine ehrenhafte Tätigkeit.
Mit der Wiederentdeckung der griechischen Philosophen und ihrer Lehren durch die Kirchenväter kam es jedoch bald wieder zur Geringschätzung der Arbeit: Der „geistliche Stand“ der Priester und kirchlichen Würdenträger erhob sich über den „weltlichen Stand“ der Arbeiter und Handwerker und teilte die Menschen wieder auf in Klassen mit unterschiedlichem Wert. Die Veränderungskraft des christlichen Evangeliums war gelähmt.
Es bedurfte der Mönche mit ihren Erneuerungsbewegungen und Gegenentwürfen zur etablierten Kirche, um den Lehren und Werten des Neuen Testamentes wieder zum Durchbruch zu verhelfen: Benedict von Nursia rehabilitierte mit seinen Regeln (ora et labora – bete und arbeite) die Arbeit und stellte sie auf eine Stufe mit dem Gebet. Noch deutlicher der Reformator Martin Luther: „Ackerpflügen oder Windelnwaschen ist genauso Gottesdienst wie Beten oder Predigen.“
Diese neue Einstellung, Arbeit als Gottesdienst zu betrachten, in der praktischen Arbeit sein Bestes für Gott zu geben, hat die tiefgreifendste wirtschaftliche Revolution in Deutschland und darüber hinaus ausgelöst. Sie ist die Wurzel der ungeheueren Ingenieursleistungen, der Qualitätsversessenheit und des Erfindergeistes unseres Volkes: „Made in Germany“.
In seinem Buch: „Der Weg aus der Tretmühle“ (VDI Verlag, 1955 u.1966) durchmisst der Ingenieur Franz Hendrichs sehr anschaulich und detailliert die technischen Leistungen des gesamten europäisch-amerikanischen Kulturkreises der Neuzeit. Auch Hendrichs fällt auf, dass viele Vertreter der reinen Geisteswissenschaft eher verächtlich auf Ingenieure und Techniker herabschauen. Dazu veranlasst sie „ihre in der Antike wurzelnde Einstellung der Geringschätzung körperlicher Arbeit“. (S. 226). Weiter stellt Hendrichs fest: „Gerade die größten Vertreter von Naturwissenschaft und Technik, die zugleich die bescheidensten waren, haben erkannt, dass Wissen und Glauben sich nicht ausschließen, sondern sehr wohl nebeneinander bestehen können (…). Männer wie Kepler, Newton, Guericke, Leibnitz, Watt, Faraday, Gauss, und Max Planck waren von tiefer Religiosität durchdrungen.“ (S. 226) Die Verantwortung vor dem Schöpfer motivierte sie, die Natur zu erforschen und nutzbar zu machen; die Verantwortung vor dem Mitmenschen als Ebenbild Gottes trieb sie zu Erfindungen, die menschenunwürdige Arbeitsbedingungen ablösten.
Hendrichs sieht jedoch zwei große Gefahren am Wege des Ingenieurs stehen: Den verfehlten Versuch der Selbsterlösung durch die Technik und den Irrglauben an die Allmacht des Wissens. (226)
Die sture Fortsetzung dieses Irrglaubens droht uns heute in den selbst geschaffenen Abgrund der Überarbeitung zu stürzen. Indem wir unser eigenes Wissen und unsere Leistung vergöttern, werden wir zu Sklaven unserer Arbeit. Und die von Gott und seinen Ordnungen (z. B. ein Ruhetag in der Woche) losgelöste Arbeit ist ein grausamer Sklavenhalter:
Laut dem Gallup-Engagement-Index 2010 weisen 21% der 2.000 befragten Arbeitnehmer keine emotionale Bindung an ihr Unternehmen auf. Sie verhalten sich am Arbeitsplatz destruktiv und demotiviert und schwächen somit die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Firma. Die große Mehrheit (66%) weist eine geringe emotionale Bindung auf, leistet quasi nur “Dienst nach Vorschrift”. Der volkswirtschaftliche Schaden daraus wird allein in Deutschland auf rund 120 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. (IPA, 17.02.2011)
Was haben wir mit der Arbeit gemacht?
Wenn das Thema „Burnout“ in den letzten beiden Jahren viermal auf der Titelseite der deutschen Wochenzeitschriften „Spiegel“ und „Focus“ erschien und der Gründungspräsident der Deutschen Gesellschaft für Präventivmedizin, Gerd Schnack den Arbeitsplatz als „größten Vernichter der Arbeitskraft“ bezeichnet, dann haben wir das Ergebnis dieses Irrweges vor unseren Augen. Die Arbeit, die uns unter der Verantwortung vor Gott Segen und Wohlstand brachte, wird mit der Loslösung von Gott zum Götzen, der uns Fluch und Selbstzerstörung bereitet.
Götzendienst war zu allen Zeiten eine folgenschwere Sünde. Durch den Tod Christi am Kreuz ist Sünde aber nicht mehr das Problem. Die entscheidende Frage ist: Beharren wir in unserem Irrtum, oder kehren wir um? Die Chance dieser Umkehr ist das große Angebot des christlichen Evangeliums. Damit öffnet es aus der verfahrensten Lage einen Weg in die Zukunft. Gerade für die Arbeit.
2. Integrität
Nicht nur für erfolgreiches Wirtschaften, sondern auch jegliche andere soziale Form des Zusammenlebens ist Integrität (Wahrhaftigkeit) Voraussetzung. Wie können Partnerschaften, Verträge und Kooperationen funktionieren, wenn auf ein Wort kein Verlass ist? Aufwändige Kontrollmechanismen müssen eingesetzt werden, wenn Wahrhaftigkeit und Zuverlässigkeit fehlen. Und die Kosten dafür mindern das verfügbare Kapital und die Kräfte für Innovation und Investitionen. Unser Steuersystem und die ständig wachsende Staatsbürokratie sind dafür traurige Beispiele. Dennoch ist die Entrüstung in Öffentlichkeit und Medien über Korruption, Steuerhinterziehungen und politischen Betrug in Deutschland ein Anzeichen dafür, dass unsere Kultur von einem Gottesbild geprägt wurde, das Treue und Wahrhaftigkeit als Wesensmerkmal hat. Robert Reinick (1805-1852) hat diesen Wert in ein Gedicht gefasst, das eine Zeitstimmung ausdrückte und darüber hinaus zukunftsweisend für unsere Kultur war („Deutscher Rat“):
Vor allem eins, mein Kind: Sei treu und wahr, lass nie die Lüge deinen Mund entweih’n!
Von alters her im deutschen Volke war – der höchste Ruhm, getreu und wahr zu sein.
Der chinesische Volkswirt und Regierungsberater Prof. Zhao Xiao machte diese Beobachtung auch in den USA bei seinen Untersuchungen, was die Gründe für deren wirtschaftlichen Vorsprung gegenüber China sind. Sein Resumé: In USA gibt es viele Kirchen. Und sie haben einen starken Einfluss auf die Öffentlichkeit und das Arbeitsleben. Obwohl die Amerikaner viel Geld verdienen wollen, und sie mehr verdienen könnten, wenn sie mehr betrügen würden, betrügen sie doch weitaus weniger (als Xiao es von seinen Landsleuten kannte). Der Grund: Sie fühlen sich einem Gott verpflichtet, der die Wahrheit ist und Lüge und Korruption hasst. Als Folge seiner Untersuchung ist Zhao Xiao selber ein Christ geworden und setzt sich in China stark für einen Wertewandel und ein Hinkehr zum Christentum ein. Er fürchtet die schlimmen Folgen, „wenn großer Reichtum in die Hände von bösen Menschen gerät“. (Interview in Cicero 05.2007) Beim Kongress Christlicher Führungskräfte in Leipzig 2007 hatte ich die Gelegenheit zu einem zweistündigen Gespräch mit ihm. Sein Artikel „Marktwirtschaft mit und ohne Kirchen“ ist die unter Fachleuten meistgelesene Wirtschafts-Publikation in China (nur in Chinesisch vorhanden).
3. Vertrauen
Vertrauen ist die Grundlage jeder erfolgreichen, langfristigen Geschäftsbeziehung und Beziehung überhaupt. Gesundes Vertrauen kann aber nur auf gegenseitiger Vertrauenswürdigkeit – Integrität – beruhen. Je weniger Vertrauen in einer Geschäftsbeziehung, desto aufwändiger und kostenintensiver der erforderliche Kontrollapparat. (Buchempfehlung: „The Speed of Trust“, Stephen Covey)
Eine Kultur des Misstrauens ist sehr teuer. Aber Vertrauen braucht eine Basis. Die Verpflichtung gegenüber einem Gott, der die Wahrheit ist und von uns Wahrhaftigkeit fordert. Auch wenn die Kirchen in Deutschland nicht mehr den starken Einfluss auf das öffentliche Leben und das Verhalten der Menschen haben wie in den USA, so sind die Spuren ihrer Werteprägung doch deutlich zu erkennen. Allerdings erleben wir seit den siebziger Jahren eine massive Demontage dieser Werte sowohl in der Wirtschaft als auch im Bildungswesen und in der durch die Medien beeinflussten Öffentlichkeit. Die neomarxistische Bewegung hat viele Institutionen gezielt unterwandert und versucht, christliche Werte und Weltsicht vor allem im Bereich des Vertrauens, der Treue, der Ehe und Familie zu diffamieren und zu zerstören. Aber auch der atheistische Humanismus, der an unseren Universitäten im Kleid der naturalistischen Weltsicht Einzug gehalten hat, hat die christliche Weltsicht erfolgreich aus den Natur- und Sozialwissenschaften verdrängt und zum Tabu erklärt. Die Folgen sind verheerend: Die Sprachregelungen in den verschiedenen Disziplinen offenbaren eine Abwertung des Menschen zum Funktionsträger und zur biochemischen Maschine: „Homo Oeconomicus, Homo Consumens und Humankapital“ in den Wirtschaftswissenschaften; „Patientengut und Krankheitsfall“ in der Medizin, „Statistisches Material und Fallstudie“ in der Soziologie und „durch Zufall entstandener Zellklumpen“ in der Biologie. Die kostbare Errungenschaft der Menschenwürde, die nach den Schrecken der beiden Weltkriege mit großem Ernst in der UN-Charta der Menschenrechte verankert wurde, wird durch die Hintertür eines atheistisch motivierten Utilitarismus wieder hinaus gedrängt.
Das führt uns zu dem vierten wichtigen Wert:
4. Respekt
Respekt ist ein elementarer Wert; er fokussiert unseren Umgang mit anderen Menschen. Wie sehe ich meine Mitarbeiter? Sind sie nur Erfüllungsgehilfen meiner Pläne? Sind Menschen nur Konsumenten und Patientengut, an dem medizinische Experimente gemacht werden, um es möglichst lange funktionsfähig am Leben zu erhalten und daran zu verdienen? Oder sind Menschen kreative Unikate, Ebenbilder des Schöpfers mit unbezahlbarem Wert? Sind Menschen auch dann noch wertvoll, wenn sie nicht mehr funktionieren, alt sind, Hilfe und Pflege brauchen? Was ist „Menschenwürde“? Dieser Begriff entstand nicht in Asien oder Afrika, sondern im christlich geprägten Europa. William Carey, Albert Schweizer und Mutter Theresa gingen aus ihrer von Christus inspirierten Liebe zum Menschen z. T. unter Lebensgefahr in Elendsgebiete anderer Kontinente. Sie schenkten den Kranken und Sterbenden die Würde der Ebenbildlichkeit des Schöpfers. Carey übersetzte die Bibel in mehrere indische Sprachen und kämpfte bis zum Durchbruch für die Abschaffung der hinduistischen Sitte der Witwenverbrennung (Beim vorzeitigen Tod der Ehemänner wurden die lebenden Witwen mit dem Leichnam des Mannes auf dem Scheiterhaufen verbrannt.)
Unser Werteverständnis hat starke Auswirkungen auf unseren Umgang mit Mitmenschen. Teams können nur langfristig erfolgreich geführt werden, wenn die einzelnen Mitglieder in ihrer Besonderheit respektiert und integriert werden. In den Unternehmen der Zukunft wird der Umgang mit den Mitarbeitern darüber entscheiden, ob die besten bei dem Unternehmen bleiben oder sich eine respektvollere Umgangskultur in einem anderen Unternehmen suchen. Langfristig bringen Menschen die besten Leistungen nicht unter Druck und Angst. Diese führen zum „Dienst nach Vorschrift“. Höchstleistung geben Menschen, wenn sie sich in einem inspirierenden Klima geschätzt und gefordert fühlen.
„Wertschöpfung durch Wertschätzung“ hat der Stuttgarter Marketingexperte und Pfarrer Prof. Wilfried Mödinger deshalb als Motto für erfolgreiches Wirtschaften vorgeschlagen.
5. Verantwortung
Wer Wertschätzung und Respekt erfährt, ist leichter bereit, Verantwortung zu übernehmen – Verantwortung zuerst für sich selbst und danach für andere. Verantwortung ist ein Merkmal reifer Menschen; man könnte sagen: des Erwachsenseins. Kinder beschuldigen den Tisch, an dem sie sich gestoßen haben, die Geschwister – immer sind andere schuld, wenn es ihnen schlecht geht. Manche Menschen halten diese Einstellung durch bis zu ihrer Rente; immer sind andere für sie verantwortlich und haben Schuld an ihrem Ergehen: die Eltern, die Schule, die Firma, der Ehepartner, die Regierung, das Wetter, die Wirtschaftskrise… niemals übernehmen sie die Verantwortung für ihr eigenes Leben.
In der deutschen und in anderen Sprachen steckt in dem Wort „Verantwortung“ die Antwort. Antworten kann man nur auf eine Ansprache. Wem antworte ich? Wem bin ich verantwortlich? Unsere jüngere Geschichte mit der Erfahrung des Nationalsozialismus hat uns deutlich gezeigt, dass es gut ist, wenn eine Regierung sich nicht selbst als letzte Instanz betrachtet, sondern über sich Gott und seine Gebote als höhere Autorität anerkennt, und sich ihr verantwortlich macht. Das verhindert Tyrannei und Willkür. Die Väter unserer Verfassung haben deshalb den Passus „in der Verantwortung vor Gott“ in unser Grundgesetz eingefügt. Leider hat die EU diesen Gottesbezug in der Europäischen Verfassung trotz massiver Proteste und Warnungen von Fachleuten gestrichen. Eine starke ideologische Lobby hat verhindert, dass diese Lektion aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts gelernt und für die folgenden Generationen festgehalten wurde.
Verantwortung für andere zu übernehmen ist auch das Merkmal eines von christlichen Werten geprägten Unternehmertums, durch das in Deutschland die Armut besiegt und Wohlstand geschaffen wurde. Auch wenn Einzelne sich vielleicht nicht als Christen bezeichnet hätten, so schöpften sie doch aus dem durch die Reformation verbreiteten Arbeitsethos. Beispielhaft sei hier nur Rudolf Diesel angeführt: Dass ich die Dieselmotoren erfunden habe, ist schön und gut. Aber meine Hauptleistung ist, dass ich die soziale Frage gelöst habe (Rheinischer Merkur im März 2009). Durch seinen Erfindergeist und seine Unternehmensführung konnten neue Fabriken gebaut, Arbeiter beschäftigt und viele Familien ernährt werden. Seine Orientierung und Dynamik bezog dieses Ethos aus einer von der Bibel geprägten Kultur, wie es Lord Ralf Dahrendorf trefflich zusammengefasst hat: Das Klima der protestantischen Ethik ist nur an einer Stelle in der Welt entstanden. Diese Haltung ist nicht nur Kulturmerkmal des Bürgertums,sondern auch Motor der wirtschaftlichen Entwicklung (Lord Ralf Dahrendorf: Vom Sparkapitalismus zum Pumpkapitalismus, Cicero 8/2009). Die unternehmerische Verantwortung beinhaltet aber auch die Fähigkeit, auf kurzfristigen Genuss zu verzichten, um ein langfristiges Ziel zu erreichen. Diese Fähigkeit des gezielten Verzichts, des Sparens für ein Ziel ist eine der wichtigsten Voraussetzungen des wirtschaftlichen Fortschrittes. Sie hat den Aufschwung unseres Landes nach dem Krieg ermöglicht. Auch diesen Wert hat die neomarxistische Bewegung der 68er gezielt boykottiert. Unter dem Vorwand der sexuellen „Befreiung“ trieben sie die frühzeitige Sexualisierung der Kinder bereits im Schulalter voran. Den Verzicht auf sofortige Befriedigung bezeichneten als psychische Verkrüppelung. „Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment“ war ihre Antwort auf den Wert der ehelichen Treue.
Langfristiges Gelingen wird der kurzfristigen Befriedigung geopfert. Die unerwünschten Schwangerschaften, die trotz aller Verhütungsmittel bei dem „befreiten“ Umgang mit der Sexualität entstehen, müssen konsequenterweise medizinisch entsorgt werden.
Das führt uns zum nächsten Wert:
6. Nachhaltigkeit
Nicht erst seit der Ökobewegung ist Nachhaltigkeit ein Wert, der das christliche Abendland prägt. Der gegenwärtige Modetrend Nachhaltigkeit läuft jedoch Gefahr, diesen Wert auf ein extrem verkürztes Spektrum zu reduzieren: gefährdete Tiere und Pflanzen werden geschützt, ungewünschte Kinder jedoch zu 100-tausenden abgetrieben – mit katastrophalen Auswirkungen auf die Bevölkerungsentwicklung und die Psyche der betroffenen Frauen. In seinen öffentlichen Vorträgen weist der Freiburger Rentenexperte Prof. Bernd Raffelhüschen darauf hin, dass wir in den letzten 30 Jahren mehr Kinder durch Abtreibungen getötet haben als wir im gesamten 2. Weltkrieg an Toten zu beklagen hatten. Eine überalterte Gesellschaft und der Zusammenbruch des Renten- und Generationenvertrages sind die unausweichlichen Folgen. Unsere Bevölkerungszahl schrumpft, „Deutschland schafft sich ab“ schreibt der Finanzexperte Thilo Sarrazin.
Auch im Umgang mit Finanzen haben wir die Nachhaltigkeit verlassen und sind mit der ökonomischen Schule von John Maynard Keynes der kurzfristigen Befriedigung verfallen. Keynes empfahl die Staatsverschuldung zur Ankurbelung der Wirtschaft. Als er gefragt wurde, wer die Schuldenberge langfristig abtragen sollte, antwortete er: „Die lange Sicht ist ein schlechter Führer in Bezug auf die laufenden Dinge. Auf lange Sicht sind wir alle tot.“
Das Denken in Generationen prägte dagegen wesentlich die jüdische Kultur, die durch das Alte Testament einen starken Einfluss auf das heutige Europa ausgeübt hat. Ein kluger Mann baut ein Haus für seine Kindeskinder (Sprüche Salomos,13, 22).
Ihr Gott ist ein Gott der Generationen (Abrahams, Isaaks und Jakobs), der langfristige Segensverheißungen in die Zukunft ausspricht, und die Menschen als Haushalter über seine Schöpfung einsetzt. Die jüdischen Regeln für den Umgang mit Arbeit und Land sprechen dafür eine deutliche Sprache: Das Sabbatgebot weist die Arbeit klar in die Schranken: Sie ist kein Selbstzweck, sondern wird begrenzt, damit sie den Menschen nicht auffrisst. Am Sabbat ruhte Gott von seinen Werken. Die Ruhe dient zur Regeneration, erhält langfristig die Arbeitskraft, begrenzt den Einfluss der Arbeit auf das Leben. Der dafür institutionalisierte Tag gibt der Gemeinschaft Raum zur Pflege der Beziehungen und auch der gemeinsamen Werte und Überzeugungen durch den Gottesdienst. Der siebente Tag als Ruhetag wird auch als Sabbatjahr dem Boden gegönnt, damit er sich erholen kann und nicht ausgelaugt wird. Alle 50 Jahre soll dann ein Jubeljahr stattfinden, in dem alle Schulden erlassen, die Knechte freigelassen werden und verpfändetes Eigentum zurück gegeben wird, damit keine Familie auf Dauer den Besitz verliert. Dies wurde zwar nicht oft eingehalten, aber es war vom Gesetz vorgeschrieben. Die Bewahrung und nicht die Ausbeutung der Schöpfung ist ein Leitwert abendländisch-christlicher Kultur.
Nachhaltigkeit in Beziehungen ist der Garant für das Fortbestehen einer Nation. Die Familie bietet dazu einen geschützten Rahmen für das gesunde Persönlichkeitswachstum junger Menschen.
In seinem Vortrag: „Familie als Quelle des Wohlstandes in einer menschenwürdigen Gesellschaft“ prangert der Marburger Volkswirt Prof. Hans-Günter Krüsselberg an, dass in Öffentlichkeit und Politik die Aufarbeitung des fünften Familienberichts verweigert wird. Dessen Botschaft fasst Krüsselberg zusammen: „nur mit der erfolgreichen Humanvermögensbildung in Familie und Schule [wird] eine innovative und effiziente Wirtschaft und darüber hinaus eine dynamische, weltoffene Gesellschaft möglich. Gemeint ist, dass die berufliche Qualifikation der Bevölkerung, ihre sozialen und gesellschaftlichen Kompetenzen, ihr Gesundheitszustand und ihre Leistungsfähigkeit vor allem von der Verlässlichkeit der familiären Zuwendung und Erziehung abhängen. Allein auf deren Grundlage kann eine gute allgemeine und berufliche Bildung aufbauen.“ (Familie wohin?, Hinrichs, Simon, Hahn 2008, S.342).
Die christliche Tradition hat der Treue in der Familie und der Monogamie immer einen zentralen Stellenwert in der Orts- und Volksgemeinschaft eingeräumt, und davon war auch Deutschland während des Wiederaufbaus stark geprägt (vgl. die Bayerische Verfassung, Artikel 124-126). Die traditionelle Ehe und Familie werden vom gegenwärtigen Zeitgeist dagegen als veraltete Institutionen betrachtet.
Die Forschungsarbeiten des Britischen Anthropologen John D. Unwin (Zeitgenosse Sigmund Freuds) brachten zu diesem Thema einige sehr bedeutsame Tatsachen ans Licht. Leider hat die Öffentlichkeit die unbewiesenen Theorien von Sigmund Freud mit offenen Armen begrüßt; die unbequemen Fakten, die Unwin zutage förderte, jedoch von der Bühne gedrängt: Unwin untersuchte zu Beginn des 20. Jh. die Entwicklung von 80 primitiven und 16 zivilisierten Kulturen über einen Zeitraum von 5000 Jahren. Seine Studien enthüllten, dass in allen Fällen der Zusammenbruch der Nationen ein Resultat des Zusammenbruchs der Familieneinheiten in diesen Zivilisationen war. In allen Fällen brachen die Nationen innerhalb eins bis drei Generation nach dem Zerfall der Familienstrukturen zusammen. (John D. Unwin, Sex and Culture, London: Oxford University, 1934, S.411-412; 431-432;
Link zum Originaltext: www.megaupload.com/?d=W1HA6WED; Link zur Zusammenfassung im Bulletin der OJC: www.dijg.de/fileadmin/dijg-uploads/pdf/bulletin_9_2005_unwin.pdf).
Diese Studie bietet empirisches Beweismaterial für die Bedeutung der Familie. Aus seinen Entdeckungen geht klar hervor, dass die Familie mit ihrer monogamen Orientierung und Beschränkung der Sexualität auf die Ehe die Grundlage der nationalen Entwicklung ist. Jede Nation, die eine stabile Grundlage für ihre Entwicklung haben möchte, muss daher in die Familie investieren, weil sie der Kern für Wachstum und Entwicklung ist.
1975 wurde in Deutschland die Pornographie freigegeben. Zum Entsetzen ihrer anfänglichen Befürworter führte die Freigabe bereits nach 15 Jahren zu einem starken Anstieg von klassischem Suchtverhalten, Realitätsverlust und Gewalt in der Sexualität. Alice Schwarzer und mit ihr große Teile der feministischen Bewegung bekämpfen heute das, was sie damals hervorgebracht haben. So schreibt Schwarzer über Mitscherlich, einen der Väter der sexuellen Revolution: „Alexander Mitscherlich hat 1975 in dem Hearing zur Sexualrechtsreform gesagt, er sei für mehr Freiheit, und er hoffe auf den Schock der aufklärenden Selbsthilfe der Bürger gegen den Schund. Ich möchte Alexander Mitscherlich, der nicht mehr lebt, nichts unterstellen, aber ich vermute, er würde zu den Menschen gehören, die heute die Hände über dem Kopf zusammenschlagen über die Entwicklung der letzten 13 Jahre, die die Liberalisierung des Porno-Paragraphen nicht verursacht, aber möglich gemacht hat.“
Auch die damalige Gesundheitsministerin Renate Schmidt, eine der Befürworterinnen der Freigabe, gestand 1990 ihre Fehleinschätzung öffentlich ein. Leider zu spät, denn der Dammbruch war nicht mehr rückgängig zu machen. Heute potenziert sich die Zerstörung von Beziehungen durch die Pornographie im Internet noch um ein Vielfaches. (vgl.: Thomas Schirrmacher, in „Familie wohin?“ S.243-244)
Diese Zersetzung der Familie wurde durch die neomarxistische Bewegung der 68er gezielt eingeleitet. Viele ihrer Anführer kämpfen heute in der Ökobewegung für Nachhaltigkeit im Umgang mit der Umwelt. Von einer Reue über die Zerstörung von Nachhaltigkeit, die sie in der Innenwelt angerichtet haben, ist wenig bis nichts zu hören. Offenbar sitzen sie nach wie vor dem alten kommunistischen Irrtum auf, dass zuerst die Außenwelt verändert werden müsse, ehe die Innenwelt sich ändern kann.
Von vielen Seiten wird heute die Wirtschaftskrise beschworen. Vielleicht haben wir aber nicht eine Wirtschafts-, sondern eine Wertekrise. In Deutschland und Europa erleben wir sogar einen Wertekrieg. Es gibt starke Kräfte, die genau die Werte, die uns volkswirtschaftlich, sozial, kulturell und spirituell stark gemacht haben, zerstören möchten. Dieser Krieg um die nachhaltige Erhaltung unserer Lebensqualität muss geführt werden. Und er ist nur mit geistigen Waffen zu gewinnen, wie der Apostel Paulus sie in seinem Brief an die Epheser beschreibt (Kap.6,11-18). Es ist ein Kampf auf einer anderen Ebene, der Ebene des Geistes, des Charakters, der Werte und des Gebetes und nicht die der physischen Gewalt. In diesem Kampf müssen wir noch aktiver werden, Initiativen entwickeln und Bündnisse schließen.
Dazu brauchen wir den 7. Wert:
7. Mut
Winston Churchill bezeichnete ihn als Voraussetzung aller anderen Tugenden. Er ist die Grundlage aller Innovation, aller Wagnisse, und Schritte ins Ungewisse. Vor allem aber ist er die Voraussetzung einer „konstruktiven Fehlerkultur“, die verstärkt in unserer Wirtschaft als „Erfolgsfaktor“ diskutiert wird. Fehlerkultur bedeutet nicht, dass Lässigkeit in der Arbeit akzeptiert wird. Doch es dürfen Fehler gemacht werden, wenn daraus gelernt wird. Das Konzept von „Fehler – Vergebung – Neubeginn“ ist für uns so selbstverständlich, dass wir kaum über seine Herkunft nachdenken. Mir wurde das bewusst, als ich bei einer Zugfahrt mit einer chinesischen Studentin ins Gespräch kam, die vergleichende Kulturwissenschaft in Deutschland studierte. Nach wenigen Minuten kam sie auf das Thema: „Also, dass die deutschen Kollegen einfach einen Fehler eingestehen können und dafür Vergebung erhalten, so etwas gibt es bei uns nicht!“ brach es förmlich aus ihr hervor. „Das kommt daher, dass vor 2000 Jahren einer in der Nähe von Jerusalem an einem Kreuz für die Sünden der Menschheit gestorben ist und dort sogar seinen Feinden vergeben hat“, erklärte ich ihr. Die christliche Kultur kennt einen Erlöser als Urheber der Vergebung.
Am 7. Dezember 1970 kniete der deutsche Bundeskanzler Willy Brandt vor dem Mahnmahl des Warschauer Ghettos und legte einen Kranz nieder: Sein Eingeständnis der deutschen Schuld am Holocaust. Die Bilder gingen um die Welt und lösten ein starkes Medienecho aus: Der mächtigste deutsche Politiker kniet im Eingeständnis der Schuld seines Volkes vor einem Mahnmahl des betroffenen Nachbarstaates Polen – und er war selbst nicht einmal daran beteiligt gewesen! In den asiatischen Kulturen ein unvorstellbarer Gedanke.
Dort muss vor allem das Gesicht gewahrt werden. Über Wahrheit und Recht bestimmt in der konfuzianischen Tradition Chinas der Höhergestellte. Über Fehler und Versagen von Kaisern schweigt die Geschichtsschreibung. Im krassen Gegensatz dazu finden wir in der Bibel eine schonungslose Darstellung gerade der Fehltritte und Peinlichkeiten der Gründerpersonen und Helden – von Abrahams Verrat an seiner Ehefrau über Davids Ehebruch und Mord bis zur Verleugnung des Gemeindegründers Petrus von Jesus, seinem Herrn. Diese Art der Geschichtsschreibung und des Umgangs mit Fehlern und Versagen ist nur möglich durch einen Gott, der selbst die Wahrheit ist, der Sünden vergibt und die Chance des Neuanfangs schenkt.
Es erfordert jedoch Mut, sich den eigenen Schattenseiten zu stellen. Doch darin steckt ein ungeheueres Potential für Innovation, Freiheit und Kreativität.
Nicht zufällig sucht das kalifornische Erfolgsunternehmen Google vor allem Mitarbeiter, die bereit sind, viele Fehler zu machen, Risiken einzugehen und neue Dinge zu wagen.
Diese Chance der Umkehr von Irrwegen, der Vergebung und des Neubeginns bleibt auch für uns bestehen und gibt Hoffnung trotz vieler destruktiver Entwicklungen, die derzeit Besorgnis erregen.
Dieser Beitrag wurde erstellt am Mittwoch 25. April 2012 um 13:57 und abgelegt unter Gesellschaft / Politik.