Gemeindenetzwerk

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Interview: Lebensrecht wird ausgehebelt

Montag 15. Februar 2010 von Administrator


factum01_2010

Lebensrecht wird ausgehebelt
factum-Interview mit Pastor Dr. Joachim Cochlovius

factum: Was war der Anlass, den Kongress „Verfügungsmasse Mensch?“ zu organisieren? 

Joachim Cochlovius: Wir haben im Gemeindehilfsbund und Gemeindenetzwerk von Juni bis Oktober 2009 eine Unterschriftenaktion zugunsten des Lebensrechts der Ungeborenen durchgeführt. Zur EKD-Synode in Ulm Ende Oktober 09 konnten wir dem Präsidium der Synode rund 20.000 Unterschriften übergeben. Die Aktion forderte die EKD-Leitung auf, bei der evangelischen Schwangerenberatung auf die Ausstellung der sog. Beratungsbescheinigung zu verzichten, weil diese Scheine zur Tötung ungeborener Kinder verwendet werden können und deswegen für einen evangelischen Christen, der sich an das Wort Gottes gebunden weiß, unzumutbar sind. Uns ist klar, dass in weiten Teilen des deutschen Protestantismus das sog. Selbstbestimmungsrecht der Frau vor dem Lebensrecht der Ungeborenen rangiert und dass es noch großer Anstrengungen bedarf, um hier ein Umdenken zu erreichen. Der Kongreß in Bad Gandersheim und die Tagung in Zavelstein sind weitere Schritte in diesem geistigen Kampf. Über die Arbeit des Gemeindehilfsbundes und des Gemeindenetzwerks informieren die websites www.gemeindehilfsbund.de und www.gemeindenetzwerk.de.

factum: Menschliches Leben ist – aus christlicher Sicht – unantastbar. Welche Entwicklung im Umgang der Gesellschaft stellen Sie im Rückblick auf die vergangenen Jahrzehnte fest? Welchen Wandel kann man feststellen?

Joachim Cochlovius: Nicht nur aus christlicher Sicht ist das ungeborene menschliche Leben unantastbar. Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (Art. 1 und 2) wird die Würde jedes einzelnen Menschen und sein Lebensrecht unter den besonderen staatlichen Schutz gestellt. Die Väter des Grundgesetzes wußten, warum sie den Lebensschutz allen anderen Einzelbestimmungen vorangestellt haben, denn sie kamen aus einer ideologieabhängigen Diktatur, die das allgemeine Lebensrecht mit Füßen trat. Wir erleben heute die geistigen Auswirkungen der Kulturrevolution der 60er und 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Der gemeinschaftsorientierte Wertekonsens, der dem Grundgesetz zugrunde liegt, wird zunehmend durch den Individualwert der Selbstbestimmung aufgeweicht und verdrängt und die Priorität des jüdischen-christlichen Menschenbildes wird durch die Ideologie des Wertepluralismus ersetzt. Im Zuge dieser geistigen Prozesse steht das menschliche Leben heute in vielen Bereichen zur Disposition. Im Namen der Selbstbestimmung wird das Lebensrecht der Ungeborenen ausgehebelt und das Lebensende in die Verfügung des Einzelnen gestellt, im Namen des Wertepluralismus wird die Berufung auf das christliche Menschenbild diskreditiert.

factum: Worin sehen Sie die grössten Gefährdungen für die unabdingbare Würde des Menschen und den Schutz menschlichen Lebens?

Joachim Cochlovius: Die von mir eben erwähnten geistigen Umbrüche sind in meinen Augen nicht die eigentlichen Gefahren für die Menschenwürde und den Lebensschutz. Sie sind vielmehr Folgen der allgemeinen Säkularisierung in Mittel- und Westeuropa, auf die sich die Christen einstellen müssen. Die wirkliche Gefährdung geht meines Erachtens vom Schweigen und von der Untätigkeit der Christen selber aus. Rein zahlenmäßig bilden die Christen immer noch die Mehrheit in Europa, in Deutschland sind es immerhin noch über 60 Prozent. Niemals hätten die beiden grossen Kirchen die Gesetzgebung zur Abtreibung und das sog. Schwangerschaftskonfliktgesetz von 1995 akzeptieren dürfen. Sie hätten dem Gesetzgeber klarmachen müssen, dass er keine Gesetze gegen das jüdisch-christliche Menschenbild und gegen den Wertekonsens des Grundgesetzes erlassen darf. Hier sehe ich ein schwerwiegendes Versäumnis. Natürlich gilt das gleiche auch im Blick auf jeden einzelnen Christen, der ja Bürger zweier Welten ist und die innere Entwicklung seines Staatswesens aufmerksam verfolgen soll.

factum: Was können Christen tun, die sich gegen diese „Kultur des Todes“ einsetzen möchten?

Joachim Cochlovius: Sie können dort, wo Gott sie hingestellt hat, ihre Stimme erheben. Sie können in ihrem Wahlverhalten diejenigen bevorzugen, die sich zum Wertekonsens des Grundgesetzes und zum jüdisch-christlichen Menschenbild bekennen. Sie können sich formieren und Lebensschutzinitiativen unterstützen. Sie können ihre gemeindlichen und kirchlichen Vertreter und Leiter daran erinnern, unzweideutig die neutestamentliche Ethik zu bezeugen. Sie können last but not least sich einüben in treue tägliche Fürbitte für die Politiker und Juristen.

factum: Was ist der Grund dafür, dass das menschliche Leben in seinen schwächsten Phasen (als ungeborenes Leben, in Krankheit am Lebensende) gesellschaftlich so unter Druck kommt und gefährdet ist?

Joachim Cochlovius: Unser öffentliches Denkklima ist weitgehend von evolutionistischem und ökonomischen Gedankengut bestimmt. Danach gehört denjenigen Lebewesen die Zukunft, die anpassungsfähig, stark und durchsetzungsfähig sind. Kinder, Kranke und Alte gehören nicht dazu. Ebensowenig gehören sie zu den sog. Leistungsträgern, sie erhöhen das Bruttosozialprodukt nicht und zahlen keine oder nur wenig Steuern. In diesem Zusammenhang fällt mir seit ein paar Jahren auf, daß im Blick auf die sog. Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer nur vom Problem der Betreuung der Kinder gesprochen wird. Ein verräterisches Wort, das den niedrigen Wert des Kindes in der Gesellschaft markiert! Kinder brauchen keine Betreuung, sie brauchen Zuwendung. Im Gegensatz zu diesen Perspektiven haben wir Christen doch eine andere Sicht: Wir wissen, daß Gott seine besondere Hilfe und Zuwendung den Schwachen und Elenden gibt. Das Leben und die Bibel sind voller Beispiele. „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“ (2. Kor. 12,9). Das zu wissen und in Wort und Tat zu vertreten, ist unsere große Verantwortung und Chance zugleich.

Pastor Dr. Joachim Cochlovius ist der erste Vorsitzende des Gemeindehilfsbundes sowie 1. Sprecher des Gemeindenetzwerks. Die Fragen stellte Thomas Lachenmaier. Das Interview erschien in der Ausgabe 1/2010 (www.factum-magazin.ch). Nähere Informationen zum Kongress „Verfügungsmasse Mensch?“ in Bad Gandersheim vom 26.-28.02. und zur Tagung in Bad Teinach am 06.03. erhalten Sie, indem Sie hier anklicken oder in der Geschäftsstelle des Gemeindehilfsbundes, Lerchenweg 3, 29664 Walsrode, Tel.: 05161-911330, E-Mail: info@gemeindehilfsbund.de. Anmeldungen werden auch nach dem 15.02. noch entgegengenommen.

 

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 15. Februar 2010 um 17:36 und abgelegt unter Gesellschaft / Politik, Lebensrecht.