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Erinnerungen eines Reporters an Uwe Holmer

Donnerstag 18. Januar 2024 von Administrator


Uwe Holmer war Mecklenburger. Geboren wurde er am 6. Februar 1929 in Wismar. Im Interview mit NDR 1 – Radio M-V erinnerte er sich an den ersten Abend mit den Honeckers in seinem Haus im Januar 1990: „Ich habe ihm Asyl gegeben und keine Abrechnung mit ihm machen wollen. Dann haben wir uns an den Tisch gesetzt und ich habe zu Herrn Honecker gesagt, bei uns wird zu Tisch gebetet. Ja, sagte er, er kenne das von früher.“ Am nächsten Tag meldete sich die Bildzeitung bei Holmer, will wissen, ob Honecker mitgebetet hätte. Er sagte „Ich pflege meine Gäste beim Beten nicht zu beobachten.“ Doch die Bild-Zeitung zog ihre eigenen Schlüsse: „Die haben dann doch geschrieben: Honecker hat Amen gesagt. Hat er aber nicht.“

Für Uwe Holmer, der damals schon rund sechs Jahre lang die Hoffnungstaler Anstalten Lobetal bei Bernau leitete, war die Entscheidung, die Honeckers aufzunehmen, ein Akt der Vergebung: „Wir haben als Christen nicht denen zu vergeben, die uns liebgehabt haben, sondern denen zu vergeben, die uns schief angesehen und auch geschädigt und auch verfolgt haben“, so der Theologe. „Und hier wollten wir auch damit ein Zeichen setzen, dass Christen meinen,  wir müssen einmal das Trennende und das Schuldhafte beiseite tun und aufeinander zugehen und vergeben.“

Nach seinem Theologiestudium arbeitete Uwe Holmer in den 50er und 60er-Jahren als Pastor in Leussow bei Ludwigslust, eine Arbeit, die ihm sehr am Herzen lag, wie er im Interview berichtete: „Das Schöne am Leben eines Pastors ist, dass er viel mit Menschen zu tun hat. Mit fröhlichen Menschen, wenn Kinder geboren werden und junge Leute heiraten. Und auch mit traurigen Menschen, mit leidenden Menschen, mit kranken Menschen, wo Menschen gestorben sind. Und wenn man die Menschen lieb hat, dann bringt das einen ganz dicht zusammen.“

Die christlichen Kirchen wurden in der DDR massiv bei ihrer Arbeit behindert. Um beispielsweise Konfirmanden von außerhalb bei Rüstzeiten zu betreuen, griff Pastor Uwe Holmer durchaus auch zu ungewöhnlichen Mitteln und umging dabei die obligatorische Anmeldung beim Bürgermeister. Machte dieser, wie damals üblich, am Sonnabend um 12 Uhr Feierabend, reichte Holmer die Anmeldung erst um 14 Uhr ein – und hatte so den Sonnabend und den Sonntag Zeit. Gern gesehen wurde dieses Vorgehen jedoch nicht: „Prompt am Montag war der Bürgermeister da, gleich mit Verstärkung vom Rat des Kreises“, so Holmer. Seine Herangehensweise änderte das jedoch nicht.

Uwe Holmer, der mit seiner bereits 1995 verstorbenen Ehefrau Sigrid zehn Kinder hatte, kehrte im Ruhestand nach Mecklenburg zurück und arbeitete in der Rehaklinik für Suchtkranke in Serrahn bei Krakow am See. Obwohl keines ihrer Kinder in der DDR auf die Oberschule durfte, nahmen Sigrid und Uwe Holmer 1990 das Ehepaar Honecker für rund zehn Wochen bei sich auf: „Wir haben doch immer irgendwie innerlich gelitten unter der Teilung unseres Landes, der Trennung der Familien und der Nicht-Freiheit, der Unfreiheit in unserem Lande, so dass ich aus Freude heraus die Strapazen, die Ungewohntheiten und auch die Mühe der Umstellung auf mich genommen habe, immer in der Freude: Wir dürfen jetzt wieder ein Volk sein und ein Land sein. Und da sind unsere Wünsche sehr erfüllt. Und ich habe auch den Honeckers gegenüber diese Freude durchklingen lassen. Ich bin froh, dass wir wieder ein Volk sind.“ Mehr als drei Jahrzehnte konnte der Theologe die Deutsche Einheit erleben. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Uwe Holmer mit seiner zweiten Ehefrau Christine in Serrahn.

Axel Seitz
NDR 1, Radio Mecklenburg-Vorpommern

Quelle: NDR Kultur 23.9.2023

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 18. Januar 2024 um 16:10 und abgelegt unter Gemeinde, Gesellschaft / Politik, Kirche.