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Weihnachtsbräuche und das Alte Testament

Montag 18. Dezember 2023 von Prof. Dr. Benjamin Kilchör


Prof. Dr. Benjamin Kilchör

Immer wieder hört man, der Weihnachtsbaum sei ein heidnischer Brauch. Auch begegnen uns in Krippenbildern und Weihnachtsgeschichten Elemente, die in den Evangelien gar nicht erwähnt werden, z.B. Ochs und Esel. Doch wenn man sich damit befasst, woher diese Bräuche kommen, erkennt man schnell, dass dahinter mehr Bibel steckt, als man denkt.

Ochs und Esel

Bei keiner Weihnachtskrippe dürfen Ochs und Esel fehlen. Doch weder Ochs noch Esel werden in den Weihnachtsgeschichten bei Matthäus oder Lukas erwähnt. Nur im Alten Testament haben Ochs und Esel etwas mit der Krippe zu tun, nämlich in Jesaja 1,3, wo es heisst: «Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber Israel kennt’s nicht, und mein Volk versteht’s nicht». Nach dem Gesetz des Mose ist der Ochs rein, der Esel unrein. Schon Origenes hat im 3. Jh. über das Stichwort der Krippe Jes 1,3 in Bezug gesetzt zur Weihnachtskrippe. Zusammen stehen Ochs und Esel, Juden und Heiden, an der Krippe. Doch obwohl Israel seinen Herrn kennt, erkennt es ihn in der Krippe nicht wieder. Ochs und Esel sind wegen Jes 1,3 zu Bestandteilen der Weihnachtskrippe geworden. Sie stehen als Symbole dafür, dass in der Krippe der eine Herr liegt, «der gerecht macht die Juden aus dem Glauben und die Heiden durch den Glauben» (Röm 3,30).

Die heiligen drei Könige

Auch dass aus den «Weisen aus dem Morgenland» (Mt 2,1) in der Weihnachtstradition drei Könige wurden, hat alttestamentliche Gründe und zwar, weil die Weisen aus dem Morgenland als Erfüllung von Jesaja 60 gedeutet werden. Das in der Finsternis aufgehende Licht findet Ausdruck im Stern von Bethlehem. Nach Jes 60,3 werden «die Heiden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht». Sie kommen mit vielen Kamelen und bringen Gold und Weihrauch, um des HERRN Lob zu verkündigen (V.6). Auch Psalm 72, der einzige Psalm von Salomo, dem Sohn Davids, spricht von Königen, die Geschenke, bringen und vor dem Sohn Davids niederfallen, der den Armen und Elenden errettet und durch den alle Völker gesegnet werden. So sind die Weisen aus dem Morgenland, die dem Jesuskind Geschenke bringen, via Jes 60 und Ps 72 zu Königen geworden. Die Dreizahl in den Krippenbilder kommt vielleicht durch die drei Geschenke Gold, Weihrauch und Myrrhe zustande, wird aber schon von Beda Venerabilis im 7. Jh. symbolisch auf die drei damals bekannten Kontinente Asien, Afrika und Europa bezogen, so dass die Könige aus allen Weltteilen an die Krippe kommen.

Der Weihnachtsbaum

Es gibt überhaupt keine historischen Belege dafür, dass der Weihnachtsbaum ein heidnischer Brauch ist, obwohl sich das Gerücht hartnäckig hält. Er wurde auf einem ganz anderen Weg zum Bestandteil von Weihnachten: Der 24. Dezember ist schon in alter Tradition der Gedenktag von Adam und Eva. Ab dem Mittelalter entstand der Brauch, dass biblische Geschichten an ihren Feiertagen als Spiele aufgeführt wurden. Für das Paradiesspiel am 24. Dezember brauchte es einen Paradiesbaum, der im Winter grün sein musste: Der Tannenbaum. Er wurde geschmückt, zuerst noch mit Früchten, erst später mit versilberten Glaskugeln, und als Baum des Lebens verziert. Schon im Alten Testament findet der Baum des Lebens eine Abbildung, nämlich in der Menora, dem siebenarmigen Leuchter (Ex 25,31-35, vgl. Offb 2,1+7). Die Verbindung von Adam und Eva zu Weihnachten geht aber tiefer als das blosse Datum: Eva empfängt die Verheissung eines Nachkommens, der der Schlange den Kopf zertreten wird (Gen 3,15) und Maria wird zur neuen Eva, die diesen Nachkommen gebiert. Schon im Weihnachtslied «Lobt Gott, ihr Christen, alle gleich» aus der Reformationszeit (von Nikolaus Hermann um 1550) heisst es in einer Strophe:

Heut schleusst er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis,
der Cherub steht nicht mehr dafür, Gott sei Lob, Ehr’ und Preis.

Wir dürfen also auch dieses Jahr an Weihnachten die schönen Christbäume bestaunen und mehr noch staunen über das Wunder aller Wunder: Dass Gott selber Mensch geworden ist, um uns zurück zum Baum des Lebens zu führen.

 


 

Quelle: STH Perspektive Dezember 2023, S. 7.
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Autors.

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 18. Dezember 2023 um 18:00 und abgelegt unter Allgemein, Kirche.