Ein Frauentreffen in göttlicher Regie
Samstag 16. Dezember 2023 von Prof. Dr. Rolf Hille
„Maria kam in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabeth. Und es begab sich, als Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leibe. Und Elisabeth wurde vom Heiligen Geist erfüllt.“ (Lukas 1,40–41)
Heute darf ich Sie mitnehmen in eine unglaubliche Geschichte. Es sind nur noch wenige Tage bis Weihnachten, aber die haben es in sich. Es geht um eine einmalige Frauengeschichte. Ein Teenager, genauer ein junges Mädchen um die 14 Jahre, ist auf einem mühsamen Weg durch das Bergland von Judäa. Sie möchte einen Weihnachtsbesuch bei ihrer Verwandten Elisabeth machen. Die ist zwar uralt und kinderlos, aber nun hat Maria die Nachricht erhalten, dass sie bereits im 6. Monat schwanger ist. Das elektrisiert die junge Maria, weil sie noch immer rätselt über die Bedeutung der Ankündigung des Engels Gabriel, dass sie nämlich die Mutter des Messias sein soll.
Nach der langen Wanderschaft kommt Maria dann an ihrem Ziel an. Die Strapazen des Weges spürt sie heftig, denn sie ist ebenfalls schwanger. Beherzt tritt sie ein. Elisabeth kommt freudestrahlend auf sie zu. Doch dann lauscht sie und hört in sich hinein. Das Kind in ihrem Leib hat begonnen, lebhaft zu strampeln. Was soll das bedeuten? Sie hört in ihrem Inneren die Stimme des Heiligen Geistes und vernimmt eine unbegreifliche Botschaft über Maria und das Kind, das sie erwartet. Elisabeth kann Maria nur zurufen: „Gepriesen bist du unter den Frauen und gepriesen ist die Frucht deines Leibes!“ Der Heilige Geist hat ihr offenbart, dass Maria den ersehnten Messias Israels unter dem Herzen trägt. Ihr eigenes Kind, das kurz vor der Geburt steht, teilt die Freude über das Wunder, das sich anbahnt. Es strampelt kräftig.
Wir, die wir dieses Wort hören, schauen auf das Geheimnis der Menschwerdung Gottes, das sich durch Jesus Christus ereignet. Maria hat in der frühen Kirche den Ehrentitel „Gottesgebärerin“ erhalten. Aber die Gnade, die ihr zuteilwird, reicht noch weiter. Es geht über das Bekenntnis „geboren von der Jungfrau Maria“ hinaus. Eigentlich müsste es heißen: „empfangen vom Heiligen Geist und ausgetragen in der Jungfrau Maria“. Ja, Jesus ist der von Maria empfangene Sohn Gottes. Die Fortsetzung im Glaubensbekenntnis müsste eigentlich lauten: Das Menschenkind ist Gottes Kind und wir beten es nicht nur mit den Hirten in Bethlehem an, sondern wir preisen es schon vom ersten Augenblick seiner Menschwerdung. Der Messias gehört in einmaliger Weise in die Heilsgeschichte Gottes. Gott wurde nicht nur ein kleiner Säugling, sondern er macht sich unfassbar klein und wird in Maria zum Embryo.
Als ich beim Lesen unseres Bibeltextes über das Geheimnis der Inkarnation nachdachte, ist mir ein ganz neuer Aspekt der Weihnachtsgeschichte aufgegangen. Gott liegt als ein wehrloser Säugling in einem Futtertrog. Welche Herablassung des Schöpfers der Welt geschieht hier! Jesus wurde nicht nur durch den Heiligen Geist in Maria gezeugt, sondern er nimmt Woche für Woche mehr die Gestalt eines Babys an. Jesus hat also wirklich in jeder Hinsicht unser Menschsein geteilt. Von der Zeugung bis zum Kreuz ist er den Weg der Erniedrigung gegangen.
Ich kann angesichts des Frauentreffens zwischen Elisabeth und Maria nicht umhin, die Frage nach dem Lebensrecht und der Würde jedes Menschen zu stellen. Dass Embryonen nicht gewaltsam im Mutterleib getötet werden dürfen, fällt unter das Gebot „Du sollst nicht töten!“. Damit steht jeder Mensch unter dem besonderem Schutz Gottes. Johannes der Täufer erkennt durch ein Wunder, dass in ihm in der Person von Maria der Herr und Heiland der Welt begegnet. Das biblische Zeugnis von der Bewegung des noch ungeborenen Täufers im Leib seiner Mutter Elisabeth ist somit ein wichtiger Teil der Weihnachtsgeschichte.
Wenn Gott in seiner Menschwerdung so tief hinabsteigt, dann sollten wir dieses Wunder preisen mit der Konsequenz, dass jeder in einer Frau heranreifende Mensch unter dem gnädigen Schutz und der Fürsorge des himmlischen Vaters steht. Weil Jesus von der Empfängnis in Maria an wahrer Gott ist, hat niemand das Recht, einen Menschen im Mutterleib zu töten.
Prof. Dr. Rolf Hille, ERF, Wort zum Tag vom 22.12.2022
Mit freundlicher Genehmigung des Verfassers.
Dieser Beitrag wurde erstellt am Samstag 16. Dezember 2023 um 15:56 und abgelegt unter Predigten / Andachten.