Gemeindenetzwerk

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20. Sonntag nach Trinitatis: Zum Wochenspruch Micha 6,8 eine Auslegung von Hans Brandenburg

Sonntag 22. Oktober 2023 von Stefan Felber


„Es ist dir kundgetan, Mensch, was gut ist und was Jahve von dir fordert: nichts als gerecht handeln, die Güte lieben und demütig wandeln vor deinem Gott“ (Micha 6,8).
[Für „gerecht handeln“ steht wörtlich „das Recht tun“; die Lutherbibel liest noch freier: „Gottes Wort halten“.]

Hans Brandenburg schreibt in seinem Kommentar:

Gott blieb nicht stumm. Der Einwand: Ich kann ja nicht wissen, was Gott von mir will, ist meist nicht aufrichtig. Auch nicht bei jenem reichen Jüngling, der Jesus fragte: „Was muß ich tun, daß ich selig werde?“ Denn was die Grundhaltung des Menschen sein soll, um Gottes Wohlgefallen zu finden, das blieb kein Geheimnis. Zumal in Israel. Darum konnte Jesus den reichen Jüngling auf die Zehn Gebote hinweisen.

Auffallend aber bleibt hier die Anrede „Mensch“. Es ist zugleich der Name des ersten Menschen Adam (d. h. Mensch), der hier in der Anrede steht. Wir werden nicht fehlgehen, darin einen Hinweis zu sehen, daß die Antwort Jahves nicht nur dem Volk seines Bundes gilt. Was hier Gott vom Menschen erwartet, das steht noch jenseits der Gesetze vom Sinai. Neutestamentlich gesprochen: Das gilt nicht nur dem Christen. Es wäre gewiß sehr gefährlich, die Antwort Gottes im Sinne der flachen Rede der Straße zu verstehen: Tue recht und scheue niemand! Was hier steht, ist das genaue Gegenteil davon. „Gerecht handeln“ — das ist eben nicht im Sinne einer Alltagsmoral gemeint, die sich’s allzu bequem macht. Gerechtigkeit ist ein göttlicher Maßstab. Das Wort klingt mehr an Jesu Wort aus der Bergpredigt an: „Ihr sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist” (Matth. 5, 48). Gott allein ist die Norm alles dessen, was gerecht ist. Vor ihm beugen wir uns.

„Die Güte lieben.” Es ist hier ein Ausdruck benutzt, der auch mit Gnade übersetzt werden kann. Es ist die Gunst, die Gott uns zu wendet. Sie ist aller Liebe wert. Die Güte lieben ist soviel wie Gott selbst lieben in seiner uns zugewandten Gnade. „Je mehr ich lieb’, je mehr ich find’, daß ich dich lieben sollte“, singt Johannes Heermann, jener leidgeprüfte schlesische Sänger des Dreißigjährigen Krieges. Nur wer diese Gottesgnade von Herzen liebt, wird die „Gerechtigkeit“ erfüllen. Und doch bleibt ein solcher demütig vor seinem Gott. Das ist die Kunst, die uns zutiefst nur der Heilige Geist lehrt, daß wir der Gerechtigkeit Gottes folgen und dennoch kein Verdienst daraus machen. Nur bei den Demütigen ist Gnade (1. Petr. 5, 5).

Ähnlich hatte Gott einst zu Adam gesprochen: Gehorche meinem Wort! Trau meiner Liebe! Unterwirf dich mir! Adam aber öffnete sich der Einflüsterung des Versuchers, sagte Gott das Vertrauen und den Gehorsam auf und wollte sich selbst zum Gott erheben. So wird der Mensch sich selbst zum Maßstab und ist weit entfernt, sich vor Gott zu demütigen. Nun hilft die Erinnerung an das, was eigentlich sein sollte, nicht mehr. Die Norm bleibt zwar bestehen. Das Ziel ist klar. Um es aber zu erreichen, gilt es, den Heilsweg Gottes zu gehen. Weil Israel die Gerechtigkeit nicht tut, nach der Güte Gottes wenig fragt und sich in Vermessenheit überhebt, ist der Heilsweg nicht möglich ohne Gottes Gerichte.

 


 

Aus: Brandenburg, Hans: Kleine Propheten I. Die warnenden Wächterstimmen. Gießen/Basel: Brunnen 1963 (Das lebendige Wort, 9), S. 106–107.

 

 

 

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Sonntag 22. Oktober 2023 um 9:10 und abgelegt unter Allgemein.