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Der Niedergang der Evangelischen Kirche – Ein Rückblick nach fast 40 Jahren Pfarrdienst im Rheinland

Dienstag 5. September 2023 von Pfr. Winfried Krause


Pfr. Winfried Krause

Der Niedergang der Evangelischen Kirche – Ein Rückblick nach fast 40 Jahren Pfarrdienst im Rheinland[1]

1. Problembeschreibung und hermeneutischer Vorblick

Die Evangelischen Kirchen in Deutschland erleben in unserer Generation einen beispiellosen Niedergang. 2021 traten aus der EKD bei ca. 19.725.000 Mitgliedern ca. 280.000 aus (=1,42%), aus der Ev.Kirche im Rheinland bei 2.398.996 Mitgliedern 33.191 (=1,38%).[2] Bei der katholischen Kirche waren es bei 21.645.875 Mitgliedern wegen der vielen Mißbrauchsfälle und ihrer Vertuschung sogar 359.338 (=1,66%). Beide großen Kirchen in Deutschland verloren in diesem Jahr fast 640.000 Mitglieder, was etwa der Größe einer Stadt wie Stuttgart entspricht. Während ihr Bevölkerungsanteil 1950 noch bei über 92% gelegen hatte, ist er mittlerweile unter 50% gesunken.[3] Sieht man von den orthodoxen Kirchen und den vielen kleinen Freikirchen einmal ab, sind die Christen in unserem Land jetzt in der Minderheit. Man kann es einen Austritt des Volkes aus den „Volkskirchen“ nennen. Dabei ist die EKD besonders betroffen, deren Mitgliederzahl von 1950 ca. 41,2 Millionen auf 2021 ca.19,7 Millionen Mitglieder sank – also auf weniger als die Hälfte;  die Zahl der Katholiken blieb dagegen mit ca. 21,6 Millionen (2021) gegenüber ca. 23,2 Millionen (1950) fast konstant.

 

Als Gründe werden nach einer Umfrage von 2018[4] angegeben: 44,2% wegen der Kirchensteuer, 34,4% wegen Unzufriedenheit mit der Institution Kirche und ihrer Amtsträger, 16,4% „glaube nicht (mehr) an Gott“, 2,0% „glaube jetzt an einen anderen Gott/andere Göttin/Götter“, 3% anderes. Außerdem werden schon längere Zeit weniger Kinder getauft als Gemeindeglieder sterben.[5] Eine Umfrage des Kirchenkreises Berlin-Mitte am säkularisiertesten Ort Deutschlands unter Ausgetretenen ergab, daß 61,2% damit „Geld sparen“ wollten, 31,8% „nichts mehr mit dem christlichen Glauben anfangen können“ und 20,9% wegen „kirchlicher Äußerungen zu politischen Fragen“.[6] Nach dem Bertelsmann-Religionsmonitor von 2021 glauben 25% der Bevölkerung „nicht (mehr) an Gott“; von den Kirchenmitgliedern hielten 20% ihren Austritt für „wahrscheinlich“, von den Jüngeren unter ihnen sogar 41%.[7] Gemäß einer Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD von 2018-21 ist etwa 50% der Ausgetretenen „die Kirche „gleichgültig“, weil sie „mit dem Glauben nichts mehr anfangen können“ und „in ihrem Leben keine Religion brauchen“; aus der Kath. Kirche treten nahezu 30% aus, weil sie sich „zu sehr dem Zeitgeist anbiedere“, bei den Protestanten „deutlich mehr“ als 30%.[8] Für die Ev. Kirche, die sich gerne als neuzeitlicher und moderner darstellt, müssen besondere Gründe vorliegen, warum sie in der neuesten Zeit mehr Mitglieder verliert als die Katholische Kirche und die Freikirchen. Sollte die von der liberalen Theologie älterer und neuerer Art geforderte und von den EKD-Kirchen seit 1968 immer forcierter betriebene „Umformung“[9] und Anpassung an die moderne Zeit und Gesellschaft sie so profillos gemacht haben, daß sie gegenüber ähnlichen ideologischen Organisationen und Parteien, die den Fortschrittsglauben auf ihre Fahnen geschrieben haben, überflüssig erscheint? Hat die Ev. Kirche dabei möglicherweise ihr Proprium aufgegeben?

Wie alle Gedanken und Geschichtsschreibung, so sind auch die folgenden Überlegungen durch biographische Beobachtungen und einen persönlichen Standpunkt geprägt. Der Historiker konstruiert und interpretiert spärliche Quellen alter Zeiten und konstruiert mithilfe einfühlender Vermutungen ein sinnvoll erscheinendes Ganzes, oder er wählt aus der Fülle des neuzeitlichen Materials nach subjektiven Gesichtspunkten aus, um eine überzeugende, aber seiner Zeit verhaftete Darstellung des Geschehens zu bieten. So ist auch in der Kirchengeschichte nicht nur zwischen profan-kausalen Abläufen und wunderbar-göttlichen Eingriffen, sondern auch zwischen der objektiven Geschehensvielfalt und der subjektiven Perspektive des jeweiligen Autors zu unterscheiden. „Das Wahre ist das Ganze“[10], aber diese umfassende Erkenntnis „von oben“ hat allein Gott. Die Kirche wird von uns Christen immer persönlich erlebt und so ist nur eine vom jeweiligen Autor nach seiner Sicht verfaßte Kirchenhistorie auf Erden möglich. Anders als in den Naturwissenschaften, deren „Gesetze“ für alle Dinge und Menschen gleichermaßen gelten, ist in den Geisteswissenschaften trotz allen Bemühens um die Wahrheit der individuelle Horizont des Verfassers unübersteigbar, und es gilt wie bei der die Bibel auslegenden Predigt: „Die »subjektivste« Interpretation ist hier die »objektivste«“.[11] Kirchengeschichte ist auch leider nicht nur die „Geschichte der Auslegung der Heiligen Schrift“[12], sondern auch die des Verlustes der Bibel und ihres christlichen Kerns aufgrund der Absolutsetzung von Traditionen, Meinungen, Ideologien, Ämtern und Personen – wie dem Papst oder jedem beliebigen Sektengründer. Dennoch gibt es zu jeder Zeit und wache, bibeltreue Christen, die die Entwicklung – die Erweckung oder den Niedergang – ihrer Kirche wahrnehmen. Falls dies zu einer größeren Darstelung anwächst, wäre dies zugleich eine beachtliche geistliche Besinnung. Sie kann zwar – wie alle Produkte des menschlichen Geistes – nicht mehr oder weniger sein als „ihre Zeit in (theologische) Gedanken erfaßt“.[13] Aber ein solch radikal-geschichtlicher Ansatz[14] ist die einzige Möglichkeit, die heute real existierende Kirche wahrzunehmen und zu ändern, so daß Glaube und Denken praktisch werden.

Im theologischen Kirchenbegriff wird seit langem zwischen zwei konzentrischen Kreisen oder Polen einer Ellipse unterschieden, die der anthropologischen Unterscheidung von Leib und (gläubiger) Seele,[15] innerem und äußerem Menschen[16] entsprechen: der „Gemeinschaft der Heiligen“, vom dreieinigen Gott Auserwählten und der verlorenen Saat, dem Unkraut unter dem Weizen (corpus permixtum),[17] der sichtbaren und der unsichtbaren,[18] der wahren und der falschen Kirche,[19] Kirche als rechtliche Institution bzw. Organisation oder als geistliche Gemeinschaft der Gläubigen[20], Kirche als Gestalt und Ereignis“[21] etc. Diese Unterscheidung ist notwendig, da sichtbare, menschliche Kirchentümer in der Geschichte untergehen können und wie die Kirchen Kleinasiens beim Ende des oströmisch-byzantinischen Reiches und Nordafrikas zur Zeit Augustins untergegangen sind. Die eine, wahre, verborgene, unsichtbare Kirche Jesu Christi aber hat die Verheißung, daß „die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen“ werden (Mt 16,18). Die Frage stellt sich, zu welcher der beiden Kirchen die Ev. Kirche im Rheinland und die EKD, in denen es ja Gottesdienstbesucher und Karteileichen, wahre und falsche, gläubige und ungläubige Christen gibt, heute gehört?

2. Liberalisierung der Kirchenordnung

Für einen substantiellen Überblick eignet sich besonders die Kirchenverfassung, in welcher der fluide Geist des Wortes Gottes eine festere Rechtsgestalt annimmt. Der Zusammenhang von sichtbarer und unsichtbarer Kirche, von Gemeinde und Christ, der besonders bei den Sakramenten sowie den Kasualien besteht, wird hier deutlicher. Vergleicht man die rheinische Kirchenordnung (KO) von 1952 mit der von 2003 und 2022/23, zeigt sich nach 70 Jahren eine gewisse Tendenz, die ich versuche, am Maßstab der Hl.Schrift zu beurteilen:

a) Kirchenmitgliedschaft: Gegenüber Art. 13,1 (1952) hat sich in Art. 12,1 (2022) erstaunlich wenig geändert. Kontinuierlich ist von der Taufe, der Kirchengemeinde vor Ort und ihrem bestimmten evangelischen Bekenntnis als Zugehörigkeitsmerkmalen bis zum Austritt die Rede, wie es dem paulinischen ekklhsia-Begriff[22] und den reformatorischen Bekenntnissen entspricht. Allerdings ist im Laufe der Geschichte der altpreußischen Union das lutherische oder reformierte Bekenntnis durch den mächtigen Gleichschaltungswillen der Konsistorien und die theologischen Kompromißformeln der Leuenberger Konkordie praktisch unerheblich geworden, selbst wenn überzeugte Pfarrer und Superintendenten es beharrlich vertreten und einfordern. Daß gegenüber dem alten Parochialprinzip die Möglichkeit, einer anderen Gemeinde der Ev. Kirche anzugehören, erweitert wurde (vgl. Art. 13,3 von 1952 mit Art. 12,3 von 2022), war persönlichen Gründen besonderer Verbundenheit oder Unversöhnlichkeit geschuldet, die ohne eine wirksame evangelische Buße und Kirchenzucht auf Gemeindeebene bei gestiegener Mobilität nicht anders zu regeln waren. Doch werden Umgemeindungen wohl auch nach der Kirchenordnungsreform 2023 die Ausnahme bleiben.[23]

b) Taufe: Wegen ihrer großen ökumenischen Bedeutung ist auch der Kern der Taufe unangetastet geblieben (vgl. Art. 31 von 1952 mit Art. 76+77 von 2022 und Art. 34+35 von 2023). Bei der Kindertaufe ist allerdings die früher selbstverständlicher folgende christliche Erziehung durch die Eltern und Paten sowie die biblische Unterweisung beim Konfirmandenunterricht der Gemeinde (Art. 33,2+35,1 von 1952) immer schwächer geworden. Entsprechend wurde auch rechtlich weiter gelockert: Der den Modalitäten der Kindertaufe gewidmete Art.79 von 2022 ist 2023 aus der KO in das Lebensordnungsgesetz (LOG § 18) herabgestuft worden. Während 1952 wegen der damals zunehmenden ev.-kath. Mischehen nur ein Elternteil evangelisch sein mußte (Art. 39,1 – außer bei Vollwaisen), wurde durch das neue LOG seit 1996 in § 17,1 die Möglichkeit eröffnet, daß bei zwei ausgetretenen oder anderen Kirchen angehörenden Eltern nur noch ein anderer „evangelischer Christ“ als Pate „für die evangelische Erziehung sorgt“. In der liberalen Gesellschaft autonomer Singles wird auch die Elternschaft wegen Trennungen, Scheidungen, homosexuellen Partnerschaften, Geschlechtsumwandlungen, Adoptionen, künstlichen Befruchtungen, Leihmutterschaften u.a. unklarer. Wenn der Pate oder die Patin nicht mit im Haus wohnt, wird der christliche Einfluß in der Regel so gering bleiben, daß eine Kindertaufe kaum noch verantwortet werden kann.[24]

Von den mindestens zwei vorgeschriebenen Paten mußte 1952 noch wenigstens einer evangelisch sein (Art. 38,3-5); 2022 hieß es der heutigen volkskirchlichen Wirklichkeit entsprechender lediglich: „Nach Möglichkeit sollen an die Seite des Täuflings Patinnen und Paten treten, die einer christlichen Kirche angehören müssen.“ (Art.79,4) Das Patenamt, zu dem statt der Konfirmation auch ein nicht vergleichbares Gleichstellungsverfahren (vgl. Art. 84,4; 86,3+5; LOG § 13,2 von 2008) berechtigt, wird in Zukunft nur noch im LOG (§ 13+18) erwähnt.

Bei dem breiten Traditionsschwund in unserer Kirche und der gewachsenen räumlichen Entfernung zwischen den Generationen stellt sich wieder – wie beim rheinischen Ringen um die Kindertaufe 1968 – die Frage, ob die Taufe von Kleinkindern, die im Neuen Testament als ein das ganze „Haus“ umfassendes Sakrament nur angedeutet wird[25] und dem lutherischen Bekenntnis entspricht,[26] die Volkskirche noch erhält oder nicht besser nur noch die Taufe Religionsmündiger (ab 14 Jahre) angeboten werden sollte, wie es die baptistisch orientierten Freikirchen schon lange praktizieren. 

c) Konfirmation: Das Wesen der biblisch nicht belegten Konfirmation, die eine Art nachgeholter Taufunterricht für Kinder mit rituellem Abschluß in der Jugend auf der Schwelle zum Erwachsenwerden ist, besteht in kirchlicher Unterweisung, Zulassung durch das Presbyterium zu Abendmahl und Patenamt, festlichem Gottesdienst mit Glaubensbekenntnis, Segen und einem Schriftwort auf einer Urkunde als Lebensbegleitung. Wie der Vergleich von Art. 40-46 (1952) mit den entsprechenden Art.81-84 und §§ 19-22 LOG (2022) zeigt, hat die Schwäche der Volkskirche eine Reihe von Änderungen bewirkt, die pädagogisch und theologisch umstritten bleiben. So werden „Bibel, Gesangbuch und Katechismus“ zwar noch erwähnt (Art.82,3), wurden aber 2023 ins LOG § 24,1 verschoben. Das Auswendiglernen von Bibelworten, Katechismusteilen und Gesangbuchversen ist heute schwer durchsetzbar und weitgehend entfallen; eine par cœur gelernte eiserne Ration ist bei späteren Notlagen nicht mehr abrufbar.

Die Unterrichtsdauer, die 1952 noch 2-3 Jahre (Vorkatechumenen, Katechumenen und Konfirmanden) bei 1-2 Wochenstunden betrug (Art. 42), ist heute nicht mehr festgelegt und der Entscheidung des Presbyteriums überlassen. Auch muß der Unterricht nicht mehr nur durch eine Pfarrperson erteilt werden (vgl. Art. 42,1 von 1952 mit LOG § 21). Der Ganztagsunterricht der Schulen legt einen wöchentlichen oder monatlichen Blockunterricht am Freitagnachmittag oder Samstagvormittag nahe. Die wichtige, wenn auch anstrengende Konfirmandenfreizeit könnte vorgeschrieben werden. – Die 1952 (Art.44) vorgeschriebenen Prüfung(en) sind entfallen, die früher geistliche Zulassung zum Abendmahl wurde durch den Ausschluß von der Konfirmation bei erheblicher Regelverletzung (§ 22,2 LOG) moralisiert. Bestenfalls findet vor dem Gottesdienstfest noch eine Konfirmandenstunde im Gemeindegottesdienst statt.

Man mag loben, daß die Verwechslung des Glaubens mit intellektuell Erlerntem geringer geworden ist, das Abendmahl heute wie in der orthodoxen und katholischen Kirche schon für getaufte und vorbereitete Kinder möglich ist (Art. 75,2; LOG §12) und die früher oft moralisierende Kirchenzucht bei der Konfirmationszulassung (Art. 44) entfallen ist. Man kann aber auch beklagen, daß durch weniger Unterricht und das herabgestufte Beten und Erzählen biblischer Geschichten seitens der Eltern[27] der Traditionsabbruch vergrößert wurde, die Konfirmation insgesamt zu einem Event zu verkommen droht und die Hochschätzung der Abendmahlsgnade durch das Beschweigen des Essens und Trinkens „zum Gericht“ (1.Kor 11,27ff.) gesunken ist. Mein Thalfanger Kollege Pfarrer Dr. H.Hilgenfeld bemerkte einmal zurecht: „Das Schicksal der Volkskirche entscheidet sich an der Konfirmation.“ Insofern sind hier in Zukunft nicht weitere Lockerungen und Niveauverluste, sondern Flexibilität und Freundlichkeit im Umgang mit christlicher Klarheit und Kraft in der Sache entsprechend der Unterscheidung von Gesetz und Evangelium angesagt.

d) Abendmahl: Seine formalen Grundlagen sind mit den „Einsetzungsworten“ Jesu Christi über „Brot und Wein“ unverändert geblieben, ebenso daß im unierten Rheinland sein eigentlicher Inhalt, „Leib und Blut“ des HERRN, in der KO nicht erwähnt werden (vgl. Art. 23 von 1952 mit Art. 73+74 von 2022).[28] Die Zulassung ist jedoch nicht mehr an die Konfirmation, sondern an die Taufe mit einer nicht näher präzisierten „Vorbereitung“ für Kinder, Nichtkonfirmierte oder Übergetretene gebunden (vgl. Art. 25 von 1952 mit Art. 75 von 2022). Mitglieder anderer Kirchen – auch ohne erklärte Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft – sind heute ebenfalls eingeladen (Art. 75,3). Statt Wein kann „in Ausnahmefällen“ auch Traubensaft gereicht werden (Art. 74,1);[29] wahrscheinlich ist bald das Saftmahl mit Sauerteigbrot und Einzelkelchen die übliche Form. Der Wegfall der Kirchenzucht beim Abendmahl (Art. 26-30 von 1952) entspricht zwar nicht der altkirchlichen und reformierten Bußpraxis,[30] ist aber unter den Bedingungen einer mobilen Volkskirche und Gesellschaft kaum aufrechtzuerhalten und vielleicht auch als Vorrang des Evangeliums gegenüber gesetzlichen Moralisierungen zu begrüßen.

e) Aufnahme: Während 1952 noch zwischen der Aufnahme übertretender Christen anderer Kirchen und der Wiederaufnahme ausgetretener Evangelischen unterschieden wurde, wobei bei erster eine „evangelische Unterweisung“, bei letzterer eine vorherige Beteiligung am Gottesdienst vorgeschrieben war, und es beidenfalls eines Beschlusses des Presbyteriums bedurfte (Art. 48+50), ist 2022 nurmehr von der „Aufnahme getaufter Religionsmündiger“ die Rede, die die zuständigen PfarrerInnen der Wohnsitzgemeinde oder einer Eintrittsstelle in einem „seelsorgerlichen Gespräch“ oder einer nicht näher beschriebenen „evangelischen Unterweisung“ vollziehen, womit die Aufgenommenen Konfirmierten „gleichgestellt“ sind, worüber der Kirchenvorstand unterrichtet werden kann (Art. 86). Hier ist das möglicherweise moralisierende Presbyterium gegenüber dem klerikalen oder liberalen Pfarrpersonal in seiner Entscheidungskompetenz ausgeschlossen, die Gemeindezugehörigkeit und Gottesdienstbeteiligung gelockert worden und das von Wiedereintretenden zu fordernde und zu prüfende wirkliche Umdenken (Mk 1,15) deutlich in den Hintergrund getreten.[31]

 f) Trauung: Bei der Ehe – nach Luther kein Sakrament, sondern „ein äußerlich leiblich Ding“ und „weltlich Geschäft“ und zugleich ein „geistlicher Stand“ und „göttliches Werk“, das „Gottes Wort“ und „Gebot für sich“ hat,[32] – wurden Theorie und Praxis in der KO oft geändert. Während „das Wesen der christlichen Ehe“ und Hochzeit 1952 noch Bibel und Bekenntnis entsprechend als „gottesdienstliche Handlung, in der dem Brautpaar auf Grund von Gottes Wort bezeugt wird, daß der Ehebund von Gott selbst gestiftet ist…, bis der Tod sie scheidet“,[33] beschrieben wurde, sollen 2022 die „Lebenspartner“ versprechen, „ihr Leben lang in Treue beieinander zu bleiben und sich gegenseitig immer wieder zu vergeben“ (vgl. Art. 51+52 alt mit Art. 87+89 neu). Statt von Mann und Frau ist nun auch von gleichgeschlechtlichen „Eheleuten und Lebenspartnerinnen“ die Rede, die in altehrwürdigen kirchlichen Gebäuden ihre sexuelle Beziehung „in Anpassung… an staatliches Recht“[34] mithilfe von dem Zeitgeist gehorsamen Religionsbeamten mit einem „Gottesdienst“-Event feiern können.[35]

Der Zugang, der früher – wenn die Liebe etwa auf einen Katholiken oder eine Orthodoxe fiel – einem konfirmierten evangelischen Kirchenmitglied mit einem Partner aus einer anderen christlichen Kirche gewährt wurde (Art. 53+54),[36] also geistlich mit Taufe und Glauben verbunden wurde, ist heute neben einer evangelischen Person für jeden beliebigen Andersreligiösen oder Atheisten geöffnet, der nur bereit sein muß, „das christliche Verständnis der Ehe“ des anderen Partners „zu achten“ (Art. 89), ohne ihm zuzustimmen. Was in einem solchen Fall ein „Treue“-Versprechen – ohne Gott und Jesus und den von beiden ausgehenden Geist – in einer christlichen Kirche noch soll, müßte eigentlich auch dem gutgläubigsten Toleranzjünger irgendwann fraglich werden. Die Ehe mit einem überzeugten Muslim widerspricht der christlichen Gleichberechtigung der Frau mit ihrem Mann.[37] Die „Ehe für alle“ ist eben im Kultur- und Religionsvergleich naiv und keineswegs überall dieselbe.

Daß die Ehe nicht mehr „bis in den Tod“ halten soll, sondern die Partner sich nur noch versprechen, „ihr Leben lang in Treue beieinander zu bleiben“ (Art.87), ist an sich gar kein Alleinstellungsmerkmal der Ehe, sondern gilt auch für viele ganz unsexuelle Familienbande und Freundschaften und bedarf keines besonderen Ritus. Eine zweite Trauung nach einer Scheidung, die 1952 nur ausnahmsweise zugestanden wurde, wenn der Pfarrer geprüft hatte, „ob der Geschiedene seine Sünde erkennt, bereut und Gottes Vergebung begehrt und… die Heiligkeit und Unverbrüchlichkeit der Ehe bejaht“, und Presbyterium, Superintendent sowie bei Bedenken die Kirchenleitung zugestimmt hatten, damit nicht „die Glaubwürdigkeit der Verkündigung Schaden nimmt oder ein Ärgernis[38] in der Gemeinde“ entstehe (Art. 55), ist gar kein Thema mehr. Das Aufgebot (Art. 57) wurde wohl als ein Relikt aus der Zeit vor Einführung der Zivilehe (1875) schon 2016 abgeschafft. Auch das „Verweigerungsrecht“ der PfarrerInnen aus biblischen „Gewissengründen“ (Art. 90,3 von 2022; LOG § 34,3) wurde 2023 ins LOG verschoben und kann so einfacher aufgehoben werden können. Nimmt man alles zusammen, so können zwar viele kirchliche Hochzeiten zwischen einem christlichen Mann und einer christlichen Frau weiter Gottes Segen vermitteln, die rheinische KO-Trauung steht jedoch hier in ihrer Religionen und Geschlechter vermischenden Offenheit als beliebige gesellschaftliche Liebesfeier nicht mehr auf biblischem Fundament, sondern unter Gottes Zorn.

g) Beerdigung: Die Bestattung hat sich in der KO im Wesentlichen kaum geändert. Gegenüber Art. 61 von 1952, der von einem Gottesdienst handelte, bei dem „die Kirche das Evangelium verkündigt und ihre verstorbenen Glieder zur letzten Ruhe geleitet“, ist Art. 91 von 2022, wo „die Kirche ihre Toten zur letzten Ruhe geleitet und den gekreuzigten und auferstandenen Herrn Jesus Christus verkündigt“, sogar theologisch etwas präziser. Während früher die Beerdigung im Sarg nach „der Hl.Schrift und dem Brauch“ noch die Regel war, ohne daß die „Feuerbestattung“ wie in der katholischen Kirche abgelehnt worden wäre, findet dieser Unterschied heute, wo die Urnenbeisetzung überwiegt, m.E. zu recht keine Erwähnung mehr.[39] Regelungsbedarf besteht bei der Bestattung ungetaufter Kinder, Familienangehörigen aus anderen Kirchen und Ausgetretener, was 1952 teilweise restriktiver gehandhabt und im Laufe der Jahre zunehmend gelockert wurde (vgl. Art. 64 alt mit Art. 93 neu). Daß die früher moralisierten „Selbstmörder“ (Art. 64,3) heute nicht mehr eigens erwähnt werden und gleichgestellt sind, ist bei aller Problematik ein seelsorgerlicher Gewinn.

 h) Ordination: Während die Rechte des Presbyteriums dank der „presbyterial-synodalen Ordnung bzw. Gemeinschaft“ (Art. 169,4 von 1952; Art. 1a und 126,3 von 2022) weitgehend gewahrt wurden, ist die geistliche Substanz des Predigtamtes durch mehrere KO-Änderungen ziemlich ausgedünnt worden. Wie bei den Staatsbeamten ist unverändert von einem „öffentlich-rechtlichen Dienst (- und Treueverhältnis) auf Lebenszeit“ die Rede (vgl. Art. 73,2 alt mit Art. 54,2 neu). Während die KO von 1952 für den „Dienst am Wort“ der „Pfarrer, Vikarinnen, Predigthelfer u.a.“ noch ein langes und detailliertes Ordinationsgelübde enthielt, das schrift- und bekenntnisgemäß[40] formuliert war (Art. 67), ist 2022 nur noch in Art. 2,3 pauschal von „Ordinierten“ und „Ordination“ mit ihrer gottesdienstlichen Verpflichtung auf die „Heilige Schrift“, die „drei altkirchlichen Glaubensbekenntnisse und die Bekenntnisschriften gemäß dem Grundartikel“ die Rede.[41] Auch wenn die Ordinationsagende dem (noch) entspricht, ist der verfassungsmäßige Verpflichtungsgrad der PfarrerInnen und übrigen PrädikantInnen aufgeweicht und spielt in der Praxis – von Ausnahmen abgesehen – leider kaum mehr eine Rolle. Falsche, der Hl.Schrift widersprechende Lehre von Geistlichen wird von den Kirchenoberen kaum noch wahrgenommen oder gar mit einem „Lehrzuchtverfahren“ (Art.72,3 alt) sanktioniert, vielmehr selbst in ihrem Munde geführt,[42] so daß der Kanzelpluralismus sehr gewachsen und die reine, lautere Lehre mit klarem, biblischen Profil in der Ev. Kirche öffentlich kaum noch erkennbar ist. Die übrigen Unterschiede zwischen 1952 und 2022 – etwa daß die „Seelsorge“, mit der PfarrerInnen über die Evangeliumsverkündigung und Sakramentsverwaltung hinaus beauftragt sind, die „Beichte“ mit dem „persönlichen Sündenbekenntnis“ und den „Hausbesuch“ nicht mehr zu beinhalten scheint (vgl. CA V; Art. 68+69 alt mit Art. 49; 51+52 neu), oder daß die „christliche Unterweisung“ im Konfirmandenunterricht delegiert werden kann (vgl. Art. 68 alt mit Art. 61 neu und LOG § 19-22), oder daß die „brüderliche Gemeinschaft des Presbyteriums“ und „der Amtsbrüder“ in „geschwisterlichen Gemeinschaft des Presbyteriums, der Mitarbeitenden… und der Pfarrerinnen und Pfarrer“ umbenannt wurde (vgl. Art. 72 alt mit Art. 51 neu), – haben demgegenüber weniger Gewicht.

Was nützt aber die Gleichberechtigung der Frauen, die früher nur als „Vikarinnen“ zum geistlichen Amt (ohne Ordination) – „vornehmlich an Frauen, Mädchen und Kindern“ – zugelassen wurden,[43] wenn die Kraft eindeutiger biblischer Verkündigung fehlt und jede/r predigen kann, was sie/er will und wonach den Hörern gerade „die Ohren jucken“ (2.Tim 4,3)? Die betonte Selbstständigkeit der PfarrerInnen von Gemeindewünschen und Konsistoriumsvorschriften (Art. 70 alt; Art. 51,1 neu) ist einserseits eine Freiheitshilfe für akademisch gebildete Theologen, andererseits steigert sie den Amtsindividualismus und Lehrpluralismus, so daß die gemeinsame rechte Lehre der Kirche und das Evangelium von Jesus Christus verloren zu gehen drohen.

Die Gesamttendenz dieser 70 Jahre KO-Wandel ist nicht ganz einfach auf den Begriff zu bringen, weil verschiedene Kräfte auf Veränderungen drangen. Das Kirchenrecht dokumentiert als Schnittstelle zwischen dem Evangelium als Hauptbotschaft der Kirche, lebendigem Gemeindeleben, den verschiedenen kirchenleitenden Ebenen und dem Zeitgeist[44] Tendenzen, die als Säkularisierung, Lockerung, Festschreibung, Wucherung, Systematisierung u.a.m. bezeichnet werden können. In der Epoche nach dem 2.Weltkrieg der seit 1835 bestehenden Ev. Kirche im Rheinland trifft m.E. das Stichwort Liberalisierung die Entwicklung am besten.

3. Israel

Nach 1945 stand die ungeheuerliche Schuld der Nationalsozialisten und ihrer Mitläufer an der Vernichtung des europäischen Judentums in Deutschland immer wieder im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion. Auch in den Kirchen fragte man nach der Mitschuld am millionenfachen Judenmord und versuchte ein neues Verhältnis zum Judentum zu gewinnen.[45] Die Ev.Kirche im Rheinland beschloß 1980 auf ihrer Landessynode – als erste, wie man sich bis heute rühmt – eine „Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden“, die vom Ausschuss „Christen und Juden“ in längeren Thesen vorbereitet worden waren.[46] Darin wurde u.a. eine „christliche Mitverantwortung und Schuld an dem Holocaust“ bekannt, „neue biblische Einsichten über die bleibende heilsgeschichtliche Bedeutung Israels“ behauptet, die „fortdauernde Existenz des jüdischen Volkes, seine Heimkehr in das Land der Verheißung und die Errichtung des Staates Israel“ als „Zeichen der Treue Gottes gegenüber seinem Volk“ interpretiert und von „Jesus Christus, dem Juden, der als Messias Israels der Retter der Welt ist,“ gesprochen. Zur Begründung hieß es: „Wir glauben die bleibende Erwählung des jüdischen Volkes und erkennen, daß die Kirche durch Jesus Christus in den Bund Gottes mit seinem Volk hineingenommen ist.“ Juden und Christen seien „je in ihrer Berufung Zeugen Gottes vor der Welt und voreinander“, weshalb die Begriffe „Mission“ bzw. „Judenmission“ abgelehnt wurden. Die Worte „alt“ und „neu“ sollten „von der Verheißung her“ und nicht als „Gegensatz“ oder gar „Ersetzung“ des alten Bundes durch den neuen verstanden werden. Das Volk Israel sei nicht „von Gott verworfen oder von der Kirche überholt.“ Mit dieser Ergänzungs- oder Inklusionshypothese wurde ein antithetisches Verständnis von altem und neuem Bund kritisiert, das mithilfe der Beerbungs- oder Substitutionstheorie zur Ersetzung des alten Bundes Gottes mit Israel durch den neuen Bund mit der Kirche geführt habe, womit Israel als Volk Gottes abgelöst und so der christlichen Antijudaismus mit den folgenden antisemitischen Verbrechen ausgelöst wurde.

Gegenüber diesem Beschluß, der hauptsächlich auf den rheinisch gut vernetzten Wuppertaler Systematiker B.Klappert sowie den Bonhoeffer-Biograph E.Bethge zurückging, erhob sich breiter wissenschaftlicher Widerstand. Die Bonner Ev.-theol. Fakultät erinnerte 1980 auf Initiative ihres holländischen Alttestamentlers A.H.J.Gunneweg mit 13 ihrer 15 ordentlichen Professoren in kritischen „Erwägungen zur kirchlichen Handreichung zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden“ an zentrale, aber übersehene oder beschwiegene biblische Grundlagen. Diesem Votum schlossen sich 11 Kollegen aus Münster an. Viele evangelische Theologen setzten sich in Aufsätzen mit den rheinischen Positionen gründlich auseinander.[47]

Kritisiert wurde neben dem undifferenzierten Gebrauch des Wortes „Israel“ und dem unklaren Begriff der atl. Verheißungen, die in Jesus Christus überholt und erfüllt sind (2.Kor 1,20), daß der rheinische Beschluß das christliche Proprium, das neue Heilshandeln Gottes im Kommen, Kreuz und Auferstehung seines Sohnes, das Gericht und Gnade für Israel und die Völker bedeute, relativiere. Damit gehe, ausgehend von Jesu der einbrechenden Gottesherrschaft geltenden Worten und Taten und seinem Abendmahl, besonders in der paulinischen Theologie eine scharfe Unterscheidung von Gesetz und Evangelium, altem und neuem Bund (2.Kor 3) einher, welche die Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnade und allein im Glauben impliziere. Das Geheimnis der endzeitlichen Erlösung Israels (Röm 11,25ff.) begründe keinen jüdischen Sonderweg zum Heil ohne den Messias Jesus. Der Versuch, im heutigen Staat Israel ein Zeichen der Treue Gottes zu erkennen, sei eine Barmen I widersprechende, hochproblematische Geschichtstheologie, wie etwa Auschwitz als Zeichen der Verwerfung der Juden u.ä.. Es gebe keine heilsgeschichtliche Kontinuität zwischen Judentum und Christentum ohne den durch das Kreuz Christi markierten Bruch und die daraus folgende theologische Dialektik. Die Fragwürdigkeit des rheinischen Beschlusses und seiner Begründung muß daher hier nicht mehr detailliert dargelegt werden. Durch eine Meditation der einschlägigen Kapitel 9-11 des Römerbriefs kann jeder Christ dies erkennen.

Obwohl Präses Immer den Beschluß auf Nachfrage unseres Bruders Superintendent K.Kenntner von 1980 „kein Bekenntnis“ genannt hatte,[48] ergänzte die rheinische Landessynode 1996 den bekenntnisartigen Grundartikel I ihrer Kirchenordnung um den Satz: Die Kirche „bezeugt die Treue Gottes, der an der Erwählung Israels festhält. Mit Israel hofft sie auf einen neuen Himmel und eine neue Erde.“[49] Der Grundartikel nahm damit die umstrittene Neubestimmung des Verhältnisses zu „Israel“ als neues „Bekenntnis“[50] in den Reigen der altehrwürdigen Bekenntnisse auf. So entstand der Eindruck, daß Christus „nur das Medium sei, durch das die Heiden am Sinaibund Anteil erhalten“, während der Apostel Paulus „gerade beides festhält: die bleibende Erwählung Israels und das Wissen darum, daß es am Glauben an Christus vorbei kein Heil gibt – auch für Israel nicht.“[51]

Die rheinische Kirchenleitung hat 2008 aufgrund einer gemeinsamen Beschlußvorlage des ständigen theologischen Ausschusses und des Ausschusses „Christen und Juden“ diese Position mit einer „Absage an die Judenmission ohne Wenn und Aber“ fortgeschrieben. Der Missionsbefehl Jesu (Mt 28,19) richte sich nicht an Israel, sondern an die „Heiden“; es gäbe im NT „keinen Beleg für eine heidenchristliche Mission an Juden“; die Verheißung eines „Erlösers aus Zion“, der „ganz lsrael“ retten werde (Röm 11,26), schließe „jede Form der heidenchristlichen Judenmission“ aus.[52] Zu diesen das Neue Testament offen gegen seinen Wortlaut und Geist interpretierenden Behauptungen[53] wollte sich die Bonner Fakultät allerdings nicht mehr kritisch äußern.[54]

Andere Landeskirchen und die EKD[55] haben mittlerweile zahlreiche ähnliche Erklärungen abgegeben. Messianische Judenchristen, die für eine Mission unter Juden eintreten, wurden mehrfach vom sonst für alles offenen Ev. Kirchentag ausgeschlossen. Selbst in der katholischen Kirche entstand eine Diskussion um die Karfreitagsbitte für die Juden, daß Gott den „Schleier“ von ihren Augen nehme (2.Kor 3,13ff.) und auch sie „Jesus Christus erkennen“,[56] nachdem Papst Johannes Paul II. 1980 in Mainz von einer „Begegnung zwischen dem Gottesvolk des von Gott nie gekündigten (Röm 11,29) Alten Bundes und dem des Neuen Bundes“ und 1986 beim Besuch in der römischen Synagoge von den Juden als „unseren älteren Brüdern“ gesprochen hatte; „die jüdische Religion ist für uns nicht etwas ,Äußerliches‘, sondern gehört in gewisser Weise zum ,Inneren‘ unserer Religion“.[57] Der Luth. Konvent im Rheinland hat alle diese rheinischen Beschlüsse als der Hl.Schift und dem lutherischen Bekenntnis widersprechend in verschiedenen Eingaben abgelehnt.[58]

Zusammenfassend möchte ich formulieren: So richtig es war, nach den deutschen Verbrechen an den Juden die christliche Mitschuld zu bekennen und gegenüber dem Bruch des alten Bundes durch Israels Sünde die bleibende Erwählung Israels und Treue Gottes in seinen Verheißungen zu betonen, so falsch ist es, die neutestamentliche Unterscheidung von altem und neuem Bund[59] abzuschwächen oder gar aufzuheben und damit das christliche Zentrum, den rettenden Glauben an den gekreuzigten und auferstandenen Jesus, in dem sich Gott für alle Welt abschließend offenbart hat, zu vernachlässigen und implizit zu verleugnen.

Eine Bestimmung des Verhältnisses von Juden und Christen, die mit K.Barth nur von einem Bund Gottes ausgeht,[60] der sich von der Schöpfung über Noah, Abraham, Mose bis zu Jesus Christus entwickelt habe und meint, die Christen seien als Heiden in den Bund Gottes mit Israel nur aufgenommen worden, übersieht die Judenchristen, zu der alle Apostel gehörten, die Juden waren und durch Buße und Bekehrung im durch das Selbstopfer Gottes in ihrem Messias Jesus geschlossenen neuen Bund zu Christen einer neuen Schöpfung wurden. Was die berühmten und bewußten deutschen evangelischen Judenchristen Heinrich Heine (1797-1856) oder Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847) oder die katholische, von den Nazis umgebrachte Jüdin Edith Stein (1891-1942) mit ihrem beeindruckenden christlichen Zeugnis wohl zu dieser neuen, unbiblischen Lehre gesagt hätten? Mein Thalfanger Pfarrer-Vorgänger Milan Haimovici (1973-1977 amtierend), ein gebürtiger rumänischer Jude, der im KZ zum Christen geworden und als Pfarrer von den Kommunisten wieder ins Gefängnis geworfen wurde, ein Freund Pfarrer Richard Wurmbrands, verstand seine Kirche nicht mehr. Über bloße Worte wie „Mission“ (= Sendung) oder „Zeugnis“ (= Verkündigung) sollte man nicht streiten. Aber ein Verzicht auf das Anliegen, Juden für das Evangelium zu gewinnen, löst tendenziell gerade die erstrebte enge Zusammengehörigkeit von Judentum und Christentum auf, die in der neutestamentlichen Rede vom „Volk Gottes“ aus Juden und Heiden „im Geist“[61] gegeben war, das Paulus das wahre „Israel“ Gottes nannte,[62] und führt wieder zu jener kritisierten nachapostolischen, frühkatholischen Heidenkirche, die die Juden – quasirassistisch? – ausschließt, wie diese die Christen aus der Synagoge ausschlossen (Joh 9,22; 12,42; 16,2).

Die rheinische Landessynode wollte nicht auf die Hl.Schrift noch auf die sie zur Geltung bringenden Theologieprofessoren hören. In gutgemeintem Eifer für eine Versöhnung mit den Juden verstieg man sich zu einer seinerseits verstockten (Röm 11,7.25) Verleugnung Jesu Christi. Doch hat das Verlassen des biblischen Fundaments und Verschweigen der alleinigen Heilsmittlerschaft Jesu Christi keine theologische Verheißung. Auffällig war, daß in der ganzen Diskussion die beide Testamente verbindenden Messiasverheißungen keine Rolle spielten. Ich schrieb deshalb in einem Leserbrief: „Es gehört schon eine gehörige Portion Blindheit und Verblendung dazu, wenn die Kirche der Reformation das ,sola scriptura‘ betont und zugleich missionarische Judenchristen von ihren Kirchentagen ausschließt. Was ist das für ein versteckter, gesetzlich korrekter, moralisch verbrämter, verheuchelter Antijudaismus und Antisemitismus, wenn man ausgerechnet den Kindern Israels, aus denen doch der Jude Jesus stammt, sein Evangelium und damit die entscheidende Offenbarung Gottes meint vorenthalten zu müssen? Damit wird kein einziges Naziverbrechen wiedergutgemacht. Die heutige evangelische Kirche verschuldet sich vielmehr an dem Herrn, der von den Toten auferstanden ist, um die Toten aufzuerwecken, auch die Auschwitzopfer (Röm 11,25ff.).“[63]

Für die Zukunft am wichtigsten ist die Betonung und Pflege der Juden und Christen gemeinsamen Hl.Schrift des Alten Testaments bzw. der hebräischen Bibel, die alle Gemeinsamkeiten im Glauben dokumentiert, obwohl die jeweiligen Auslegungen, besonders die Stellung zu Jesus Christus, verschieden bleiben werden.[64] Der atl. Glaube an den einen Gott Israels ist durch die neue Offenbarung Gottes als Vater Jesu Christi zum ntl. Glauben an den dreieinigen Gott geworden, in dem die Rechtfertigung vor Gott allein aus Gnade eindeutig geworden ist. Und wie der eine Gott des AT wegen der Verheißung des Sohnes und des Geistes in christlicher Sicht schon von Ewigkeit her der dreieinige ist, so betet das postchristliche Judentum mit den Muslimen von der ntl. Offenbarung unberührt weiter den einen Gott an. Juden und Christen haben aber gerade wegen des gemeinsamen Teils der Hl.Schrift zwar nicht dengleichen, aber sicher denselben Gott.

 4. Muslime-Mission

Durch die Zunahme der Muslime in Deutschland seit der Anwerbung von Gastarbeitern besonders aus der Türkei 1961 über das Anwerbeverbot 1973 und den Familiennachzug bis zu den  Einreiseerleichterungen des 21.Jahrhunderts auf 2020 ca. 5,5 Millionen[65] stellt sich immer stärker die Frage, wie die Ev. Kirche ihnen gegenüber ihrem Missionsauftrag nachkommt.[66]

Der Lutherische Konvent im Rheinland hat sich schon vor dem 11.September 2001, als der Al-Quaida-Anschlag auf das World-Trade-Center in New York die Weltöffentlichkeit aufschreckte, mit dem Islam in Deutschland beschäftigt. Anläßlich des Streits um den Muezzin-Ruf in Duisburg, gegen den die Ev. Kirchengemeinde Duisburg-Laar kritisch Stellung genommen hatte, hielt Rechtsanwalt H.-H. Steindreischer aus Frankfurt/Main am 1.11.1997 vor dem Konvent einen Vortrag, in dem er die Rechtslage zu Glockengeläut und Gebetsruf, positiver und negativer Religionsfreiheit nach Art.4+140 unseres Grundgesetzes darstellte. Obwohl Landesverordnungen dem lautsprecherverstärkten Muezzinruf bisher eine gewisse Grenze setzen (bis 65 Dezibel), liege hier ein noch ungeklärter Rechtsraum vor. Die Düsseldorfer Kirchenleitung folgte damals dem liberalen Zeitgeist, ohne die Bedenken der betroffenen Gemeinden ernsthaft aufzunehmen.[67] Zwei Jahre später veröffentlichte ich einen Aufsatz über den Islam in Deutschland, in dem ich neben einer Bestandsaufnahme über die wachsende Zahl der Muslime und ihrer Organisationen auf die Probleme der Integration, Grund und Grenzen der Toleranz und den christlichen Missionsauftrag ihnen gegenüber hinwies.[68]

Am 10.3.2002 referierte die Bonner Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher[69] über den „Islam – eine Religion des Friedens oder der Gewalt?“ Von ihrem christlichen Standpunkt aus machte sie deutlich, welche verschiedenen Möglichkeiten im Koran mit seinen mekkanischen und medinischen Suren sowie im Lebensbeispiel Mohammeds bereitliegen. Es ist immer eine Frage der jeweiligen Auswahl und Auslegung, wie friedlich und tolerant oder gewaltbereit und theokratisch der Islam ist. In der anschließenden Diskussion ließ ein Satz der Referentin aufhorchen, der sinngemäß lautete: „Wir Christen haben die Muslime im Orient nicht wirklich missioniert, deshalb hat Gott sie in unser Land gesandt.“ Seit dieser Zeit verfolgt der Vorstand unseres Konvents das Anliegen einer Muslime-Mission in Deutschland.

Auf dem Herbstkonvent 2007 berichtete der finnische Pfarrer Martti Vaahtoranta[70] unter dem Titel „Der Islam – eine theologisch-missionarische Herausforderung in Deutschland“ vom Versuch seiner Kirche, in Mannheim eine lutherische Gemeinde zu gründen. Was in Istanbul gelungen war, stieß in Deutschland auf Widerstände. Von Seiten der großen christlichen Kirchen erfuhr er keine Unterstützung. In seinem Büchlein „Mission der Liebe“[71] hat Vaahtoranta seine Sicht in überzeugender Weise dargestellt.

Der Vorstand beschloß deshalb, sich brieflich an die Kirchenleitung unserer Ev.Kirche im Rheinland zu wenden, wo es u. a. hieß, „daß es nicht reicht, wie bisher nur den offiziellen Dialog mit dem Islam und seinen verschiedenen Organisationen in Deutschland zu pflegen. Auf dem Gebiet der rheinischen Kirche leben mittlerweile ca. 500.000 Muslime. Wir sind ihnen im Rahmen des für alle Menschen gültigen Missionsauftrags das Evangelium von Jesus Christus schuldig. Eine Mission gegenüber Muslimen müßte – genau wie die Verkündigung des Evangeliums an die Juden – sicher in anderer Form erfolgen als die klassische Heidenmission. Es geht nicht um die Abkehr von den vielen ,Abgöttern'(1.Thess 1,9), sondern um eine Verkündigung auf dem Boden eines gemeinsamen monotheistischen Fundaments, des Glaubens an den einen Gott, Schöpfer aller Welt und Richter aller Menschen. Die Frage wäre jedoch, ob ich mit meinen Sünden in seinem Gericht bestehen kann? Ob eine Rechtfertigung aus guten Werken im quantitativen Sinne möglich ist oder ob die Sünde eine qualitative Bestimmung des Menschseins ist, die deshalb der Sühnung durch ein Opfer und der Rechtfertigung allein aus Gnade bedarf. Von hier aus kommt man ganz von selbst zu den umstrittenen Themen des Kreuzestodes Jesu, der Gottheit Christi und der Dreieinigkeit Gottes, die für Muslime sonst nur ganz schwer zugänglich sind. Unsere dringende Anfrage und Anregung wäre deshalb: In welcher Form kann und soll eine über den bisherigen Dialog hinausgehende Mission unter Muslimen erfolgen? Wie kann es zur Gründung einer evangelischen Konvertitengemeinde in türkisch-deutscher Sprache kommen, die das große Werk dann in Angriff nehmen könnte? Wie kann durch uns das Evangelium unter den Muslimen im Rheinland zum Strahlen kommen?“

Dieser Brief vom 22.1.2008 wurde trotz mehrfacher Erinnerung nie beantwortet. Im Kreis der nebenamtlichen Islambeauftragten, dem ich seit 2005 für den Kirchenkreis Trier angehörte, erwies sich das Gespräch über eine über den Dialog hinausgehende Mission als schwierig. Der hauptamtliche Islambeauftragte, Kirchenrat Rafael Nikodemus, griff die ihm heikel erscheinende Anregung nicht auf. Der Konvent verabschiedete deshalb, um einer möglichen Muslime-Mission mehr Nachdruck in der Öffentlichkeit zu verschaffen, am 21.März 2010 die Erklärung Lehret alle Völker – Mission richtet sich an jeden, in der es u.a. hieß:

„Wichtiger ist heute, wo auf dem Gebiet der Ev. Kirche im Rheinland bis zu 1 Million Muslime leben, der Beginn einer Moslemmission, die diesen Namen verdient. Wie die Mission an den Juden an das gemeinsame Alte Testament anknüpfen kann, so kann die Mission an den Muslimen den gemeinsamen Glauben an den einen Gott, den Schöpfer der Welt und Richter aller Menschen aufgreifen. Sie würde sich in dieser Hinsicht inhaltlich von der klassischen Heidenmission und ihrer Forderung der ,Abkehr von den Abgöttern‘ (1.Thess 1,9) unterscheiden. Eine Anregung des Lutherischen Konvents in einem Brief an Präses Schneider vom 22.01.2008, die auf ein lutherisches Missionsprojekt in Mannheim hinwies, blieb bisher ohne Antwort. Offensichtlich wird in der Kirchenleitung die religionspolitische Korrektheit höher geachtet als der Missionsauftrag Jesu Christi, an den immerhin der 2. Satz der Kirchenordnung erinnert.

Im Gegenzug ist die Mission der Muslime unter Christen in Deutschland in vollem Gange. Der rheinische Konvertit Pierre Vogel, der in Saudi-Arabien den Koran und die Sunna studierte, hält jedes Wochenende in einer anderen Stadt Kurse in ,Dawa‘, der ,Einladung zum Islam‘, ab. Im Laufe dieses Jahres möchte er 100 Missionare ausbilden und aussenden. ;Wir haben die Mission, den Islam in jedes Haus in Deutschland zu tragen – aus Barmherzigkeit, um die Nicht-Muslime vor ewigem Leid in der Hölle zu bewahren.‘

In dem Papier ,Missionarisch Volkskirche sein‘ ist jedoch weder von der Juden- noch von der Moslemmission die Rede. Das Schweigen der rheinischen Kirche zur Islammission und ihre Absage an die Judenmission zeigen, daß ihr über das amtliche Drängen auf Mitgliederwerbung und -pflege hinaus offensichtlich die Jesu Auftrag und Geist entsprechende missionarische Kraft fehlt. Man beschränkt sich auf das eigene Kirchentum im eigenen Volk und den harmonischen Dialog mit anderen Religionen, ohne an die tieferliegenden Wahrheiten des Glaubens an Gott und die Erlösungsbedürftigkeit auch des religiösen Menschen zu rühren. Warum schließt man bestimmte Menschengruppen von der guten Botschaft der in Jesus Christus erschienenen Liebe Gottes aus, z.B. Andersgläubige, Migranten und Ausländer, die Türken vor unserer Tür? Ist Jesus Christus nur für die Christen und Menschen unseres Kulturkreises gekommen oder auch für sein Volk, die Juden, und die Muslime, damit wir alle im Glauben an ihn der Gnade im Gericht und des ewigen Lebens gewiß werden?“

Auch diese der Kirchenleitung übermittelte Erklärung blieb ohne Antwort, was ein bezeichnendes Licht auf den defizitären theologischen Geist und menschlichen Umgang in der Kirche unter Präses Nikolaus Schneider wirft. Weil sie aber über Idea weiteren Kreisen bekannt wurde, sah sich der Leiter des Amtes für Gemeindeentwicklung und missionarische Dienste der rheinischen Kirche, Pfarrer Christoph Nötzel, zu einer ablehnenden Stellungnahme veranlaßt; er befürchte, eine „offensive Mission unter Muslimen“ würde „im Moment einen Sprengsatz in der Gesellschaft darstellen.“[72]

Ende April 2010 sandten wir die Erklärung an sämtliche evangelischen Landeskirchen, die Evangelisch-reformierte Kirche und die Evangelische Kirche in Deutschland. Wir informierten über die bisherige rheinische Diskussion bzw. ihre Verweigerung und betonten: „Wir sind demgegenüber der Meinung, daß sich der Missionsbefehl Jesu auf alle Menschen aller Religionen bezieht: ,Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker!‘ (Mt 28,19) Angesichts der wachsenden Zahl der Muslime in Deutschland duldet dieser Auftrag unseres Herrn keinen Aufschub, sondern fordert die Einrichtung einer organisierten Mission seitens der Kirchen. Wir möchten Sie deshalb höflich fragen, ob in Ihrer Kirche Überlegungen in dieser Richtung bestehen oder gar ein erster Versuch einer Moslemmission unternommen wurde?“ Von den 16 angeschriebenen Kirchen beantworteten 11 die Anfrage. Leider war außer bei der Evangelischen Landeskirche Anhalts kaum eine Offenheit für unser missionarisches Anliegen erkennbar.

Bischof M. Schindehütte, Leiter der Hauptabteilung Ökumene und Auslandsarbeit der EKD, wies in seiner Antwort u.a. darauf hin: „Es muss jedoch auch gesehen werden, dass Mission sich in einem anderen gesellschaftlichen und zeitgeschichtlichen Umfeld vollzieht als dies in der Vergangenheit der Fall war. In einer globalen Welt mit fast überall multikulturellen und muItireligiösen Gesellschaften stellen sich auch für den christlichen Missionsauftrag neue Herausforderungen. Sie erwähnen nicht, dass angesichts der ungeheuren Probleme, denen sich unsere Gesellschaft wie die gesamte Menschheit gegenüber sehen, mehr als je zuvor die Zusammenarbeit der Weltreligionen für eine friedvollere und gerechtere Welt unabdingbar ist. Dieser Kontext muss bei der Konkretisierung des christlichen Missionszeugnisses gerade gegenüber anderen Religionen genauso mitgedacht werden wie der Umgang mit einer unheilvollen Geschichte von Konflikten und Spannungen zwischen den Religionen. Die Einrichtung einer gesonderten ,Moslemmission‘ halten wir für einen gänzlich ungeeigneten Schritt. Er könnte Misstrauen schüren und damit das christliche Glaubenszeugnis und dessen Glaubwürdigkeit mehr verdunkeln als dieses fördern.“

Inzwischen hatte Landespfarrer Nikodemus die Islambeauftragten der Kirchenkreise am 14.6. 2010 nach Köln eingeladen. Hauptthema war, in seiner Abwesenheit von Pfr. Dr. Dirk Siedler, Düren, moderiert, „Mission und Dialog in der Begegnung mit den Muslimen“. Die Erklärung „Lehret alle Völker“ war allgemein bekannt und hatte vielleicht die Themenstellung ausgelöst. Ich trug einen möglichen Dreischritt einer Muslime-Mission vor:

1) Missionarische Gemeinden und diakonisches Handeln, aber keine organisierte Mission; dieses Konzept reichte den meisten Islambeauftragten aus.

2) Organisierte Mission durch entsprechend ausgebildete Missionare in deutscher Sprache; hier wurden viele Bedenken vorgebracht.

3) Gründung einer türkischen Konvertitengemeinde in Köln oder Duisburg, um die bestehende Sprachgrenze der Ghettos pfingstlich zu überwinden. Dieser Gedanke war so neu, daß er Erstaunen hervorrief.

Erwähnenswert ist noch ein Pfarrkonvent zum Thema „Mission und Dialog in der Begegnung mit Muslimen“ im Kirchenkreis Trier am 6.12.2010. Pfr. Eberhard Troeger[73], der aus dem Rheinland stammt, im missionarischen Dienst in Ägypten eingesetzt war, später die Evangeliumsgemeinschaft Mittlerer Osten leitete und nun im Ruhestand in Wiehl lebt, warb in seinem Referat mit biblischer Fundierung, aus reicher Erfahrung und mit weltweitem Horizont für die Muslime-Mission. Einige Zitate mögen seine Position verdeutlichen: „Mission gehört zum innersten Wesen der Kirche, weil sie von der Sendung von Jesus Christus lebt. Eine Kirche, die auf Mission verzichten will, verzichtet auf ihren Lebenskern… In hundert Jahren könnte der Islam die Mehrheitsreligion in Deutschland sein. Es wäre ein Wunder Gottes, wenn nur zehn Prozent der Muslime in Deutschland Christen würden… Landeskirchen, die auf Mission verzichten, werden bald marginalisiert sein und irgendwann aussterben.“ Troeger schloß mit einem Wort von Prof.Dr.J. Baur aus der Festschrift für den Trierer Superintendenten und langjährigen Vorsitzenden unseres Konvents, Ernst Volk: „Deshalb schuldet die Christenheit den Muslimen nichts weniger als das ganze Evangelium vom Ende des Herren-Gottes, vom Anfang der neuen Geschichte Gottes, des Gottes mit uns und seiner auf alle zielenden gemeinschaftlichen Liebe.“[74] Der Gegenvortrag von Kirchenrat Nikodemus, der die Türkei aus eigenem Erleben kennt, versuchte die landeskirchliche Zurückhaltung gegenüber einer organisierten Muslime-Mission zu begründen. Oberstes Ziel müsse der gesellschaftliche Friede zwischen den Religionen sein. Anstatt Muslime für die christliche Kirche „abzuwerben“, regte er eine gemeinsame „Mission“ von Juden, Christen und Muslimen für den einen Gott in der Welt an. Auch auf die Nachfrage, wo die gegenwärtige Ev. Kirche im Rheinland den Missionsauftrag Jesu gegenüber den Muslimen praktiziere, wollte Nikodemus nicht über das Glaubenszeugnis im Dialog hinausgehen. Die anschließende lebhafte Diskussion spiegelte die unterschiedlichen Auffassungen der beiden Referenten im Pfarrkonvent wider.

Am 31.1.2011 beschloß der Vorstand dann folgende Antwort an Bischof Schindehütte, wo wir u.a. schrieben: „Unseres Erachtens erfordert jedoch der Islam als nachchristliche Weltreligion mit antichristlichen Zügen ein theologisch sorgfältig reflektiertes besonderes missionarisches Vorgehen. Gerade deshalb kann man den Missionsauftrag Jesu, der sich auf alle Menschen, Völker und Religionen, also auch auf den Islam bezieht, nicht den mehr oder weniger zufälligen Begegnungen von Christen und Muslimen in der Gesellschaft überlassen, sondern sollte ihn als gesamtkirchliche Aufgabe erkennen und in Angriff nehmen. Dies kann natürlich – ebenso wie die Rechristianisierung der Millionen aus den Kirchen Ausgetretenen oder besonders im Osten nicht getauften Deutschen – von der ,Hauptabteilung Ökumene und Auslandsarbeit‘ nicht geleistet werden. Vielmehr wäre zunächst ein missionswissenschaftliches Institut zu gründen, das – entsprechend der früheren Versuche einer ,Inneren Mission‘ – Möglichkeiten und Vorgehensweisen einer Moslemmission in unserer Gesellschaft erforscht. Der Friede zwischen den Religionen und ihre Zusammenarbeit in ethischen und gesellschaftlichen Fragen darf dabei, wie Sie zurecht schreiben, nicht aus den Augen verloren werden. Die Kirche Jesu Christi hat jedoch in erster Linie den ,Frieden mit Gott‘, den wir im Glauben an Jesus Christus empfangen (Röm 5,1), zu verkündigen. Eine freiheitliche Gesellschaft wie die unsere, in der verschiedene politische, religiöse und weltanschauliche Wahrheitsansprüche miteinander ringen, erträgt auch gegenseitige Missionsversuche verschiedener Konfessionen und Religionen, sofern keine gewaltsamen oder das Gewissen des Einzelnen verletzenden Methoden angewandt werden. Wir möchten Sie deshalb bitten, Ihren Satz, ,die Einrichtung einer gesonderten ‚Moslemmission’ halten wir für einen gänzlich ungeeigneten Schritt‘, noch einmal zu überdenken. Die demographische Entwicklung in unserem Land wird in absehbarer Zeit dazu führen, daß die christlichen Kirchen ihren bisherigen Status als Mehrheitsreligion an den Islam verlieren. Dann wird wahrscheinlich auch die bisherige Religionsfreiheit wie in den islamischen Ländern mehr oder weniger eingeschränkt. Gerade wenn uns an unserem Glauben und unserer abendländischen, christlich geprägten Kultur gelegen ist,  sollten wir das uns verbleibende Zeitfenster nutzen und eine Moslemmission beginnen, die diesen Namen verdient.“

Am 25.11.2012 traf ich mich zur Beratung in Thalfang mit Pastor St.Fehr von der Karmelmission, Schorndorf, die in islamischen Ländern mit Schriften, Rundfunk und Missionaren evangelisiert, aber nicht in Deutschland, und am 23.8.2015 auf Rügen mit deren Missionsleiter M.Landmesser. 2013 war unser Vorstand zu Besuch bei Präses Manfred Rekowski in Düsseldorf, ebenso am 2021 per Zoom bei Präses Thorsten Latzel, wobei wir unser Anliegen vortrugen, allerdings ohne große Resonanz. Auf unserem Herbstkonvent 2015 berichtete die Idea-Redakteurin Daniela Städter in Brühl über Muslimtaufen im Rheinland – überwiegend in Freikirchen. Im gleichen Jahr hatte die Arbeitshilfe „Weggemeinschaft und Zeugnis im Dialog mit Muslimen“ der rheinischen Kirche den Missionsauftrag Jesu relativiert, den Dialog favorisiert und behauptet: „Eine strategische Islammission oder eine Begegnung mit Muslimen in Konversionsabsicht bedroht den innergesellschaftlichen Frieden und widerspricht dem Geist und Auftrag Jesu Christi und ist entschieden abzulehnen.“[75] Am 21.6.2016 fand in der kirchlichen Hochschule in Wuppertal eine Tagung über „Das christliche Glaubenszeugnis in der Begegnung mit Muslimen“ statt, die von dem dortigen Missionswissenschaftler Prof.Dr. H.Wrogemann organisiert worden war. Er sowie Prof.Dr. J.Zimmermann, Greifswald und Prof.Dr. U.H.J.Körtner, Wien, referierten vor einem größeren Publikum positiv zu den Aspekten einer kirchlichen Muslime-Mission.[76] Der Luth. Konvent beschloß am 1.11.2017 6 Thesen über „Reformation und Mission“. Dennoch meinte die rheinische Landessynode am 12.1.2018, das Verhältnis zu den Muslimen auf einen „Dialog“, der „nicht auf eine Konversion“ ziele, beschränken zu müssen.[77]

Ob unsere Anregung einer Muslime-Mission von der rheinischen Kirche oder von der EKD einmal aufgegriffen wird? Man kann nur hoffen, daß die bisherige Zurückhaltung, die mit einer unbewußten Angst vor dem latent gewaltbereiten Islam und mangelnder, von aller Angst befreienden (Joh 16,33) Überzeugung von den eigenen christlichen Glaubenswahrheiten zusammenhängen wird,[78] angesichts der wachsenden Zahl und Präsenz der Muslime in Deutschland aufgegeben wird. Eine Neubesinnung auf das biblische Evangelium von Jesus Christus, besonders beim Pfarrerstand, wird auch zu einem klaren missionarischen Zeugnis gegenüber den Muslimen führen. Die beeindruckende Kraft und Besonderheit des Islam als Weltreligion erfordert dabei eine besonders ausgebildete Muslime-Mission in Deutschland. Angesichts der Beharrlichkeit der türkischen oder arabischen Muttersprache bei den muslimischen Migrantenfamilien haben wir die Aufgabe, diese Sprachgrenze im pfingstlichen Geist Jesu Christi (Apg 2,1ff.) zu überschreiten, um das Evangelium auch in der vielsprachigen, multireligiösen europäischen Gesellschaft der Zukunft verständlich zu machen.

Für diese die bisherige Selbstsäkularisierung der Kirche aufhebende Neubesinnung können Martin Luthers Türkenschriften hilfreich sein.[79] Unter den vielen heutigen Büchern über den Islam scheint mir die Monographie des Lutherforschers Siegfried Raeder[80] am meisten an der Theologie Luthers und seiner Unterscheidung von Gesetz und Evangelium orientiert und insofern belastbar und weiterführend zu sein.[81] Pfr.Troeger berichtete von einer ersten türkischen Konvertitengemeinde in Köln-Süd bei den Baptisten. Iranische, Farsi sprechende Konvertitengemeinden, die meist bei deutschen Gemeinden untergebracht sind, gibt es viele.[82] Seit der Flüchtlingskrise 2015 kam es zu vielen Taufen ehemaliger Muslime in ev. Gemeinden; besonders erwähnt seien die SELKD-Gemeinde von Pfr.Dr. G.Martens in Berlin, die ev.-iranische Gemeinde von Pfarrerin M. Mousapour in Frankfurter/Main, die ev.-arabische Gemeinde von Pfr.Dr. H.Josua in Stuttgart, die baptistischen Gemeinden in Düsseldorf und Mülheim/Ruhr und die rußlanddeutsch geprägte Ev. Freikirche Köln-Ostheim.

Die Prognose von Pfr.Troeger scheint realistisch: Während den ca. 5,5 Millionen Muslimen meist türkischer oder arabischer Herkunft in Deutschland ca. 76,5 Millionen Nichtmuslime gegenüberstehen, von denen jedoch nur etwa die Hälfte christlichen Kirchen angehören, wird die demographische Entwicklung bei ca. 5 Kindern pro muslimische Frau in Deutschland und ca. 1,3 Kindern pro nicht muslimischer, deutscher Frau in absehbarer Zeit dazu führen, daß die Zahl der Muslime die der Christen in unserer Gesellschaft übersteigt.[83] Nach meinen Berechnungen wird das irgendwann zwischen 2060 und 2070 der Fall sein. Auch in Nachbarländern wie Frankreich, Niederlande, Belgien, Großbritannien, Österreich, Spanien verläuft die Entwicklung ähnlich, so daß sich der allmähliche Untergang des Jahrhunderte alten „christlichen Abendlandes“ abzeichnet. In Frankreich mit seiner aus der Kolonialzeit hohen Zahl von Muslimen hat der Schriftsteller M.Houellebecq in seinem Roman „Sousmission – Unterwerfung“ (2015) ein nicht unrealistisches Szenario ihrer Machtübernahme gezeichnet. Umgekehrt läßt sich in Geschichte und Gegenwart kein Land nennen, das bei einer muslimischen Mehrheit nicht den Islam mit staatlichen Mitteln gefördert und andere Religionen benachteiligt hätte. Wenn in Europa der Islam Mehrheitsreligion wird, muß mit einem Ende der seit der Aufklärung herrschenden Religionsfreiheit und Toleranz gerechnet werden.

In diesem Zusammenhang sollte neu über die Rolle von Frau und Familie nachgedacht werden. Nicht das Christentum, auch nicht die Gleichberechtigung der Frau, sondern die Verhütungsmittel, die Berufstätigkeit der Frauen, die wenig familienfreundliche Arbeitswelt, das Streben nach Wohlstand, die Instabilität der Ehen und andere Faktoren haben m.E. dazu geführt, daß die europäischen Völker zahlenmäßig abnehmen und die Wirtschaft nach Facharbeiter-Migranten ruft. Diese geschäftlich lukrative Tendenz ließe sich politisch beeinflussen und umkehren, wenn man mehr als bloß monetäre, eben kulturell-religiöse Aspekte berücksichtigt. Aber nicht diese für das Christentum ungünstigen gesellschaftlichen Entwicklungen, sondern der Kern unseres Glaubens und der Auftrag des Herrn nötigen uns zu einer Neubesinnung auf die Mission. Gott hat seinen Sohn in die Welt gesandt, um seine Sünde verzeihende, rechtfertigende Gnade eindeutig und endgültig zu offenbaren; und Jesus hat seine Apostel und die Kirche zu allen Völkern gesandt, um diese das ewige Leben eröffnende Liebe allen Menschen in der Kraft des Hl.Geistes nahezubringen.[84] Diesem umfassenden, auch die Muslime einschließenden Missionsauftrag können wir uns um der Treue zum Evangelium willen – und für den Bestand unserer Ev. Kirche – nicht entziehen. Denn nur eine missionarische Kirche bleibt bestehen; nicht-missionarische werden untergehen.[85]

5. Homo-Trauung

Bei der menschlichen Homosexualität[86] werden meist vier Formen unterschieden:

1) Entwicklungshomosexualität während der Pubertät

2) Pseudohomosexualität in gleichgeschlechtlicher Abgeschlossenheit (Militär, Gefängnis)

3) Hemmungshomosexualität aus Angst vor dem anderen Geschlecht (etwa wegen Mißbrauch)

4) verfestigte, lebenslange Neigungshomosexualität.[87]

Nach seriösen Schätzungen beträgt der Homosexuellenanteil an der erwachsenen Bevölkerung in der westlichen Welt bei Frauen 2%, bei Männern 4%, während der Anteil der Bisexuellen auf bis zu 20% geschätzt wird.[88] Während praktizierte Homosexualität früher nach § 175 StGB mit Sodomie als Straftat verfolgt wurde, sorgte die Strafrechtsreform 1969 in Deutschland für eine Liberalisierung, der 1994 der Wegfall des Straftatbestandes folgte – außer dem Schutz Minderjähriger.[89] Das Reformanliegen wurde auch in der gegenüber der katholischen Weltkirche viel zeitgeistaffineren Evangelischen Kirche in Deutschland virulent, wobei die rheinische Kirche sich rühmt, mit dem „Arbeitspapier Homosexuelle Liebe“ (HL) eine Vorreiterrolle gespielt zu haben.[90] Aufgrund dieses vom Theologischen Ausschuß erstellten Papiers beschloß die Landessynode 1992 einen breiten Diskussionsprozeß in Kirchengemeinden und -kreisen, der auf der Landessynode 1995 zu Beschlüssen führen sollte, also von interessierten Kreisen um den damaligen Vorsitzenden des Theologischen Ausschusses, Superintendent Dr.Rainer Stuhlmann, und die „ökumenische Selbsthilfegruppe Homosexuelle und Kirche (HuK)“ gelenkt wurde. Als dies nicht gleich im gewünschten Sinn gelang, folgte 1996 das Diskussionspapier „Sexualität und Lebensformen“ sowie „Trauung und Segnung“ (SuLTuS), das ebenso an alle Gemeinden verschickt wurde.[91]

Schon das Vorwort des damaligen Präses Peter Beier stellte aus lutherischer Sicht die falschen theologischen Weichen. Die „schwierigen ethischen Fragen“ sollten „nach einem dem Evangelium entsprechenden Weg“[92] beantwortet werden, was auf die im Rheinland verbreitete, barthianische Verwechslung von Gesetz und Evangelium zurückgeht.[93] Im Evangelium, genauer den 4 neutestamentlichen Evangelien, ist denn auch von Homosexualität mit keinem Wort die Rede, wohl aber hat Jesus in seiner Gesetzesauslegung die alttestamentliche, monogam-heterosexuelle Ehe gegenüber der Scheidung als einzigen Ort einer Gottes Willen entsprechenden, schöpfungsgemäßen Sexualität verteidigt. Die Apostel haben diese gesamtbiblisch-einheitliche Sicht in ihren ntl. Schriften übernommen und von anderen sexuellen Praktiken (Luther: „Unzucht“) abgegrenzt.[94] Umgekehrt wird „homosexuelle Liebe“ in der Hl.Schrift selten erwähnt und dann nicht nur als heidnischer Götzendienst oder Verführung und Vergewaltigung Minderjähriger, sondern grundsätzlich verurteilt, weil sie offensichtlich dem Willen des Schöpfers, damit dem Leben zu dienen und neues Leben zu zeugen bzw. zu gebären, widerspricht.[95] Die Behauptung Beiers, „daß eine moralische Verurteilung von homosexuell lebenden und liebenden Menschen dem Geist des Evangeliums nicht entspricht“ und dieses „uns eine andere Sicht ermöglicht“,[96] läßt sich jedenfalls mit dem Neuen Testament nicht begründen. Dort werden Gesetz und Evangelium wie Leben und Glauben sauber unterschieden und nicht abstrakt getrennt oder identifiziert, wenn anders es beim Evangelium nicht um die Rechtfertigung, Umdefinition und Segnung der Sünde, sondern um die Rechtfertigung des Sünders und die an seine Umkehr gebundene Vergebung der Sünde geht. Anstatt die Ev. Kirche zu einem „deutlichen Bußakt“ für die „Demütigungen und (z.T. blutigen) Verfolgungen homosexuell liebender Menschen“ aufzufordern,[97] hätte Jesus die Homosexuellen wie ihre blutigen Verfolger, die Ehebrecher (Joh 8,11), Sodomiten und alle so gerecht erscheinenden Sünder (Mk 2,17) zur Buße gerufen (Mk 1,15) und nicht mit evangelischer „Gnade“ gesegnet, was Gott in seinem Gesetz verbietet.

Ein wichtiger Punkt der unsere Kirche jahrelang beschäftigenden und bindenden Diskussion war die Frage, ob Homosexualität angeboren oder erworben, genetisch oder biographisch bedingt ist. Hier ist selbst die in beiden genannten kirchlichen Papieren – außer im Literaturverzeichnis[98] – nicht näher benannte noch bemühte Wissenschaft mangels belastbarer Fakten uneins.[99] Ich persönlich halte aufgrund eigener Begegnungen und Erfahrungen frühkindliche Fehlprägungen der genetisch-instinktiv nicht ganz festgelegten, sich im zweiten Lebensjahrzehnt entwickelnden menschlichen Sexualität, die erst in der Pubertät bewußt und dominant werden, für ausschlaggebend.[100] Das Argument, daß ein Homogen nicht existieren könne, weil Homosexuelle es nicht an ihre – in der Regel gar nicht vorhandenen – Kinder, die dann zwingend homosexuell würden, vererben, ist m.E. unwiderlegbar.

In den rheinischen Papieren[101] wurde die Bibel einer voreingenommenen und interessegeleiteten Interpretation unterworfen, etwa indem behauptet wurde, das atl. „Verbot homosexuellen Verkehrs“ läge „an außerisraelitischen Einflüssen“, weil die im alten Orient teilweise anerkannte gewaltfreie Homosexualität auch bei einigen religiösen Kulten praktiziert wurde, was im monotheistischen Israel als „Götzendienst“ und „Greuel“ abzulehnen sei.[102] Oder „das strikte Verbot männlicher Homosexualität“ hätte „im Bruch patriarchalischer Ordnung seine Hauptursache – neben der Tabuverletzung des Mißbrauchs von Sperma“. Weil so „ein Mann die Frauenrolle übernehmen muß“, werde „das Macht- und Herrschaftsgefälle, das zwischen Mann und Frau der patriarchalischen Ordnung entspricht, empfindlich gestört“, was eine „Entehrung“ und „Schande“ bedeute.[103] Oder durch ein „differenziertes“ Verständnis der Schöpfungsgeschichte könnten ihre Worte über die Sexualität als „offene Aussagen“ auch „auf die gleichgeschlechtliche Liebe bezogen werden.“[104] Oder die paulinische Veranschaulichung von Gottes Zorn und menschlicher Sünde durch homosexuellen Verkehr (Röm 1,26f.) sei „Folge von bzw. Strafe für Götzendienst“; die naturrechtliche Argumentation des Apostels sei „zeitbedingt“ und „durch naturwissenschaftliche Erkenntnisse ebenso zu relativieren, wie andere Behauptungen der Bibel, z.B. Hasen seien Widerkäuer (5.Mose 14,7).“[105] Oder die Bibel kenne „keine lesbische Liebe“.[106] Oder „die Ausdrucksweise des Apostels“ bleibe „ganz die des Patriarchats.“[107] Oder die These: „Daß ein Mann gleichzeitig mit mehreren Frauen verheiratet ist, wird in der Bibel an keiner Stelle verboten.“[108] Schließlich die Behauptung: „Anlagebedingte Homosexualität, partnerschaftliche homosexuelle Praxis und homosexuelle Liebe nimmt die Bibel nicht wahr.“[109] Durch solche unbiblischen, subtilen Unterscheidungen wurde unter Mißachtung einer jahrhundertelangen ökumenischen Auslegungsgeschichte versucht, das grundsätzliche Verbot homosexueller Akte in beiden Testamenten zu umgehen. Man verstieg sich sogar unter Verweis auf 1.Kor 7,7 zu der Natur und Gnade verwechselnden Wunschthese, Christen könnten „ihre ehelichen (auch sexuellen) Möglichkeiten und Fähigkeiten als die ihnen verliehene Gnadengabe des Herrn erkennen.“[110]

Dann wurde einfach behauptet, „die ethischen Normen der Bibel“ seien „zu widersprüchlich“ oder „wandelbar“ und „das evangelische Verständnis von Ehe und Trauung ungeklärt“,[111] bloß weil man eine neue, Homosexuelle inkludierende Lehre und Kirche mit Homo-Trauung und „Ehe für alle“ durchsetzen wollte. Die schriftgemäße, lutherische Lehre von den „Schöpfungsordnungen“,[112] ja nur die Rede von „göttlicher Stiftung“ oder „Stiftungsworten“,[113] mit denen die Bibel Institutionen wie die Ehe angesichts der unklaren biologischen und vielfältigen kulturellen Lage klärt und begründet, wurden ohne einleuchtende Argumente pauschal abgelehnt. Im Fokus stand die individuell gelebte Sexualität, nicht ihr Zusammenhang mit sozialen Institutionen wie Ehe, Familie, Volk und Staat. Kein Gedanke wurde daran verschwendet, daß die ursprünglich noch nach Gottes Willen hetero-monogame Sexualität durch die Erbsünde[114] verdorben und degeneriert sein könnte, wozu ein Blick in jedes beliebige Rotlichtmilieu genügt hätte. Nicht bedacht wurde ferner, daß es auch wohl kaum einen heterosexuellen Ehebruch gibt, der nicht von beiden Seiten mit „Liebe“ einherginge oder gerechtfertigt würde – ohne eine Vergewaltigung zu sein. Selbst treue eheliche Liebe ändert ja nichts daran, daß die Eheleute ohne den rechtfertigenden Glauben und die Liebe zu Gott Sünder sind. Und lebenslange „Treue“ gibt es auch zwischen Geschwistern, Eltern und Kindern, Freunden und Freundinnen, selbst zwischen Menschen und Tieren sowie unter manchen Tieren, ohne daß dies eine mit Sexualität verbundene Ehe begründen würde noch könnte.[115] Schließlich sollte man nicht nur – psychologisch raffiniert – von homophoben Vorurteilen und Ängsten der heterosexuellen Gesellschaft sprechen,[116] sondern auch von der offensichtlichen heterophoben Angst Homosexueller vor dem nicht einfach gleichen, sondern eben anderen Geschlecht.

Aber ich erspare mir aus Rücksicht auf noch „normal“ oder möglicherweise homoerotisch empfindende Leser eine weitergehende Argumentation in dieser nur eine diffuse gesellschaftliche und kleine kirchliche Randgruppe betreffenden Frage. Es erhob sich breiter Widerstand, der hier nicht im Einzelnen angeführt werden kann.[117] Für viele war hier der status confessionis erreicht. 1993 wurde deshalb in Neuwied der Ev. Aufbruch Mittelrhein (EAM) gegründet. Die Anerkennung eines Minderheitenanliegens und die Anpassung an die Welt wurde so mit einer innerkirchlichen Spaltung erkauft, wenn auch zunächst nur wenige Christen deswegen aus der Ev. Kirche austraten. Obwohl sich nur ca. ein Drittel der Gemeinden an der Diskussion beteiligte[118] und eine Umfrage der Koblenzer Rhein-Zeitung 1993 eine Ablehnung einer kirchlichen Segnung Homosexueller durch 81,3 % ihrer (damals noch weitgehend kirchlichen) Leser ergab,[119] beschloß die Landessynode, ohne ihre Kirchenmitglieder weiter zu befragen,[120] trotz unklarer Lage und „heftigen Auseinandersetzungen“[121] im Jahr 2000 die Segnung und 2016 die Trauung homosexueller Paare.[122] Mittlerweile sind Homosegnungen oder -trauungen in allen Ev. Landeskirchen Deutschlands möglich.[123] 2010 beschloß die EKD-Synode ein neues Pfarrerdienstgesetz, das die „Homo-Ehe“ im Pfarrhaus ermöglichte.[124] 2013 veröffentlichte der Rat der EKD die Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit – Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“, in der – entgegen den früheren Denkschriften – die Homo-Partnerschaft als „gleichwertig“ anerkannt wurde.[125] Auch der Staat änderte – entgegen dem Ehe und Familie schützenden Art. 6,1 GG – im Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG 2001) und im Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts („Ehe für alle“ 2017) seine diesbezügliche Gesetzgebung. Mit diesem mit einer Niederlegung der Ehe verbundenen „Sieg“ im Kulturkampf waren die in der Gesellschaft und der Ev. Kirche dominanten, vom Gedankengut der 68ger-Bewegung erfüllten Kreise zufrieden.

Im Rückblick kann ich als der Bibel verpflichteter evangelischer Theologe nur der Aufgabe der Diskriminierung Homosexueller als besonders schwerer Sünder und dem Verzicht auf ihre strafrechtliche Verfolgung zustimmen. Homosexuelle Praxis ist zwar gesellschaftlich wie jede sexuelle Perversion unter freiwillig handelnden Erwachsenen zu tolerieren, aber in der Kirche als Übertretung von Gottes Gesetz in Lehre und Verkündigung zu verurteilen und ihr seelsorgerlich mit dem Ruf zur Umkehr und dem Angebot des Evangeliums von der Vergebung zu begegnen. Das heißt aber nicht, daß sie in Staat und Kirche akzeptiert oder gar der Ehe gleichgestellt werden sollte. Dadurch wird nur das Leitbild der Ehe beschädigt. Gottes Wort sagt eindeutig, daß homosexueller Verkehr Sünde ist (Lev 18,22; Röm 1,26f.) und – besonders bei Päderastie mit Minderjährigen – vom Reich Gottes ausschließt (1.Kor 6,9f.; 1.Tim 1,10). Deshalb ist für homosexuelle Christen nur die Enthaltsamkeit im Glauben an Gottes Gnade und in der Kraft des Hl.Geistes der biblisch gewiesene Weg, während ein Buße und Umkehr verweigernder, in Sünden verharrender „Glaube“ unter Gottes Zorn bleibt (Joh 3,19f.36; 9,39ff.; Röm 2,5; Hebr 13,4).

Homotrauungen sind zwar nicht direkt eine „Bedrohung der Ehe“.[126] Aber diese „Öffnung“ hat das evangelische Zeugnis für die Ehe von Mann und Frau als Ort Gottes Schöpferwillen entsprechender Sexualität verdunkelt und vernebelt.[127] Während die Ev. Kirche seitdem nur wenige Homotrauungen verzeichnete, ging die Zahl der heterosexuellen Trauungen deutlich zurück.[128] Die Homo-Lobby hat es geschafft, in der rheinischen Kirche und den ihr weitgehend folgenden Kirchen der EKD die biblische, bald 2000 Jahre in der Kirche geltende Ablehnung von homosexuellen Verbindungen in ihre Anerkennung, „Segnung“ und „Trauung“ zu verwandeln und die lebenslange Ehe zwischen einem Mann und einer Frau als Grundlage von Familie und Gesellschaft zu relativieren. Nicht das biblische, ewige Wort Gottes, sondern die sexuelle Selbstbestimmung und zeitgeistgemäße, gesellschaftlich wandelbare Moralvorstellungen geben den Ton an. Anders als die Kath. Kirche[129] hat die Ev. Kirche hier heute das Fundament der Hl.Schrift[130] und ihrer Bekenntnisschriften[131] verlassen, sich dem weltlichen Mainstream angepaßt[132] und ihre die Gesellschaft auf Gott und die Wahrheit ausrichtende und orientierende Funktion verloren. So sammelt sich nicht nur Gottes Zorn (Esr 8,22; Röm 1,18ff.; Eph 5,5f.; Kol 3,5f.) über unserem Land und der zunehmend entchristlichten westlichen Welt, sondern „die Zeit ist da, daß das Gericht anfängt am Hause Gottes.“ (1.Petr 4,17)

6. Kirchenleiter als Glaubensleugner

Um die kirchliche Karriereleiter bis ganz oben zu besteigen, muß man nicht nur einen großen Willen zur Macht[133] haben, sondern auch ein die jeweiligen Wahlsynoden beeindruckendes, neues und anhaltendes Profil zeigen. Dies muß nicht, aber kann zur Leugnung grundlegender Glaubensartikel führen, wie die folgende chronique scandaleuse ev. KirchenleiterInnen zeigt.

Der Hamburger Propst und spätere Leiter des Kirchenamts der VELKD sowie Vizepräsident des EKD-Kirchenamts Horst Gorski bemerkte 2006 in einer Karfreitagspredigt: „Der Tod Jesu war nicht notwendig, damit Gott sich mit uns versöhnt und uns vergibt. Die Behauptung einer solchen Notwendigkeit ist eines der größten Mißverständnisse der christlichen Geschichte. Den Tod Jesu hat auch Gott nicht gemacht, sondern Menschen haben ihn herbeigeführt. Wir sind frei, andere Wege der Deutung des Todes Jesu zu gehen.“[134]

Der rheinische Präses und spätere EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider äußerte 2009 seine Zweifel angesichts des Kreuzestodes. Jesus sei „nicht im Sinne einer stellvertretenden Übernahme von Strafe“ für die Menschen gestorben. „Gott braucht kein Sühneopfer. Denn es muss ja nicht sein Zorn durch unschuldiges Leiden besänftigt werden.“[135]

Die hannoversche Bischöfin, EKD-Ratsvorsitzende und Lutherbotschafterin für das Reformationsjubiläum 2017 Margot Käßmann leugnete 2013 die Jungfrauengeburt Jesu Christi. Daß Maria „im medizinischen Sinne Jungfrau war, das glaube ich nicht. Ich denke, dass Josef im biologischen Sinne der Vater Jesu war.“[136]

Der Bischof der Nordkirche Gerhard Ulrich leugnete 2016 in seiner „Osterbotschaft“ die leibliche Auferstehung Christi: „Jesus, der Gottesmann und Meister, ist tot. Sein Leib wird verwesen wie jeder Menschenleib. Aber das, was an ihm göttlich war, seine Sache, seine Leidenschaft und sein Einsatz für das wahre Leben, das ist mitnichten tot. Es lebt, wenn die Nachfolger es wollen. Daran erinnern sie sich jetzt. Und nehmen es – aus Jesu Händen – jetzt in ihre eigenen Hände. Durch sie und mit ihnen wird es leben.“[137]

Der hannoversche Bischof Ralf Meister und Diakoniepräsident Ulrich Lilje relativierten 2020/21 im Rahmen der Diskussion um den assistierten Suizid das 5.Gebot „Du sollst nicht töten“ und konnten sich unter bestimmten Bedingungen eine „Hilfe“ zum Selbstmord vorstellen, woraufhin der Luth. Konvent i.Rh. sie – ohne Erfolg – zum Rücktritt aufforderte.[138]

Und der berlin-brandenburgische Bischof Christian Stäblein äußerte sich am 30.5.2020 in einer von rbb übertragenen Pfingstandacht zum restaurierten Kreuz auf der Kuppel des früheren Hohenzollernschlosses, dem heutigen Humboldt-Forum in Berlin, welche die biblische Umschrift trägt: „Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind“, mit folgenden Worten: „Ein Wiedererscheinen der unrühmlichen Verbindung von Thron und Altar. Gewaltig problematisch. Intolerante Exklusivansprüche sind – auch als historische Zitate – gefährlich und brauchen Gegenbilder… Dominanz und Herrschaft, die ausgrenzt und erniedrigt.“[139] Die Auswahl ließe sich leicht vermehren. Die Profilierungssucht ihrer KirchenleiterInnen hat zum Profilverlust der Ev. Kirche mit beigetragen.

7. Resumé und Ausblick[140]

Angesichts des dramatischen Mitgliederschwunds (vgl. Ps 12) schrieb ich deshalb im Juli 2019 an Präses Rekowski im Rheinland und Kirchenpräsident Schad in der Pfalz u.a.: „Natürlich kann man die Gründe nicht nur in kirchlichem Fehlverhalten suchen. Für die Sünde, Gleichgültigkeit und Gottlosigkeit der Menschen, die nicht nach dem Evangelium fragen und das Wort Gottes als unnötige Störung ihres Lebens empfinden, sind diese selbst verantwortlich. Aber man hat schon den Eindruck, daß in unserem von Wohlstand und Frieden gezeichneten Land ,das Gericht am Hause Gottes anfängt‘ (1.Petr 4,17). Wäre es nicht an der Zeit, daß die Ev. Kirche ihr ganzes Tun auf den Prüfstand stellt und in einem breit angelegten Diskussionsprozeß in Gemeinden, Presbyterien und Synoden ernsthaft nach den Ursachen sucht? Kirchenamtliche Papiere von oben[141] können dabei allenfalls das Gespräch anstoßen, aber nicht deren Ergebnisse vorwegnehmen. Jesu Wort ,Tut Buße!‘ (Mk 1,15) zielt ja auch auf die Christen und Kirchenoberen und stand vor 500 Jahren am Anfang der Reformation. Christen, Presbyterinnen, Pfarrer sind ja nicht nur unmündige Befehlsempfänger der Kirchenleitungen, die es oft nicht einmal für nötig halten, Briefe engagierter Gemeindemitglieder zu beantworten. Vielleicht gibt es auch noch Theologieprofessoren und theologische Fakultäten, die der Kirche einen wissenschaftlich fundierten geistlichen Rat geben könnten?

Als rheinischer Pfarrer und Vorsitzender des Lutherischen Konvents im Rheinland möchte ich zu bedenken geben, daß die Interesselosigkeit, auf die kirchliche Worte in der Öffentlichkeit zunehmend stoßen, nicht nur mit der verbreiteten moralisierenden Politisierung des Evangeliums[142] zusammenhängt, die Christi Unterscheidung des kommenden Reiches Gottes von der vergehenden Menschenwelt eklatant widerspricht. Sondern auch mit dem Verlust des biblisch-theologischen Profils und der reformatorischen Klarheit, Tiefe und Radikalität der Botschaft von Gottes Gesetz und Evangelium. Eine Kirche, die Gottes Gebote nicht mehr ernst nimmt, die es nicht mehr wagt, den Menschen zu sagen, daß sie selbstgerechte Sünder und ohne den rettenden Glauben an den Herrn ewig verloren sind, die bezweifelt, daß Jesus Gottes alleiniger Sohn und entscheidende Offenbarung ist, die sein Kreuz und seine Auferstehung bis zur Unkenntlichkeit entleert, hat sich weit von ihrem Ursprung entfernt. Wenn sie vom linksgrünen Paradies auf Erden schwärmt, aber auf Mission und Bekehrung Andersgläubiger vornehm-feige verzichtet, wenn sie das Wort Gottes nur noch zeitgeistgemäß, niederschwellig und weichgespült weitergibt, um nur ja keinen evangelischen Anstoß zu erregen, hat sie offenbar den Glauben an die Wahrheit der Bibel und die Wirksamkeit des Hl.Geistes verloren. Sie gleicht dem ,Salz‘, das ,unnütz‘ geworden ist, ,weggeschüttet und von den Leuten zertreten wird‘ (Mt 5,13). Von der römisch-katholischen Kirche und den evangelischen Freikirchen kann man dies nicht so einfach behaupten. Wenn sich die evangelische Kirche von der Bibel verabschiedet und der Worte Gottes schämt, wird sie von Jesus Christus sich selbst überlassen, orientierungslos und ,von allen guten Geistern verlassen‘. Es ist Zeit, daß unsere Kirchenleitungen endlich diese ,Zeichen der Zeit‘ (Mt 16,3) erkennen, umkehren von eingefahrenen, falschen Wegen und entschlossen handeln!“[143]

Neben dem großen Prozeß der neuzeitlichen „Entzauberung der Welt“[144] und Säkularisierung,[145] der durch Renaissance und Reformation ausgelöst zunächst zur Bekenntnisfreiheit des einzelnen Christen und konfessionellen Vielfalt der Kirchen führte, dann seit der Aufklärung Europa und den christlichen Kulturkreis breit erfaßt hat, so daß es von vereinzelter Kirchenkritik Intellektueller über die Vernachlässigung der entwurzelten und verarmten Industriearbeiterschaft, die in den Bannkreis des Marxismus geriet, zur mehrheitlichen Abwendung der heute wohlstandsverwöhnten Massen vom Christentum kam, wird seit einiger Zeit – neben der amerikanischen Zersplitterung des Protestantismus in viele Denominationen und Sekten – auch die Selbstsäkularisierung[146] der ev. Landeskirchen in Deutschland als Ursache ihres Niedergangs genannt. Sie wird noch verstärkt durch die weder biblisch noch reformatorisch noch wirklich demokratisch zu nennende Weise, über die Wahrheit der Kirche zu befinden. Während die Reformation die geoffenbarte, dogmatische und ethische Lehre der Kirche den bibelkundigeren Professoren und die in besonderen Herausforderungen notwendigen Bekenntnisse Konzilien und Synoden anvertraute, ist man im Bereich der EKD im 20.Jahrhundert dazu übergegangen, auch ihre Leitwahrheit nicht mehr in der Kompetenz der theologischen Wissenschaft zu belassen, sondern den weniger seriösen, aber leichter zu beeinflussenden Kirchenversammlungen zu übergeben. Die EKD-Synode und die Landessynoden sind jedoch von den Gemeindegliedern – außer in Württemberg[147] – nicht direkt gewählt und insofern nur wenig demokratisch legitimiert, weil sie über Aus-Wahlen von der Gemeinde über die Presbyterien und Kreissynoden bis zur Landessynode wie bei einem Flaschenhals eine sich verengende und so sich von Ebene zu Ebene verstärkende, ausgewählte „Mehrheit“ von Kirchenfunktionären darstellen, die besonders anfällig für den mediengesteuerten Zeitgeist, aber nicht mehr repräsentativ für die Meinung des Kirchenvolks ist. Hier wäre eine institutionalisierte Befragung und Entscheide der Gemeindeglieder, also eine Strukturreform nötig, die jene faktische, paternalistisch-pädagogisierende Steuerung und Herrschaft einer kleinen, klerikalen Minderheit über die christliche Mehrheit beendet. Hinzu kommt noch die mit dem nun forcierten Sparzwang EKD-weit feststellbare Tendenz, die Lebensebene der Ev. Kirche von den Gemeinden auf die Kirchenkreise bzw. Dekanate zu verschieben, von wo die auf obrigkeitliche Linie gebrachten PfarrerInnen mit beschränkten Funktionen auf die Fläche verteilt werden, wodurch die Kirche für die Gemeindeglieder vor Ort immer anonymer und gesichtsloser wird.

Die bekannte Anfälligkeit der Ev. Kirche gegenüber dem braunen, schwarzen, roten oder grünen Zeitgeist hängt offensichtlich mit der beschriebenen innerkirchlichen „Demokratie“ eng zusammen. Man kann fragen, wie sich das eine, zeitübergreifende, „ewige Evangelium“[148] besser bewahren läßt: durch das katholische Modell einer zentral-bürokratisch geleiteten zölibatären Priester- und Papstkirche mit dogmatisierten, unfehlbaren „Wahrheiten“? Oder durch das evangelische Modell, das die Bibel zwar am Anfang der Kirchenordnungen pflichtgemäß benennt, aber Gottes Gesetz und Evangelium durch zeitgeisthörige, legal beschlossene Bestimmungen verbiegt, verkürzt, entkernt, verfälscht und unterläuft, so daß sie praktisch verloren gehen. Das Evangelium darf zwar nicht mit einem dogmatischen Lehrgesetz verwechselt werden, sondern ist mündliche, lebendige Botschaft Jesu Christi für Menschen je einer bestimmten Zeit. Es kann jedoch durch seine schriftliche Fixierung in der Bibel über die Jahrhunderte nur dann bewahrt werden und kirchlich dominant bleiben, wenn nicht nur die Kirchenordnung, sondern auch die Gemeindeglieder und besonders die Geistlichen – von den Prädikanten über die Pfarrer, Superintendenten, Bischöfen und Präsides bis zu den Professoren – immer wieder für die „Wahrheit des Evangeliums“ (Gal 2,5) eintreten, werben, kämpfen und sie in der Kraft des Hl.Geistes durchsetzen. Dieses jahrhundertelange evangelische Ringen um die Wahrheit ist jedoch – so mein Eindruck – in der letzten Zeit zu einer immer selteneren Ausnahme geworden. Überforderte Synodale nicken oft nur geschickt eingebrachte Beschlußvorlagen ab.

Was sich bei den langsamen Veränderungen der Kirchenordnung als objektiver Geist der  subjektiven Kirchengeister in der jüngsten Kirchengeschichte[149] bei einzelnen Punkten zeigte (2.), ist bei der Aufarbeitung einiger Auseinandersetzungen der letzten Zeit (3.-6.) ganz deutlich geworden. Wie der jeweilige Zeitgeist mit seinen rasch wechselnden Anliegen und Moden, ohne daß ein teuflisches Gesicht erkennbar oder irgendein Subjekt identifizierbar wäre (2.Kor 11,3f.14), in das Denken, Reden und Handeln der tonangebenden, von diesseitig-moralischen Gewißheiten erfüllten Kirchenfunktionäre eingedrungen ist, so ist der in der Hl.Schrift zum Buchstaben geronnene theologisch-eschatologische Hl.Geist aus ihren Köpfen wie aus einer Flasche entwichen und bis auf wenige Reste verschwunden. Wie vor der Reformation und während der Aufklärung ist der Widersacher und Antichrist wieder in die Kirche eingedrungen, sitzt im Tempel Gottes, erhebt sich über die Bibel, Jesus Christus, Gottes Wort und verführt die Ev. Kirchen mit neuen Lehren zum Abfall von der geoffenbarten Wahrheit.[150] Denn das Gemeinsame dieser Themen – Israel, Juden- und Muslime-Mission, Homotrauung – ist ja, daß die biblischen Vorgaben, die Worte Gottes und Jesu Christi, relativiert, ihres klaren, erlösenden Sinns und Gehorsam heischenden Charakters entkleidet und ihrer kirchlichen Gültigkeit beraubt wurden.[151]

Wenn aber nun, wie es lutherische Erkenntnis ist, der Hl.Geist Gottes sich an das Fleisch gewordene Wort Gottes (Joh 1,14) und das Zeugnis der Apostel und Propheten von ihm gebunden hat – wie es Christen in der Taufe und besonders im Hl.Abendmahl erfahren, wo das Brot und der Wein der Leib und das Blut des HERRN ist und so Glauben wirkt, – dann wird die Ev. Kirche im Rheinland und in Deutschland in dem Maße vom Hl.Geist Gottes verlassen, wie sie das Schrift gewordene Wort Gottes verlassen hat: „So spricht der HERR: Ihr habt mich verlassen, darum habe ich euch auch verlassen.“ (2.Chr 12,5)[152] Dies sollten und könnten die verantwortlichen KirchenleiterInnen – sofern sie noch in der Bibel lesen und den lebendigen Gott fürchten – erkennen, bevor sie im jüngsten Gericht gefragt werden, warum die ihnen anvertraute Kirche gerade in ihrer Zeit so niedergegangen und marginalisiert worden ist.

Es sollte mich freuen, wenn diese pessimistisch erscheinende Analyse der jüngsten Geschichte der Ev. Kirche in Deutschland übertrieben oder falsch wäre, denn sie ist aus enttäuschter Liebe zur Kirche Jesu Christi geboren und hegt die Hoffnung auf Umkehr und Besserung. Notwendig ist deshalb m.E. heute – ähnlich dem Rückruf der Dialektischen Theologie zum geoffenbarten Christentum von Bibel und Reformation und der auf die Hl.Schrift gegründeten Bekennenden Kirche im Kirchenkampf gegen die Deutschen Christen – eine Neubesinnung auf die biblisch-christliche Wahrheit als Beginn einer Wiederauferstehung der Kirche im Hl.Geist. Wie am Ausgang des Mittelalters bedarf die Kirche einer Reformation an Haupt und Gliedern nach dem Wort Gottes. Dabei ist eine Revision der genannten unbiblischen Positionen und eine in Zukunft strikte Unterscheidung von vorgegebener, göttlich offenbarter, schriftgemäßer Glaubenslehre und durch Presbyterien, Synoden und Kirchenleitungen zu regelnden Personal-, Organisations-, Sach- und Verwaltungsfragen unabdingbar.

Martin Luther warnte einst seine „lieben Deutschen“, daß das Evangelium schon bei vielen Völkern war, aber weitergezogen ist, wo es keinen Glauben fand: „Gottes Wort und Gnade ist ein fahrender Platzregen, der nicht wiederkommt, wo er einmal gewesen ist. Ihr Deutsche dürft nicht denken, daß ihr ihn ewig haben werdet; denn Undank und Verachtung wird ihn nicht lassen bleiben.“[153]

 Nur die Rückbesinnung auf das biblische Gotteswort und die Bekenntnisse der Reformation können den tiefen kirchlichen Schaden, den wir alle spüren und der auch für Unbeteiligte immer offener am Tage liegt, heilen. Beten und arbeiten wir für eine Erweckung neuen Glaubens an das Evangelium von Jesus Christus und die richtigen kirchlichen Entscheidungen, damit die Ev. Kirche wieder Wahrheit, Orientierung, Licht, Hoffnung und Zukunft bekommt!

Pfr. i.R. Winfrid Krause, Buggingen

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Verfassers.

Quelle: Lutherische Nachrichten, 43. Jahrgang 2023, Nr. 1, Lutherischer Konvent im Rheinland.

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[1]    Ich war 1982-84 Vikar in Mülheim / Mosel, danach Hilfsprediger und 1985-2015 Pfarrer in Thalfang / Hunsrück, 2015-2019 Vertretungspfarrer im Kirchenkreis Trier, davon 1/2 Jahr in Gerolstein-Jünkerath / Eifel und 3 Jahre in Wirschweiler-Allenbach-Sensweiler und Schauren-Bruchweiler-Kempfeld / Hunsrück, 2019-2021 Vertretungspfarrer in der Südpfalz, je ein Jahr in Rohrbach / Steinweiler und in Neuburg am Rhein. Seither im Ruhestand mit gelegentlichen Diensten in Südbaden, Dekanat Markgräfler Land / Bad Krozingen.

[2]    www.ekd.de/statistik-kirchenmitglieder-17279.htm

[3]    Die BRD hatte 1950 ca. 50,9 Millionen Einwohner, die DDR ca. 18,7, Deutschland (ohne die besetzten Ostgebiete) zusammen ca. 69,4; 2022 waren es laut Statistischem Bundesamt ca. 83,2.

[4]    www.kirchenaustritt.de

[5]    Die Demographie zeigt, daß in unserem Land wie in ganz Europa seit über 50 Jahren weniger Kinder geboren werden als Menschen sterben, ein Faktor, der sich bei Berücksichtigung der starken muslimischen Einwanderung bezüglich der Zahl der Kirchenmitglieder noch verschärft. Das unklare Eintreten der EKD-Kirchen für den Lebensschutz läßt vermuten, daß die Kinderzahl in ihrem Bereich niedriger ist als im katholischen und freikirchlichen, wo das 5.Gebot nicht durch ein liberal-feministisches „Recht“ auf Abtreibung praktisch außer Kraft gesetzt wird.

[6]    Idea v.30.7.2018

[7]    FAZ v.16.12.2022; Idea Nr. 51-52/2022

[8]    FAZ v. 22.3.2022

[9]    Vgl. E.Hirsch, Geschichte der neueren evangelischen Theologie, 1949, I, S.11; III, S.15f. u.ö.

[10]  G.W.Fr.Hegel, Phänomenologie des Geistes: Werke Bd.3, hg.v. E.Moldenhauer u. K.M.Michel, 1970, S.24

[11]  R.Bultmann, Das Problem der Hermeneutik: Glaube und Verstehen II, 19685, S.230

[12]  G.Ebeling, Die Geschichtlichkeit der Kirche und ihrer Verkündigung als theologisches Problem, 1954, S.81; Wort Gottes und Tradition, 1964, S.9ff.

[13]  G.W.Fr.Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts: Werke, aaO., Bd.7, aaO., S.26

[14]  Vgl. Fr.Schleiermachers Einordnung der systematischen Dogmatik unter die „historische Theologie“: Kurze Darstellung des theologischen Studiums zum Behuf einleitender Vorlesungen, § 26-28.35.65.79-85.97-100.195.219.254, hg.v. H.Scholz, 19774, S.11f.15.28.34ff.41ff.73f.83f.97f.; ähnlich in der Einleitung seiner Glaubenslehre, bes. §10-14.19: Der christliche Glaube nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt, 18302, S.62ff.125ff.

[15]  Mt 10,28; Röm 8,10ff.; 1.Kor 5,3ff.; 2.Kor 5,6f.

[16]  Röm 7,22; 2.Kor 4,16; Eph 3,16

[17]  1.Kor 14,33; apostolisches Glaubensbekenntnis; Mk 4,3ff.; Mt 13,24ff.36ff.; 22,14; 1.Kor 11,19; 1.Joh 2,19; A.Augustinus, De civ.Dei XVIII,51.54; XX,9; CA VIII

[18]  A.Augustinus, De baptismo III,19,26; M.Luther, Von dem Papstthum zu Rom wider den hochberühmten Romanisten zu Leipzig: WA 6,295-297; Von den Konziliis und Kirchen: WA 50,624-643; H.Zwingli, Fidei expositio: Schriften IV, hg.v. Th.Brunnschweiler u. S.Lutz, 1995, S.324f.

[19]  Joh 8,31; 16,13; Gal 2,5.14; Phil 1,15ff.; 1.Tim 1,15; 2.Tim 2,15ff.; 2.Petr 2,1ff; 1.Joh 4,1ff.

[20]  CA VII; R.Sohm, Kirchenrecht, 1892

[21]  M.Honecker, Kirche als Gestalt und Ereignis, 1963

[22]  Einzelgemeinden: Röm 16,16.23; 1.Kor 1,2; 4,17; 11,18; 14,23; 16,16.19; 2.Kor 1,1; 11,8.28; 12,13; Gal 1,2.22; 1.Thess 1,1; 2,14; Phlm 2; auch Offb 2,1 u.ö.; Gesamtkirche: 1.Kor 12,28; 15,9; Gal 1,13; Phil 3,6; auch Mt 16,18; Apg 20,28; Eph 1,22; 3,10; 5,23ff.; Kol 1,18.24; 1.Tim 3,15 u.ö.

[23]  Geplant ist vielleicht, das Gemeindezugehörigkeitsgesetz (nach Art. 73,1 i) 2023) zu ändern.

[24]  Ich habe als Vertretungspfarrer mit schweren Gewissensbedenken in Rohrbach/Pfalz und Buggingen/ Baden umständehalber zwei Kinder getauft, deren Eltern beide ausgetreten waren bzw. der Vater ausgetreten war und die Mutter der Ev. Kirche wegen Einwanderung aus einem orthodoxen Land (noch) nicht angehörte.

[25]  1.Kor 1,16; Apg 10,47f.; 16,15.31ff.; 18,8; vgl. Mk 10,14.

[26]  CA IX; SA III,5: BSLK S.63.450

[27]  Vgl. Art.40,3 von 1952 mit Art.81,2 von 2022, der mit Kindergottesdienst und Religionsunterricht ins LOG verschoben wurde.

[28]  Der die Stiftungsworte des HERRN vorschreibende, auch das Haus- und Krankenabendmahl erwähnende Art. 74 wurde ins LOG verschoben. Das für Lutheraner wesentliche, stiftungsgemäß gefeierte Abendmahl wird damit in unierter Unart weiter herabgestuft. In den Anmerkungen zur KO-Reform 2023 heißt es gut reformiert: „mit ,Einsetzung‘ ist Brot- und Weinausteilen gemeint“, was auch für jede andere festliche Mahlzeit gilt. Die Mazzen-Hostien, die Jesus in der Passahnacht als „Brot des Elends“ (Dtn 16,3) brach und reichte, sind oft durch frisches, wohlschmeckendes Brot ersetzt worden, wodurch der sonst so gewünschte Bezug auf Israel (s.u. unter 3.) verloren geht.

[29]  Diese Bestimmung ist aus schlecht beratener Rücksicht auf (Alkohol-) Kranke fast zur Regel geworden; Brot und Wein bzw. Traubensaft sollen nur noch im LOG erwähnt werden. Der früher selbstverständliche Gemeinschaftskelch (Mk 14,23; 1.Kor 10,16f.) wird gar nicht mehr erwähnt und ist selbst bei konservativen Gemeinden wegen den Corona-Ansteckungsängsten durch die angeblich hygienischeren Einzelbecher ersetzt worden. Ohne Alkohol ist die Hygiene allerdings nicht mehr gewährleistet. So geht die weise göttliche Stiftung Jesu durch kirchliche Selbstsäkularisierung, Besserwisserei und Nachgiebigkeit Stück für Stück verloren.

[30]  Vgl. Mt 18,15ff.; 1.Kor 5; 6,9ff. Gal 5,19ff.; 2.Thess 3,6ff.; 1.Tim 1,9ff.20; 2.Tim 2,24ff.; Tit 3,9ff. 1.Joh 5,16f.; Hebr 6,4ff.; 10,26f.

[31]  Der ganze Art.86 wurde 2023 ins LOG abgeschoben.

[32]  WA 10/II,283,8; 30/III,74,3; 75,9-24

[33]  Gen 1,27f.;2,18-25; Ex 20,14; Mk 10,1-12; Eph 5,21-33; vgl. Offb 2,10.

[34]  So verräterisch die Anmerkungen zur KO-Reform 2023, die auch die Worte „Ehefrau“ und „Ehemann“ zugunsten Homosexueller gestrichen hat. Vgl. auch die in der Nordkirche angeblich durch eine Kirchenrechtslücke mögliche und wahrscheinlich durch eine großzügige Spende zustande gekommene Sylter Trauung von Finanzminister Lindner und seiner Freundin, die beide keiner Kirche angehören, am 9.9.2022.

[35]  Siehe dazu ausführlicher unten Abschnitt 5. Homo-Trauung, S.18ff.

[36]  Nach Art.59,1 d) galt bei Übertritt oder Taufe eines Ehepartners eine vorhergehende oder beabsichtigte Trauung unter Mitwirkung eines „Beauftragten einer anderen Religionsgemeinschaft“ als Hindernis.

[37]  Vgl. im Koran Sure 2,228.282; 4,3(Polygamie).12.38; 24,2.31; 33,59.

[38]  Vgl. Mt 17,27; Röm 14,23; 16,17; 1.Kor 10,32; 2.Kor 6,3.

[39]  Im AT war die Erdbestattung nach Gen 3,19 das Normale, aber auch Feuerbestattungen werden gelegentlich erwähnt (1.Sam 31,12; abwertend Lev 14,9; Jos 7,25; 2.Kö 23,16; Am 2,1). Jesus wurde entsprechend ganz begraben und stand am 3.Tag leiblich zum ewigen Leben auf. Die katholische Kirche öffnete sich 1963 für die Urnenbeisetzung, die in den Städten schon aus Platzmangel zunahm. Auch in Israel und den islamischen Ländern, wo eine Wiederbelegung von Gräbern abgelehnt wird (vgl. Hes 37), besteht dieses Problem. Doch ist das Ergebnis der Verwesung nach 1000 Jahren der Einäscherung vergleichbar und für die Aufweckung theologisch unerheblich (1.Kor 15,44; Offb 20,13). In Indien ist dagegen die Feuerbestattung die Regel.

[40]  Während 1952 die reformatorischen Bekenntnisse oder der Bekenntnisstand von Gemeinden und Ordinierten über den Grundartikel hinaus noch in Art. 5; 13,1; 23,2; 31,3; 67,3; 84,2; 105 b); 140 b); 168,4; 169,2; 186; 192 c); 198,3; 205,2 genannt wurde, ist dies 2022 nur noch in Art. 1,2; 2,3; 13,1+2; 152,2 der Fall – eine deutliche Tendenz zur Reduzierung ihrer Bedeutung.

[41]  Vgl. auch Art. 49,1; 62a u. 63,1. Unter den bischöflichen Rechten und Pflichten der SuperintendentInnen werden die Seelsorge der Ordinierten und die Ordination auch in Art.121,2 und Art.122 a) von 2022 erwähnt. Vgl. für die Landessynode Art.130 a+b), die Kirchenleitung Art. 148 e) sowie das Ordinationsgesetz von 2005 und § 3-7 des Pfarrerdienstgesetzes der EKD von 2021, letzteres mit folgendem Mustergelübde (§ 4,4): „Ich gelobe vor Gott, das Amt der öffentlichen Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung im Gehorsam gegen den dreieinigen Gott in Treue zu führen, das Evangelium von Jesus Christus, wie es in der Heiligen Schrift gegeben und im Bekenntnis meiner Kirche bezeugt ist, rein zu lehren, die Sakramente ihrer Einsetzung gemäß zu verwalten, meinen Dienst nach den Ordnungen meiner Kirche auszuüben, das Beichtgeheimnis und die seelsorgliche Schweigepflicht zu wahren und mich in meiner Amts- und Lebensführung so zu verhalten, dass die glaubwürdige Ausübung des Amtes nicht beeinträchtigt wird.“

[42]  S.u. unter 6.) , S.23f.

[43]  Art. 82; vgl. Gen 1,27; Gal 3,28 mit Gen 3,16; 1,Kor 11,2-16. 1.Kor 14,34f. ist wahrscheinlich ein 11,5 widersprechender späterer Zusatz nach 1.Tim 2,11f. – so W.Schrage, Der erste Brief an die Korinther: EKK VII/3, 1999, S.479ff.

[44]  Vom Zeitgeist ist als Übersetzung des lateinischen qualitas temporum bzw. genius aetatis oder saeculi  aus Spätmittelalter und Frühneuzeit seit der Aufklärung die Rede; bei Herder ist das Wort wohl 1769 erstmals deutsch belegt. Vgl. Goethes „Geist der Zeiten“ im Faust (I,577), Hölderlins Ode „Der Zeitgeist“, Nietzsches Bild von den „feierlichen und vermummten“ Gestalten der „Wertschätzungen“ von „Gut und Böse“, die auf einem Nachen den Fluß der Zeit hinuntertreiben, im Zarathustra-Kapitel „Von der Selbstüberwindung“ (II,12); G.Ebeling, Hl.Geist und Zeitgeist: Wort und Glaube IV, 1995, S.95ff.; R.Konersmann, Art. Zeitgeist: Historisches Wörterbuch der Philosophie 12, 2004, Sp.1266ff.

[45]  Für die katholische Kirche wegweisend ist die „Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen“ (Nostra aetate 4) des 2.Vatikanischen Konzils von 1965.

[46]  Handreichung Nr.39 „Zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden“, 1980, S.9-11.12-28

[47]  Vgl. F.Hesse, Einige Anmerkungen zum Wort der rheinischen Landessynode über das Verhältnis von Christen und Juden, 1980; E.Volk, Theologische Anmerkungen zum Thema Juden und Christen: Wahrheit für heute 4/1980; E.Gräßer, Zwei Heilswege?: FS F.Mußner, 1981, S.411-429; H.Conzelmann, Heiden-Juden-Christen, 1981; M.Honecker, Ein gemeinsames Glaubensbekenntnis für Christen und Juden?: KuD 27, 1981, S.198-216; W.Schrage, Ja und Nein: EvTh 42, 1982, S.126-151; G.Klein, „Christlicher Antijudaismus“: ZThK 1982, S.411-450; E.Lohse, Kirche und Judentum: Erneuern und bewahren, 1993, S.296-309; U.H.J.Körtner, Volk Gottes-Israel-Kiche: ZThK 1994, S.51-79.

[48]  Handreichung Nr.39, 1980, aaO., S.8

[49]  Handreichung Nr.45 „Kirche und Israel“, 1993, S.3. Unbeeindruckt von der Kritik der „Universitäts-Theologie“ (S.14), einer erneuten Stellungnahme der Bonner Ev.-theol. Fakultät von 1995, die u.a. auf die christologische Bestimmung der ntl. Hoffnung hinwies (4. u.5.), aber auch der Bedenken und Änderungsvorschläge von Pfarrern und Gemeinden wurde auch dieser Passus drei Jahre später durchgesetzt. Vgl. H.Seebass, Ist Israel ein Begriff der Partizipation für Judenheit und Christenheit?: Luth. Nachrichten 1994/2, S.8-12; N.Slenczka, Durch Jesus in den Sinaibund?: Luth.Monatshefte 1995/1, S.17-20. Viel wirksamer wäre die von der Kirchengemeinde Thalfang vorgeschlagene Formulierung gewesen: „Sie (die Kirche) bezeugt die Treue Gottes, der in Jesus Christus an der Erwählung seines Volkes Israel festhält.“

[50]  So die „Würdigung“ des Beschlusses von 1980 nach 25 Jahren: Zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden, 2005, S.7.

[51]  N.Slenczka, aaO., S.20

[52]  Rundschreiben v. 15.12.2008, versandt mit einer umfangreichen Arbeitshilfe; ähnlich schon die Handreichung Nr.39, S.28. E.Jüngel bemerkte dazu auf der EKD-Synode 1999, die Kirche müßte angsichts ihres Ursprungs im Judentum „ihre eigene Herkunft verleugnen, wenn sie das Evangelium ausgerechnet gegenüber Israel verschweigen wollte“. (FAZ 4.2.2000)

[53]  Der Missionsbefehl des auferstandenen Jesus Christus richtet sich, wie der synoptische Vergleich von Mt 28,19 mit Mk 16,15 und Lk 24,47 zeigt, an alle Völker der ganzen Schöpfung anfangend von Jerusalem, also einschließlich des jüdischen Volkes, zu dem Jesus seine Jünger schon vorher mit dem Evangelium gesandt hatte (Mt 10,6; vgl. Mk 13,10; Mt 24,14; Joh 20,21). Entsprechend predigten die Apostel zunächst in Jerusalem (Apg 2,1-8,1); Petrus war das Apostolat unter den Juden anvertraut (Gal 2,7f.). Auch Paulus predigte als „Apostel der Heiden“ (Röm 1,5) auf seinen Missionsreisen in der Regel zuerst in den Synagogen (Apg 9,20; 13,5.14; 14,1; 16,13; 17,1.10.17; 18,4.19), wie denn sein Evangelium „zuerst den Juden, dann den Griechen“ galt (Röm 1,16; 2,9f.; 1.Kor 9,20).

[54]  Nachdem ich als stellvertretender Vorsitzender des Luth. Konvents in zwei Briefen an Dekan Prof.Dr. G.Röhser erfolglos exegetisch und theologisch argumentiert hatte, schrieb ich abschließend: „Evangelische Professoren in der Nachfolge Martin Luthers sollten m.E. die Wahrheit des ihnen anvertrauten Evangeliums und der biblischen Texte auch und gerade gegen den jeweiligen Zeitgeist und seine Pendelschläge, von denen auch die Kirche erfaßt wird, bezeugen und verteidigen, also weder den damaligen deutschchristlich-antisemitischen noch den heutigen rheinischkirchlich-philosemitischen Sirenengesängen erliegen, sondern die Liebe Gottes verkündigen, die in Jesus Christus allen Menschen und Völkern, also auch seinem geliebten, erwählten Volk lsrael gilt.“ (28.7.2009)

[55]  Siehe die EKD-Denkschriften „Christen und Juden“ von 1975, 1991 und 2000: www.ekd.de/christen_juden_2000_vorwort.html

[56]  Neufassung nach dem 2.Vaticanum: https://de.wikipedia.org/wiki/Karfreitagsfürbitte

[57]  Vgl. den Katechismus der  Katholischen Kirche, 1993, Nr.121: „der Alte Bund ist nie widerrufen worden“ und Nr.839f. J.Ratzinger sagte als emeritierter Papst Benedikt XVI., der Bund zwischen Gott und den Menschen finde sich biblisch nicht in der Einzahl, sondern ereigne sich in Stufen: „Gottes Liebe ist unzerstörbar. Aber zur Bundesgeschichte zwischen Gott und Mensch gehört auch das menschliche Versagen, der Bruch des Bundes… Die Umstiftung des Sinai-Bundes in den neuen Bund im Blute Jesu, das heißt in seiner den Tod überwindenden Liebe, gibt dem Bund eine neue und für immer gültige Gestalt.“ (Communio 2018/4; FAZ v. 18.7.2018)

[58]  Vgl. den Rundbrief Nr.117 von Sup. E.Volk v. 29.2.1980, der schreibt, die Landessynode habe sich damit „in klaren Widerspruch zu den biblisch-reformatorischen Grundeinsichten gesetzt, die besagen, daß Juden und Heiden gerechtfertigt werden allein im Glauben an Jesus Christus, der allein unser aller Gerechtigkeit vor Gott ist… So kann man Christus auch verleugnen.“ – Stellungnahmen v. 26.3.1995 und 16.3.1997 zur Änderung des Grundartikels. – Keine Absage an die Judenmission vom 22.3. 2009.

[59]  Neu bei Jesus: Mt 13,52; Mk 2,21f.; 14,25; Lk 22,20 (=1.Kor 11,25); bei Paulus Röm 7,6; 1.Kor 5,7; 2.Kor 3,6; 5,17; Gal 6,15; vgl. Joh 3,3ff.; 13,34; 1.Joh 2,7f.; Hebr 8,8ff.; 9,15; 10,20; 12,24; Offb 14,3; 21,1ff.; vgl. auch Röm 15,8-12; Gal 4,22-31.

[60]  KD III/1, 19472, § 41, S.103ff.258ff.

[61]  Lk 2,10.14; Apg 15,14; Röm 9,24ff.; 2.Kor 6,16; Eph 2,11-22; Tit 2,11.14; 1.Petr 2,9f.; Hebr 2,17; 4,9; 8,10.13; 10,30; 13,12; Offb 18,4; 21,3. Wenn hier z.T. atl. Zitate einfließen, liegt darin keine „indirekte Bezeichnung“, sondern ein emphatischer neuer Begriff des Volkes Gottes aus Juden und Heiden; gegen M.Wolter, Paulus, 2011, S.303f.

[62]  Gal 6,16; vgl. auch Apg 13,23 (Jesus als der Retter Israels); 1.Kor 10,18; Röm 9,6ff. (Israel nach dem Fleisch).

[63]  Idea Nr.47/2017. Schon der katholische Philosoph R.Spaemann hatte bemerkt: „ich kann der Logik nicht folgen, nach welcher, weil einmal Juden von Christen diskriminiert wurden, sie jetzt weiter diskriminiert werden sollen, indem die Kirche Christi sich zur Heidenkirche erklärt, in der die Angehörigen des Volkes Jesu nichts mehr zu suchen haben.“ (FAZ v. 2.6.2009)

[64]  So die „Erwägungen“ der Bonner Fakultät von 1980 und die Anregung von H.Seebass 1994, aaO., S.12: „Mit der Juden und Christen gemeinsamen Bibel Israels hofft die Kirche auf einen neuen Himmel und eine neue Erde“.

[65]  https://de.statista.com/statistik/daten/studie/72321/umfrage/entwicklung-der-anzahl-der-muslime-in-deutschland-seit-1945/ ; von einer Gesamtbevölkerung von ca. 82 Millionen sind das ca. 6,7%.

[66]  Vgl. zum Folgenden ausführlicher meine Dokumentation Moslem-Mission im Rheinland: Lutherische Nachrichten 31/1, 2011, S.3-19.

[67]  Bis heute ist es eine offene Frage, ob Nichtmuslime den Muezzinruf, der ein ausdrückliches islamisches Glaubensbekenntnis enthält und insofern über das christliche Glockenläuten, das nur musikalisch bleibt, hinausgeht, im Sinne der allgemeinen Toleranz ertragen müssen oder hier die negative Religionsfreiheit Einschränkungen erfordert. Der Schweizer Volksentscheid gegen den Minarettbau im Jahre 2009 zeigt, daß die Diskussion in Europa keineswegs abgeschlossen ist.

[68]  Luth. Nachrichten 19/2, 1999, S.5-19

[69]  Vgl. ihr Buch: Der Islam. Geschichte – Lehre – Unterschiede zum Christentum, 2 Bde., 2003.

[70]  Er hat über den großen Vertreter der lutherischen Orthodoxie Johann Gerhard promoviert: Restauratio imaginis divinae. Die Vereinigung von Gott und Mensch bei Johann Gerhard, 1991.

[71]  Lutherische Beiträge, 2008

[72]  Idea Nr.14 v. 8.4.2010

[73]  Vgl. sein Buch: Der Islam bei uns. Ängste und Erwartungen zwischen Christen und Muslimen, 2007.

[74]  Verlorenes Wiederfinden. FS Ernst Volk zum 65.Geburstag, hg.v. Th.Berke und W.Krause, 1992, S.65.

[75]  S.18; vgl. die Stellungnahme des Luth. Konvents in Königswinter v. 1.11.2015, die kritischen Anmerkungen von Pastorin Dr.C.Währisch-Oblau von der VEM und Prof.Dr. H.Wrogemann vom April 2016 und die kritische Stellungnahme von Bischof Prof.Dr.Th. Schirrmacher v. 12.7.2016. Der Wittenberger Pfarrer Alexander Garth kommentiert, „dass bei den Verfassern des Papiers christlogische Dunkelheit herrscht. Der freundliche Dialog mit dem Islam ist wichtig. Aber Theologen im liberalen Denkraster mit einer beschädigten Christologie sind keinen geeigneten Dialogpartner für den Islam“. (Untergehen oder umkehren, 20212, S.101f.)

[76]  epd-Dokumentation Nr.30 v. 26.7.2016

[77]  Vgl. dazu die kritische Stellungnahme „Mission und Dialog gehören zusammen“ von Prof.Dr. Th. Schirrmacher: Evangelische Verantwortung. Magazin des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU Nr.3+4 / 2018, S.7ff.

[78]  Symptomatisch dafür war, daß der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm und der Vorsitzende der Katholischen Bischofskonferenz Deutschlands Kardinal R.Marx bei einem gemeinsamen Besuch in Jerusalem auf dem Tempelberg am 20.10.2016, angeblich aus Bitten und Rücksicht auf die Muslime, in Wahrheit jedoch aus mangelnder eigener Glaubensüberzeugung ihre sonst stolz getragenen Brustkreuze ablegten. Ebenso wird das seit 2011 geplante, seit 2021 im Bau befindliche House of one in Berlin, ein gemeinsames Haus von Juden, Christen und Muslimen als „Ort des Friedens und der Toleranz“ (Baukosten ca. 44 Millionen €) von der EKD über eine Stiftung verschleiert mit Kirchensteuermitteln, von der Bundesregierung und vom Land Berlin offen mit Steuergeldern unterstützt, als gäbe es keinen Unterschied der drei monotheistischen Religionen. Der dem Kuratorium angehörende Bischof der berlin-brandenburgischen Ev. Kirche Stäblein lehnt entsprechend das historische Kreuz auf dem Humboldt-Forum, dem ehemaligen Hohenzollernschloß in Berlin, ab. Die Abraham-Ökumene als neudeutsche Zivilreligion? Am Kreuz Christi scheiden sich die Geister!

[79]  Vom Kriege wider die Türken (1529): WA 30/II,107-148; Heerpredigt wider den Türken (1529): WA 30/II,160-197; Vermahnung zum Gebet wider die Türken (1541): WA 51,585-625; Verlegung des Alcoran Bruder Richardi Prediger Ordens (1542): WA 53,272-396.

[80]  Der Islam und das Christentum. Eine historische und theologische Einführung, 20032.

[81]  Vgl. meine eigene Darstellung und Kritik des Islam in: Die Weltreligionen aus christlicher Sicht: Luth. Nachrichten 2009/2, S.51ff.

[82]  Die meist schiitischen Perser sind aus drei Gründen offener für das Christentum als der sunnitische Mehrheitsislam: 1) Der Islam wurde ihnen in der Mitte des 7.Jh. durch die arabischen Eroberungen der ersten Kalifen gewaltsam aufgenötigt; vorher hingen viele der von Zarathustra gestifteten Religion an (s. L.Berger, Die Entstehung des Islam, 2016, S.52ff.173ff.). 2) Die Schia (=Partei) Alis († 761), des Vetters und Schwiegersohns Mohammeds, hatte mit ihm und seinem Sohn, Mohammeds Enkel Hussein zwei Märtyrer zu beklagen, was sie für den Kreuzestod Jesu offener macht. 3) Die Mullahkratie seit der „islamischen Revolution“ Khomeinis 1979 hat den Islam in Persien bei breiten Massen diskredidiert.

[83]  Wer eine solche Modellrechnung für rassistisch hält, täuscht sich. Eine nicht muslimische deutsche Frau im Sinne des Staatsbürgerrechts kann einen Migrationshintergrund haben, und eine muslimische Frau, die in Deutschland lebt oder Deutsche ist, muß keine Kinder bekommen. Religion vererbt sich auch nicht wie die Erbsünde; dennoch spielt der religiöse Einfluß der Eltern bei ihren Kindern statistisch eine dominante Rolle.

[84]  Mt 28,16ff.; Mk 16,15f.; Lk 24,46ff.; Joh 20,21ff.

[85]  Vgl. A.Garths Diagnose der EKD, aaO., S.152: „Du hast eine beschädigte Christologie, die dein Leben und deine Mission vergiftet.“ Ähnlich S.66: „Sie hat Mission verlernt. Mission ist aber der eigentliche Auftrag und die Identität der Kirche.“ Und S.131: „Die Kirche hat nicht nur eine Mission, sie ist Gottes Mission in dieser Welt.“

[86]  Der Begriff wurde ebenso wie Heterosexualität 1868 von dem österreichischen Schriftsteller Karl Maria Kertbeny (1824–1882, bürgerlich: Karl Maria Benkert) gebildet – von griechisch ὁμός „gleich“, und lateinisch sexus „Geschlecht“. M.Banner, Art. Sexualität II: TRE 31, 2000, S.209ff.; B.G,Carlsson / E.Otto / H.Kreß / M. Steinhäuser, Homosexualität: RGG4 III, Sp.1883ff.; diese beiden Lexikonartikel zeigen, wie man bei aller Wissenschaftlichkeit die biblischen Vorgaben bewahren (TRE) oder verlassen (RGG) kann; https://de.wikipedia.org/wiki/Homosexualit%C3%A4t

[87]  M.Honecker, Kirche und Homosexualität. Männerwerk der Ev.Kirche im Rheinland, 1993, S.2; vgl. schon S.Freud, Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (1925): Gesammelte Werke, hg.v. A.Freud, V, 1972, S.13ff., der Homosexuelle als „sexuell invertiert“ beschrieb und zwischen „okkasionell“, „amphigen“ und „fix geprägt“ unterschied.

[88]  A.&U.Eibach-Bialas, Homosexualität-gottgewollt? in: M.Aust / H.-Chr.Gensichen / Th.S.Hoffmann, Christlicher Glaube und Homosexualität, 1994, S.170 A.1.

[89]  Ausführlich: https://de.wikipedia.org/wiki/%C2%A7_175 ; die von der Homo-Lobby befeuerte öffentliche und fachliche Diskussion hatte dieser Entkriminalisierung jahrelang vorgearbeitet.

[90]  Die Initiative ging 1987/88 von der Markuskirchengemeinde im Kirchenkreis Düsseldorf-Ost aus; zuvor hatte bereits der Öffentlichkeitsausschuß „erkannt, daß die homosexuelle Bindung manche Merkmale der Ehe tragen kann.“: HL, S.13.53.

[91]  Vgl. seine vernichtende Kritik in der Stellungnahme der Ev.-Theol. Fakultät der Universität Bonn, 1996, die in dem Satz gipfelt: „Das Diskussionspapier taugt nicht als Wegweisung. Es trägt vielmehr aufgrund seines willkürlichen Bibelgebrauchs und aufgrund seiner einseitigen Perspektive eher zur Desorientierung als zur Klärung bei.“ (S.11)

[92]  HL, S.3

[93]  Vgl. K.Barth, Evangelium und Gesetz, 1935

[94]  Vgl. Gen 1,27f.; 2,18ff.; Ex 20,14; Lev 20,10; Dtn 24,1ff.; Mk 7,21f.; 10,1ff.; Mt 5,27ff.; Lk 7,36ff.; 16,18; Joh 2,1ff.; 8,2ff.; 1.Kor 6,9; 7,1ff.; 9,5; 11,3ff.; 1.Thess 4,3ff.; Eph 5,22ff.; Kol 3,18f.; 1.Tim 2,8ff.; 3,2; Tit 1,6; 2,4ff.; 1.Petr 3,1ff.; 2.Petr 2,14; Hebr 13,4.14 und W.Schrage, Ethik des Neuen Testaments, NTD, 1982, S.92ff.213ff.234ff.305. Man kann fragen, warum sich die sexualethischen Ansichten Stuhlmanns von denen seines Lehrers Schrage so unterscheiden.

[95]  Gen 19,4ff.; Lev 18,22; 20,13; Ri 19,22ff.; Röm 1,26f.; 1.Kor 6,9ff.; 1.Tim 1,8ff. M.Noth, Das dritte Buch Mose, ATD 6, 19662, S.117, bemerkt zu den Stellen des Heiligkeitsgesetzes, es handele sich um „allgemein nicht statthafte und vor allem widernatürliche Geschlechtsbeziehungen“; W.Schrage, aaO., S.194, zu Paulus: „Wo aus der Natur Unnatur wird (konkret ist solches ,unnatürliche‘ Verhalten hier offenbar Homosexualität), ist das für ihn ein Symptom des Abfalls von Gott (Röm 1,26).“ Nur Gen 19 und Ri 19 handelt es sich um homosexuelle Gewalt; bei den „Knabenschändern“ und „Lustknaben“ von 1.Kor 6,9 geht es um die in der griechischen Antike vorkommende, aber auch kritisierte Päderastie. – Daß die Sexualität Mann und Frau auch gegenseitig Lust, Freude und Befriedigung bereitet und insofern ein guter, wesentlicher Ehezweck ist, zudem – ebenso wie Kinder – ein wichtiger Ehestabilisator sein kann, also keineswegs nur oder doch hauptsächlich zur Lebensweitergabe geschaffen wurde, wie die katholisch-päpstliche Ethik meint, braucht hier nicht weiter betont zu werden. Vgl. die Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute (Gaudium et spes) des 2.vatikanischen Konzils, 1965, 48/1, die Enzyklika humanae vitae von Paul VI., 1968, deutsche Ausgabe S.9, und den Katechismus der katholischen Kirche, 1993, deutsche Ausgabe, 1604,1652.

[96]  HL, S.7

[97]  HL, S.56

[98]  HL, S.67ff. nennt drei Titel von dem mittlerweile als Kinderschänder überführten H.Kentler.

[99]  Die Versuche des Psychiaters M.Bailey und des Genetikers D.Hamer (beide USA), ein Homo-Gen      nachzuweisen, wurde von kanadischen Kollegen um den Neurologen G.Rice widerlegt: Science 284, 1999, S.571ff.665ff. Vgl. M.Aust / H.-Chr.Gensichen / Th.S.Hoffmann, Christlicher Glaube und Homosexualität, aaO., S.143.150.158ff.; G.J.M. van den Aardweg, Das Drama des Homosexuellen, 19953, S.54ff.

[100] Vgl. A.Gehlen, Der Mensch, 197812, S.26ff.58ff.329ff.356ff. Jeder heretosexuell lebende Mensch hat auch homoerotische Anteile und ist insofern homo- bzw. bisexuell verführbar.

[101] Zur folgenden Kritik vgl. ausführlicher: E.Volk, Gleichgeschlechtliche Liebe?: Glaube und Heimat, Febr.- März 1994;  M.Honecker, Kirche und Homosexualität, aaO. 1993?; U.Eibach, Homosexualität und Kirche, 1993/94??, R.Vogels, Die Abschaffung der Trauung – wie die Evangelische Kirche die Liebe zerstört: Idea-Dokumentation 11/1996 Was wird aus der Ehe?, S.23ff.

[102] HL, S.39f.; schon ein Blick in den Gesenius beweist das Gegenteil: תוֹﬠֵבָה bedeutet Greuel im kultischen und sittlichen Sinne; ein Bezug auf polytheistische Kulte ist an den genannten Stellen nicht erkennbar.

[103] SuLTuS, S.47; diese feministisch-antipatriarchalische, absurd klingende Eisexegese hat mit normaler, wissenschaftlicher Exegese nichts zu tun.

[104] SuLTuS, S.94; aber wie kann in Gen 1+2 die Homosexualität im Blick sein, wo es nur einen Mann und eine Frau, Adam und Eva, gab?

[105] HL, S.42ff.; anders als diese banal-bösen exegetischen Tricks und Kniffe E.Käsemann, An die Römer, HNT, 19743, S.44f.; U.Wilckens, Der Brief an die Römer, EKK VI/1, 19872, S.109f.

[106] Röm 1,26, wo Paulus sie erwähnt, wird SuLTuS, S.46, so interpretiert: „,Widernatürlicher Verkehr‘ von Frauen (Röm 1,26) ist nur als Verkehr mit männlichen Tieren (3.Mose 18,23; 20,16) oder als heterosexueller Analverkehr bekannt.“ Wo steht das bei Paulus?

[107] SuLTuS, S.48f., unter Verweis auf 1.Kor 7,4; ganz anders W.Schrage, Der erste Brief an die Korinther: EKK VII/2, 1995, S.48ff.

[108] Vgl. dagegen 1.Tim 3,2.12; Tit 1,6.

[109] Die vom Theologischen Ausschuß nicht wahrgenommene Hl.Schrift „differenziert“ hier eben bewußt nicht. – Die freundschaftliche Liebe von David und Jonathan (1.Sam 18,1ff.; 19,1; 20,17.41; 2.Sam 1,26) mußte sich ohne wirkliche exegetische Gründe homoerotisch Mißdeutung gefallen lassen; David und Jonathan, die Frau(en) und Kinder hatten, wären dann bisexuell gewesen. Anders W.Dietrich, Samuel I, BK VIII/2, 2015, S.414ff.; II, BK VIII/3, 2019, S.270.

[110] HL, S.48, ähnlich S.52f. Im NT sind nicht Ehe (1.Kor 7,9), Sexualität (1.Kor 7,1ff.) oder Homosexualität, sondern in diesem ganzen leiblichen Bereich nur die übernatürliche Enthaltsamkeit (Luther: Keuschheit) ein eschatologisches Charisma (Gal 5,23). Vgl. zu 1.Kor 7 und den paulinischen Charismen: M.Luther, Das siebente Kapitel S.Pauli zu den Corinthern (1523): WA 12,95ff.; W.Schrage, Der erste Brief an die Korinther, aaO., S.48ff.; M.Wolter, Paulus, 2011, S.152ff.199.263ff.327ff. sowie 1.Kor 12,4ff.; Röm 12,6ff.

[111] SuLTuS, S.44.62.74.92.94

[112] Vgl. den barthianischen Jargon: HL, S.47; SuLTuS, S.62.65.67f.87. K.Barth hatte dagegen in seiner Schöpfungsethik, KD III/4, 1951, S.184f., Homosexualität als „widernatürliche Krankheit, Perversion, Dekadenz, wo der Mensch die Geltung des göttlichen Gebots (nämlich der Mitmenschlichkeit) durchaus nicht wahrhaben will,“ beschrieben. Differenzierter urteilte H.Thielicke, Theologische Ethik III, 1964, S. 788ff., der zwar von einer „Schöpfungsstörung“ sprach, sich aber gegen die Bestrafung und Diskriminierung Homosexueller wandte. T.Rendtorff, Handbuch der christlichen Ethik, 1993, S.183, favorisiert statt „Schöpfungsordnung“ den Begriff „Schöpfungsangebot Gottes“.

[113] SuLTuS, S.67f.90

[114] Dafür steht u.a. der atl. und ntl. Begriff „Fleisch“. Daß die allen Menschen außer Jesus gemeinsame Grundsünde nicht auf der freien Entscheidung des einzelnen Menschen gegen Gott beruht, sondern ihm von Adam und Eva her vererbt wird, bedeutet nicht, daß die einzelnen, verschiedenen, individuellen Tatsünden, die man tun oder lassen kann, erblich wären – etwa durch ein Triebtäter- oder Homogen. Hier wäre zwischen moralischer Oberfläche und theologischer Tiefendimension zu „differenzieren“.

[115] Vgl. SuLTuS, S.65f.

[116] HL, S.35

[117] Neben der rheinischen Kirche tobte der Kampf um die Homo-Trauung besonders in der bayrischen und württembergischen Kirche. Vgl. die von 21 Gruppen, auch vom Luth. Konvent i.Rh., unterschriebene 1.+„Bonner Erklärung“ von 2014: M.Aust / H.-Chr.Gensichen / Th.S.Hoffmann, Christlicher Glaube und Homosexualität, aaO., S.201f.; https://marjorie-wiki.de/wiki/Bonner_Erkl%C3%A4rung.

[118] SuLTuS, S.1

[119] M.Aust / H.-Chr.Gensichen / Th.S.Hoffmann, Christlicher Glaube und Homosexualität, aaO., S.11 A.3

[120] Siehe dazu weiter unten Nr.5, S.23f.

[121] SuLTuS, S.2

[122] Vgl. den „Aufruf an die Landessynode“ des Luth.Konvents v. 31.12.2015.

[123] Nur in den Kirchen Württembergs, Mitteldeutschlands und Bremens bedarf es der Zustimmung der Gemeinden: https://www.evangelisch.de/inhalte/111225/20-10-2022/segnung-homosexueller-bunt-wie-ein-regenbogen. Der Gewissensschutz bibeltreuer PfarrerInnen soll wie in Hessen-Nassau allmählich aufgehoben  werden.

[124] Vgl. dagegen die Stellungnahme des Luth. Konvents: Keine Homo-„Ehen“ im Pfarrdienst! v. 19.3.2011.

[125] https://www.ekd.de/22591.htm – Nr.51.

[126] SuLTuS, S.92.94

[127] Vgl. den Rückblick von W.Sickinger, Kirche und Staat als Abbruchunternehmer: Ev.Sammlung i.Rh., 2000.

[128] Heterosexuelle Trauungen in der EKD von 63.643 (2000) über 51.882 (2010) auf 10.340 (2020), in der EKiR von 7.353 (2000) über 5.239 (2010) auf 1.544 (2021); über die Homotrauungen gibt es kaum verläßliche Zahlen; in der rheinischen Kirche gab es von 2000-2015 nur 46 Homo-Segnungen, in der badischen und westfälischen Kirche jährlich ca. 20-30.

[129] Katechismus der  Katholischen Kirche, aaO., Nr.2357ff.; ähnlich die Note der Glaubenskongregation zu Homo-Ehen an katholische Politiker, 2003. Die Ökumene war der Ev.Kirche i.Rh. entgegen allen Beteuerungen also wenig wert.

[130] Anstatt sich in dieser Frage auf „das prophetische und apostolische Zeugnis der Heilgen Schrift Alten und Neuen Testaments“ zu gründen (Grundartikel KO) und die Bibel in der Kirche „die einigen Richtschnur, nach welcher zugleich alle Lehren und Lehrer gerichtet und geurteilt werden“ (FC: BSLK S.767), sein zu lassen, wurden nach Ketzerart unbiblische Meinungen über die Hl.Schrift und Gottes Wort gestellt und ihre  Aussagen ins Gegenteil verkehrt.

[131] Vgl. CA 16; SA III,11; Kl.Kat. I,6; Traubüchlein; Gr.Kat. I,6: BSLK, S.70f.459.508f.528ff.610ff.

[132] Während die Barmer Theologische Erklärung III die „falsche Lehre“ verwarf, „als dürfe die Kirche die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlassen“, wurde dies in der rheinischen Kirche ganz bewußt betrieben, also trotz aller rühmenden Gedenkreden das im Grundartikel der KO erwähnte Barmen praktisch verabschiedet.

[133] Vgl. Fr.Nietzsche, Also sprach Zarathustra (II,12 Von der Selbstüberwindung) und die Notizen aus dem Nachlaß: Werke, hg.v. K.Schlechta, 19696, II, S.643ff.; IV, S.116.267f.292.340ff.367ff.446ff.479ff.487f. 508f.u.ö.

[134] Idea-Pressedienst v. 11.+18.8.2015; vgl. Lk 24,26f.44ff.; 1.Kor 15,3; Phil 2,8; Röm 8,32; Hebr 9,1ff. u.ö.

[135] Chrismon plus Rheinland Nr.4/2009

[136] Der Spiegel Nr.30/2013; vgl. Mt 1,18ff.; Lk 1,26ff.

[137] Idea 14/2016; vgl. Mk 16,1ff.par; Joh 20,1ff.; Apg 2,27ff.; 13,34ff.(Ps 16,10 LXX) u.ö.

[138] Die Zeit/Christ und Welt Nr.36 v. 26.8.2020; FAZ v. 11.1.2021; vgl. Ex 20,13; Mt 5,21ff.; Mk 10,19; Röm

13,9ff. u.ö.

[139] Idea 42/2021; vgl.  Apg 4,12; Phil 2,10.

[140] Vgl. zum Folgenden auch die Analysen von Udo Schelle, Die Kirche spielt mit ihrer Zukunft: Idea Nr. 28/2018, S.16ff.; Norbert Bolz, Volkskirche ohne Volk: Die Tagespost v. 18.7.2020, und besonders das Buch von Alexander Garth, aaO., denen ich weitgehend zustimme.

[141] Die EKD-Texte: Kirche der Freiheit, 2006; 11 Leitsätze für eine aufgeschlossene Kirche, 2020

[142] Während Jesus seinen Jüngern die eindringliche eschatologische Mahnung gab: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit“ (Mt 6,33), trachten die EKD-Kirchenoberen seit 1988 im „konziliaren Prozeß“ unter säkularer Umdeutung biblischer Begriffe quasipolitisch nach „Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“, pazifistisch-sozialistisch-ökologisch korrekt aber für jeden über die Menschenwelt hinaus Fragenden hoffnungslos!

[143] Während Präses Rekowski mir durch seinen Kanzleibeamten von der Heidt eine freundliche, aber nichtssagende Antwort zukommen ließ, bat mich mein Studienfreund Kirchenpräsident Dr.h.c. Schad vor seinem Eintritt in den Ruhestand immerhin zu einem Gespräch ins Kirchenpräsidium nach Speyer.

[144] Vgl. M.Weber, Soziologie- Universalgeschichtliche Analysen – Politik, hg.v. J.Winckelmann, 19735,

S.317.338.378ff.472.

[145] Vgl. Fr.Gogarten, Verhängnis und Hoffnung der Neuzeit. Die Säkularisierung als theologisches Problem, 1953; H.Lübbe, Säkularisierung, 1965; Religion nach der Aufklärung, 1986, S.91ff.; P.L.Berger, Zur Dialektik von Religion und Gesellschaft, 1973, S.101ff.; U.Barth / B.Schwarze, Säkularisierung: TRE 29, 1998, S.603ff.; M.Honecker, Theologische Ethik in einer säkularisierten Gesellschaft: ZThK 98, 2001, S.236ff.; J.Habermas / J.Ratzinger, Dialektik der Säkularisierung, 20182; M.Domsgen, Von Generation zu Generation: Was tun, wenn das nicht mehr zu funktionieren scheint? ZThK 115, 2018, S.474ff.

[146] Der Begriff stammt wohl vom EKD-Ratsvorsitzenden W.Huber; er läßt sich aber schon konsistent auf die konstantinisch-byzantinische Reichskirche und die Machtanmaßung der mittelalterlich-katholischen Papstkirche und den protestantisch-preußischen Kulturprotestantismus anwenden. Der selbst „religiöse unmusikalische“ J.Habermas warnt vor „einer kognitiv anspruchslosen Anpassung des religiösen Ethos an auferlegte Gesetze der säkularen Gesellschaft“: Dialektik der Säkularisierung, aaO., S.34.

[147] Hier werden die Landessynodalen nicht nur direkt in den Gemeinden gewählt, sondern die Kirchenverfassung schreibt auch eine qualifizierte 2/3- oder 3/4-Mehrheit für Änderungen der Liturgie und KO vor. Ob dies ein wirksames Korrektiv gegenüber den Zeitgeisteinflüssen wäre, bedürfte genauerer Untersuchung. Der Vergleich mit der politischen Ebene, etwa in der Schweiz, räumt jedoch bestehende Zweifel nicht aus.

[148] Vgl. Mt 11,5; Mk 1,14; 14,9; 16,15;  Lk 4,18; 16,16; Röm 1,1; 1.Kor 15,1; Gal 1,6ff.; Eph 1,13; Offb 14,6.

[149] Vgl. G.W.Fr.Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, hg.v. Fr.Nicolin u. O.Pöggeler,

1969, § 377ff.483ff., S.311ff.389ff.

[150] Vgl. 2.Thess 2,3ff.; 2.Tim 3,4ff.; 1.Joh 2,18ff.; 4,3ff.; 2.Joh 7.

[151] Wer solche theologisch geleitete, historische, bei Widersprüchen gelegentlich auch kritische Bibelauslegung als fundamentalistisch diffamiert, zeigt nur, daß er/sie das Fundament der Kirche, Jesus Christus als Mitte der Hl.Schrift (Jes 28,16; Ps 118,22; Mk 12,10f.; 1.Kor 3,11; Eph 2,19f.; 1.Petr 2,4ff.), verloren hat. Vgl. die Grundsatzerklärung „Schriftgemäße Schriftauslegung“ des Luth. Konvents i.Rh. v. 4.3.2018: Luth. Nachrichten 39, 2019/2, S.52ff. und A.Garth, aaO., S.89f.: „Dem Protestantismus, der als alleinige Grundlage die Bibel hat, wird das Fundament entzogen. Die Konsequenz dieser Theologie heißt Atheismus. Dieser fundamentalistische Rationalismus macht aus der großen Geschichte Gottes mit der Menschheit ein armseliges Trauerspiel der Auflösung des Glaubens in lauter harmlose Existentialismen und Moralismen.“

[152] Vgl. Dt. 31,17f.; 2.Kö 22,16f.; 1.Chr 28,9; 2.Chr 7,19f.; 15,2; 24,20; 34,24f.; Jes 1,27f.; Jer 16,11ff.;         17,13; Hes 11,22ff. und A.Garth, aaO., S.118f.: „Was aber ist, wenn das Wort nicht das Wort von Christus ist, sondern ein von philosophischen Moden, postmodernen Ideologien oder reduktiven erkenntnistheoretischen Voreinstellungen verfälschter Jesus, der mit dem Zeugnis der Bibel und der kirchlichen Tradition nicht mehr viel zu tun hat? Ganz einfach! Der Heilige Geist sagt: ,Nicht mein Jesus! da bleib ich zu Hause.‘ Gottes Geist macht sich rar.“

[153] WA 15,32,7

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Dienstag 5. September 2023 um 11:38 und abgelegt unter Kirche, Kirchengeschichte, Theologie.