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Die Frau schweige in der Gemeinde?

Mittwoch 23. August 2023 von Pastor Dr. Joachim Cochlovius und Pastor Dr. Stefan Felber


Pastor Dr. Joachim Cochlovius und Pastor Dr. Stefan Felber

Müssen Frauen in der kirchlichen Öffentlichkeit schweigen? Mit dieser Aussage aus 1. Korinther 14,33 b–35 hatte sich der Professor für Neues Testament an der Freien Theologischen Hochschule Gießen, Armin Baum, in einem Beitrag unter dem Titel „Andere Zeiten, andere Sitten“ für IDEA (idea 30-31/2023) befasst. Er kam zu dem Schluss, dass diese Frage schon der Reformator Johannes Calvin (1509–1564) beantwortet hat: „In dieser ganzen Erörterung handelt es sich um Dinge, die nur, sofern sie Andacht und Anstand stören, verboten sind; im Ãœbrigen kann jeder für sich entscheiden.“ Pastor Dr. Joachim Cochlovius und Pastor Dr. Stefan Felber widersprachen dieser Ansicht mit der nachfolgenden Stellungnahme, die in der IDEA-Ausgabe 32-33/2023 veröffentlicht wurde.

Das Reden von Frauen im Gottesdienst wird in diesem Artikel als Frage von Sitte und Anstand behandelt. Es wird gesagt, (auch) Paulus und Calvin hätten sich zur Begründung an gängige Konventionen angeschlossen. Mit diesen Konventionen sei auch die Stellung der Frau in der Kirche veränderbar.

Diese Auffassung wird u.E. der Argumentation in 1. Kor 14,33b–35 und den Reformatoren nicht gerecht.

1. Paulus verweist zur Begründung seiner restriktiven Haltung in erster Linie auf die Schöpfung und das alttestamentliche Gesetz. Die Korintherinnen sollen sich nicht gemäß ihren eigenen Sittenvorstellungen verhalten (1. Kor 14,36), sondern dem Wort Gottes gemäß.

Baum läßt links liegen, a) daß alle christlichen Gemeinden die öffentliche Rede dem Mann vorbehalten (V. 33); b) daß die Frau nicht (über) den Mann dominieren soll, so wie es im Sündenfallbericht 1. Mose 3,16 von Gott bestimmt worden ist (V. 34); c) daß sich Paulus bei dieser Anweisung bewußt ist, Gottes Wort zu sprechen (V. 37), und d) daß Paulus diejenigen, die das nicht anerkennen, von Anerkennung ausschließt (V. 38).

2. Weibliche Priester konnten im alten Ägypten die gleichen Positionen bekleiden und erhielten den gleichen Lohn wie männliche. Israel hatte in Ägypten 400 Jahre Zeit, sich an ein weibliches Priestertum zu gewöhnen, mußte dann aber am Sinai lernen, daß nur Männer Priester sein sollten. Nicht die Kultur sollte leiten, sondern Gottes Wort.

3. Das Calvin-Zitat am Ende von Baums Artikel ist irreführend. Selbst wenn Calvin auf die Sitte Bezug nimmt, bedeutet das nicht, daß er in ihr die höchste Autorität sieht, die Sache zu entscheiden. Entspricht die Sitte der Schrift, kann Calvin (gefahrlos) so sprechen, wie Baum zitiert. Aber für Calvin bleibt klar, daß man Gott mehr gehorchen muß als den Menschen. Von der Sitte abgesehen: In seinem Kommentar zu 1. Kor 14,34 argumentiert Calvin wie Paulus von der Unterordnung der Frau her, die bei ihrem Lehren im Gottesdienst aufgehoben wäre. Die Sitte kommt beiläufig als Bestätigung zur Sprache: So, sagt Calvin, war es immer.

In seiner „Institutio“ führt der Reformator unmißverständlich aus, daß das Diakonenamt „das einzige Amt“ war, „welches Frauen zugänglich war“ (Inst. IV,3,9). Auch Luther schließt das Frauenpfarramt grundsätzlich aus, wenngleich er für Notzeiten Ausnahmen zuläßt: „Wahr ist es, daß in diesem Stück der Heilige Geist Frauen, Kinder und Untüchtige ausgenommen hat, sondern allein tüchtige Männer dazu erwählt hat …“ („Über die Konzilien und die Kirche“, 1539).

Daß sich die Verhältnisse erst im späten 20. Jahrhundert unter dem Einfluß der neuzeitlichen emanzipatorischen Ideen verändert haben (und dies vor allem im Westen), sollte zu denken geben.

Pastor Dr. Joachim Cochlovius und Pastor Dr. Stefan Felber, Gemeindehilfsbund

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Mittwoch 23. August 2023 um 14:46 und abgelegt unter Gemeinde, Kirche, Theologie.