Gemeindenetzwerk

Ein Arbeitsbereich des Gemeindehilfsbundes

Wir brauchen eine Bekenntnissynode!

Donnerstag 21. Mai 2015 von Pastor Uwe Holmer (1929-2023)


Pastor Uwe Holmer (1929-2023)

1. Wir brauchen ein aktuelles Bekenntnis zur vollen Geltung der Heiligen Schrift

Unsere Evangelische Kirche in Deutschland ist krank, todkrank!

Der Grund: Ihre universitär lehrenden und ausgebildeten Theologen orientieren sich weithin an der menschlichen Vernunft. Deren Horizont aber reicht nur so weit wie diese Erde ist und wie die auf ihr geltenden Naturgesetze reichen. Ein über diese Welt hinaus gehendes Handeln Gottes gibt es für sie nicht. Alles, was nicht für die menschliche Vernunft fassbar ist, gehört für sie ins Reich der Mythen. Wunder haben da keinen Platz. Dieses rationalistische, bibelkritische Vorverständnis gilt vornehmlich auch für die Leitungsebene der EKD. So sind ihre Verlautbarungen ebenfalls von dieser liberalen rationalistischen Theologie bestimmt.

Das wird besonders deutlich an der unklaren Haltung der EKD zum biblischen Familienbild, zur Tötung heranwachsenden Lebens im Mutterleib, zur Frage praktizierter Homosexualität in der Kirche, zum Sühnetod Jesu und zu seiner Auferstehung. Alle Irrungen in diesen wichtigen Fragen aber sind nicht das eigentliche Problem. Sie zeigen jedoch die gefährlichen Abwege, die immer da geschehen, wo das reformatorische Prinzip der alleinigen Geltung der Heiligen Schrift für Lehre und Leben der Gemeinde Jesu Christi aufgegeben wird.

Da kommen dann andere zeitgeistgemäße Maßstäbe zur Geltung wie: „Heute wird ein anderes Familienbild gelebt“ u.a. Sicher, auch da wird noch Gottes Wort zitiert, aber nur das, was zu dem Geist der Zeit passt. Bibelworte, die dem Geist der Zeit entgegenstehen und dem heutigen Menschen nicht mehr gefallen, werden als „nicht mehr relevant“ beiseite gesetzt, sind „nicht mehr Gottes Wort an uns“, „entsprechen nicht der Breite der Schrift“. So machen liberale Professoren und Kirchenleitungen sich zum Meister der Schrift statt deren Schüler zu bleiben.

Und die Pastoren? Sie werden zwar von Ihrer Kirchenleitung verpflichtet, ihren Dienst und ihr Leben allein nach der Heiligen Schrift auszurichten. Aber niemand fragt sie danach, weil die Kirchenleitungen es selbst nicht tun. So haben sie es schwer. Sie haben die bibelkritische Theologie im Studium gelernt und mühen sich nun sehr, mit dieser vernunftgebundenen, liberalen Theologie auf der Kanzel zurecht zu kommen. Weithin werden hoch intellektuelle Predigten daraus, die aber das geistliche Leben des Hörers nicht treffen, nicht sein Herz berühren. Von echtem Gemeindeleben ist da kaum noch die Rede, und die großen Themen von Himmel und Hölle, von Tod und Gericht und ewigem Leben bleiben unbekannt oder verschwimmen im philosophischen und psychologischen Nebel. Daher ist die liberale Theologie eine Theologie der leeren Kirchen.

Dankenswerter Weise gibt es auch an der Bibel orientierte Pfarrer und Ihre Gemeinden. Sie sind Leuchtfeuer, Mutmacher und Wegweiser in einer müden, schwindenden Christenheit. Ihre Gottesdienste sind zumeist gut besucht und lebendig. Aber die Kirchenleitungen übergehen sie. In ihre Leitungsgremien berufen sie fast ausschließlich Personen aus dem Pool liberaler Theologen. Daher repräsentieren die Kirchenleitungen weithin nicht mehr die Basis. Zwischen ihnen und der Basis hat sich eine kaum zu überbrückende Kluft aufgetan. Die Folge: Der ev. Kirche laufen die Leute weg. Allein 2012 sind 260.000 Gemeindeglieder aus der Ev. Kirche in Deutschland ausgetreten.

Diese radikal kritische Theologie nahm ihren Anfang vor gut 300 Jahren mit dem Beginn der Aufklärung. Aus ihr entwickelte sich das philosophisch-theologische Denkschema des Rationalismus, also der Überzeugung, dass alles in der Welt durch die Vernunft erklärt werden kann – und erklärt werden muss. Da die Wunder der Bibel durch die Vernunft nicht zu erklären sind, gelten sie für Vernunfttheologen als nicht geschehen. Die rationalistischen Theologen werden auch liberale Theologen genannt, weil sie sich die Freiheit nehmen, nicht alles zu glauben, was die Bibel oder das christliche Bekenntnis sagt.

In der Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde diese bibelkritische Theologie noch einmal mächtig voran getrieben durch Prof. Rudolf Bultmann. 1941 schrieb er seinen Aufsatz „Neues Testament und Mythologie“. Der erste Satz lautet: „Das Weltbild des Neuen Testaments ist ein mythisches.“ In dieser Schrift treibt er die Kritik an der Bibel auf die Spitze, indem erklärt: Alle in der Bibel berichteten Wunder seien Mythen, seien damit unglaubhaft und „erledigt“. Auch die Gottheit Jesu, seine Menschwerdung, seine Auferstehung, seine Himmelfahrt und seine Wiederkunft in Macht und Herrlichkeit – das alles sei „mythologische Rede“. Deshalb sei es Aufgabe der Theologen und Pfarrer heute, die Bibel zu „entmythologisieren“. Der Theologe müsse, auch wenn das in der Bibel Berichtete nicht wirklich geschehen sei, zu erkennen suchen, was für eine Bedeutung die jeweilige biblische Geschichte für den Menschen von heute und für seine Existenz habe. Der Text müsse „existential“ interpretiert werden. So rede dann der Text zu dem Menschen von heute. Ein Beispiel: Jesus sei zwar nicht wirklich auf dem Meer gewandelt, aber der Text sage dem modernen Menschen: In den Stürmen des Lebens kommt Jesus zu dir und tröstet dich: Fürchte dich nicht. Ein heutiger Pastor drückte das so aus: Es gibt biblische Geschichten, „die so nicht waren, die aber eine Bedeutung für uns haben“. Ob das allerdings mehr ist als hilflose Psychologie, darf man getrost bezweifeln.

Bultmann hatte gemeint, mit seiner Theologie den Pfarrern und der Gemeinde einen Dienst zu erweisen. So könnten sie doch auch wieder die biblischen Wunderberichte predigen. Das war den liberalen Theologen der vorigen Jahrhunderte nur schwer möglich. Die mieden die Wundergeschichten. Nun predigen unsere Pfarrer also auch wieder die Wunder Jesu. Man weiß aber nicht recht, wie viel sie davon selber glauben und mit welchem inneren Vorbehalt sie das Apostolische Glaubensbekenntnis mit der Gemeinde mitsprechen.

Gerade Predigten in den öffentlichen Medien spürt man mit Schmerz und Enttäuschung ab: Dem Prediger sind, ähnlich wie Bultmann, biblische Wunder zu ungewiss. Deshalb gibt er uns fast nur noch innerweltliche Ratschläge und Erklärungen, kaum noch etwas Überirdisches, Himmlisches, Ewiges. Die Freude im Himmel über Sünder, die umkehren und Gott über ihre Errettung loben, ist verstummt. Die biblische Soteriologie (Lehre von der Errettung) ist zu rein innerweltlichen Hilfestellungen geworden. Dies ist eine verhängnisvolle Leugnung und Verkürzung der Botschaft der Bibel, die uns kundtut, dass Gott sich uns in Jesus seinem Sohn geoffenbart hat und Ewiges Leben anbietet jedem, der an Jesus glaubt.

Diese rationalistisch-liberale Theologie hat jedoch einen entscheidenden Schwachpunkt: Sie geht von der Annahme aus, dass es nur diese irdische Welt mit ihren irdischen Naturgesetzen gibt. Aber das ist eine Hypothese und kann keineswegs begründet werden. Trotzdem machen diese Theologen die irdischen Naturgesetze zum Kriterium, ob das in der Bibel Berichtete geschehen sein kann oder nicht. Damit unterwirft die liberale Theologie auch Gott, den von ihm geschaffenen Gesetzen dieser irdischen, vergehenden Welt. Der Gott der Bibel aber steht weit über dieser Welt und ist in keiner Weise an sie gebunden. Er hat sie doch erst geschaffen.

Auch wenn Rudolf Bultmann Professor war und weit bekannt, so sagen wir dennoch mit der Kühnheit biblischen Glaubens: Sein Gott ist zu klein, weil auf diese Erde begrenzt und an ihre Naturgesetze gebunden. Die Bibel aber spricht viel größer von Gott:

Am Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde. Der die Himmel schuf, kann mehr, als was unsere an diese Erde gebundene Vernunft versteht. Die Biblischen Verfasser jedenfalls waren bis zum Tode überzeugt: Jesus ist wirklich auf dem Meer gewandelt und aus den Toten auferstanden. Sie bezeugten es als Tatsachen und waren bereit, es mit ihrem Tode zu besiegeln. Dieser Glaubensgrund ist absolut verlässlich.

Was folgt daraus?

Unser Glaube soll sich allein an der von Gottes Geist inspirierten Heiligen Schrift orientieren und nicht am Geist der Zeit, auch nicht an Hypothesen, die am Schreibtisch erfunden sind. Das gilt natürlich auch für die Predigten in unseren Gemeinden. Denn „Es wird auch gelehrt, dass allezeit müsse eine heilige christliche Kirche sein und bleiben, welche ist die Versammlung aller Gläubigen, bei welchen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente gemäß dem Evangelium gereicht werden.“ So gibt es uns die Augsb. Konfession, Artikel 7 vor.

So brauchen wir also ein Bekenntnis gegen die aktuellen, selbstzerstörerischen Irrlehren mitten in unserer Kirche. Dieses Bekenntnis soll…

a. der eigenen Glaubensvergewisserung dienen. Im Wirrwarr der vielen menschlichen Meinungen ist es wichtig und macht froh, wenn man sagen kann: „Ich weiß, woran ich glaube.“ Durch Ihre Unterschrift machen Sie es zu Ihrem eigenen Bekenntnis. Das schließt ein, dass Sie es durchaus auch verändern dürfen, wenn Sie den einen oder anderen Punkt gern anders formulieren wollen.

b. Mit diesem an der Bibel ausgerichteten Bekenntnis können Sie angefochtenen Christen helfen und die geistliche Gemeinschaft stärken.

c. Und mit diesem Bekenntnis können Sie aktuellen Irrlehren in der ev. Kirche entgegentreten.

d. Suchen Sie das Gespräch, wenn Sie mit Irrlehren Ihrer Pfarrerin / Ihres Pfarrers konfrontiert werden. Reden Sie freundlich, aber weichen Sie der Irrlehre nicht. Denn, wo Irrlehre ist, ist der Tod im Topf. Seien Sie demütig aber furchtlos: Wenn Sie an Jesus glauben, gehören Sie zur „Königlichen Priesterschaft“ nach 1Petr 2,9 und haben ein Wächteramt.

Sinnvoll kann es auch sein, dass Sie das Bekenntnis Ihrem Bischof und dem Ratsvorsitzenden der EKD in Hannover zusenden. Denn die gröbsten Irrlehren gehen ja von der EKD aus. Ermutigen Sie auch andere, ebenso zu verfahren. Bekennen statt beklagen heißt die Devise. Wir müssen wieder lernen, uns nicht wegzuducken und nicht zu schweigen.

Hans Apel sagte: „Wer schweigt, lässt es geschehen“.

Vor kurzem kam ich mit einer Frau unserer Gemeinde ins Gespräch. Wir sprachen von dem neuesten Skandal der EKD: Im Internet hat sie ihr „Glaubens-ABC“ veröffentlicht. Pfarrer Wolfgang Sickinger, Vorsitzender der Ev. Sammlung im Rheinland, hat in idea davon berichtet. In diesem Glaubens-ABC erklärt die EKD, Jesus sei in Nazareth geboren, Joseph sei der Vater, Maria die Mutter. Die bei Matthäus und Lukas berichtete Geburt in Bethlehem müsse als „theologische Ortsangabe“ verstanden werden. Das sei eine „Glaubensaussage“ (die also historisch nicht stimme). Da fragte die Bekannte mich: „Können wir es noch verantworten, in dieser Kirche zu bleiben?“ Was hätten Sie geantwortet? Ich sagte: „Ja, ich kann es verantworten. Aber nur, wenn ich mich diesem Unglaubensansturm entgegenstelle“. Ich will den Irrlehrern entgegentreten mit dem eindeutigen Bekenntnis zur alleinigen Geltung der Heiligen Schrift in unserer Kirche. Ich kann nicht mehr schweigen und einfach so weiter machen. Ich will einmal sagen können: Ich habe mich nicht weggeduckt. Ich habe bekannt. Dieser erste Teil sollte jedem einzelnen Christen eine Hilfe in die Hand geben, dass er weiß, wie er sich der mannigfachen Irrlehren unserer Zeit erwehren und seinen an der Bibel orientierten Glauben bekennen kann.

Wir brauchen also ein Bekenntnis zur vollen Geltung der Heiligen Schrift

2. Wir brauchen eine Bekenntnissynode, ggf. eine vorbereitende Konferenz

Dabei sollten wir zunächst offen lassen, ob unsere bestehenden Kirchen noch zur Bekenntnistreue zurückfinden; oder ob wir eine bekennende Kirche innerhalb der jetzigen Kirche bilden nach dem Vorbild der BK im 3. Reich; oder ob wir eine bekennende Kirche neben der bestehenden gründen müssen wie sie in den nordischen Ländern bereits existieren.

Unser Bekenntnis kann eine gute Vorbereitung zu einer Bekenntnissynode sein, vielleicht ein Schritt in die richtige Richtung.

Und das ist bitter nötig. Denn die Selbstzerstörung der ev. Kirche, die Abkehr von der gesunden biblischen Lehre begann schon etwa vor 300 Jahren und ist ein schwerer Schade, nicht nur für die Kirche, sondern vor allem für die Menschen unseres ehemals so gesegneten Landes. Unsere Kirche ist wirklich todkrank.

Bereits vor gut 100 Jahren schrieb Pastor Friedrich von Bodelschwingh in großer Sorge um Kirche und Theologie:

„Unaufhaltsam ergießt sich eine Flut glaubensloser und oft pietätloser Kritik von den theologischen Lehrstühlen unserer deutschen Hochschulen über unsere arme theologische Jugend und rüttelt an der Grundlage unseres Glaubens, nämlich an der Heiligen Schrift. Viele junge Theologen ziehen fröhlich im Glauben auf die Universität und kommen mit gebrochenem Glauben zurück. Es schreien viele Vater- und Muttertränen gegen solche grausamen Seelenhirten auf evangelischen Lehrstühlen. Ich würde doch viel lieber Steine klopfen als solche Arbeit treiben. Wer zwingt die Leute zu solch grausamem Dienst? Um Glauben kämpfende, um Gewissheit ringende, wissenschaftlich fleißige, nicht fertige, aber immer tiefer in die Wahrheit eindringende Männer der Schule kann ich gut leiden; aber nicht solche, die ihre leichfertigen Zweifel und hoffärtigen Pfündlein als sichere Resultate der Wissenschaft ihren Schülern darbieten…“

Diese Klage von Pastor v. Bodelschwingh bewegt mich sehr. Denn seit Pastor von Bodelschwingh dies schrieb, hat sich nichts verbessert. Im Gegenteil! Waren es vor 100 Jahren Universitätsprofessoren, so sind es heute Bischöfe, Präses und Kirchenpräsidenten, die den Grund unseres Glaubens leugnen: Die leibliche Auferstehung Jesu von den Toten; die behaupten, die Bibel sei ein Buch wie jedes andere, also nicht Gottes Wort.

Ein Freund berichtete mir kürzlich: Aus seiner Gemeinde hatte eine Abiturientin begonnen, Theologie zu studieren. Nach einem halben Jahr hat sie das Studium abgebrochen und ist aus der Kirche ausgetreten. Von daher darf man sich nicht wundern, dass in den letzten 20 Jahren etwa 4 Millionen Mitglieder die Landeskirchen verlassen haben. Unter den Ausgetretenen sind viele enttäuschte Christen. Gab es 1950 noch 42,2 Millionen Mitglieder der EKD, so sind es jetzt weniger als 23 Millionen. Wird es in 50 Jahren noch evangelische Landeskirchen geben?

Während vor 100 Jahren noch einzelne Hochschulen der Bibel mehr Raum gaben und noch bedeutende Zahlen von bibeltreu ausgebildeten Pfarrern die Hochschulen verließen, hat die moderne Theologie heute alle universitären Hochschulen erfasst. So ist es sehr schwer geworden, noch junge bibeltreue Bewerber für das Pfarramt zu finden. Wir sind an einem Tiefpunkt unserer Kirche angekommen. So öde sah es noch niemals in der Evangelischen Kirche in Deutschland aus.

Doch Pastor von Bodelschwingh beließ es zu seiner Zeit nicht beim Klagen. Er tat etwas. Er errichtete eine eigene kirchliche Schule in Bethel, die später zur Hochschule wurde.

Auch wir sollten etwas tun in unserer Zeit und Situation. Zunächst brauchen wir eine Aktionseinheit aller bekennenden Persönlichkeiten und Gruppen, das heißt eigentlich nur: Die geistliche, unsichtbare Einheit in Christus muss sichtbar und wirksam werden. Es gab schon mal eine bundesweite Bekenntnisbewegung, zu der wir in der DDR ausschauten und aufschauten (1966 in Essen?). Diese hat sich aber mit der Zeit immer mehr zerstritten. Die Frauen-Ordination, die Taufe, die Charismen, Willow Creek u.a. wurden zum Zankapfel und zum Maßstab für den richtigen Glauben. So wurde eine Gruppe nach der anderen ausgeschieden. Schließlich schied Gnadau wegen der kräfteraubenden Streitigkeiten aus. Und so blieb nur ein Rest in der Bekenntnisbewegung übrig, die aber keine wesentliche Bedeutung mehr hat. Daneben gibt es noch die „Konferenz der bekennenden Gemeinschaften“. Aber das sind meist alte Herren, wie ich auch. Und als ich bei ihnen einmal den Antrag stellte, eine Bekenntnissynode einzuberufen, haben sie das abgelehnt, wohl zu recht, mit der Antwort, sie würden dafür wohl kaum eine Resonanz im Lande finden.

Nun bleibt die Frage, wie wir erneut dieses Ziel ins Auge fassen können, ohne den Fehlern der Vergangenheit erneut zu erliegen.

Da denke ich an einen Wahlspruch der Väter. Manche meinen, er stamme schon von Augustin, andere meinen von Comenius. Auch bei der Einigung der Herrnhuter Brüdergemeine soll er eine wichtige Rolle gespielt haben.

Er lautet: In necessariis unitas – in dubiis –libertas – in omnibus autem caritas d.h.

In notwendigen Fragen Einigkeit – in den Zweifelsfragen Freiheit – in allem aber Liebe!

Wenn wir diesen in der Kirchengeschichte bewährten Maßstab anlegen, bekommen wir einen viel weiteren Horizont und können das Wesentliche vom weniger Wesentlichen unterscheiden. Nur so haben die Apostel eine einheitliche Botschaft in die Welt tragen können, sowohl zu den Heiden als auch zu den Juden. Nur so konnten Gemeinden in Afrika ihre eigene Kultur und Kirche bauen, unabhängig von der Kultur der Gemeinden, die die Missionare aussandten.

Wir brauchen für eine Bekenntnissynode oder gar eine Bekennende Kirche einen „größten gemeinsamen Nenner“. Das absolut Notwenige und Wichtige muss uns einen. Die Gottheit Jesu Christi, die Erlösungstat von Golgatha, die leibliche Auferstehung Jesu, die Botschaft von der Vergebung der Sünden und der Versöhnung mit Gott allein durch den Glauben. Unaufgebbar ist auch die Tatsache, dass die, die von Herzen an Jesus glauben zum Leib Christi gehören und damit zur Familie Gottes. Dieses sind u.a. die necessaria, die Fragen, in denen eine Übereinstimmung notwendig ist zu voller Einheit.

Die dubia sind Fragen, in denen sich nicht alle Christen trotz ernstem Forschen in der Bibel einig sind, also z. B. Fragen der Taufe, der Feiertage, der Speisen u.dgl. In solchen Fragen hat auch der Apostel Paulus den Christen die Freiheit gelassen, ohne dass das ihren Stand als Gotteskinder infrage stellte. In solchen Fragen sollten wir das Wort des Apostels gelten lassen: Ein jeder sei in seiner Meinung gewiss (Röm 14,5). Wenn wir diesen Maßstab gelten lassen – dann noch der Liebe Raum geben, muss es möglich sein, viele Kinder Gottes zu einer Bekenntnis-Versammlung zu bewegen. Die Welt muss spüren: Die Christen glauben, was sie sagen und sagen, was sie glauben. Nur die biblische Wahrheit kann das Evangelium tragen und Orientierung, Glauben und Lebensfreude vermitteln.

Wir wollen auch nicht das Vorbild der bekennenden Kirche in den 30er und 40er Jahren aus den Augen verlieren!!

Es trifft sich gut, dass wir auf das Reformationsjubiläum zugehen. Aus dem Blickwinkel der Reformation ist die Kirche eine ecclesia semper reformanda, eine immer wieder zu reformierende Kirche, weil sie ständig in Gefahr ist, sich zu verirren. Wir glauben nicht, dass unsere Kirchenleitungen sie im Sinne der Reformatoren reformieren können. Sie deformieren sie. Sie muss aber reformiert werden nach Maßgabe der 4 reformatorischen Soli:

solus Christus – allein Christus;

sola scriptura – allein die Schrift;

sola fide – allein durch den Glauben (wird man gerecht);

sola gratia   allein durch die Gnade, nicht durch unsere Werke werden wir errettet.

Man sollte mal wieder die Bekenntnisschriften lesen. Sie bestätigen ein evangelikales, biblisches Christentum. Wir brauchen eine erneuerte Kirche, ein Kirche, die lebt, weil sie auf den biblischen und reformatorischen Grundlagen steht. Es muss wieder eine Lust sein zu einer Kirche zu gehören, die in froher Überzeugung die Frohe Botschaft unter die Leute bringt und die wächst, weil sie glaubt und liebt und eine lebendige Hoffnung hat. Menschen sollen durch den Glauben an Jesus zurückfinden zum verlorenen Paradies der Nähe Gottes durch den Frieden, den Jesus brachte! Unser Auftrag lautet: Machet zu Jüngern alle Völker. Davon ist unsere Kirche und Christenheit weit entfernt.

Wichtig ist in unserer Zeit auch die Schrift Martin Luthers von 1523: „Dass eine christliche Versammlung oder gemeinde Recht und Macht habe, alle Lehre zu beurteilen und Lehrer zu berufen, ein- und abzusetzen: Grund und Ursache aus der Schrift.“ Der Text dieses Aufsatzes liest sich revolutionär.

Ich kann nicht und soll nicht eine freie Theologische Schule gründen. Aber Jahre hindurch habe ich immer wieder mal für eine Alternative zu den universitären Hochschulen gebetet. Nun haben wir sie in, Basel, Chrischona, Bad Liebenzell, Marburg und Gießen. Jetzt will ich beten und ringen darum, dass auch unsere landeskirchlichen Oberen sich öffnen für gläubige Absolventen dieser Hochschulen.

(Verwundert bin ich darüber, dass Theologen, die im Studium von Karl Barth erfüllt waren, das jetzt alles vergessen und modern-rationalistische Theologen werden. Barth schreibt über die Homosexualität so klar biblisch, wie heute fast kein Mensch mehr so ungeschützt schreiben kann:…)

Das Gleiche gilt für Bonhoeffer:

In seinem Bonhoeffer-Buch berichtet Eric Metaxas von Bonhoeffers Aufenthalt in Amerika und seiner tiefen Enttäuschung über die einflussreichen liberalen Prediger. Er schreibt:

Eine Theologie gibt es hier nicht…Es wird das Blaue vom Himmel heruntergeschwatzt ohne die geringste sachliche Begründung und ohne dass irgendwelche Kriterien sichtbar werden….Die Studenten kennen nicht die einfachsten Fragestellungen. Man berauscht sich an liberalen und humanistischen Redensarten, belächelt die Fundamentalisten und ist ihnen im Grunde nicht einmal gewachsen (S. 131).

Metaxas zitiert Bonhoeffer weiter: „Vor lauter Anstrengung niveauvoller als die verhassten Fundamentalisten zu sein, hatten die Union-Leute (die Liberalen) jedes seriöse Forschen über Bord geworfen. Sie kannten die Antworten im Voraus. Wie man zu ihnen gelangte, war nicht so wichtig, es reichte aus, dass man, ohne näher hinzusehen, wusste, dass die Antworten der Fundamentalisten falsch waren“ (S. 134).

Bonhoeffer: „Es hat doch keinen Sinn dort, wo das Wort nicht wirklich mehr gepredigt wird, Früchte zu erwarten“(S. 137).

Bei den „Negerkirchen“ hat Bonhoeffer biblische Theologie kennen gelernt und identifizierte sich selber mit ihnen. Seine Kritik: Man kann in New York fast alles predigen hören, nur über eines nicht oder doch so selten, dass es jedenfalls mir nicht gelungen ist, es zu hören, nämlich über das Evangelium Jesu Christi, vom Kreuz, von Sünde und Vergebung, von Tod und Leben (S. 138).

Metaxas: Im Juni 1939, in den Tagen, als Bonhoeffer klar wurde, dass er nach Deutschland zurückkehren solle, las er Niebuhr fertig, nach wie vor unzufrieden mit dem, was am (liberalen) Union Theological Semiary als Theologie durchging. „Es ist kein Denken von der Bibel her, darum zutiefst unproduktiv (S.416).“

Beim weiteren Nachdenken wurden mir noch zwei Dinge wichtig:

  1. Als in einem Theologenkreis vom Bekennen vor der kirchlichen Obrigkeit und den möglichen Konsequenzen gesprochen wurde, sagte ein Pastor: Seine Frau habe ihn ermahnt, kein Risiko einzugehen, sie hätten noch schulpflichtige Kinder.

Daraus sollten wir den Schluss ziehen: Wir müssen unser Zusammenstehen insoweit verbindlich machen, dass wir für einander einstehen, also keinen Bekenner im Regen stehen lassen, sondern sehr verbindlich tragen. Wer ihm rät, auch Nachteile in Kauf zu nehmen, muss bereit sein, sich an seinem Auskommen zu beteiligen. Nur so kann bei uns etwas entstehen wie in Schweden und Finnland. D.h.: ein Verein muss in eine Gruppe/Gemeinde/Kirche münden, die eine breite Basis zu bilden sucht.

  1.  Ich deutete es an: Unsere Schwäche ist die Individualisierung, Abspaltung, Distanzierung der Gläubigen von einander. Wenn uns kein Zueinanderrücken geschenkt wird, richten wir nichts aus, kriegen nicht die nötige Zahl und Dynamik zusammen, um in unserem Land etwas auszurichten. Dabei geht es nicht zunächst um Zahlen – das auch – aber vor allem um geistliches Zusammenstehen. Wir Evangelikalen, Pietisten, Gläubige, Landeskirchler, Methodisten, Heilsarmisten, Bibelorientierte Charismatiker, Hochkirchier, ja sogar gläubige Katholikenn (wenn sie wollen) und andere Gläubige sollten aufhören, sich von einander abzugrenzen und abzuschotten und ihre Steckenpferde zu reiten. Wir werden es sicher nicht schnell schaffen, aber diese Einheit sollten wir in den Blick nehmen und uns in Zucht nehmen, wenn wir vom anderen reden. Wenn keine Glaubensbewegung entsteht, haben wir keine Chance. Und konsequent sollten wir dabei bleiben: „In den notwenigen Dingen Einheit, in den Zweifelsfragen Freiheit und in allem die Liebe.“

Wir können es nicht machen, aber erbitten und in den Blick nehmen und Gemeinschaft fördern statt zu vergiften. Wir müssen ernst machen mit der Einheit des Leibes Jesu, hier und dort, auf Erden und im Himmel. Jeder, der Jesu erlöster Diener ist, gehört dazu und ist anzuerkennen als Bruder oder Schwester.

Pastor Uwe Holmer, Serrahn

Vortrag beim Kongress des Gemeindehilfsbundes „Die Gemeinde in der Zerreißprobe zwischen Nachfolge und Verweltlichung“ im Geistlichen Rüstzentrum Krelingen am 21. März 2015.

Alle Vorträge und Seminare der Kongresse in Krelingen vom 20.-22.3. und in Zavelstein vom 27.-29.3. werden in einer Dokumentation veröffentlicht. Diese kostet 5,00 € zzgl. Versand und kann in der Geschäftsstelle des Gemeindehilfsbundes vorbestellt werden (info@gemeindehilfsbund.de).

Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 21. Mai 2015 um 11:15 und abgelegt unter Kirche, Theologie.