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Was wird der Herr des Weinbergs tun?

Donnerstag 26. Februar 2015 von Pfr. Dr. Hans-Gerd Krabbe


Pfr. Dr. Hans-Gerd Krabbe

Predigt am Sonntag Reminiscere ĂĽber Markus 12,1-12

Geht es Ihnen ähnlich wie mir? Das Gleichnis Jesu von den bösen Weingärtnern ist eine mich ungemein bedrängende Geschichte! Furchtbar, was die Pächter da treiben! Wie sie das Recht mit Füßen treten, wie sie aus eiskalter Berechnung heraus handeln und nicht einmal davor zurückschrecken, einen Leichnam zu schänden … Kennen wir solche Nachrichten aus unseren Tagen? Mir wäre es lieber, wir hätten einen ganz anderen Predigttext vor uns: einen, wo uns auf Anhieb das Evangelium begegnet: Gottes gute, frohmachende, beglückende Botschaft! Stattdessen: dieser Text voller Dramatik, voller Bosheit und Brutalität, voller Gewalt, ohne jede Aussicht auf ein happy-end …

 »Und er fing an, zu ihnen in Gleichnissen zu reden: ›Ein Mensch pflanzte einen Weinberg und zog einen Zaun darum und grub eine Kelter und baute einen Turm und verpachtete ihn an Weingärtner und ging außer Landes. Und er sandte, als die Zeit kam, einen Knecht zu den Weingärtnern, damit er von den Weingärtnern seinen Anteil an den Früchten des Weinbergs hole. Sie nahmen ihn aber, schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort. Abermals sandte er zu ihnen einen andern Knecht; dem schlugen sie auf den Kopf und a schmähten ihn. Und er sandte noch einen andern, den töteten sie; und viele andere: die einen schlugen sie, die anderen töteten sie. Da hatte er noch einen, seinen geliebten Sohn; den sandte er als letzten auch zu ihnen und sagte sich: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen. Sie aber, die Weingärtner, sprachen untereinander: Dies ist der Erbe; kommt, lasst uns ihn töten, so wird das Erbe unser sein! Und sie nahmen ihn und töteten ihn und a warfen ihn hinaus vor den Weinberg. Was wird nun der Herr des Weinbergs tun? Er wird kommen und die Weingärtner umbringen und den Weinberg andern geben. Habt ihr denn nicht dieses Schriftwort gelesen (Psalm 118,22-23): »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. Vom Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen«? Und sie trachteten danach, ihn zu ergreifen, und fürchteten sich doch vor dem Volk; denn sie verstanden, dass er auf sie hin dies Gleichnis gesagt hatte. Und sie ließen ihn und gingen davon.« (Markus 12,1-12)

Liebe Gemeinde!

Was ist das nur für ein Weinbergbesitzer! Er hätte doch ganz anders handeln müssen! Zuletzt schickt er auch noch seinen einzigen Sohn: ist er vollkommen von Sinnen? Wusste er denn nicht, in welche Gefahr er seinen Sohn brachte? War denn nicht schon genug Schlimmes passiert? – ›Ein schlechter Menschenkenner, dieser Weinbergbesitzer! Hätte sich seine Pächter vorher genau aussuchen müssen! Hätte mit Polizeigewalt einschreiten, vielleicht sogar mit Soldaten einmarschieren müssen! Das ganze Räubernest, diese Terroristen hätte man ausräuchern sollen – statt noch den eigenen Sohn in ›die Höhle des Löwen‹ zu schicken!‹

Als sie merken, dass ›der big boss‹ nichts unternimmt, wurden sie dreister und dreister. Den zweiten Boten richteten sie noch übler zu und verhöhnten ihn obendrein. Den dritten Boten mordeten sie hemmungslos, nichts scheint sie aufzuhalten. Skrupellos, habsüchtig und raffgierig gehen sie vor: Warum nur schreitet der Weinbergbesitzer denn nicht ein? Ist er zu schwach, völlig hilflos, ohnmächtig gar?

Ist es Gottes Schwäche, wenn ER geschehen lässt, wie sich manche Leute aufspielen, als seien sie die Herren der Welt, als könnten sie tun und lassen, was ihnen gefällt? Als könnten sie über andere Menschen und über andere Staaten herfallen? – Ist es Gottes Schwäche, wenn ER duldet, dass Menschen IHN verhöhnen, verlachen, verspotten? Wenn Menschen sich aufblasen und aufspielen und selber sein wollen wie Gott? – Ist es Gottes Schwäche, wenn ER nicht mit der Faust auf den Tisch haut, wo Menschen IHM die Ehre rauben und die Pacht? Wo Menschen meinen, Gott auf der Nase herumtanzen zu können? – Ja, vielleicht ist es Gottes Schwäche: Gottes Schwäche für uns Menschen voller Sünde! Gottes Liebe und Geduld, die schon so lange und immer noch auf uns wartet! Die darauf wartet, dass wir aufwachen, nachdenken, zur Besinnung kommen und zu IHM hin umkehren! Noch ist Zeit – doch wird sie endlos sein?

Trotzdem bleiben bohrende Fragen …, Fragen nach GOTT und nach Seiner Gerechtigkeit … Wie denn nur kann GOTT Gewalttaten und himmelschreiendes Unrecht zulassen, und dies auf Kosten Unschuldiger? Wieso schweigt ER zur geballten Bosheit in Seinem Weinberg, auf Seiner Erde, zur Arroganz der Mächtigen? Lässt IHN all das teuflische Treiben völlig kalt? Wann endlich reißt dem HERRN der Welt der Geduldsfaden?

Wohl auch an uns Christen nagt der Eindruck, dass Rücksichtslosigkeit, dass Gewalt und Brutalität, dass Lug und Betrug über Gottes Liebe siegen – der Eindruck, dass unsere christlichen Ideale und Wertvorstellungen ›von gestern‹ sind – dass unser Mühen, es immer wieder neu im Guten zu versuchen, ja doch ins Leere läuft – und dass auch wir unsere Ellenbogen gebrauchen müssen, wenn wir nicht an die Wand gedrückt werden wollen … Wer von uns kennt denn nicht die Erfahrung, dass der Ehrliche der Dumme ist, der Gutmütige zum Trottel wird, der Christenmensch als Spinner abgetan wird? Wer sieht es denn immer noch nicht, dass die Bosheit wächst, die Geldgier, der Neid – dass das Faustrecht in seiner ach so feinen Art gilt – und dass Hauen und Stechen längst salonfähig geworden sind?

Liegt es daran (wie es im Gleichnis heißt), dass »der Herr ins Ausland zog«? Ist es so, dass GOTT sich längst zurückgezogen hat und von Seinem Weinberg nichts mehr wissen will? Dass ER die Menschen sich selbst und ihrem zerstörerischen Tun und Treiben überlässt, und sei es ›die Hölle auf Erden‹? Ist es so, dass GOTT genug hat?

Wer nur versteht das Verhalten des Weinbergbesitzers … Pharisäer und Hochpriester, sie verstanden auf Anhieb, hier steht doch: »Sie hatten erkannt, dass Jesus dieses Gleichnis auf sie gemünzt hatte …« Sie fühlten sich angegriffen, bis aufs Messer gereizt und wollten Ihn festnehmen. Noch ist es nicht so weit: noch ziehen sie davon, doch einig sind sie sich längst: ›So darf es nicht weitergehen. Diesem Nazarener muss man das Handwerk legen!‹

Wieso die Pharisäer und Hochpriester so aufgebracht reagieren? Sie spürten es genau: ›Wir sind gemeint, wir sind die Pächter, wir sind die Täter, wir sind die Räuber!‹ Sie begriffen es sofort: ›Der Herr des Weinbergs, das ist GOTT selbst!‹ ER setzt Arbeiter als Seine Stellvertreter ein, vertraut ihnen Seinen geliebten Weinberg an und schickt von Zeit zu Zeit Boten, um nach den Früchten des Weinbergs zu sehen. Problem nur: Die Weingärtner wollen nicht die Pächter sein, nein, sie wollen selber die Herren und Meister auf diesem Weinberg sein! Deshalb bringen sie schließlich auch den Sohn des Weinbergbesitzers um: »Kommt, lasst uns ihn töten, so wird das Erbgut unser sein!« Schließlich geschieht das Ungeheuerliche: der Sohn des Weinbergbesitzers wird umgebracht und hinausgeworfen …

»Was wird der Herr des Weinbergs tun? Er wird kommen und die Weingärtner umbringen und den Weinberg anderen geben.« Das heißt: GOTT kommt. GOTT mischt sich ein. GOTT zieht Konsequenzen. GOTT lässt Unrecht und Gewalt letztlich nicht ungeschoren passieren, auch wenn wir so oft den Eindruck gewinnen, als ob GOTT alles laufen lässt, als ob GOTT längst kapituliert habe. Nur wer zu viel ›Rosinen im Kopf‹ hat, kann meinen, GOTT sei ohnmächtig und hilflos und: IHN lasse alles kalt … Nein, GOTT fühlt mit, GOTT leidet mit, GOTT weint wohl viel zu oft!

Nur – wir Menschen können nicht auf GOTT abwälzen, was wir selber getan, verschuldet, verbrochen haben. Wir sollten uns hüten, die Frage: »Wie kann GOTT das zulassen?« – zum Alibi zu machen, um uns vor unserer Verantwortung zu drücken. Für die Schrecken des Weltgeschehens, dafür, dass Kriege geführt werden und entsetzliches Leid über unschuldige Menschen bringen: dafür ist weder GOTT verantwortlich noch gar der Urheber! Die Zustände im Weinberg sind Werk der Pächter – wie es auf unserer Erde zugeht, das hängt entscheidend von uns Menschen ab! Wir sind gefragt, wir sind GOTT Rechenschaft schuldig über unser Tun und Lassen!

Was wird GOTT tun? »Was wird der Herr des Weinbergs tun? ER wird kommen und die Weingärtner umbringen …« – Bis jetzt ist ER noch nicht gekommen. Noch leben wir weiter in Seinem Weinberg. Eigentlich könnten wir uns nur darüber wundern, dass GOTT uns den Weinberg noch nicht weggenommen hat: nach allem, was Menschen bis heute in Seinem Weinberg angerichtet haben und anrichten! Wenn Gäste sich in deinem oder in meinem Haus auch nur ähnlich aufgespielt hätten: wir hätten solche ›Gäste‹ wohl längst hinausgeworfen!

Anders GOTT: Noch hat ER Geduld mit uns. Noch lässt ER uns leben in Seinem Weinberg. Doch es fällt IHM wohl nicht leicht, noch und noch Geduld mit uns zu haben. Boten um Boten hat ER geschickt, weil ER uns nicht verlieren will, weil ER uns zurückrufen will! Doch Seine Worte …: wie oft wurden sie in den Wind geschlagen!

Gottes Geduld kostet IHM das Leben Seiner Boten und das Leben Seines Sohnes Jesus von Nazareth: Wie viele Propheten hat er gesandt! Jesus Christus ist der Letzte, den GOTT geschickt hat, um uns zur Umkehr zu bewegen. ER ist »der Eckstein«, an dessen ›Ecke‹ sich alles entscheidet: mein Leben, mein Sterben, meine Zukunft!

Noch schenkt GOTT uns Zeit. Noch stehen Seine Fragen an uns im Raum, Fragen wie diese: ›Wie kann dein Leben Frucht bringen?‹ Oder: ›Hast du es wirklich nötig, anderen Saures zu geben?‹ ›Ist es nicht deine Aufgabe, anderen das Leben zu versüßen?‹

Ja, liebe Leute, dies möge im Weinberg Gottes gelingen: unseren Mitmenschen das Leben zu versüßen, unseren Mitmenschen etwas weiterzugeben von der Süße des Lebens, von der Süße des Glücks! Amen.

Pfr. Dr. Hans-Gerd Krabbe, Predigt am Sonntag Reminiscere, Achern, 1. März 2015

 

Literaturhinweis:

Im Verlag »Vandenhoeck & Ruprecht« in Göttingen sind drei Bände mit »Lesepredigten« von Hans-Gerd Krabbe veröffentlicht.

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 26. Februar 2015 um 15:36 und abgelegt unter Predigten / Andachten.