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Achtung, ihr Räuber!

Montag 19. August 2013 von Pfr. Dr. Tobias Eißler


Pfr. Dr. Tobias Eißler

Predigt über Jeremia 7,1-11

Liebe Zuhörer, von einer Räuberhöhle spricht der Prophet. Das weckt Kindheitserinnerungen an Räubergeschichten. Bestimmt brechen heute einige Familien nach Wolframs-Eschenbach auf zum Räuber-Hotzenplotz-Fest: Spiel und Spaß mit Hotzenplotz persönlich, Wachtmeister Dimpfelmoser und Zauberer Zwackelmann an den Originaldrehorten des entsprechenden Films! Na, den Kerl muss man doch mal aus der Nähe betrachten, der es wagte, die Kaffeemühle der Großmutter zu rauben und den Seppel in seiner Räuberhöhle gefangenzuhalten!

Sollte sich ein älter gewordenes Kind darüber beschweren, dass es den Hotzenplotz in echt nie gegeben hat, dann empfiehlt sich eher ein Ausflug zur Wülzburg oberhalb von Weißenburg. Sie diente als Untersuchungsgefängnis für die Mitglieder der Großen Fränkischen Diebes- und Räuberbande im Jahr 1798. Zu ihr gehörten um die 180 Mitglieder. Von einer Zentrale in Fürth und von vielen Schlupflöchern in Franken aus führte die Bande Diebstähle und Überfälle durch. Z.B. klaute sie dem Bamberger Weihbischof 12000 Gulden und den Bischofsstab. Einer der Ganoven, den man erwischte, gab die Namen der andern preis. So wanderten die echten Hotzenplotze hinter Gitter, ein Rädelsführer endete in Amberg am Galgen.

Auch das Judäa der 50er Jahre nach Christus wurde von vielen Räubern unsicher gemacht, berichtet Josephus, der jüdische Geschichtsschreiber. Allerdings war die Kriminalität der Sikarier politisch motiviert. Mit dem Dolch im Gewande mischten sie sich unter die Menge der Festbesucher in Jerusalem und stachen ihre Feinde nieder oder auch Opfer von Auftragsmorden. Sogar im Tempel, schreibt Josephus entsetzt. „Deshalb hat auch Gott, wie ich glaube, im Zorn über solche Greuel seine Hand von Jerusalem weggezogen und, weil er den Tempel nicht mehr als unbefleckte Wohnstätte anerkannte, die Römer gegen uns herangeführt, und uns mit Weib und Kind der Sklaverei preisgegeben, um uns durch Unglück zur Erkenntnis unserer Schuld zu bringen.“ So deutet Josephus den jüdisch-römischen Krieg, der im Jahr 70 nicht nur den Tempel platt machte, sondern auch Israel für 2000 Jahre von der Landkarte löschte. So schlimm kann das ausgehen, wenn Gott durchgreift in einem Volk mit Räubermentalität!

Vor dem Gericht Gottes über die, die sich gewissermaßen aufführen wie die Räuber, warnt Jeremia in seiner Tempelrede. Gut 100 Jahre nach seinem Auftritt schleifen die Babylonier die Stadt samt Heiligtum. Hätte das Unheil vermieden werden können? Kann man Strafmaßnahmen Gottes in der Geschichte aufhalten? Ja, muss man von der Tempelrede Jeremias her antworten.

Ihre Botschaft lautet, wenn man sie mal in Räubersprache ausdrücken will:

1.Ändert euer Räuberleben!

Jeremia predigt am Tempeltor, dem öffentlichen Platz, an dem jeder Tempelbesucher vorbeikommt: „Bessert euer Leben und Tun!“ „Macht gut eure Wege und eure Taten!“ Moment Mal! Soll das heißen, dass es etwas auszusetzen gibt am Eifer der regelmäßigen Gottesdienstbesucher? Soll daran etwas nicht gut sein, am Tempel sein Opfer darzubringen und sein Gebet zu verrichten? Jüdische Tempelfrömmigkeit sollte gebessert oder ganz verändert werden müssen? Das geht dem Juden durch Mark und Bein. Das muss den glühenden Liebhaber des Gotteshauses auf die Palme bringen.

Jeremia weiß, dass er in ein Wespennest sticht. Er wiederholt seinen Aufruf noch intensiver: „Bessert euer Leben und euer Tun!“ „Macht eure Wege und eure Taten wirklich und gründlich gut!“ Das bedeutet: die Lebensorientierung ist nicht gut, mit der Lebenspraxis sieht es schlecht aus. Ursache allen Übels: „Ihr opfert dem Baal und lauft fremden Göttern nach.“

Nicht lange zuvor hatte König Josia die Statuen der Kanaan-Götter aus dem Tempel tragen und die Altäre für Baal und Astarte landesweit abreißen lassen. Scheint nicht lange das Feld beherrscht zu haben, jene Reformation in Israel mit ihrer klaren Absage an alle Mischreligion. Die Naturgötter sind schon wieder zurück: der Kult ums Wetter, um die Fruchtbarkeit, um die Schönheit – das ist doch das Wichtigste, dafür muss man etwas opfern! Als ob der Schöpfer von Himmel und Erde sich nicht sorgen könnte und sorgen wollte um das Klima, die Landwirtschaft, die Gesundheit und die Liebe. Als ob selbstgebastelte Hilfsgötter dazu etwas beitragen könnten.

Die Zusatzgötter verstellen den Blick auf den wahren Gott und sofort auch auf seine klare Lebensordnung. Die verwirrten Herzen werden korrupt, die desorientierten Gläubigen werden gewissenlos. „Ihr seid Diebe, Mörder, Ehebrecher und Meineidige“, hält Jeremia den Tempelbesuchern vor. Starker Tobak! Offenbar bereichert man sich auf Kosten anderer beim unfairen Geschäft und bei raffinierter Erbschleicherei. Offenbar schaltet man gefährliche Konkurrenten notfalls per Auftragsmord aus und beutet Schwächere unter Gewaltanwendung aus: Ausländer, Waisen und Witwen, die sich kaum wehren können. Offenbar sieht man das mit der ehelichen Treue nicht so eng und benützt vielleicht junge Hausangestellte zur Lustbefriedigung. Offenbar biegt man die Wahrheit zum eigenen Vorteil zurecht bei der Gerichtsverhandlung und bei der Wahl zum Mitglied des Hohen Rates. Wenn das wahr ist! Was der Prophet mit wachem Blick selbst beobachtet. Was einer über ihm bis ins Letzte durchschaut, der ausrichten lässt: „Siehe, ich sehe es wohl, spricht der HERR“. Dann, dann gleichen diese fleißigen Gottesdienstbesucher fast einer Räuberbande!? So gewissenlos, so eigensüchtig, und so perfekt getarnt, so heuchlerisch!

Das ist es ja, was uns Zeitgenossen, die sich von Kirche und Glaube distanzieren, als Standardvorwurf um die Ohren hauen: „Ihr lauft zum Gottesdienst und lebt nachher ganz anders!“ Könnte es sein, dass in dieser Anklage nicht nur ein Körnchen, sondern ein Pfund Wahrheit steckt? Ruhigen Gewissens können wir feststellen, dass Gott uns davor bewahrt hat, im Wortsinne zu Dieben, Mördern, Ehebrechern und Meineidigen zu werden. Gott sei unendlich Dank dafür! Doch wir haben die Bergpredigt im Ohr, in der Jesus uns aufdeckt, dass unsere Herzen immer auf denselben schiefen Ebenen ins Rutschen geraten. Wir morden nicht, aber unsere Gedanken sind manchmal feindlich und tödlich. Wir achten die Ehe und die Ehelosigkeit, aber unsere Gedanken erlauben sich Treulosigkeit. Wir stehlen nicht, aber wir graben andern das Wasser ab und raffen Vorteile an uns. Wir lügen nicht, aber wir verschweigen, was auch zur Wahrheit gehört und was dem Frieden dienen könnte. „Bessert euer Leben und Tun“, ihr Lieben, lässt uns Jesus, unser Lehrer, ausrichten. „Macht gut eure Wege und eure Taten.“

„Und sagt nicht, dass Besserung und Veränderung bei Gläubigen nicht möglich sei.“ Wenn sie doch sogar bei Ungläubigen möglich ist. Z.B. bei Herrn Szabo, der in den 90er Jahren aus Wut gegen die Banker, die ihm für seine gefährdete Firma keine Kredite gaben, sieben bewaffnete Raubüberfälle auf Banken in der Schweiz verübte. Im Gefängnis konfrontierte ihn die Therapeutin mit seinen Taten. Sie hinterfragte seine Selbstrechtfertigung. Herr Szabo begann zu bereuen, zu beten, um Entschuldigung zu bitten. Heute steht er Jugendlichen bei, die in eine kriminelle Karriere hineinzuschlittern drohen. Wunderbare Besserung und Lebensverwandlung!

Sie beginnt bei uns, wenn wir heute einen konkreten, wunden Punkt im Gebet bedenken und Gott um einen echten Neustart bitten. Um das schneidende und heilende Berührtwerden von der Botschaft: Ändert euer Räuberleben!

2. Gebt eure Räubersicherheit auf!

Jeremia sorgt mit seiner Rede für einen Skandal im Tempelbezirk. Wütende Zuhörer zeigen den Ihr-seid-Diebe-und-Mörder-Prediger an. Die Priester lassen den Ruhestörer festnehmen. „Du musst sterben“, giftet man ihn an. Das ist die Mehrheitsmeinung. Woher die Wut? Warum gleich die Todesstrafe? Offenbar trifft Jeremias Aufdeckung eines Doppellebens im Gottesdienst und im Alltag ins Schwarze. Auch wenn es die Ankläger nie zugeben würden: sie schlagen so heftig zurück, weil Jeremia recht hat. Irgendwo tief innen erkennen sie selbst ihr unaufrichtiges Doppelspiel.

Und die ordinierten Prediger am Tempel erkennen möglicherweise die Einseitigkeit ihrer Verkündigung, die immer nur die Gegenwart und Freundlichkeit Gottes am heiligen Ort zusagt. Jeremia greift die stereotype Gott-ist-immer-gut-Predigt an: „Verlasst euch nicht auf Lügenworte, wenn sie sagen: Hier ist des HERRN Tempel, hier ist des HERRN Tempel, hier ist Jahwes Tempel.“

Sicher: hier ist der spezielle Ort, der König David durch einen Engel gezeigt wurde. Hier ist die besondere Hausadresse Gottes auf Erden, die er im 5. Mosebuch als einzigen Platz für Israels Opfergottesdienst ankündigte. Aber gerade deshalb doch kein Zufluchtsort für die scheinbar Frommen, die den Geschäftspartner austricksen und die alleinstehende Frau ausbeuten. Gottes Haus wird auf diese Weise geradezu zu einem Räubernest gemacht: nämlich zu einem Bergungsort für Diebe, Mörder und Lügner. Raffen, Gewalt anwenden, Hintergehen, Schummeln – „und dann kommt ihr und tretet vor mich in diesem Hause, das nach meinem Namen genannt ist, und sprecht: Wir sind geborgen – und tut weiter solche Greuel“. Gottes eigene Rede deckt einen falschen Glauben an Geborgenheit auf. An ein Angenommenwerden bei Gott ohne Reue. An einen Gott, der blindlings die Böswilligen segnet.

„Haltet ihr denn dies Haus, das nach meinem Namen genannt ist, für eine Räuberhöhle?“ Mit Gott als dem Oberräuber und väterlichen Beschützer eines Volkes mit räuberischen Qualitäten? Nein, wer so denkt, kennt den Namen Jahwe nicht. Wer sich so in Sicherheit wiegt, weiß nicht, wer Gott ist. Wer meint, so viel Dreistigkeit bliebe ohne Folgen, hat sich ein grundfalsches Gottesbild zurechtgeschustert. Sieh dir das Heiligtum Silo in Nordisrael an: schon längst in Blut und Feuer untergegangen. So wird der glänzende Tempelbau hier in Blut und Feuer untergehen: die Räuberhöhle, die nichts anderes verdient hat.

Trotz dieser Gerichtsandrohung gelingt es der Jeremiapredigt nicht, der großen Mehrheit eine räubermäßige Sicherheit ohne Einsicht und Umkehr auszutreiben. Ist die falsche Sicherheit Gott gegenüber erst einmal in die Köpfe eingesickert, lässt sie sich nur schwer wieder herauskriegen. „Ich bin doch getauft, Herr Pfarrer, was reden sie denn von Bekehrung?“ „Ich bin ein ehrlicher Bürger, aber das Finanzamt muss nicht alles wissen.“ „Ich bin für die Nächstenliebe, aber meine geschiedene Frau mit den Kindern soll gefälligst selbst ihren Unterhalt verdienen.“ Gott wird schon Verständnis haben. Gott ist locker-liberal. Gott ist doch der Immer-liebe-Gott. Nein, ist er nicht. Diese Vorstellung ist das moderne Götzenbild, das in die Kirche eingeschleppt wird. Gezielt eingeschleppt von einer falschen Theologie. „Verlasst euch nicht auf Lügenworte, wenn sie sagen“: „Hier ist die wahre Kirche, die freie Kirche, die zeitgemäße Kirche. Hier ist die Kirche, die die Gebote auch mal ändern und anpassen kann, so dass Gotteslästerung kein Problem mehr ist, die Eltern nicht mehr so wichtig und die Ehe zwischen Mann und Mann normal. Hier ist die Kirche, die niemanden ein schlechtes Gewissen macht und keinem mehr mit einer überholten Vorstellung von einem Gericht Gottes droht.“

Einspruch: „Verlasst euch nicht auf Lügenworte“! Verlasst euch nicht auf eine konstruierte Theologie, die es jedem recht machen will! Meint nicht, man könne ohne Reue und Umkehr bei Gott zuhause sein! Gebt eure Räubersicherheit auf!

3. Ich überwinde eure Räuberverlorenheit.

Diese Zusage Gottes leuchtet aus der Bußpredigt Jeremias heraus. „Bessert euer Leben und euer Tun, so will ich bei euch wohnen an diesem Ort.“ Gott will nicht nur mahnen. Gott will keine Gerichtszeit mit Tempelzerstörung heraufbeschwören. Gott will eigentlich eine WG, eine Wohngemeinschaft mit seinem geliebten Volk. Gott will mitmischen im Gottesdienst, in dem die Psalmen zu seiner Ehre gesungen werden. Er will mitgehen im Alltag, in dem er Kraft zum Wasserholen, Pflügen und Erziehen gibt. Die Zusage wird in verstärkter Form wiederholt: „So will ich immer und ewig bei euch wohnen an diesem Ort.“

Aber das hat ja nicht wirklich funktioniert, wenn der Tempel ein erstes Mal 587 vor Christus und ein zweites Mal 70 nach Christus zerstört wurde, oder? Nein, hat nicht wirklich funktioniert. Die Anbeter des Gottes Israels fielen immer wieder in alte Verhaltensmuster zurück. Die Wohn- und Lebensgemeinschaft war für Jahwe, den Herrn, immer wieder zutiefst belastet und gestört. Deshalb machte er sich auf den Weg, um die Störungen auszuräumen. Jesus, der Gottessohn, fegte energisch durch den Tempel und zitierte Gottes Wort: „Wie kommt ihr dazu, aus meinem Bethaus eine Räuberhöhle zu machen?“ Jesus, der Mensch, wurde in Sichtweite des Tempels gekreuzigt, zur Sühnung und Tilgung einer langen Schuldgeschichte. Jesus, der Herr, erklärte seinen Jüngern, dass er einen neuen Tempel baue. Wo zwei oder drei versammelt seien, da sei er mitten unter ihnen.

Jetzt wohnt Gott im Bethelsaal. Jetzt wohnt Gott auf der Hensoltshöhe. Jetzt wohnt Gott in jedem Weltwinkel, in dem ein Christ seine Bibel liest, niederkniet und um Vergebung seiner Sünden bittet. Eine dauerhafte Wohn- und Lebensgemeinschaft beginnt, die immer tiefer und schöner wird, bis wir im himmlischen Jerusalem wohnen, gemeinsam mit den zwölf Stämmen Israels, die dann endlich ihren Messias erkannt haben werden. Das Ende einer wahren Räuberverlorenheit!

Sie wird gefeiert auch beim Treffen der Indianerhäuptlinge in Brasilien. Mit bemaltem Oberkörper, Federschmuck und stampfendem Tanz singen sie ihre Loblieder: Dynamischer Dank von ganzem Herzen dafür, dass die Ahnengeister nicht mehr bei ihnen wohnen. Sondern Jesus.

Er kommt auch durch die Predigt von Jeremia 7 zu uns: Ändert euer Räuberleben! Gebt eure Räubersicherheit auf! Ich überwinde eure Räuberverlorenheit! Amen.

Pfr. Dr. Tobias Eißler, Gunzenhausen

4.8.2013 (10. Sonntag nach Trinitatis)

 

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 19. August 2013 um 16:40 und abgelegt unter Predigten / Andachten.