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Ehegattensplitting: Reformpläne benachteiligen Familien mit Kindern

Dienstag 25. Januar 2011 von Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e. V.


Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e. V.

Das Ehegattensplitting hat einen schlechten medialen Ruf: Es diskriminiere Unverheiratete und erwerbstätige Mütter und begünstige stattdessen die antiquierte „Hausfrauenehe“ monieren seine Kritiker. Regelmäßig fordern politische Parteien, Interessengruppen und Organisationen wie die OECD diese Regelung zu reformieren oder abzuschaffen (1). Doch worum geht es dabei? Das deutsche Steuerrecht ermöglicht es Ehegatten, zwischen einer individuellen Besteuerung ihres Einkommens und einer Zusammenveranlagung mit Splittingtarif zu wählen. Nach dem Splittingtarif werden alle Einkünfte der Eheleute zusammengerechnet, das zu versteuernde Einkommen halbiert und für die Hälfte dieses Einkommens die Steuerschuld berechnet. Diese Steuerschuld wird dann verdoppelt (2).

Diese Besteuerung behandelt die zusammenlebenden Ehepartner als eine Gemeinschaft des Erwerbs und des Verbrauchs, in der beide Partner gleichberechtigt am wirtschaftlichen Erfolg, aber auch an den Lasten des anderen beteiligt sind. Über die Aufteilung der Familien- und Erwerbsarbeit, über Konsum und Ersparnis entscheiden die Ehepaare frei und einvernehmlich. Nähere Angaben an die Steuerbehörden über die Aufteilung von Einkünften und Vermögen der Eheleute erübrigen sich. Dadurch schützt das Splittingverfahren die Privatsphäre von Ehepaaren. Im Ergebnis verhindert es, dass Ehepaare mehr Steuern zahlen müssen als Unverheiratete (3).

Immer wieder bemängeln Kritiker, dass durch dieses Verfahren vor allem Alleinverdiener mit hohen Einkünften entlastet würden. Sie übersehen dabei, dass Bezieher hoher (Kapital)Einkünfte ohnehin Teile ihres (Vermögens)Einkommens, z.B. durch Nutzungsüberlassungen in Unternehmensgesellschaften, auf ihren Partner übertragen können. Das Ehegattensplitting unterstützt auch Arbeitnehmer-Ehepaare mit geringeren Einkünften, indem es ihnen ermöglicht, als Erwerbsgemeinschaft besteuert zu werden (4). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist das Ehegattensplitting deshalb keine Steuervergünstigung für Ehepaare, sondern eine dem Schutzgebot des Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes entsprechende und an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientierte sachgerechte Besteuerung von Ehepaaren (5).

Kritiker der gemeinsamen Besteuerung von Ehepaaren behaupten immer wieder, dass auch kinderlose Ehen von dem Splittingvorteil profitierten. Kinderlose Ehen sind allerdings viel seltener als oft vermutet wird: Weniger als zehn Prozent der verheirateten Frauen im Alter von 40- 44 Jahre sind kinderlos (6); in neun von zehn Fällen kommt ein Splittingvorteil also von vornherein Paaren mit Kindern zugute. Steuerlich entlastend wirkt das Splittingverfahren, wenn die Partner unterschiedlich hohe Einkommen erzielten. Dies ist typischerweise dann der Fall, wenn ein Ehepartner in Vollzeit, der andere dagegen in Teilzeit oder gar nicht erwerbstätig ist. Die amtliche Statistik aber zeigt: Mehr als 80 Prozent der verheirateten kinderlosen Frauen um die 40 Jahre sind erwerbstätig, meistens sogar in Vollzeit (7). In kinderlosen Ehen sind also in der Regel beide Partner in Vollzeit beschäftigt, so dass der „Splittingvorteil“ für sie keine Rolle spielt.

Umso bedeutsamer ist er dagegen für kinderreiche Eltern: Mehr als 80 Prozent dieser Eltern sind verheiratet. Von diesen Paaren mit drei und mehr Kindern lebt die Mehrheit das „traditionelle“ Alleinverdienermodell. Sofern kinderreiche Mütter doch erwerbstätig sind, gehen sie wiederum mehrheitlich einer Teilzeitbeschäftigung nach (8). Das Ehegattensplitting vermindert die Steuerlast dieser Familien beträchtlich; im Verbund mit dem Kindergeld und der Familienmitversicherung in der Krankenversicherung trägt es dazu bei, dass Familien der Mittelschicht mit mehreren Kindern zumeist noch einen erträglichen Lebensstandard aufrechterhalten können (9). Genau dies stört Arbeitsmarktlobbyisten, die Familienarbeit für eine „Vergeudung von Humankapital“ halten, ebenso wie Neo-Etatisten, die gegen die Vererbung sozialer Vorteile durch die familiäre Erziehung kämpfen. Durch „Reformen“ des Ehegattensplittings wollen sie den finanziellen Druck auf Familien erhöhen, um ihr gemeinsames Ideal des Doppelverdienerpaares mit ganztägig in öffentlichen Institutionen betreutem Kind als neues „gesellschaftliches Bild von Normalität“ durchzusetzen (10).

 

(1) Jüngstes Beispiel hierfür sind die Vorschläge der SPD in ihrem „Fortschrittspapier“ vom Ehegattensplitting „auf eine steuerliche Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf umzusteigen“, was die sozialdemokratischen Juristen nicht als eine Steuererhöhung, sondern als eine „fairere Lastenverteilung“ verstanden wissen wollen. Siehe: ASJ: CDU irrt. Das Grundgesetz schützt die Ehe, nicht aber das Ehegattensplitting! Pressemitteilung vom 19.1.2011, http://www.spd.de/aktuelles/Pressemitteilungen/8284/20110119_asj_ehegattensplitting.html.

(2) Die Ehepaare zahlen demnach das Zweifache des Steuerbetrags, der sich für die Hälfte des gemeinsam zu versteuernden Gesamteinkommens ergibt. Kurz und informativ zum geltenden Verfahren wie zu den „Reformmodellen“: Franziska Brand: Bestehende Regelung des Ehegattensplittings und aktuelle Reformvorschläge, Deutscher Bundestag. Wissenschaftliche Dienste, Aktueller Begriff Nr. 15/07 vom 21.3.2007.

(3) Vgl. Dr. Hermann Otto Solms: Das Ehegattensplitting – verfassungsrechtlich und gesellschaftspolitisch richtige Besteuerung der Ehe, in: Programmheft zum Symposium Ehegattensplitting und Familienpolitik an der Universität Hohenheim vom 31.1.-1.2.2007.

(4) Vgl.: Prof. Dr. Christian Seiler: Verfassungs- und systemgerechte Besteuerung von Ehe und Familie – Bestandsaufnahme und Reformerwägungen, in: Programmheft zum Symposium Ehegattensplitting und Familienpolitik an der Universität Hohenheim vom 31.1.-1.2.2007.

(5) Vgl.: BVerfG, Urteil vom 3. 11. 1982 – 1 BvR 620/ 78.

(6) Siehe hierzu Abbildung unten: „Kinderlose Ehen. Ehe und Mutterschaft“.

(7) Vgl.: Stefan Fuchs: Stellschraube Steuern. Erwerbstätigkeit gegen Familienarbeit (2), http://www.erziehungstrends.de/node/543.

(8) Siehe hierzu: http://www.i-daf.org/335-0-Wochen-39-40-2010.html, insbesondere die Abbildung „Doppelverdiener-Leitbild vs. Wirklichkeit“

(9) Siehe: Stefan Fuchs: Stellschraube Steuern. Erwerbstätigkeit gegen Familienarbeit (2).

(10) Programmatisch formulierte diesen Anspruch 2002 der elfte Kinder- und Jugendbericht: „Auf die unzureichende Kinderbetreuung und Bildung als Ausdruck mangelhaft wahrgenommener öffentlicher Verantwortung für das Aufwachsen von Kindern wurde in dem Bericht mehrfach hingewiesen. Weder die infrastrukturellen Rahmenbedingungen noch ein gesellschaftliches Bild von Normalität im Hinblick auf außerhäusliche bzw. anders als privat organisierte Betreuung und Bildung von Kindern sind heute ausreichend vorhanden bzw. gültig. Dies durchzusetzen, kann nicht nur Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe sein, sondern ist Aufgabe der Jugendpolitik und darüber hinaus der gesamten Gesellschaftspolitik“. Siehe: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland (Elfter Kinder- und Jugendbericht), Berlin 2002, S. 252.

Zu den „Reformmodellen“ der Ehebesteuerung: Stefan Fuchs: Stellschraube Steuern. Erwerbstätigkeit gegen Familienarbeit (2), http://www.erziehungstrends.de/node/545.

IDAF Nachricht der Wochen 3-4 / 2011-01-21

 

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Dienstag 25. Januar 2011 um 19:58 und abgelegt unter Ehe u. Familie, Gesellschaft / Politik.