Gemeindenetzwerk

Ein Arbeitsbereich des Gemeindehilfsbundes

Der Ukrainekrieg – die grosse Ernüchterung und die Zuverlässigkeit biblischer Prophetie (2022)

Donnerstag 3. August 2023 von Pastor Johannes Pflaum


Pastor Johannes Pflaum

Was wir aus den aktuellen Entwicklungen für unser persönliches Leben, über die biblische Prophetie und im Hinblick auf die Zukunft lernen können.

Mit der russischen Invasion in der Ukraine zerplatzte für grosse Teile der westlichen Welt eine Traumblase, die sich durch all die Jahre des äusseren Wohlstands und Friedens gebildet hatte. Auch manche bekennenden Christen sahen sich plötzlich mit der harten Wirklichkeit einer gefallenen Menschheit konfrontiert, die zuvor im Dunst des Mainstreams und Wohlfühlgesäusels verborgen war. Es gab schon vor dem Ukrainekrieg und es gibt auch weiterhin genügend andere furchtbare Krisenherde auf unserem Planeten. Trotz verschiedener Terroranschläge und Erschütterungen in den letzten Jahren schien aber in Westeuropa vieles so weit entfernt. Auch als Nachfolger Jesu standen wir in der Gefahr, uns von der materiellen und ideologischen «Friedenspfeife» geistlich benebeln zu lassen. Gottes Wort ruft dagegen immer zur Nüchternheit auf, ganz besonders im Hinblick auf die letzte Wegstrecke, vor der Wiederkunft Jesu. Der Apostel Paulus schrieb der Gemeinde in Rom:

«Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses; so ist nun die Liebe die Erfüllung des Gesetzes. Und dieses sollen wir tun als solche, die die Zeit verstehen, dass nämlich die Stunde schon da ist, dass wir vom Schlaf aufwachen sollten; denn jetzt ist unsere Errettung näher, als da wir gläubig wurden. Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber ist nahe. So lasst uns nun ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts! Lasst uns anständig wandeln wie am Tag, nicht in Schlemmereien und Trinkgelagen, nicht in Unzucht und Ausschweifungen, nicht in Streit und Neid; sondern zieht den Herrn Jesus Christus an und pflegt das Fleisch nicht bis zur Erregung von Begierden!» (Röm 13,10-14).

Paulus stellt hier geistliche Wachsamkeit einem träumenden Schlafzustand gegenüber. Er macht deutlich, wie sich dies im praktischen Leben auswirkt. Dabei ruft er die Jesusnachfolger auf, die Zeit zu verstehen. Der nahe Tag soll dazu führen, dass wir unser Leben von dort her bestimmen lassen. Ohne zu spekulieren, wie sich alles entwickelt, sind die Ereignisse rund um die Ukraine auch für uns in Westeuropa ein Weckruf, unser Leben neu auf Christus und sein Kommen auszurichten.

Als 1989 die deutsche Mauer und damit auch der eiserne Vorhang fielen, sah ein ganzer Teil von bibelgläubigen Christen darin die Anbahnung von letzten Entwicklungen vor der Wiederkunft Jesu. Kurz zuvor hatte der Konflikt rund um und in Israel durch die erste Intifada eine neue Dimension bekommen. Zunächst hielt man im Zusammenhang mit dem ersten Irakkrieg noch einmal die Luft an. Dann begann für ca. drei Jahrzehnte eine Entwicklung, mit der damals auch viele Jesusnachfolger nicht gerechnet hatten. Alles lief scheinbar ruhig und harmonisch weiter. Der Wohlstand und der Wellnessboom setzten sich trotz aller «Dellen» und Schrecken (zweiter Irakkrieg, 9/11 usw.) sowie zwischenzeitlicher Börsenturbulenzen weiter fort. Europa genoss durch den Wegfall des Eisernen Vorhangs eine wohl einmalige Glaubensfreiheit in der Geschichte. Dadurch machten sich ein gefährliches Einlullen und eine geistliche Schläfrigkeit breit. Irgendwie schien alles immer gut weiterzugehen. Im Nahen Osten und in Israel gab es zwar Spannungen, grausame Anschlagsserien und militärische Konflikte, aber es beruhigte sich ja auch alles wieder mehr oder weniger. Waren nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Staatsgründung Israels die berechtigten Endzeitserwartungen auch manchmal über das Ziel hinausgeschossen, so kippte nun bei vielen das Ganze ins Gegenteil. Wiederkunft Jesu Ja, aber vielleicht auch erst in ein paar Hundert oder sogar Tausend Jahren. Wer kann das schon sagen? Schliesslich lief äusserlich scheinbar alles gut weiter. Die Gefahr wuchs, dass eine echte Naherwartung einer theologisch-theoretischen Betrachtung des Themas wich. Das fühlt sich dann in etwa so an, wie wenn man am gemütlichen Südseestrand über die ferne Arktis philosophiert.

1991 fand ein charismatischer Gemeindekongress in Nürnberg statt. Es ist mir noch gut in Erinnerung, wie Peter Wagner damals davon sprach, dass mit der Wiedervereinigung Deutschlands nun eine neue Welle der Erweckung über Europa käme. Ebenso ist mir noch gegenwärtig, wie diese schwärmerischen Sätze mit einem euphorischen Applaus quittiert wurden. Das äussere Lebensgefühl der letzten Jahrzehnte hat wohl auch unter den Evangelikalen mehr und mehr zu einer Ausbreitung der transformatorischen Theologie geführt. Anstatt die Hoffnung auf die nahende Wiederkunft Jesu zu setzen, geht es nun zunehmend um die Veränderung der Gesellschaft, Kultur und sogar der Weltbevölkerung – alles unter der Chiffre vom «Reich Gottes». Auch ein soziales Evangelium begann sich zunehmend auszubreiten, zu Lasten der kompromisslosen Botschaft von Himmel und Hölle. Drei Jahrzehnte nach dem Nürnberger Kongress hat es keine von Deutschland ausgehende Erweckung in Europa gegeben. Stattdessen ist Deutschland zum Taktgeber und Vorreiter der Zerstörung der letzten jüdisch-christlichen Grundwerte in Europa geworden. Es trat genau das Gegenteil von dem ein, was damals in Nürnberg «prophezeit» wurde. Bei einer nüchternen Betrachtung ist der Abfall von Gott und seiner Wahrheit (2Thess 2,3), der dem Auftreten des Antichristen und der Wiederkunft Jesu vorausgeht, auf allen Ebenen greifbar geworden.

Unvergessen ist mir ebenso, wie durch den Kollaps der UdSSR und der damit zusammenhängenden Demokratisierung grosser Teile Osteuropas selbst von manchen bibelgebundenen Christen eine prophetische und eschatologische Perspektive «flussabwärts» geschickt wurde. Eine wichtige Bedeutung Russlands für die endzeitlichen Ereignisse schien sich mit dem Zusammenbruch des Imperiums erledigt zu haben. Wie schon erwähnt, gab es in all den Jahren zahlreiche grausame Konflikte auf dieser Welt. Nur war dies alles für uns in Westeuropa irgendwie in weite Ferne gerückt, genauso wie das Thema der Wiederkunft Jesu. Damit verbunden nahm auch die geistliche «Sehschärfe» ab, um die schleichende Durchdringung der westlichen Gesellschaft mit der Ideologie des Neomarxismus umfassend zu erkennen. Die damit verbundene Zersetzung der Ethik wurde zwar hier und da registriert, aber nicht als so gravierend eingestuft. Schliesslich sind die persönlichen Freiheiten und der Wohlstand ja noch gegeben.

Als dann im Frühjahr 2020 die Coronakrise losbrach, wurde mit einem Mal deutlich, wie zerbrechlich die doch als so «sicher» geltenden Verhältnisse sind. Trotzdem hofften und dachten viele, dass dies nur ein vorübergehendes Szenario wäre und dann alles wieder würde wie es war. Der aufleuchtende Abbau verfassungsverankerter Freiheiten und die damit einhergehende zunehmende Überwachung wurden durch die systematische Panikmache und Sorge um die persönliche Gesundheit von vielen verdrängt. Der russische Überfall auf die Ukraine, Ende Februar 2022, überraschte ebenfalls viele. Obwohl das Ganze sich schon 2014 abzuzeichnen begann, wollte man die Realitäten einfach nicht sehen. Politiker sprechen seither von einer Zeitenwende. Aus biblischer Perspektive erleben wir aber keine Zeitenwende, sondern die Fortsetzung der Geschichte einer gottfernen Menschheit. Dazu gehört das stetige Wechselspiel von Krieg und Friede, relativer Ruhe und Gewalt, Hassen und Leben lassen, vom Kleinen bis ins Grosse. Um die obenstehenden Bibelverse aufzugreifen, geht es eher um Ernüchterung aus einem traumhaften Zustand. Wir können es auch anders formulieren: «Willkommen in der Realität einer gefallenen Menschheit.» Sind wir uns dies als bibelgläubige Christen bewusst oder fallen wir nach einem kurzen Zusammenzucken in den Schlafzustand mit seinen Träumereien zurück?

Für all die Jahre des äusseren Friedens und der Glaubensfreiheit in West- und dann auch Osteuropa wollen wir dankbar sein. Wie erwähnt handelt es sich dabei um eine einmalige Epoche in der Geschichte. Zugleich darf aber auch die traurige Realität hinter dem Nebelvorhang der äusseren Umstände nicht vergessen werden. Stellvertretend für diese Realität möchte ich die legalisierte Tötung des ungeborenen Lebens im Mutterleib nennen. Auf diese Weise werden jährlich Tausende Ungeborene in der Schweiz und Zehntausende in Deutschland umgebracht. Hier könnte noch eine Palette anderer ethischer Themen erwähnt werden. Ein dankbarer Blick auf diese einmalige Zeit der Glaubensfreiheit und des Wohlstands muss deshalb immer mit einer kritischen Selbstprüfung in Bezug auf das Versagen von uns bibelgläubigen Christen verbunden sein.

Durch die Entwicklungen der letzten Jahre und mit dem offenen Ausbruch des Ukrainekriegs wurde deutlich, dass die von manchen «ausrangierte» biblische Prophetie von einer sehr wahrscheinlichen endzeitlichen Bedeutung Russlands (vgl. Hes 38 u. 39) nach wie vor aktuell ist. Die biblische Prophetie sieht hier den Fürsten und das Land aus dem äussersten Norden im Zusammenhang mit Israel. Interessanterweise haben sich durch den Ukrainekrieg auch neue Spannungen zwischen Russland und Israel ergeben. Daran können wir erkennen, wie schnell sich Konstellationen verändern und nicht mehr für «zeitgemäss» gehaltene biblische Vorhersagen brandaktuell erscheinen. Leider gab es zu dem Thema rund um Russland und die Prophetie auch manche Spekulationen, die abzulehnen sind. Das muss aber von den grundsätzlichen Linien biblischer Prophetie und ihrer Bedeutung sauber differenziert werden. Die Teile der evangelikalen Bewegung, die durch die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte eine heilsgeschichtliche Eschatologie zunehmend liquidierten, erlagen demselben Fehler, den sie oft «eigenwilligen Endzeitspropheten» vorwarfen: Die Bibel nur aufgrund des aktuellen Geschehens verstehen zu wollen.

Aus dem Blickwinkel der biblischen Prophetie war es seit dem Ende des Kalten Krieges klar, dass die Abrüstung in Europa nur ein Zwischenspiel sein würde. Denn zu den Kennzeichen einer von Gott gelösten Menschheit gehören Unfrieden und Streit (vgl. Röm 3,15-17), wie schon oben erwähnt. Echten Frieden wird allein der wiederkommende Herr schaffen (vgl. Jes 9,5). Erst dann, und nicht zuvor, wird das sichtbare Reich Gottes beginnen und werden Schwerter zu Pflugscharen (Mi 4,2). Zudem spricht die biblische Prophetie davon, dass die Zeit vor der Wiederkunft Jesu von zunehmenden Kriegen, bewaffneten Konflikten und Terror erschüttert wird (vgl. Mt 24,7; Lk 21,11; Offb 6,2.4.8. etc.). Auch die noch kommende Phase unter dem Scheinfrieden des Antichristen mündet am Ende in eine beispiellose Aufrüstung. Der Prophet Joel spricht davon, dass am Ende die Nationen sogar ihre Pflugscharen zu Schwertern umschmieden werden (Joe 4,10). Wir sehen heute die Zuverlässigkeit des prophetischen Wortes einerseits und andererseits, wie sich über Nacht sicher geglaubte Umstände ändern können. Die letzten eschatologischen Entwicklungen werfen ihren Schatten voraus.

Auch eine weitere Prophetie hat durch die Entwicklungen der letzten Jahre und rund um die Ukraine ihren Schatten vorausgeworfen. In 1. Thessalonicher 5,3 steht: «Wenn sie nämlich sagen werden: ‹Friede und Sicherheit›, dann wird sie das Verderben plötzlich überfallen wie die Wehen eine schwangere Frau, und sie werden nicht entfliehen.»

Viele Staaten in Westeuropa wurden durch den Ausbruch des Krieges auf dem bekannten falschen Fuss erwischt. Im Handumdrehen zeichnet sich nach Jahren der Abrüstung nun eine neue Aufrüstungsspirale ab. Es stimmt ausserdem sehr nachdenklich, wie scheinbare Pazifisten über Nacht zu Rüstungsbefürworten wurden.  Genauso wird es auch vor der Wiederkunft Jesu kommen. Möglicherweise sind wir dieser Zeit viel näher als wir meinen.

So sind die Entwicklungen rund um die Ukraine ein Weckruf an die Gemeinde Jesu. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden wir in der nahen Zukunft noch mehr überraschende und weitreichende Entwicklungen erleben. Dankbar dürfen wir für alles äussere Gute sein, das wir immer noch haben. Auch bei schmerzhaften Abstrichen an unserem Wohlstand geht es uns im weltweiten Vergleich noch unverdient gut. Wir sollen uns aber davon nicht blenden und einnebeln lassen angesichts der Entwicklungen, die uns umgeben. Alles deutet darauf hin, dass sich das Weltgeschehen auf der Zielgerade hin zur Wiederkunft Jesu befindet und sich die Entwicklungen rasant beschleunigen.

Vom Schlaf aufzustehen beinhaltet auch, dass unser Leben ganz neu von Christus geprägt wird und wir es im Bewusstsein seines baldigen Kommens führen. «Unser Herr kommt bald!» Dabei geht es nicht um Spekulationen oder Berechnungen, sondern um einen Unterschied im praktischen Leben, von dem Paulus auch in der zitierten Römerstelle spricht. Wenn schon damals die Nacht vorgerückt und der Tag nahe war, wieviel näher muss er dann erst heute sein?

Johannes Pflaum


Quelle:

Mitternachtsruf 11-2022, S. 26 bis 29.

Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 3. August 2023 um 6:00 und abgelegt unter Allgemein, Gesellschaft / Politik, Israel.