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Europa, Asien, Amerika – Alterung ist ein globales Phänomen

Montag 5. Januar 2009 von Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e. V.


Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e. V.

Europa, Asien, Amerika – Alterung ist ein globales Phänomen

Dass die Bevölkerungen in Europa und insbesondere Deutschland als Folge des Mangels an Geburten mit großer Geschwindigkeit altern und in den kommenden Jahrzehnten zunehmend auch schrumpfen werden, ist mittlerweile allgemein bekannt (1). In der Publizistik ist dabei gelegentlich noch die Meinung zu finden, dass die Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung ein spezifisch europäisches Phänomen sei und die Bevölkerungen der anderen Kontinente aufgrund starker Jugendjahrgänge weiter dynamisch wachsen würden. Tatsächlich ist der Rückgang der Geburten und die ihm folgende Alterung aber ein weltweit zu beobachtendes Phänomen: Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Regionen mit einem Geburtenniveau unterhalb des sog. Bestandserhaltungsniveaus von etwa zwei Kindern pro Frau (2). Ein „Sonderfall“ ist Europa nur insofern als hier die Geburtenraten besonders früh unter das „Bestandserhaltungsniveau“ gesunken sind. In großen Teilen Europas einschließlich Deutschlands, ist die Geburtenrate zwischen 1965 und 1975 von 2,2 bis 3 Kindern auf ein Niveau von etwa 1,3 bis 1,8 Kindern pro Frau gesunken (3). In anderen Regionen der „westlichen Welt“ war der Geburtenrückgang noch ausgeprägter: In Kanada ist die Geburtenrate zwischen 1960 und 2002 von 3,8 Kindern auf 1,6 Kinder eingebrochen (4).

Wiederum noch stärker als in der westlichen Welt sind in den letzten Jahrzehnten die Geburtenziffern in vielen Ländern Asiens zurückgegangen: In Thailand ist die Geburtenrate zwischen 1970 und 2007 von 5 auf 1,87 Kinder pro Frau gefallen. In Japan erreichte sie schon 1975 nur knapp den Generationenersatz und ist seitdem weiter auf 1,3-1,4 Kinder pro Frau gesunken. In China waren in den 70er Jahren noch sehr hohe Geburtenzahlen von etwa 5 Kindern pro Frau zu verzeichnen, heute liegt die Geburtenrate durchschnittlich noch bei etwa 1,7 Kindern (5). Verantwortlich hierfür ist nicht nur die rigorose „Ein- Kind- Politik“ der Regierung, sondern auch die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Denn nicht nur in China, sondern auch auf dem indischen Subkontinent sind zeitgleich Prozesse der wirtschaftlichen Modernisierung und ein Rückgang der Fertilität zu beobachten: So liegen in Indien in einigen Regionen im Süden des Landes die Geburtenraten mittlerweile unter dem Generationenersatz, in der Provinz Kerala sogar bei nur 1,7 Kindern (6). In umgekehrter Weise zeigt sich die Bedeutung der wirtschaftlichen Entwicklung für die Fertilität in den ärmsten Ländern in Afrika südlich der Sahara: Die Geburtenraten verbleiben hier mangels sozialen Fortschritts auf hohem Niveau. Im Gegensatz zu Armut und Unterentwicklung verhindert auch eine islamisch geprägte Kultur nicht, dass die Geburtenzahlen fallen: So hat der Iran – wie der Wiener Demograph Wolfgang Lutz feststellt – „in den vergangenen 20 Jahren „den schnellsten Fertilitätsrückgang der Menschheitsgeschichte“ erlebt: von 7,0 Kindern pro Frau 1985 auf nur 1,8 Kinder im Jahr 2006 (7).

Nicht nur der Wandel des Geburtenverhaltens, auch die Zunahme der Lebenserwartung vollzieht sich in der früher sog. „Dritten Welt“ sehr viel schneller als in den „klassischen“ Industrienationen (8). Geburtenrückgang und steigende Lebenserwartung beide Entwicklungen führen dazu, dass der Anteil der Älteren an der Bevölkerung rasch zunimmt in Asien und Lateinamerika noch stärker als in Europa und Nordamerika (9). Die Industrieländer sind in den letzten Jahrzehnten auf dem Weg der Alterung bereits vorangeschritten und werden noch weiter altern. Versuche die Folgekosten der Alterung für ihre sozialen Sicherungssysteme zu bewältigen sind mittlerweile zum zentralen Anliegen der Politik in diesen Ländern geworden. Viele der einstigen „Entwicklungsländer“ folgen ihnen nun auf dem Weg der Alterung mit einer rasanten Geschwindigkeit. Sie werden schon sehr bald und noch viel intensiver mit den sozialen Folgen der Alterung zu kämpfen haben.

(1) Neben dem Geburtenrückgang ist auch die gestiegene Lebenserwartung eine weitere Ursache der Alterung. Der Hauptgrund für die Alterung ist aber die „Unterjüngung“ der Gesellschaft als Folge des abnehmenden Anteils von Kindern und Jugendlichen an der Bevölkerung.

(2) Vgl.: Wolfgang Lutz et al: Beschleunigte Alterung weltweit. Europa: Schon bald mehr als ein Drittel der Bevölkerung über 60 Jahre alt, S. 1-2, in: Demographische Forschung – Aus Erster Hand, Nr. 2 / 2008, S. 1.

(3) In den südeuropäischen Ländern setzte der Rückgang der Geburten etwa zehn Jahre später und in Osteuropa nach 1990 ein und führte zu Geburtenraten von 1,2-1,5 Kindern pro Frau. Vgl.: Sachverständigenkommission Siebter Familienbericht: Familie zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit, München 2005, S. 32./Österreichisches Institut für Familienforschung: Familie in Zahlen, Wien 2006, S. 16.

(4) Im selben Zeitraum ist die Frauenerwerbsquote in Kanada von nur 30 Prozent der Frauen auf 70 Prozent gestiegen. Vgl.: Henriette Engelhardt/ Alexia Prskawetz: Familie und Beruf immer noch schwer zu vereinbaren. Europäische Länder unterstützen Frauen unterschiedlich, S. 1-3, in: Demographische Forschung – Aus Erster Hand, Nr. 3 2005, S. 1.

(5) http://www.berlin-institut.org/online-handbuchdemografie/entwicklung.html

(6) Bernhard Gückel: Ein Blick in die demographische Zukunft Indiens: Wie wird sich die Bevölkerungszahl Indiens künftig entwickeln? In: BIB-Mitteilungen – Informationen aus dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, 4 – 2007, S. 24-25.

(7) Vgl.: Wolfgang Lutz et al: Beschleunigte Alterung weltweit, op.cit. S. 2.

(8) In den Industrienationen hat die Lebenserwartung seit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts jährlich im Durchschnitt um 2,5 Monate zugenommen. In den Entwicklungs- und Schwellenländern ist sie dagegen in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts jährlich um durchschnittlich 5,3 Monate gewachsen. Paul S. Hewitt: Die Geopolitik des globalen Alterungsprozesses, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23.3.2004, bitte hier klicken

(9) Siehe Abbildung unten: Alterung der Weltbevölkerung – „Entwicklungsländer“ altern besonders rasch.

alterung_der_weltbevölkerung

30.01.2009

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 5. Januar 2009 um 9:55 und abgelegt unter Demographie.