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Hirtenwort zur Fastenzeit 2009

Mittwoch 11. März 2009 von Erzbischof Janis Vanags


Erzbischof Janis Vanags

Hirtenwort zur Fastenzeit

Der Friede Christi regiere in euren Herzen (Kol. 3, 15).

Mindestens seit dem 8. Jahrhundert markiert der Aschermittwoch den Beginn des großen vierzig Tage langen vorösterlichen Fastens. Im Gottesdienst am Aschermittwoch pflegt man, die Gemeindeglieder auf der Stirn mit einem Kreuz aus geweihter Asche zu bezeichnen, die man durch das Verbrennen der Äste der Palmen vom Palmsonntag des vergangenen Jahres gewonnen hat. Dabei werden die Worte gesprochen: „Gedenke, Mensch, daß du aus Staub und Asche bist, und wieder dorthin zurückkehren mußt.“ Wir können uns des morgigen Tages nicht sicher sein, denn eine Krise, Krankheit, eine ungerechte oder wahnsinnige Macht, ein Unfall oder der plötzliche Tod können uns sehr schnell das Leben rauben. Das können wir selbst nicht beeinflussen. Dennoch möchte diese Mahnung des Aschermittwochs uns keine Furcht oder Minderwertigkeitskomplexe einflößen, sondern uns die Wirklichkeit erkennen lassen. Unsere materielle Existenz ist sehr zerbrechlich und den Prozessen des Zerfalls unterworfen. Doch der Aschermittwoch leitet nicht die Vorbereitung auf den Tod, sondern auf Ostern, den Tag der Auferstehung Christi ein, an dem Gott seinen Sieg über die endgültige Form des Zerfalls – den Tod und das Grab – zeigte. Am Aschermittwoch betrachten wir unsere Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit, um deutlicher zu erkennen, daß wir geistige Wesen sind, geschaffen nach Gottes Bild und Gleichnis. Wir sind nicht nur vergängliche und sterbliche Menschen in den Händen irgendeiner Macht oder Vorbestimmung. Christi Sieg über den Tod bewirkt es, daß die Zukunft und die Zugehörigkeit seiner Leute nicht durch langsames Sterben und Verwesen bestimmt ist, sondern durch das Leben und das Überwinden der Welt zusammen mit Christus, das sich in der Gemeinschaft mit Gott im Himmel erfüllt.

Fasten bedeutet nicht einfach, auf den Verzehr von Fleisch zu verzichten, wie man oft meint. Durch das Fasten versucht der Mensch, sein fleischliches Wesen zu überwinden, sein Essen und Trinken einzuschränken und seine schlechten Gewohnheiten und Gelüste einzuschränken, welche ihn beherrschen. Jeder kennt seine Schwächen selbst – Süßigkeiten, Alkohol, Faulheit, Unbeherrscht Sein oder anderes. Bei dem Fasten ist es wichtiger, gerade das zu bewältigen, und nicht so sehr die eigene Willenskraft anzuspannen, sondern sich mit der Beziehung der Seele zu Gott zuzuwenden – dem Gebet, der Betrachtung der Heiligen Schrift, der Gewissenserforschung, dem Sündenbekenntnis und den Sakramenten. Der Gewinn des Fastens besteht im Erfahren der Überlegenheit des Geistes über den Leib. In diesem Jahr ist das Fasten bei uns in einer sehr ungestümen Zeit eingetroffen. Der Staatspräsident muß einen neuen Regierungschef bestimmen. Das ist eine Herausforderung, aber noch mehr eine Möglichkeit. Mehr als je zuvor braucht Lettland einen Ministerpräsidenten, der nicht nur eine professionelle, sondern viel mehr eine Persönlichkeit ist, bei welcher der Geist das Fleisch mit allen seinen Anwandlungen übertrifft. Ein Mensch der geistigen und nicht nur der politischen Elite. Jetzt braucht Lettland jemanden, der sich selbst zurückzustellen und das schwere Kreuz seines Amtes auf seine Schultern zu setzen vermag, Gott zur Ehre und den Menschen zum Segen. Sollte es zu schwer sein, einen solchen zu finden, dann zeigt das nur, wie bedrohlich die Situation ist, in der wir sind.

In diesem Augenblick sollte das Volk nicht fluchen, sondern Fürbitte halten, von Gott einen Regierungschef nach Seinem Willen erbitten. Auch für den Staatspräsidenten sollten wir beten und ihm die Kraft wünschen, sich in dieser Situation als ein ehrenwerter, hoch gebildeter und mit hohen Vollmachten betrauter Staatsmann zu erweisen, der nur Gott, dem lettischen Volk und seinem Gewissen gegenüber verantwortlich ist. Daß es ihm gelingen möchte, bei seiner Entscheidung für einen neuen Regierungschef durch die vielen fordernden Stimmen hindurch auch Gottes Stimme, die Stimme des Volkes und die Stimme der Vernunft zu vernehmen. Uns allen möchte ich eine gesegnete, ernsthafte und mit geistlichem Wachstum erfülle Fastenzeit wünschen, in der wir auf einen solchen Seelenzustand zugehen, bei dem die Stimme des lettischen Volkes der Stimme Gottes und der Vernunft entspricht.

Aus: Svētdienas Rīts, Zeitung der Evangelisch-lutherischen Kirche Lettlands, Sonntag Ausgabe Nr. 8-2009 vom 27. Februar 2009 (Sonntag Invokavit). Übersetzer: Johannes Baumann

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Mittwoch 11. März 2009 um 16:52 und abgelegt unter Christentum weltweit.