Gemeindenetzwerk

Ein Arbeitsbereich des Gemeindehilfsbundes

Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag Artikel empfehlen Artikel empfehlen

„Das eine Wort Gottes…“

Montag 21. Juli 2014 von Holger Lahayne


Holger Lahayne

Zur Barmer theologischen ErklÀrung 1934

Seit der MachtĂŒbernahme Hitlers 1933 hatten die „Deutschen Christen“ innerhalb der Evangelischen Kirche des Landes eine erhebliche Macht gewonnen. Im MĂ€rz 1934 ließen sie verlauten: „In Hitler ist die Zeit erfĂŒllt fĂŒr das deutsche Volk. Denn durch Hitler ist Christus, Gott der Helfer und Erlöser, unter uns mĂ€chtig geworden.“ Ganz im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie sahen sie in Rasse, Volkstum und Nation sichtbare göttliche „Lebensordnungen“, die nach ihrem VerstĂ€ndnis auch Grundlage der Kirche sein sollten. Im Widerstand zu dieser Ideologie bildete sich im April 1934 die „Bekennende Kirche“; im Mai des Jahres trafen sich in Barmen (seit 1929 Stadtteil Wuppertals) 139 Kirchenvertreter (darunter 53 Nichttheologen) aus 25 deutschen Landeskirchen (reformierte, lutherische und unierte) zu einer ersten „Bekenntnissynode“.

Die Synode verabschiedete vor achtzig Jahren die „Theologische ErklĂ€rung zur gegenwĂ€rtigen Lage der Deutschen Evangelischen Kirche (DEK)“, meist kurz nur „Barmer theologische ErklĂ€rung“ genannt, um die „IrrtĂŒmer“ der Deutschen Christen zu widerlegen, da die theologische Grundlage der Protestanten verlassen und ihre Einheit zerstört wurde. Ihr Text wurde im Wesentlichen verfasst vom reformierten Theologen Karl Barth, der – aus der Schweiz stammend – damals in Deutschland lehrte.

Die eigentliche ErklĂ€rung (nach der Einleitung des lutherischen Pastors Hans Asmussens) besteht aus nur sechs knappen Thesen, jeweils eingeleitet von ein oder zwei Bibelworten. Es folgt die These selbst und eine entsprechende Verwerfung. Ein umfassendes Glaubensbekenntnis will die ErklĂ€rung also nicht sein, spricht vielmehr konzentriert in die damalige Situation hinein. Auf Betreiben der lutherischen Vertreter der Synode wurde der Begriff „theologische ErklĂ€rung“ gewĂ€hlt, um sie im Rang nicht mit den lutherischen Bekenntnisschriften gleichzustellen. Reformierte – wie Barth damals – haben mit neuen Bekenntnissen weniger Probleme, und so wird die ErklĂ€rung heute auch meist nur von reformierten Kirchen als Bekenntnis voll anerkannt.

Die erste These ist die bekannteste, sie legt das Fundament fĂŒr die weiteren: „Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.“ Manche wichtige Frage bleibt hier wegen der Knappheit der Formulierung offen (inwieweit ist die Hl. Schrift Wort Gottes?). Barth gelingt es aber, Grundlegendes zur Sprache zu bringen: Christlicher Glaube ist vor allem hörender Glaube; der Christ hört zuerst auf Gott, der das Wort ist, und auf Gottes geschriebenes Wort. Dieses Wort fordert Vertrauen und Gehorsam. Die Verwerfung macht dann klar, dass nichts anderes diesen Gehorsam beanspruchen darf: „Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und mĂŒsse die Kirche als Quelle ihrer VerkĂŒndigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und MĂ€chte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.“ Dies war damals gegen den Nationalsozialismus gerichtet. Heute gibt es namhafte Theologen, die die zeitgenössische Kultur zur Offenbarungsquelle erheben.

Die zweite These hat ebenfalls nichts von ihrer AktualitĂ€t verloren. Durch Christus haben wir einerseits „Zuspruch der Vergebung alle unserer SĂŒnden“, doch gleichzeitig ist er auch „Gottes krĂ€ftiger Anspruch auf unser ganzes Leben“. Der christliche Glaube kann also nicht nur im privaten KĂ€mmerlein gepflegt werden, er will all unsere Lebensbereiche bestimmten. „Wir verwerfen die falsche Lehre, als gebe es Bereiche unseres Lebens, in denen wir nicht Jesus Christus, sondern anderen Herren zu eigen wĂ€ren
“, denn wir sind immer zuerst Christus, seiner Herrschaft und AutoritĂ€t, unterstellt.

Die Thesen 3,4 und 6 beschĂ€ftigen sich mit der Kirche. Sie ist „die Kirche der begnadigten SĂŒnder“, in der Christus durch den Geist „gegenwĂ€rtig handelt“. Sie ist „mitten in die Welt der SĂŒnde“ hineingestellt und „allein sein [Christi] Eigentum“. Sie lebt „allein von seinem Trost und seiner Weisung“ (3). Die vierte These unterstreicht: „Die verschiedenen Ämter in der Kirche begrĂŒnden keine Herrschaft der einen ĂŒber die anderen
“ Daher darf es keine „mit Herrschaftsbefugnissen ausgestattete FĂŒhrer“ geben. Dies war natĂŒrlich gegen das Eindringen des FĂŒhrerprinzips in die Kirche gerichtet. Bis heute wird damit aber auch Wesentliches des evangelischen AmtsverstĂ€ndnis festgehalten: es kann durchaus eine gegliederte und gestufte Reihe von Ämter geben wie z.B. ‘zuoberst’ ein Bischof oder Superintendent, doch dieser ist anders als in der Kirche Roms nur mit einem meist zeitlich eng begrenzten Dienstauftrag ausgestattet; wie Barmen sehr gut sagt, kann von Herrschaft ĂŒber andere Glieder der Kirche im eigentlichen Sinne keine Rede sein.

Die sechste These erinnert an den „Auftrag der Kirche“: „an Christi statt“ hat sie „durch Predigt und Sakrament die Botschaft von der freien Gnade Gottes auszurichten an alles Volk“. Sie darf nicht „in den Dienst eigenmĂ€chtiger gewĂ€hlter WĂŒnsche, Ziele und PlĂ€ne“ gestellt werden. Auch dies ist heute, angesichts mancher Verwirrung um Auftrag und Zweck der Kirche weiterhin von großer Wichtigkeit.

Schließlich werden in der fĂŒnften These Wesen und Grenzen des Staates umrissen. Dieser hat die von Gott gewollte Aufgabe „unter Androhung und AusĂŒbung von Gewalt fĂŒr Recht und Frieden zu sorgen.“ Die Kirche ist fĂŒr diese „Wohltat“ dankbar. Der Staat darf jedoch nicht „einzige und totale Ordnung des Lebens werden“. Er darf nicht in den Aufgabenbereich der Kirche eindringen, und diese darf sich nicht „staatliche Aufgaben und staatliche WĂŒrde aneignen und damit selbst zu einem Organ des Staates werden.“ Vielen Synodalen ging es sicher in erste Linie um genau diesen Punkt: eine ZurĂŒckweisung des Hineindringens des nationalsozialistischen Staates in die Kirche (man denke an SĂ€tze wie „Christus ist zu uns gekommen in Adolf Hitler“).

Manchmal wird behauptet, mit der ErklĂ€rung wĂŒrde die Zwei-Reiche-Lehre verworfen (so auch im Wikipedia-Beitrag zur ErklĂ€rung). So pauschal kann dies gewiss nicht behauptet werden, im Gegenteil. Die Lutheraner unter den Synodalen hĂ€tten sonst nicht ihre Zustimmung gegeben. Eine zu scharfe Trennung der Bereiche Staat und Kirche wird tatsĂ€chlich verworfen; die Kirche soll ja durchaus die Regierenden an ihre Verantwortung erinnern, also unter UmstĂ€nden auch ermahnen. Aber die unterschiedlichen Verantwortungsbereiche werden doch recht deutlich herausgestellt. So darf nur die Obrigkeit „unter Androhung und AusĂŒbung von Gewalt“ wirken, die Kirche nicht (so implizit). Diese klare Bejahung der Obrigkeit („Wohltat“), aber auch ihre Eingrenzung und Begrenzung des Auftrags (vor allem eben Sicherung von „Recht und Frieden“), die Ablehnung des totalen Staates, hat bis in unsere Tage nichts an Bedeutung verloren.

Holger Lahayne, Litauen
21.7.2014

www.lahayne.lt

Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag Artikel empfehlen Artikel empfehlen

Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 21. Juli 2014 um 15:50 und abgelegt unter Gesellschaft / Politik, Kirche, Theologie.