Segnung von „nichtehelichen Lebensgemeinschaften“ (NELG’s)
Donnerstag 3. Mai 2007 von Evangelischer Gemeinschaftsverband Herborn
Segnung von „nichtehelichen Lebensgemeinschaften“ (NELG’s)
Handreichung des Herborner Gemeinschaftsverbandes (Februar 2007)
Verschiedene Anfragen von Paaren, die in eheähnlichen Lebensgemeinschaften leben, sind an den Ev. Gemeinschaftsverband Herborn e.V. herangetragen worden. Diese Paare können oder wollen aus unterschiedlichen Gründen nicht standesamtlich heiraten, möchten aber sich „segnen“ lassen. Der Vorstand hat daher dieses Thema erörtert und folgende Empfehlung dazu erarbeitet:
1. Der Sachverhalt
Klassisches Beispiel ist folgende Situation: Freundlicher älterer Herr, verwitwet oder geschieden, ca. 70 Jahre alt, selbstständiger Handwerker gewesen, schlecht oder gar nicht Rente „geklebt“, bekommt heute ca. 350,00 € monatlich ausgezahlt, lernt eine Beamtenwitwe kennen, ca. 65 Jahre alt, Rente monatlich ca. 2.650,00 €. Sie beschließen, zusammenzuziehen und eine gemeinsame Zukunft zu planen. Aus wirtschaftlichen Gründen vollziehen sie Gütertrennung. Testamentarisch werden die Güter des Mannes seinen Kindern vererbt, die Güter der Frau ihren Kindern.
2. Das Problem
Nur staatlich anerkannt „heiraten“ können oder wollen sie aus finanziellen Gründen nicht, da mit dieser Eheschließung die Rente der Witwe verfällt und die gemeinsame Zukunft des Paares leider zur Folge hätte, dass entweder das Haus verkauft und damit die Existenzgrundlage verlebt werden müsste oder das Paar zu einem „Sozialfall“ würde, denn mit nur der Rente des Mannes (350,00 € im Monat) läge das Einkommen des Paares weit unter dem Sozialhilfesatz.
3. Die Herausforderung
Da beide, Mann und Frau, seit vielen Jahren engagierte Christen in einer unserer Bibelstundenkreise sind, möchten sie aber ihre Lebensgemeinschaft, die sie als Ehe bezeichnen, auch gerne unter Gottes Segen stellen und bitten deshalb den Prediger oder den Verbandspfarrer sie doch in einem Gottesdienst zu „trauen“ bzw. zu „segnen“.
4. Die Rechtslage
Gemäß dem geltenden „Staats-Kirchen-Vertrag“ darf Kirche nur dann Amtshandlungen durchführen, wenn zuvor die staatliche Registrierung erfolgt ist, z.B. Taufe nur nach Geburtsurkunde, Trauung nur nach Heiratsurkunde, Bestattung nur nach Sterbeurkunde. Die Urkunden bescheinigen die offizielle Eintragung in staatliche Register. Nur wenige Ausnahmen, und diese besonders in schwierigen, individuellen Notfällen sind gestattet, verpflichten aber die Amtsperson, die die kirchliche Amtshandlung vollzogen hat, die staatliche Registrierung nachzuholen. Wird diese Regelung, so die Auskunft von qualifizierten Kirchenrechtlern, nicht eingehalten, also führt ein Pfarrer eine Trauung durch, ohne dass die standesamtliche Eheschließung stattgefunden hat, so entsteht damit eine Straftat, die zu einem Disziplinarverfahren mit evt. Beurlaubung/Amtsenthebung des Pfarrers führen kann. Mindestens entsteht ein bussgeldfähiger Tatbestand. Da der Ev. Gemeinschaftsverband Herborn e.V. zum einen in seiner Satzung sich selbst verpflichtet hat, ein Verein „innerhalb“ der Ev. Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) zu sein, andrerseits der Ev. Gemeinschaftsverband mit der EKHN eine „Vereinbarung“ geschlossen hat, in der sich beide Seiten verpflichten, geltendes Recht der EKHN zu respektieren und dafür den Predigern die Durchführung von Amtshandlungen genauso wie den Pfarrern zu gestatten, hat der Ev. Gemeinschaftsverband keine andere Möglichkeiten bezüglich Amtshandlungen als dies die Ev. Kirche auch hat.
5. Die Seelsorge
Mit Recht ist sowohl nun die Frage der betroffenen Paare als auch die Situation der angefragten Prediger im Einzelfall zu betrachten. Daraus ergeben sich verschiedene seelsorgerliche, biblische und moralisch-ethische Aspekte:
a. Was spricht dagegen, statt einer „Trauung“ einen „Segnungsgottesdienst“ durchzuführen?
Dieser ist keine Amtshandlung, er bedarf also keiner vorherigen staatlichen Registrierung und er ist genauso in einem öffentlichen Gottesdienst möglich, ohne dass die Kirchenordnung etwas dagegen hätte. Ein Segnungsgottesdienst anlässlich des Zusammenlebens von einem Mann und einer Frau ist ganz gleich wie man ihn nennt, biblisch gesehen die Bitte des Paares um den „Ehesegen“ für die gemeinsame Zukunft. Also wäre ein Segnungsgottesdienst ein „Umgehungstatbestand“ und damit genauso strafbar wie die „Trauung“ selbst, denn niemand würde nur vom Namen der Veranstaltung her einen inhaltlichen Unterschied für das Paar sehen.
b. Warum wird dann die „Segnung nicht im häuslichen (kleinen) Rahmen durchgeführt als Hausandacht?
Die inhaltliche Qualität einer Veranstaltung wird nicht abhängig sein von dem Rahmen oder der Menge der Besucher. Eine Trauung mit drei Leuten (Pfarrer und Ehepaar) in einer einsamen Bergkirche ist genauso „Trauung“ wie wenn ein Königspaar in einer Kathedrale bei 2000 Besuchern getraut wird.
c. Müssen wir dann wirklich auf die Rente verzichten, wenn wir heiraten wollen?
Es ist ein großes Unrecht in unserem Staat, dass die Rentenkassen per Gesetzesbeschluss bei Wiederverheiratung die Witwenrentenanteile einbehalten. Leider schweigt unsere Politik zu diesem Thema und auch unsere Kirche! Daraus ergibt sich, dass es tatsächlich eine Gewissenentscheidung ist: Entweder ich behalte meine Rente und kann dafür nicht heiraten, oder ich verliere meine Rente und heirate mit dem Segen des Herrn. Eine wesentliche Herausforderung von Gemeinde könnte darin legen, solche Ehen zu unterstützen, indem sie unter der biblischen Klarheit, dass gemeinsames Zusammenleben „Ehe“ ist und dann auch registriert und gesegnet werden sollte, bei Verlust von Geld durch Solidarität der Gemeinde einen finanziellen Ausgleich für die Betroffen anstreben sollte. Hierauf würde ein besonderer Segen Gottes liegen (Hebräer13, 16)!
d. Was ist dann eigentlich eine „Ehe“ gegenüber einer „eheähnlichen Gemeinschaft“?
Die Bibel spricht doch an keiner Stelle von einer Registrierung beim Standesbeamten. Das ist richtig. Sie spricht aber deutlich von gewissen „Ordnungen“. Gott hat die Ehe gestiftet. Und damit Mann und Frau als ein auf Kommunikation/Dialog hin angelegtes gegensätzliches Paar geschaffen (1. Mose 1 + 2). In 1. Mose 24 (Brautwerbung der Rebecca) sehen wir die klassische orientalische Ehevorbereitung und Durchführung: a. Verlobung (Vorvertrag – Eheversprechen); b. Vertrag (juristische Eheschließung); c. Segenshandlung (theologische Ehe); d. gemeinsame Wohnung (soziale Ehe); e. miteinander „Schlafen“ (biologisch-sexuelle Ehe). Je eine der vier „Eheformen“ ist bereits gültige Ehe; die juristische aber ist die konstituierende Form. Christoph Morgner: „Nicht der Sex konstituiert die Ehe, sondern die ‘lex’ (das Recht)“. Jesus hat im neuen Testament zum Thema Ehe nichts neues hinzugefügt, ganz im Gegenteil, er hat die alttestamentliche „Gründungsidee“ Gottes für die Ehe bekräftigt und die Ehe auf Lebenszeit bestärkt, daher sich gegen Scheidung ausgesprochen (Matthäus 5, 27-32; Matthäus 19, 1-12 u.ö.) Nun leben wir heute nicht im Orient, sondern in Deutschland. Aber auch hier gilt, dass wir als Christen sowohl in der Ordnung Gottes als auch der von der Obrigkeit vorgegebenen weltlichen Ordnung stehen sollen (Römer 13,1-7). Deshalb kann es nicht unsere Aufgabe sein, nach eigenem Ermessen mal eine Ordnung zu halten und mal eine neue Ordnung, die dann für uns gilt zu erfinden. In Ordnungen sind immer Grenzen zu finden und immer der Zustand da, dass nicht alles geht, was man gerne hätte. Damit bleiben am Rande von Ordnung manchmal wünschenswerte Umstände nicht realisierbar.
e. Wir wollen ja auch nicht mehr heiraten, weil wir ja gar keine Ehe mehr praktizieren.
Wir bauen keine gemeinsame Zukunft auf und wir wollen auch keine Kinder miteinander. Ehe besteht biblisch und juristisch eben nicht nur aus diesen beiden Punkten. Ehe besteht da, wo „Tisch und Bett“ gemeinsam genutzt werden. D.h. wo zwei Menschen die Absicht haben, zusammen zu wohnen und zu leben, also füreinander zu sorgen, ist Ehe vollzogen. Das gilt übrigens für alle Lebensalter, also auch für junge eheähnliche Lebensgemeinschaften!
f. Was spricht eigentlich dann dagegen, auch junge eheähnliche Partnerschaften zu segnen, wenn diese nicht heiraten wollen?
Liegt es nur am Geld, an der Rente? Genau das ist das Problem! Es kann nicht nur das Geld sein, dass die Richtschnur für eine andere Segensregelung ist, als die Bibel sie vorsieht. Das Lebensalter spielt bei Ehe nur eine untergeordnete Rolle. Das Geld auch! Bei Ehe geht es um ein von Gott gesegnetes Zusammenleben, in allen Alterstufen und in allen finanziellen Situationen.
6. Gemeindesituation
Solche Anfragen kommen zurzeit vielleicht nur vereinzelt vor. Die Anzahl aber wird steigen. Was tun die Gemeinden/Gemeinschaften in ihren Vorständen und Ältestenräten, wenn sie solche eheähnlichen Lebensgemeinschaften segnen lassen als in der Gemeinde akzeptable Alternative zur Ehe?
a. Sie setzen damit ein neues Zeichen!
b. Sie erweitern die biblischen Grundlagen in nicht ganz unproblematischer Weise (Sonderlehre).
c. Viele bibeltreue Christen werden sich dann fragen, ob das noch wirklich „ihre“ Gemeinde sein kann.
d. Die ev. Kirchengemeinden und die benachbarten Allianzgemeinden werden hier Konfliktstoff sehen.
e. Bundesweit ist diese Thematik bereits äußerst kontrovers diskutiert. Zunächst mutige Initiativen haben sich nicht bewährt und wurden wieder eingestellt. Zurückhaltung ist angesagt.
7. Zum Schluss: Was bleibt zu tun?
Segnung von lebensähnlichen Partnerschaften ist und bleibt ein verstehbarer seelsorgerlicher Wunsch der Betroffenen. Seelsorgerliche Begleitung und offene Gespräche darüber sind selbstverständlich. Es wäre wünschenswert, endlich die rentenrechtliche Ungerechtigkeit zu korrigieren und Menschen nicht mit solchem Unrecht in Gewissensnöte zu bringen. Mutig wäre auch ein Schritt von Seiten der Kirche, hier etwas lauter und deutlicher mitzuhelfen, Unrecht abzuschaffen. Biblisch gesehen aber bleibt eindeutig: Ehe ist nicht nur der Zuspruch Gottes (Segen), sondern auch der Anspruch, in der von der Obrigkeit vorgegebenen gesellschaftlichen Ordnungen zu leben. Hier stoßen wir an Grenzen, die in anderen Ländern oder anderen Kulturen so nicht da wären. Dort gäbe es dann wieder andere Dinge, die nicht gingen. Bleibt schließlich ein Votum unseres Verbandes: Zurzeit sieht der Ev. Gemeinschaftsverband Herborn e.V. nach Abwägung aller biblischen, seelsorgerlichen, ethischen, moralischen, gesellschaftlichen und öffentlichen Aspekte keine Möglichkeit, eheähnliche Lebenspartnerschaften ganz gleich aus welchem Grund und in welchem Alter zu segnen, weder in einem öffentlichen Gottesdienst, noch in einer häuslichen Segensandacht: beides wäre inhaltlich eine „Trauung“.
Herborn, im Januar 2007
Eberhard Hoppe
Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 3. Mai 2007 um 9:53 und abgelegt unter Ehe u. Familie, Seelsorge / Lebenshilfe.