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Die Lage der Christen in Israel

Donnerstag 26. Oktober 2023 von International Christian Embassy Jerusalem (ICEJ)


International Christian Embassy Jerusalem (ICEJ)

Immer wieder prangern hochrangige Kirchenvertreter die „Unterdrückung“ von Christen im Heiligen Land an und warnen vor ihrer angeblichen Vertreibung. Auf der Suche nach den Schuldigen wird meist auf die israelische „Besatzungspolitik“ oder auf „israelische Extremisten“ verwiesen. Dieser Warnung steht jedoch entgegen, dass die christliche Minderheit in Israel stetig wächst und inzwischen 182.000 Personen zählt. Jüngsten Umfragen zufolge sind rund 84% der Christen in Israel mit ihrem Leben im jüdischen Staat sogar „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“. Israels Zentralem Statistikamt zufolge sind gerade arabische Christen überdurchschnittlich erfolgreich. Um zu verstehen, wie es zu diesem Widerspruch kommt, muss man die komplexe Situation der Christen im Heiligen Land genauer betrachten. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Christen mit israelischer Staatsangehörigkeit, Christen in Jerusalem und Christen in den von den Palästinensern verwalteten Gebieten.

Christen in Israel

Von den in Israel lebenden Christen (einschließlich Ostjerusalem) sind 77,5% Araber. Unter den arabischen Israelis machen sie wiederum 7,2% aus. Arabische Christen leben vor allem in Nordisrael, wie Nazareth (21.400), Haifa (16.500) und Schefar’am (10.400). Knapp 13.000 leben in Jerusalem. Die Mehrheit der nicht-arabischen Christen, meist Angehörige jüdischer Israelis, die z.B. im Zuge des Rückkehrgesetzes mit ihren jüdischen Ehepartnern nach Israel einwanderten, lebt im Großraum Tel Aviv.

Staatlich anerkannt sind zehn christliche Denominationen. Die größte Denomination, der 60% der Christen in Israel angehören, ist die melkitische griechisch-katholische Kirche. Weitere ca. 30% sind griechisch-orthodoxer Konfession. Außerdem leben rund 1.000 Kopten in Israel sowie 5.000-10.000 Armenier, die v.a. Anfang des 20. Jahrhunderts ins Heilige Land kamen – auf der Flucht vor Massakern und später dem Völkermord durch die Osmanen. Weitere rund 15.000 Israelis zählen sich zu den syrisch-christlichen Kirchen, darunter Maroniten, Chaldäer und andere. Rund 3.500 von ihnen stammen aus dem Libanon und fanden im Jahr 2000 in Israel Zuflucht. Es handelt sich um ehemalige Angehörige der Südlibanesischen Armee (SLA), einer mit Israel verbündeten libanesischen Bürgerkriegspartei, und ihre Familien.

Protestanten (Lutheraner, Anglikaner und Freikirchen) stellen weniger als 1% der Christen in Israel dar. Ihre Präsenz im Heiligen Land geht zurück auf die christlichen Zionisten aus England und Deutschland im 19. Jahrhundert.

Herkunft der arabischen Christen

Die meisten arabisch-christlichen Denominationen berufen sich auf die ersten Christen. Einzelne sehen ihre Wurzeln sogar in der jüdischen Urgemeinde und glauben, Nachkommen jener Juden zu sein, die im ersten Jahrhundert Jeschua als ihren Messias annahmen. Bereits in frühchristlicher Zeit führten innerkirchliche Streitereien zu Spaltungen und somit zur Entstehung der auch heute noch im Nahen Osten existierenden zahlreichen Kirchen. Heute unterscheidet man zwischen Kirchen, die dem byzantinischen Ritus folgen (Melkiten und griechisch-orthodoxe Christen, somit die Mehrheit der Christen in Israel) und Kirchen, die dem west- oder ostsyrischen Ritus folgen (u.a. Maroniten, syrisch-katholische oder syrisch-orthodoxe Christen).

Die Melkiten sowie die griechisch-orthodoxen Christen sehen ihren Ursprung in der Griechisch sprechenden Bevölkerung der Levante des ersten Jahrhunderts. Angehörige der syrischen Kirchen stammen von Volksgruppen ab, die bereits vor Christus im Nahen Osten lebten: Aramäer, Assyrer, Phönizier, Chaldäer. Als sie infolge der Missionsreisen der ersten Christen zum Glauben an Jesus Christus fanden, entwickelte sich eine neue, „syrisch-christliche“ Identität (daher ihre Eigenbezeichnung Suryoye bzw. Suryaye). Varianten ihrer Sprache Surayt, auch Surayt-Aramäisch genannt, werden heute von rund einer Millionen Menschen gesprochen. Aramäisch ist eine semitische Sprache, die mit dem Hebräischen verwandt und auch in der Bibel, z.B. im Buch Daniel, zu finden ist.

Infolge der Eroberung der Levante und des Gebiets des heutigen Iraks durch muslimisch-arabische Stämme im 7. und 8. Jahrhundert musste sich die christliche Bevölkerung der arabischen Kultur anpassen. Griechisch und Aramäisch wurde durch Arabisch als Alltagssprache ersetzt.

Israel erkennt Aramäer als Volksgruppe an

Die in Israel lebenden 15.000 Christen syrisch-christlicher Konfession verstehen sich wie ihre Vorfahren und ihre Glaubensbrüder im ganzen Nahen Osten als eine eigene ethnische Volksgruppe – als Aramäer. Nach langjährigen politischen Kampagnen erlangten sie 2014 einen historischen Durchbruch: Israel erkannte „aramäisch“ als eine eigene Nationalität an. (Israel unterscheidet zwischen Staatsangehörigkeit, d.h. israelisch, und Nationalität, z.B. jüdisch, arabisch, drusisch oder tscherkessisch.) Bis dahin galten christliche Israelis als „arabisch“ oder „andere“. Kritiker warfen Israel vor, mit dieser neuen aramäischen Identität die arabisch-christliche Minderheit spalten zu wollen. Befürworter, darunter auch Christen syrischer Konfession außerhalb Israels, sahen darin jedoch die Chance, das Überleben der Aramäer zu sichern. Als anerkannte Minderheit könnten sie langfristig von staatlichen Förderungen profitieren.

Der aramäische Israeli Shadi Haloul, Initiator der Kampagne und ehemaliger Leutnant in der israelischen Armee, setzt sich nun dafür ein, das jahrtausendealte Erbe seines Volkes zurückzugewinnen, u.a. indem junge Aramäer ihre uralte Sprache wieder erlernen und in ihrer Identität gestärkt werden. Den aramäisch-israelischen Aktivisten ist es ein wichtiges Anliegen, dass ihr Volk seinen eigenen Platz im jüdischen Staat Israel findet und einnimmt. „Wir sind nicht Teil des israelisch-arabischen Konflikts, aber irgendwie werden wir mit hineingezogen. Wir sind weder Araber noch Palästinenser”, erklärte Haloul. Sein zweijähriger Sohn Yaakov wurde 2014 der erste Israeli, der offiziell als „Aramäer“ registriert wurde. Inzwischen haben rund 4.500 israelische Christen ihre Nationalität von „arabisch“ auf „aramäisch“ ändern lassen bzw. dies beantragt.

Israels Christen zwischen den Fronten

Doch auch viele arabischsprachige Christen anderer Denominationen haben außer der gemeinsamen Muttersprache Arabisch mit ihren muslimischen Mitbürgern wenig gemein. Ihr Glaube, ihre Lebensweise und ihre überlieferten Traditionen sind verschieden. Zwar befürworteten über lange Zeit viele christlich-arabische Israelis das Bestreben der Palästinenser nach einem eigenen Staat. Doch inzwischen haben viele ihre Einstellung gegenüber dem jüdischen Staat geändert. Heute beobachten sie die sich verschlechternde Situation ihrer Brüder und Schwestern in den muslimischen Ländern des Nahen Ostens mit großer Sorge. Die brutale Vertreibung und Verfolgung der jahrhundertealten christlichen Minderheit im Irak durch den Islamischen Staat wirkte bei vielen wie ein Weckruf.

Israel ist eines der wenigen Länder im Nahen Osten, in denen Christen volle Bürgerrechte genießen, ihre Religion frei praktizieren sowie hohe Ämter bekleiden können und keine Repressalien zu fürchten haben – zumindest nicht seitens der Behörden. Repressalien und Anfeindungen gibt es, doch kommen diese oft aus den eigenen Reihen oder vonseiten muslimischer Mitbürger. Zwar betrachtet sich die Mehrheit der christlichen (68%) und muslimischen (61%) Araber als „Israelis“ und schätzt die Freiheit, die das Leben in Israel bietet, doch ist palästinensischer Nationalismus weiterhin verbreitet.

Christliche Araber, die an ihren Wohnorten einer muslimischen Mehrheit gegenüberstehen, müssen daher besonders vorsichtig sein, nicht zur Zielscheibe zu werden. „Wenn sie [ihre Ansichten] für sich behalten, passiert ihnen nichts. Aber je mehr sie sich als Israelis identifizieren, desto unbequemer wird es für sie“, erklärte Amit Barak, jüdischer Israeli und Mitbegründer der „Jerusalem Initiative“, einer Organisation, die arabische Christen bei der Integration in die israelische Gesellschaft unterstützt. Deutlich wird dies an dem Beispiel arabischer Christen, die sich in jeder Hinsicht als Teil des Staates Israel sehen und freiwillig Wehrdienst leisten. Zu ihrem Schutz hat die israelische Armee eine Sondererlaubnis erteilt: Eigentlich ist jeder Soldat verpflichtet, in Uniform von und zu seinem jeweiligen Armeestützpunkt zu reisen. Christlich-arabische Soldaten dürfen dies jedoch in Zivilkleidung tun, um unter ihren eigenen Leuten unerkannt zu bleiben.

Die unmögliche Situation der Christen in Jerusalem

Befinden sich Christen in Nordisrael zwischen den Fronten, gilt dies umso mehr für ihre Glaubensgeschwister in Jerusalem. In der Mandatszeit (1917-1948) machten Christen rund 20-25% der Bevölkerung Jerusalems aus, heute sind es knapp 1,4%. Die meisten von ihnen wohnen in Ostjerusalemer Stadtteilen, die Israel 1967 während des Sechstagekriegs von Jordanien eroberte. Wie ihre muslimischen Nachbarn haben sie zwar eine israelische ID-Karte, die sie berechtigt, überall in Israel zu leben und zu arbeiten, jedoch sind sie keine israelischen Staatsbürger.

Sollte es eines Tages, wie die Weltöffentlichkeit wünscht, tatsächlich zu einer „Zwei-Staaten-Lösung“ und einer Teilung Jerusalems kommen, würden sich diese Christen gezwungenermaßen auf palästinensischer Seite wiederfinden. Bemühen sie sich jetzt darum, Hebräisch zu lernen (arabische Schulen in Ostjerusalem unterrichten kein Hebräisch) und sich in den israelischen Arbeitsmarkt zu integrieren, könnte dies später ein böses Nachspiel haben, denn „Normalisierung mit Israel“ ist unter vielen Palästinensern bestenfalls verpönt, meist gilt es als Verrat. Doch bereits jetzt hätte Integration einen Preis: Viele Christen in Jerusalem haben Verwandte in den Palästinensergebieten, die ihrerseits bedroht wären.

Ersatztheologie und „Palästinensische Befreiungstheologie“

Weltweit wächst die Zahl gläubiger Christen, die anhand der Bibel Gottes Absichten mit Israel erkennen, über die Judenverfolgung in der Kirchengeschichte betrübt sind und für Israel im Gebet und mit praktischer Unterstützung eintreten. Außerdem durchschauen immer mehr Christen sowie Nichtchristen die einseitige Berichterstattung vieler Medien, die Israel allzu oft an den Pranger stellt und die Gewaltverherrlichung, Korruption und Menschenrechtsverletzungen durch die palästinensische Führung verschweigt.

Umso verwunderlicher ist es, dass insbesondere die Kirchenoberen in Jerusalem, der „Stadt des großen Königs“ (Matthäus 5,35), dieses Verständnis meist nicht teilen, sondern offen anti-israelisch eingestellt sind. Zum einen ist dies in der berechtigten Sorge um die Sicherheit ihrer Kirchenmitglieder begründet. Geistliche wollen weder selbst der „Normalisierung mit Israel“ oder des „Verrats“ bezichtigt werden, noch wollen sie ihre Mitglieder in den Palästinensergebieten in Gefahr bringen. Manche gehen deshalb mit antiisraelischen Äußerungen in die Offensive.

Doch es gibt auch einen weiteren, tiefergehenden Grund: Es ist die seit den Anfängen der Kirchengeschichte verbreitete Irrlehre, dass die christliche Kirche Israel als Gottes auserwähltes Volk ersetzt hat. Dieser Ersatztheologie zufolge, die in verschiedenen Varianten und mit unterschiedlichen Bezeichnungen auftritt (Erfüllungstheologie, Substitutionstheologie), gelten alle Verheißungen, die Gott eindeutig gegenüber dem jüdischen Volk gemacht hat, nun der Kirche.

Palästinensische Kirchenführer haben die unter Millionen Christen weltweit verbreitete Ersatztheologie um eine politische Komponente erweitert und predigen eine „Palästinensische Befreiungstheologie“: Demzufolge war Jesus, der jüdische Zimmermannssohn aus Nazareth und Nachfahre des größten jüdischen Königs David, nicht nur ein Palästinenser, sondern der erste „palästinensische Revolutionsführer“. Auf diese Weise werden z.B. Terroranschläge gegen unschuldige israelische Zivilisten als legitime Handlungen gegen den „Unterdrücker“ betrachtet.

Eine wörtliche Interpretation der Bibel, insbesondere der fünf Bücher Mose, in denen Gott seinen ewiggültigen Bund mit Israel wieder und wieder bekräftigt, wird abgelehnt. Das Evangelium wird mit palästinensischem Nationalismus vermischt und die jüdische Identität Jesu geleugnet. Dass Jesus seine Jünger Friedfertigkeit lehrte und sie immer wieder daran erinnerte, dass sein Reich „nicht von dieser Welt“ ist (z.B. Matthäus 26,52; Johannes 18,36), gilt ihrer Auffassung nach nicht für den „Unterdrückten“.

Gepaart mit dem Ausbleiben einer kritischen Auseinandersetzung mit der menschenverachtenden Politik der Palästinenserführung, signalisieret diese Ideologie, dass allein Israel an der Misere der Christen in den Palästinensergebieten schuld sei. Das Schicksal ihrer Glaubensgeschwister in anderen Ländern des Nahen Ostens oder aber die Freiheit der christlich-arabischen Staatsbürger Israels wird ausgeblendet.

Christen in Israel beistehen

Amit Barak sieht in dieser Situation vor allem christliche Unterstützer Israels gefordert. Sie sollen der christlichen Minderheit in Israel und Jerusalem beistehen, sagte er gegenüber der Jerusalem Post, denn die pro-palästinensischen Kirchen richten „enormen Schaden“ an. „Wenn es in Israel Minderheiten gibt, die ein Teil Israels sein wollen, sollten wir sie darin unterstützen.“ Christliche Araber teilen seine Meinung. „Ich fordere Christen auf der ganzen Welt auf, diejenigen, die Propaganda gegen den Staat Israel verbreiten, zu ignorieren“, sagte der aus Nazareth stammende Oberstleutnant I., der höchstrangige christliche Offizier der israelischen Armee. „Kommt nach Israel, lernt uns kennen und hört uns an. Schaut, was mit den Christen im Nahen Osten passiert und versteht, warum es wichtig ist, dass der Staat Israel existiert. Israel ist das einzige Land im Nahen Osten, in dem Christen in Frieden, Freiheit und Sicherheit leben können.“

Ester Heizmann

Quelle: https://de.icej.org

International Christian Embassy Jerusalem

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 26. Oktober 2023 um 18:37 und abgelegt unter Christentum weltweit, Gesellschaft / Politik, Israel, Kirche.