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Fehlleistungen der Staatsdiener im Latzel-Prozess

Dienstag 2. Februar 2021 von Christian Hausen


Christian Hausen

Das Urteil gegen Olaf Latzel durch das Amtsgericht Bremen ist der klassische Fall fĂŒr Entscheidungen, die zahlreiche VerstĂ¶ĂŸe gegen die Justiz betreffende Gesetze aufzeigen.

1.  Das beginnt mit der Voraussetzung der „Verfassungstreue“ (§ 9 Deutsches Richtergesetz). Die vom Verurteilten kritisierte Genderideologie erfĂŒllt die Voraussetzungen des Extremismus mit der Folge, dass Gegner des Radikalismus besonders vom Staat zu schĂŒtzen sind (vergl. Christian Hausen „Ein auf Unredlichkeit fußendes GedankengebĂ€ude“ in „Schlagseite-Mann Frau kontrovers“, Herausgeber Eckart Kuhla, S. 183 ff.).

Hervorstechend sind die vier Merkmale des Extremismus (S. 204): a) „Radikale organisierte Weltanschauung mit universalem Herrschaftsanspruch“, b) Anstreben von Fernzielen, welche in einer kĂŒnftigen „idealen“ Gesellschaftsordnung verwirklicht werden sollen; c) unterstĂŒtzt wird dies durch eine gewaltbereite Strategie; schließlich d) wird gefordert eine flexible Taktik der Beeinflussung von Menschen und Strukturen, wobei zunĂ€chst vordergrĂŒndige Detailziele propagiert werden. Das auch den Begriff „Genderdreck“ beinhaltende Strafverfahren indiziert die gewaltbereite Strategie – der Staat macht insoweit allerdings von der ihm grundsĂ€tzlich zugewiesenen GewaltausĂŒbung Gebrauch. Höchst bedenklich ist dies in Bezug auf die ĂŒberzogenen Anschuldigungen zu Gender-Mainstreaming. Die Medien reagierten differenziert, befĂŒrworteten keinesfalls die Entscheidung ĂŒber die Kritik an der homosexuellen Praxis. So sprach die seriöse Wochenzeitung „Die Zeit“ von Latzel als Star unter den deutschen Pastoren. Die grĂŒn orientierte „taz“ erkannte in dem Urteil einen Verstoß gegen die Religionsfreiheit nach Artikel 4 Grundgesetz.

2.  Hinzu kommt das Fehlen der erforderlichen „sozialen Kompetenz“ (§ 9 Deutsches Richtergesetz „neue Voraussetzungen“ Ziff. 4). Im Kontext mit Ziff. 1 geht es um eine scheinbare Äußerlichkeit: Staatsanwalt und Richter sind weiblich. Dies gehört heute zweifellos zur NormalitĂ€t, aber unter BerĂŒcksichtigung der besonderen UmstĂ€nde, gerade bei der Anschuldigung „Genderdreck“ handelt es sich um eine Instinktlosigkeit, ja um einen Organisationsfehler. Allgemein ist bekannt, dass der gesetzliche Richter regelmĂ€ĂŸig Monate frĂŒher bestimmt wird, so dass es zweifellos adĂ€quat sein kann, Richterin Ellen Best mit dem Amt zu betrauen. Problematisch ist allerdings die Besetzung der StaatsanwĂ€lte. Aufgetreten sind ein Mann und eine Frau, plĂ€diert hat letztere, nĂ€mlich Marlene Wieland. Jeder Teilnehmer muss denken, dass diese Gender-Idee aus der weiblichen SphĂ€re entstand, was nĂ€her liegt als vom Mann. So wird zumindest der Anschein erweckt, als ob zu der wissenschaftlich unhaltbaren Genderideologie die fehlende Kompetenz in der Sache durch eine Person, die den gewĂŒnschten Feminismus reprĂ€sentiert, ersetzt wird. In ihrem PlĂ€doyer behauptete sie, der Angeklagte habe sich der Volksverhetzung schuldig gemacht. Seine Äußerungen zur SexualitĂ€t und zum „Gender-Dreck“ wĂŒrden sich gegen Personen richten, die außerhalb der HeterosexualitĂ€t lebten, also letztlich gegen Menschen der LSBTTIQ. Der Angeklagte habe zum Hass aufgestachelt und die MenschenwĂŒrde angegriffen. Latzels Einlassung, mit Verbrechern habe er Menschen gemeint, die SachbeschĂ€digungen an der St. Martini Gemeinde vorgenommen haben, sei eine „reine Schutzbehauptung“. In Wirklichkeit ist es umgekehrt: Die StaatsanwĂ€ltin ließ ihrer Fantasie freien Lauf. Hier fehlt die soziale Kompetenz allein schon deshalb, weil es – wie polizeibekannt – zu Tumulten im Gotteshaus gekommen ist, welchen nur durch die gewaltsam vorgehenden OrdnungskrĂ€fte einigermaßen begegnet werden konnte. Warum darf ein Laie derartige Gottesdienststörungen nicht als Verbrechen bezeichnen? Er muss nicht zwischen Vergehen und Verbrechen differenzieren. Die StaatsanwĂ€ltin hatte dieses Faktum offenbar ĂŒbersehen und ignoriert.

3.  Dann kommt die ĂŒbelste Behauptung: Latzels Äußerungen seien weder von der Religions- noch von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die StaatsanwĂ€ltin tat so, als ob sie das Grundgesetz, nĂ€mlich die Art. 4 und 5, gar nicht kennt. Es ist doch eine SelbstverstĂ€ndlichkeit, dass jeder Mensch das Recht hat, Tumulterzeuger im Gottesdienst als Delinquenten zu bezeichnen! Die inkompetent erscheinende StaatsanwĂ€ltin sah darin Anstacheln zur Ausgrenzung und Hass gegen Homosexuelle. Wenn sie sich zur bewussten Störung provokativ halbnackt in einen Gottesdienst begeben, und dann dem amtierenden Pastor Latzel vorgeworfen wird, diese zur Ausgrenzung aufgefordert zu haben, so fĂ€llt dem Beobachter nur ein: eine desorientierte Staatsanwaltschaft! Die Meinungsgegner vom CSD deuten an, was StaatanwĂ€lte in den 60er Jahren an Homosexuellen ausgesetzt hatten: Die gleichgeschlechtlich Empfindenden hĂ€tten MinderjĂ€hrige verfĂŒhrt; heute fordert die Homo-Lobby Unterrichtsstunden in Schulen unter Abwesenheit der Lehrer! Insoweit ist die Unterschlagung der Ereignisse im Gottesdienst von Pastor Latzel einer Verhöhnung desselben gleichzusetzen, dazu noch die klischeehafte Einordnung als „Fundamentalist“. Zur sozialen Kompetenz gehört auch ein gewisses Bildungspotenzial der Staatsanwaltschaft. Die Vertreterin wirkte insofern uninformiert. Das wurde besonders deutlich, als sie behauptete, Latzels AusfĂŒhrungen seien weitreichend vom evangelischen Glauben entfernt. Hierzu fehlt es gar an AnsĂ€tzen von Beweisen.

4. VernĂŒnftigerweise wird von Volljuristen, wozu auch StaatsanwĂ€lte zĂ€hlen, ein UniversitĂ€tsstudium mit anschließendem Referendariat gefordert. Wenn nun ein solcher, um einen MitbĂŒrger anzuklagen, in einer Gerichtsverhandlung Abwegiges von sich gibt, so darf dessen intellektuelle Kompetenz infrage gestellt werden. So darf man umgekehrt gewiss auch fragen, ob ein verheirateter Mann mit drei Kindern gar „Incel“ sei („involuntary celebates“). NatĂŒrlich dĂŒrfte der StaatsanwĂ€ltin voll bewusst sein, dass die Bibel reich an kritischen Bemerkungen zur HomosexualitĂ€t ist. Man denke nur an die diversen alttestamentlichen Verlautbarungen wie: die gleichgeschlechtliche Praxis sei „vor Gott ein GrĂ€uel“ (z.B. 3. Mose 18, 22). Sehr bekannt ist die scharfe Kritik des Apostel Paulus im ersten Kapitel des Römerbriefs, in dem er deutlich darauf verweist, dass gleichgeschlechtliche Praxis unnatĂŒrlich sei (Kap. 1, 22 ff). Allein schon diese Unwissenheit nimmt der Bremer Staatsanwaltschaft die erforderliche AutoritĂ€t. Sie maßt sich an, den Theologen der theologischen Inkompetenz zur bezichtigen und hat selbst insoweit keine Ahnung. Es ist abwegig zu behaupten, der Angeklagte bediene sich einer Rhetorik, die weit ĂŒber einen biblischen Umgang mit HomosexualitĂ€t hinausgehe. NatĂŒrlich hat sie recht, dass die Kritik von Latzel nicht zwingend notwendig war. Jedoch der biblische Bezug ist in jedem Fall gegeben! Dann setzt die StaatsanwĂ€ltin hinzu, dass es dem Delinquenten um eine Diffamierung gehe. Der Begriff „Verbrecher“ ist in § 12 StGB geregelt und unterstellt, dass ein Laie die Differenzierung nicht exakt vornehmen muss.

5.  Dann kommt das schlimmste Versagen, nĂ€mlich die Unwahrheit. Der Richter-Eid zwingt den Juristen, einerseits ohne Ansehen der Person zu urteilen und anderseits nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen (§ 38 Deutsches Richtergesetz). Es wird unterstellt, dass Latzel Homosexuelle als „minderwertige Angehörige der Gesellschaft“ bezeichne. Das hat er weder gesagt noch gemeint. Exakterweise muss hier auch noch unterschieden werden: Zwischen HomosexualitĂ€t und Gender ist deutlich zu differenzieren, denn die Genderlehre ist eine Ideologie, die irgendwann im vergangenen Jahrhundert entstanden ist, um weltweit Einfluss zu gewinnen. HomosexualitĂ€t existiert seit Jahrtausenden und wurde regelmĂ€ĂŸig als negativ angesehen. „Genderdreck“ ist ein Kraftausdruck gegen eine Ideologie, welche sich in der Gesellschaft durchzusetzen scheint und auch die Gerichtsbarkeit zunehmend betört. Er ist keine Attacke gegen Menschen. Das offensichtlich Interessante dabei ist, dass es an einer wissenschaftlichen Grundlage fĂŒr die Genderlehre fehlt (angeprangert z. B. vom weltweit renommierten Professor Kutschera). Die peinlichen Defizite sind augenscheinlich. Man denke nur an das neue Buch von Gerard J. M. van den Aardweg „Die Wissenschaft sagt Nein – der Betrug der Homo-‚Ehe‘“. Der niederlĂ€ndische Psychologieprofessor bezeichnet die Idee angeborener Ursachen der HomosexualitĂ€t als „widerlegten Mythos“; es sei dem Druck der einflussreichen Homo-Lobby zuzuschreiben, dass die objektiv immer noch gĂŒltige Einordnung der HomosexualitĂ€t als Entwicklungsstörung zu einem Normalzustand gemacht worden ist. FĂŒr die Bevölkerung ist erschĂŒtternd zuzusehen, wie Menschen sich anmaßen, als Staatsanwalt und Richter aufzutreten, ohne Kompetenz in dem betreffenden Fachgebiet auch nur anzudeuten.

6.  Von den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen hat die zustĂ€ndige Bremer Kirche nichts gemerkt. Die Verantwortlichen bleiben im vom Zeitgeist geprĂ€gten Milieu. Sucht man nach irgendwelchen geistigen Inspirationen aus dem Stadtstaat Bremen, so wird man selten fĂŒndig. Die Stadt ist stolz auf ihre Investigationen bei Doktorarbeiten. Ähnlich steht es mit der Theologie. Am ehesten taten sich noch Prediger hervor, zu welchen Christen aus ganz Deutschland strömten. Man denke etwa an Pastor Huntemann, heute an der vermeintlichen Delinquenten Latzel. Es sind eher die von der dortigen Kirche verachteten evangelikalen Stadtprediger. Der SchriftfĂŒhrer der Bremischen Evangelischen Kirche Pastor Bernd Kuscherus zeigte sich durch das Urteil „zutiefst betroffen“, dass ein Pastor seiner Kirche wegen Volksverhetzung verurteilt worden sei (epd). Der eigentliche Hetzer stammt aus dieser SphĂ€re, nĂ€mlich Pastor Klingbeil-Jahr; im Sender Radio Bremen bezeichnete er die biblisch orientierten Christen als Faschisten und braunen Mob – was die Bremer Kirchen im Übrigen nicht störte. Die Kirchenverantwortlichen ignorieren den Kern des Christentums. Zur in evangelischen Kirchen zunehmend beliebten Homosegnung hĂ€tte Jesus sicherlich so reagiert: „Was Gott nicht segnet, kann die Kirche nicht segnen!“ Ob die Bremer Kirchenleitung daran gedacht hat?

7.  Schließlich ist zu konstatieren, dass die Argumentation, gerade was den Lauf der Strafverhandlung betrifft, viele Rechtsfehler enthĂ€lt. FĂŒr den Vorwurf der „Volksverhetzung“ werden Äußerungen vorausgesetzt, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören. Jedoch hatte kein Gottesdienstbesucher oder Seminarteilnehmer bei Latzel entsprechende GefĂŒhle. UnberĂŒcksichtigt bleibt, dass die Gottesdienste in ĂŒbelster Weise gestört und der Prediger sogar mit dem Tod bedroht worden ist. Insofern hĂ€tte die Staatsanwaltschaft ja durchaus einiges an Konstruktivem zu tun! Es sieht so aus: Die fehlende Exaktheit der VorwĂŒrfe gegen Latzel mĂŒsse kompensiert werden, etwa durch Zurechtbiegen. Von der Rechtsbeugung ist man insoweit gar nicht weit entfernt! Man will einfach nicht zur Kenntnis nehmen, dass Latzel zwischen Sache und Person differenziert, wie es die Bibel stĂ€ndig lehrt: den Menschen achten, dessen Taten gegebenenfalls anprangern. Vor allem fehlt die friedenstörende Hetze (§ 130 Abs. 1 StGB). In dem Paragrafen werden auf die Verfolgung von Bevölkerungsteilen abzielende Äußerungen erfasst; die Beschimpfungen mĂŒssen zugleich die MenschenwĂŒrde der Angegriffenen verletzten. Beide Varianten setzen die Eignung der Äußerung zur Störung des öffentlichen Friedens voraus. Nicht ausreichend ist eine wenngleich in feindseliger Absicht erfolgte Darstellung von negativ zu wertenden Tatsachen, zum Beispiel KriminalitĂ€tsbelastung einzelner Bevölkerungsgruppen, sofern sie nicht durch einseitige Verzerrungen oder wahrheitswidrige VerfĂ€lschung auf eine Stimmungsmache abzielt (Fischer, Kommentar zum Strafgesetzbuch § 130 Rn. 7 und 8). Um den Pastor bestrafen zu können, hĂ€tte die Staatsanwaltschaft schon deutlich machen mĂŒssen, dass er andere Personen als verachtenswert, minderwertig oder unwĂŒrdig ansehe (vergl. OLG Frankfurt NJW 1995 S. 143). Davon kann bei Latzel nicht die Rede sein.

Aus all dem ergibt sich, dass eine Bestrafung Pastor Latzels nicht in Frage kommt. Der Fall erinnert an die klaren Worte der ehemaligen VerfassungsgerichtsprĂ€sidentin Jutta Limbach: „Der freischwebende Richterkönig ist eine aussterbende Spezies. Heute gilt es, KritikvertrĂ€glichkeit und DialogfĂ€higkeit zu entwickeln“ (so in ihrem Buch „Im Namen des Volkes“).

Christian Hausen
Rechtsanwalt
NeumĂŒnster, 27.11.2020

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Dienstag 2. Februar 2021 um 9:46 und abgelegt unter Gesellschaft / Politik, Kirche.