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Predigt über Epheser 4,21 u. a.: Liebe braucht Wahrheit – Wahrheit braucht Liebe

Freitag 3. Mai 2019 von Pastor Gero Cochlovius


Pastor Gero Cochlovius

Liebe Gemeinde, lügen. Ich behaupte einmal: Jeder tut es. Im Alltag immer wieder. Nicht ganz aufrichtig sein. Nicht das sagen, was man wirklich denkt. Und wir sind damit nicht alleine. Auch berühmte Menschen haben gelogen. Schlichtweg die Unwahrheit gesagt. Ich habe einmal ein paar berühmte Lügen der Geschichte mitgebracht: “Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!” Diesen Satz sagt DDR-Staats- und Parteichef Walter Ulbricht am 15. Juni 1961 in einer Pressekonferenz. Zwei Monate später ist die Berliner Mauer gebaut. Bill Clinton: “Ich werde es noch einmal sagen: Ich hatte keine sexuellen Beziehungen zu dieser Frau, Miss Lewinsky.” Der Fall Uwe Barschel, der der Nation sein Ehrenwort gegeben hat. Diego Maradona, der bei der WM 1986 ein wichtiges Tor mit der Hand erzielte und dies leugnete: “Es war der Kopf Maradonas, und die Hand Gottes.” Lance Armstrong, der irgendwann zugeben musste, dass all seine Tour-de-France-Siege eine einzige große Lüge waren, da er dabei immer gedopt war!

Die Reihe ließe sich endlos fortsetzen. Doch wir wollen nicht mit dem Finger auf die Promis zeigen! Wir wollen uns selbst fragen: Wie sieht das mit dem Lügen bei uns selbst aus? Und was sagt die Bibel dazu? Immer wieder kann man staunen, wie praktisch, lebensnah und alltagsrelevant das Wort Gottes ist. Wir lesen in Sprüche 21,6:

Reichtum, den man durch Lügen erworben hat, zerrinnt schnell und reißt mit in den Tod.

Wie oft bewahrheitet sich diese Lebensregel! Für “Reichtum” kann man auch “Erfolg” einsetzen. Was durch Lügen aufgebaut ist, gleicht einem Kartenhaus, das so schnell in sich zusammenfällt! Denken wir an diese Dopingskandale etwa bei Lance Armstrong, oder wie war das noch mit Jan Ullrich? Unzählige weitere Beispiele ließen sich nennen. Irgendwann kommt alles raus. Oft schon hier in diesem Leben. Aber spätestens, wenn wir danach vor Gottes Thron stehen. Wie arm ein Leben, das auf Lügen gebaut ist, und sieht es noch so reich aus! Welche Lebenslügen gibt es bei uns? Im Beruf? In der Partnerschaft?

Manchmal scheint es so, als ob das Lügen direkt Menschsein dazu gehört. Schon in Psalm 62,5 klagt David über manche Menschen:

Sie haben Gefallen am Lügen; mit dem Munde segnen sie, aber im Herzen fluchen sie.

Man verstellt sich. Nach außen freundlich, vielleicht sogar fromm, “mit dem Munde segnen sie”, aber im Herzen denkt man oft ganz anders. Wie schnell kann das gehen: Ein freundliches “Guten Morgen!” mit einem süßen Lächeln auf den Lippen – und innen drin denkt man: “Ach, du kannst mich mal!”

Und nun sagt uns die Bibel: So soll das bei Christen nicht sein!

Wir haben es in der Epistellesung vorhin gehört: Epheser 4,25: Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten, weil wir untereinander Glieder sind.

Die Begründung, die Paulus gibt, ist ungewöhnlich: “Weil wir untereinander Glieder sind.” Also, weil wir wie verschiedene Körperteile am Leib Christi sind. Weil wir zusammengehören, in Beziehung miteinander stehen. Ein paar Verse vorher sagt er: Lasst uns wahrhaftig sein in der Liebe.” (Eph. 4,15)

Warum eigentlich? Ich will als Antwort zwei Grundsätze formulieren:

1) Liebe braucht Wahrheit.

Klingt erst mal etwas banal. Eine Liebesbeziehung, die auf Lügen und Misstrauen aufgebaut ist, bricht zusammen, hat keinen Bestand, ja ist ja in Wirklichkeit keine Liebesbeziehung. Das ist doch jedem klar. Und doch: Gerade, wenn wir einen Menschen lieben, dann kann Wahrheit auch sehr wehtun. Mit Wahrheit können wir den andern verletzen. Ich habe es selber erlebt. Als Christiane und ich uns befreundet haben, hatte ich die Vorstellung, man muss absolut ehrlich sein und immer die Wahrheit sagen. Dabei habe ich dann in den ersten Gesprächen erst mal alles erzählt, was mich an ihr stört. Und wie meine Traumfrau sein sollte usw. Das war vielleicht alles ziemlich ehrlich und mit viel Wahrheit verbunden, aber nicht gerade sehr intelligent. Und schon gar nicht einfühlsam! Romantisch geht anders… Dass sie trotzdem irgendwie noch meine Frau geworden ist und mich genommen hat, ist zweifellos ein reines Wunder. Zwar braucht Liebe Wahrheit, aber was bedeutet Wahrheit denn? Wir verstehen unter dem Begriff “Wahrheit”, dass eine Aussage eben wahr sein muss. Das ist aber im Grunde sehr abstrakt. Stark vom griechisch-abendländischen Denken her geprägt. Hier geht es um Worte, Sätze, Aussagen. Im biblischen Verständnis ist Wahrheit aber zugleich ein Beziehungsbegriff.  Das hebräische Wort für Wahrheit “ämät” kommt von dem Verb “aman”. Und das heißt in der Grundbedeutung: fest sein, zuverlässig sein, treu sein, tragfähig sein, verlässlich, echt, eine Verbindung, die hält. Übrigens kommt da auch das schöne Wort “Amen” her. Und wenn es heißt, dass Gottes Wort wahr ist, geht es nicht zuerst um Worte und Sätze, sondern um Treue und Verlässlichkeit. Und wenn Gott Liebe ist, muss er zugleich Wahrheit sein, weil er treu ist, verlässlich. Liebe braucht Wahrheit.

4. Mose 23,19: Gott ist nicht ein Mensch, dass er lüge, noch ein Menschenkind, dass ihn etwas gereue. Sollte er etwas sagen und nicht tun? Sollte er etwas reden und nicht halten?

Gott ist treu. Weil er Liebe ist. Darum geht es also. Das Gegenteil davon ist der Teufel. Jesus nennt ihn “Vater der Lüge”. Und wo Menschen ohne Gott leben, auf sich selbst und ihre eigenen Vorteile fixiert sind, Jesus ablehnen, da scheut sich Jesus nicht, Klartext zu reden und harte Worte zu finden:

Johannes 8,44: Denn ihr seid Kinder des Teufels. Und deshalb tut ihr bereitwillig das, was euer Vater wünscht. Der war schon von Anfang an ein Mörder und stand nie auf der Seite der Wahrheit, denn sie ist ihm völlig fremd. Sein ganzes Wesen ist Lüge, er ist der Lügner schlechthin – ja, der Vater jeder Lüge.

Ein Leben in Lüge oder in Wahrheit, also in Eigensinn oder in Liebe – das zeigt, wes Geistes Kind wir sind. Daraus ergibt sich: Wenn wir zu Gott gehören, Kinder Gottes sind, dann wird das abfärben auf unser Verhalten.

Wie gut, dass Jesus barmherzig ist und uns vergibt. Dass er uns immer wieder einlädt als Kinder Gottes zu leben. Und Jesus sagt von sich selbst: Ich bin die Wahrheit. Er ist die Wahrheit in Person. Wenn Wahrheit ein Beziehungsbegriff ist, dann heißt das: Jesus ist absolute Treue und Verlässlichkeit. Nicht eine abstrakte Wahrheit. Keine mathematische Wahrheit: 2+2 = 4. Sondern er ist die Einladung Gottes, sich ihm ganz anzuvertrauen. Und von ihm zu lernen im Umgang mit anderen Menschen. Nicht anderen die Wahrheit um die Ohren knallen, sondern immer fragen: Was dient dem andern? Manche meinen, dass sie andern einfach immer das kritisch sagen sollten, was sie meinen. Doch Kritik kann lieblos und verletzend sein, wenn sie nicht an der Beziehung interessiert ist, sondern letztlich nur den eigenen Standpunkt untermauern will. Auf der anderen Seite gehört zur Liebe, dass sie auch aufzeigt, wo Verhalten die Beziehung stört. Und das kann auch mitunter hart sein. Gottes Wort und Jesus selbst sind manchmal hart – aus Liebe. Wir Menschen hören das nicht gern. Aber Liebe redet dem anderen nicht nach dem Mund, wie wir es oftmals gerne hätten. Wie es auch das Volk Israel damals am liebsten hatte:

Micha 2,11: Ich weiß sehr wohl, was für Propheten ihr euch wünscht: solche, die euch nach dem Mund reden, die das Blaue vom Himmel herunterlügen und euch ankündigen, Wein und Most würden in Strömen fließen!«

Doch so etwas hilft nicht weiter. Eine Verkündigung, die immer nur sagt: “Du bist toll, so wie es ist. Gott hat jeden lieb, so wie er ist. Keiner braucht sich ändern. Alles kann bleiben, wie es ist.” – das klingt zwar angenehm und bequem, aber ist nicht die ganze Wahrheit. Solch eine Botschaft verschweigt viel. Und damit ist sie keine echte Liebe. Halten wir aber fest: Liebe braucht Wahrheit. Und wenn wir als Kinder Gottes, als Christen, Liebe üben wollen, dann sind wir an der Beziehung zum Nächsten interessiert, zu sehen, was sie stärkt und fest macht. So braucht Liebe Wahrheit. Und daraus lässt sich erkennen, dass man diesen Satz auch gut umdrehen kann:

2) Wahrheit braucht Liebe.

Wo die Liebe fehlt, folgt Gesetzlichkeit. Jesus sagt das im Hinblick auf das Sabbatgebot: “Der Sabbat ist für den Menschen gemacht, und nicht der Mensch für den Sabbat.” So gilt es auch für die anderen Gebote. Sie sollen dem Leben dienen. Das heißt sie sollen uns zu verantwortlichem Handeln anleiten. Und da kann es in extremen Situationen sogar dazu kommen, dass man aus Liebe heraus eben nicht die Wahrheit in einem abstrakten Sinn sagt, sondern Wahrheit in einem tieferen Sinn – eine Wahrheit, die man bei oberflächlicher Betrachtung als Lügen ansehen könnte. Auch dafür gibt es Beispiele in der Bibel. Da sind zum Beispiel zwei hebräische Hebammen zur Zeit, als Israel in Ägypten unterdrückt war. Der Pharao gab ihnen den Befehl, die israelitischen Kinder gleich bei der Geburt zu töten. Doch sie lügen:

2. Mose 1

15 Und der König von Ägypten sprach zu den hebräischen Hebammen, von denen die eine Schifra hieß und die andere Pua:
16 Wenn ihr den hebräischen Frauen bei der Geburt helft, dann seht auf das Geschlecht. Wenn es ein Sohn ist, so tötet ihn; ist’s aber eine Tochter, so lasst sie leben.
17 Aber die Hebammen fürchteten Gott und taten nicht, wie der König von Ägypten ihnen gesagt hatte, sondern ließen die Kinder leben.
18 Da rief der König von Ägypten die Hebammen und sprach zu ihnen: Warum tut ihr das, dass ihr die Kinder leben lasst?
19 Die Hebammen antworteten dem Pharao: Die hebräischen Frauen sind nicht wie die ägyptischen, denn sie sind kräftige Frauen. Ehe die Hebamme zu ihnen kommt, haben sie geboren.
20 Darum tat Gott den Hebammen Gutes. Und das Volk mehrte sich und wurde sehr stark.
21 Und weil die Hebammen Gott fürchteten, gab er auch ihnen Nachkommen.

Sie lügen – und doch segnet sie Gott! Weil sie erkannt haben: Kriterium für echte Wahrheit ist die Liebe. Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Echte Liebe zum Nächsten hat ihren Ursprung in der Liebe Gottes.

Oder denken wir an die Prostituierte Rahab. Sie versteckt israelitische Kundschafter, Spione in Jericho. Weil sie spürt, hinter ihnen steht der lebendige Gott Israels, an den sie auch glauben möchte. Und aus diesem Glauben heraus sagt sie eine dreiste Lüge:

Josua 2

3 Deshalb ließ der König von Jericho Rahab sagen: »Schick die Männer heraus, die in dein Haus gekommen sind. Sie wurden gesandt, um das Land auszuspionieren!«
4 Rahab, die die beiden Männer versteckt hatte, entgegnete: »Die Männer waren tatsächlich hier, aber ich wusste nicht, woher sie kamen.
5 Sie haben die Stadt bei Einbruch der Dunkelheit, kurz bevor die Stadttore geschlossen wurden, wieder verlassen, und ich weiß nicht, wohin sie gegangen sind. Wenn ihr euch beeilt, holt ihr sie vielleicht noch ein.«
6 Sie hatte die beiden aber auf das Dach des Hauses gebracht und unter einigen Flachsbündeln versteckt, die dort aufgeschichtet waren.

Diese Hure Rahab, wie man früher sagte, diese Prostituierte, ist eine Urahnin im Stammbaum Jesu! Und ihr Glaube wird sogar hervorgehoben im Hebräerbrief (Hebräer 11,31)! Nach menschlich-moralischen Maßstäben könnte man urteilen: Was für eine schlimme Frau! Eine Hure, eine Lügnerin, eine Landesverräterin! Doch Gottes Sicht ist eben ganz anders. Das zeigt uns: Es ist nicht immer so einfach zu erkennen, was Wahrheit ist! Es kann Konfliktsituationen geben, wo keine allgemeingültigen Prinzipien weiterhelfen. Bitte mich nicht falsch verstehen! Nicht, dass die Konfis heimkommen und sagen: “Mama, der Pastor hat gesagt: Man kann ruhig lügen! Damit kann man sogar Gutes tun.” Es geht hier nicht um Lügen und Ausreden, wenn man die Hausaufgaben vergessen hat. Es geht hier um extreme Konfliktsituationen, wo zum Beispiel das Leben von Menschen auf dem Spiel steht – Aber grundsätzlich gilt: Kriterium für das, was wir sagen oder nicht sagen, für Wahrheit und Liebe ist in jeder einzelnen Situation und besonders in Extremsituationen: Was ist Gottes Wille? Und das muss jeder Einzelne vor Gott und dem eigenen Gewissen – geschult an der Bibel, verbunden mit der Bitte um Leitung durch den Heiligen Geist – entscheiden. Was dient dem Leben? Was entspricht der Liebe Gottes? Was hilft unserem Nächsten? Was bringt ihn weiter?

Und auch wenn im Einzelfall Christen dabei durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können, gilt es das festzuhalten: Wahrheit braucht Liebe. Und Liebe braucht Wahrheit.

Amen.

Pastor Gero Cochlovius, Predigt vom 24.3.2019 in der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Hohnhorst

Quelle: https://martins-gemeinde.de/category/predigt/

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Freitag 3. Mai 2019 um 17:18 und abgelegt unter Predigten / Andachten.