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Erklärung zur Orientierungshilfe des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit. Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“

Mittwoch 3. Juli 2013 von Evang. Gnadauer Gemeinschaftsverband e.V.


Evang. Gnadauer Gemeinschaftsverband e.V.

Niemand kann den grundlegenden Wandel leugnen, in dem sich Ehe und Familie in unserer Gesellschaft befinden. Deshalb möchte der Rat der EKD mit seiner jüngsten sogenannten „Orientierungshilfe“ eine „evangelische Verständigung über Ehe, Familie und Partnerschaft“ anregen. Am Ende des 160seitigen, wie immer gelehrten und didaktisch aufgebauten Werkes wird dann nicht weniger gefordert, als „Familie neu zu denken und die neue Vielfalt von privaten Lebensformen unvoreingenommen anzuerkennen und zu unterstützen“. Anwalt für alle an „Gerechtigkeit orientierten Familienkonstellationen“ soll die evangelische Kirche sein und werden und diesem Anspruch wird das Papier in vielen Abschnitten zur wirtschaftlichen Situation von Familien, zu Bildungsfragen, zur Generationenverantwortung, zu Fragen von Erwerbstätigkeit, Familien mit Migrationshintergrund und Gewalt in Familien auch durchaus gerecht. Kein Zweifel, dass im evangelischen Raum noch ein breites Lernfeld besteht, um Familie in ihrer Vielgestaltigkeit wahrzunehmen und im Sinne des Evangeliums, Menschen in unterschiedlichsten familiären Konstellationen wahrzunehmen und adäquat zu begleiten.

Schon nach wenigen Seiten wird klar, dass dieser Appell aber einhergeht mit einer auffälligen Abwertung sogenannter „bürgerlicher Ehe -und Familienverständnisse“ und einer Absage an jedes „normative Verständnis der Ehe als göttliche Stiftung“ oder „natürliche Schöpfungsordnung“. Ehe hat keinen Leitbildcharakter mehr, sondern wird als „besondere Stütze und Hilfe“ gewürdigt, die sich auf „Verlässlichkeit, wechselseitige Anerkennung und Liebe“ gründet. Alle anderen ebenfalls „verbindlich, verantwortlich und verlässlich“ geführten Partnerschaften (hier zeichnet sich eine neue „Trias“ in der EKD ab) sind aber in gleicher Weise anzuerkennen und – wo gewünscht – auch zu segnen. Offensichtlich soll jeder Schein einer Diskriminierung der vielfältigen familiären Lebensformen vermieden werden. Hier folgt der Rat der EKD der Argumentationslinie des Bundesverfassungsgerichtes, ohne kritisch zu hinterfragen, ob es hier wirklich um „Gleiches“ geht, welches dann auch gleich behandelt werden soll.

In einem evangelischen Papier kann eine derartige Absicht aber nur dann gelingen, wenn nachgewiesen wird, dass dieser Schritt nicht einfach nur eine Anpassung an gesellschaftliche Entwicklungen darstellt, sondern biblisch-theologisch verantwortet werden kann. Genau an dieser Stelle weist die Orientierungshilfe aber gravierende Mängel auf, trotz der vollmundigen Behauptung, dass hier eine normative Orientierung am Evangelium geleistet werde. Mit Hinweis auf „Patchwork-Konstellationen“ bei Abraham, Sarah und Hagar oder auf zusammenlebende Geschwister wie Maria und Martha wird eine familiale Vielfalt in der biblischen Überlieferung gegen ein singuläres Verständnis von „Ehe“ als verantwortliche und dauerhafte Verbindung von Mann und Frau gestellt. Aus der schöpfungsgemäßen Polarität von Mann und Frau wird die allgemeine „Angewiesenheit auf ein Gegenüber“. Biblische Stellen, die von „zärtlichen Beziehungen zwischen Männern“ sprechen (ohne Textbeleg!), dienen zur  Relativierung der biblischen Aussagen über praktizierte Homosexualität als Sünde.

Hier muss schon die Frage erlaubt sein, wie viel hermeneutischer und theologischer Einseitigkeit es eigentlich bedarf, um weg zu deuten, dass in der gesamten biblischen Überlieferung die Polarität der Beziehung von Mann und Frau als schöpfungsgemäß und konstitutiv betrachtet wird?

Niemand wird leugnen, dass neben dieser konstitutiven Polarität auch andere familiäre Konstellationen vorkommen und zu würdigen sind, aber es ist vollkommen inakzeptabel, die eindeutig unterschiedliche Gewichtung in der biblischen Überlieferung auf diese Weise einfach aufzulösen. Theologie und Kirche haben die Aufgabe der Auslegung, sie bleiben dabei, gerade nach evangelischem Verständnis, aber an das Schriftzeugnis in seiner eigenen Klarheit und Priorisierung gebunden. Weil der Nachweis der biblischen Fundamentierung der Orientierungshilfe aber auch nicht mit dem inflationären Hinweis auf Galater 3,26-28 gelingen kann, leistet sie eben genau diese evangelische Orientierung nicht.

Gerade die Stellen, an denen sich das Papier mit dem Umgang mit homosexuellen Partnerschaften beschäftigt, fallen durch eine gewisse argumentative Sorglosigkeit auf, die gerade nicht dem Faktum Rechnung trägt, dass diese Fragen in der evangelischen Kirche – auch nach Aussagen der Orientierungshilfe – nach wie vor umstritten sind. Anders ist kaum zu verstehen, dass es als eine Stärke des evangelischen Menschenbildes bezeichnet wird, dass es „Menschen nicht auf biologische Merkmale reduziert“, als ob Gegner einer Gleichstellung homosexueller Partnerschaften im Raum der evangelischen Kirche das täten. Es ist schon

atemberaubend, wenn die in der ganzheitlichen Gemeinschaft von Mann und Frau natürlich angelegte Generationenfolge als „Reduktion auf biologische Merkmale“ bezeichnet wird oder wenn im Streit um homosexuelle Lebenspartnerschaften im Pfarrhaus behauptet wird, dass „neue Lebensformen im Pfarrhaus den Blick dafür öffnen können, das in vielen unterschiedlichen Formen Leben gelingen kann, wenn es verantwortlich, verbindlich und verlässlich gestaltet wird“.

Was sich in der Orientierungshilfe als normativ aus dem Schriftzeugnis gewonnene und theologische verantwortete Positionierung bezeichnet, erscheint mit einem anderen Blick auf die biblischen Überlieferung dann eben doch sehr schnell als Anpassung an gesellschaftliche Entwicklungen. Die von der Orientierungshilfe angestrebte evangelische Verständigung wird auf diese Weise kaum gelingen. Darüber hinaus ist auch ernsthaft zu fragen, ob die Evangelische Kirche in Deutschland mit dieser durchgehend spürbaren Abwertung der Ehe im Sinne des § 6 GG in den momentanen gesellschaftlichen Diskussionen politisch verantwortlich handelt. Im ökumenischen Kontext ist der schon beträchtliche Flurschaden mit dieser Positionierung nur noch größer geworden. Bedauerlich, dass die vielen bedenkenswerten Ansätze zur Vielgestaltigkeit von Familie in unserer Gesellschaft ihre Wirkung daher nur begrenzt entfalten werden und dass für viele evangelische Christen die Zweifel und die Kritik am gegenwärtigen und zukünftigen Kurs der EKD damit noch stärker werden.

Kassel, 19. Juni 2013

Präses Dr. Michael Diener, Evangelischer Gnadauer Gemeinschaftsverband e.V., Kassel

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Mittwoch 3. Juli 2013 um 15:04 und abgelegt unter Ehe u. Familie, Gesellschaft / Politik, Kirche.