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Diskriminierung von Schwesterkirchen

Diskriminierung von Schwesterkirchen. Juristisch-satirische Verurteilung der päpstlichen Entwertung von Protestanten

Strahlend sprach Papst Benedikt XVI. bei seinem Bayernbesuch im September 2006 davon, daß der christliche Glaube nicht abgrenze. Weniger als ein Jahr später widerruft das römisch-katholische Oberhaupt und grenzt seine Mitglieder offiziell von den Evangelischen ab. In dem von ihm bestätigten Dokument „Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche“ heißt es, allein die katholische Kirche sei „die wahre Kirche Christi“, Protestanten wie auch andere Glaubens-gemeinschaften seien „mit Mängeln behaftet“ und allenfalls „kirchliche Gemeinschaften“. Zur Begründung wird darauf verwiesen, daß die anderen Konfessionen sich nicht auf die „apostolische Sukzession“ berufen dürften. Evangelische Kirchenführer sind empört, mit Humor vermögen sie kaum zu reagieren. Das juristische Instrumentarium vermittelt die etwas andere Sichtweise, nämlich eine heitere und zugleich auch ernste Perspektive, wobei nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden sollte. Mit den arrogant wirkenden Äußerungen haben sich die Verantwortlichen des Vatikans der Beleidigung und üblen Nachrede schuldig gemacht, die Evangelischen dürfen nach unserer Rechtsordnung mit Schärfe reagieren.

Die von der Rechtsprechung geforderte Kundgabe der Nichtachtung und das teilweise Absprechen des sozialen Werts nach § 185 StGB liegen vor. Wegen der Verbreitung in der Öffentlichkeit ist auch das Delikt nach § 186 StGB gegeben, zumal die römisch-katholische Kirche nicht die höhere Qualifizierung beweisen kann. Darin liegt außerdem eine Diskriminierung der „Religion„ nach § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

Ein irgendwie gearteter Rechtfertigungsgrund zugunsten der römischen Kirche liegt nicht vor. Das gilt insbesondere für die „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ im Sinne des § 193 StGB. Natürlich gewährt Artikel 4 des Grundgesetzes die Bekenntnisfreiheit, auch das Recht zur Missio-nierung. Der Papst könnte etwa geltend machen: Mißbrauch des Glaubens beim Evangelischen Kirchentag 2007 durch buddhistische Versenkung, erotischen Gottesdienst, Befürwortung der Abtreibung oder „Dank an die Göttin“. Zu denken wäre an den Mißbrauch der Heiligen Schrift durch die „Bibel in gerechter Sprache“. Darauf gründet sich die römische Glaubenskongregation aber nicht. Fraglich ist auch, ob der herabsetzende Vergleich zulässig ist in Anbetracht der Tatsache, daß weltweit in Bezug auf Demokratisierung, Pro-Kopf-Einkommen und Alphabetisierung, ja bis zum erfolgreichen Kampf gegen die Korruption die protestantischen Länder vorn liegen. Erinnerungen an Sportler wie Cassius Clay werden wach: „Ich bin der Größte!“.

Auch der für die Bestrafung erforderliche Vorsatz ist gegeben. Gerade die Wiederholung der Herabminderung der Evangelischen nach „Dominus Jesus“ im Jahr 2000 unterstreicht die Tatsache, daß der Papst bewußt und gewollt vorgegangen ist. Hinzu kommt, daß er evangelisch aufgeklärt ist. Das beweist er in seinem Bestseller „Jesus von Nazareth“. An vielen Stellen heißt es dort ganz eindeutig: Kirche = Volk Gottes (somit mehr als die römischen Katholiken). Dem römisch-katholischen Oberhaupt ist also die biblische Lehre vertraut, auf welche sich die Protestanten gründen, im vollen Bewußtsein aber diskriminiert er die Schwesterkirche.

Den objektiv beleidigten Evangelischen steht die Retorsion nach § 199 StGB zu. Sie dürfen scharf zurückschießen und haben Aussicht auf Straflosigkeit. So spricht der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Bischof Huber von der ökumenischen Brüskierung und der vorsätzlichen Belastung bestehender Beziehungen durch die Veröffentlichung. Der nordelbische Bischof Hans-Christian Knuth verweist unter Einbeziehung des Reformators Martin Luther auf die Fülle von Irrtümern in der katholischen Lehre, ja auf schädliche Dogmen. Wechselseitige Erwiderungen auf Beleidigungen sind vom Gesetz gedeckt.

Man könnte gar meinen, die evangelische Kirche könnte sich im Rahmen von § 199 StGB noch in Bezug auf die Deutlichkeit steigern. Der Verfassungsrichter und ehemalige Kirchentagspräsident Helmut Simon plädiert für einen „Protestantismus mit mehr Biß“. Vielleicht sollten die Evangelischen auf ihre Deutungshoheit in den 500 Jahren seit der Reformation oder die großen Leistungen in Literatur und Musik mit mehr Selbstbewußtsein aufmerksam machen, vielleicht auch mit „Bundesbischof“ Huber des öfteren Bedingungen stellen wie die Respektierung der evangelischen Kirche als gleichwertige, um überhaupt den ökumenischen Kirchentag 2010 durchführen zu können. Das Wichtigste ist aber die Unabhängigkeit vom päpstlichen Ranking.

Die Protestanten könnten sich auch auf legitime Notwehrhandlungen nach § 32 StGB gründen, etwa Problempunkte des Katholizismus öffentlichkeitswirksam ansprechen wie den Zölibat, nämlich den erzwungenen Zustand des Singledaseins – und dies gegen das ausdrückliche Gebot des Apostels Paulus im 1. Korintherbrief. Eventuell sollten Protestanten öffentlich über den katholischen Marienkult debattieren, etwa den heidnischen Ursprung. Ähnliche Themen sind z. B. Volksfrömmigkeit, Reliquien- und Heiligenverehrung. Das erfundene „Petrus-Amt“ und die ununterbrochene Weitergabe der Bischofsqualifikation mittels Handauflegens finden in der Bibel keine überzeugende Grundlage.

Schließlich steht der evangelischen Kirche das Recht zu, sich über die Berufung auf den Notstand nach § 34 StGB öffentlich mit der Frage zu beschäftigen, wieweit die Lehre der römisch-katholischen Kirche sektiererische Elemente enthält. Luther war durchaus dafür offen, „den Widersachern das Maul zu stopfen“. Als Gemeinde und Kirche gilt nach Ansicht des Reformators die Gemeinschaft all derer, die im rechten Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe leben; er sprach von einer „Versammlung der Herzen in einem Glauben“. Das römisch-katholische Dokument wirkt insoweit faktenresistent, auf eine Aufklärung des Volkes wird verzichtet. Es fehlt an einer Begründung, weshalb katholisches Sondergut im Vergleich zu dem von den Protestanten ins Zentrum gerückten biblischen Fundament höherwertig sein soll. Die Herabsetzung der anderen Konfession erweckt den Eindruck, daß es eher Minderwertigkeitskomplexe sind, als ein objektiv nachvollziehbares Überlegenheitsgefühl. Daß dem Konkurrenten eine mindersoziale Geltung zugesprochen wird, ist typisches Merkmal für Sekten. Das gilt auch für Machtausübung, diktatorisches Verhalten, ethischer Egoismus, Verwechslung der Wahrheit mit Dogmen, Entstellung der biblischen Botschaft oder rechthaberische Einstellung gegenüber anderen christlichen Kirchen. Das schließt nicht aus, daß die Katholiken in manchen Bereichen, wie erwähnt, den Protestanten überlegen sind, vor allem auf dem ethischen Sektor. Evangelischen Theologiestudenten sollte das Papstbuch zur Pflichtlektüre werden, da es so reich an biblischen und evangelischen Gedanken ist. Im Gegensatz zu seinen Extravaganzen wie unbiblische Dogmatik und Herabsetzung anderer Kirchen orientiert sich der Papst in seinem Bestseller weitgehend an der Heiligen Schrift, der Grundlage der evangelischen Konfession. Das führt aber nicht zu einer strafrechtlichen Entlastung.

Im Ergebnis erfüllt das römisch-katholische Dokument die Voraussetzungen für die Delikte Beleidigung und üble Nachrede nach unserem Strafgesetz. Die Evangelischen dürfen auf verschiedenen Ebenen kontern. Auch wenn diese Gedanken nicht dazu gereichen sollen, daß die katholischen Kirchenführer ins Gefängnis gelangen, so ist es gewiss wertvoll, wenn sich beide Konfessionen vor Augen halten, welche juristischen Möglichkeiten die Kontroverse bietet.

Christian Hausen
Rechtsanwalt
24536 Neumünster