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Wen kümmert’s?

Als ich auf einer meiner Reisen aus dem fahrenden Zug schaute, kam ich ins Nachdenken über den Zustand der Menschen um mich herum.

Sie lebten in der offensten und schamlosesten Auflehnung gegen Gott, ohne auch nur einen Gedanken an die Ewigkeit zu verschwenden. Während ich so aus dem Fenster schaute, sah ich sie alle vor mir: Millionen von Menschen, die dem Trunk und dem Vergnügen, dem Tanz und der Musik, ihren Geschäften und Ängsten, ihrer Politik und ihren Sorgen ergeben waren. Unwissend – in vielen Fällen willentlich unwissend – in anderen Fällen im vollen Bewusstsein der Wahrheit, eilten sie unaufhaltsam dem Gericht Gottes entgegen. Während ich mich damit in Gedanken beschäftigte, stand mir die Not der Verlorenen und der Zustand der Christenheit vor Augen.

Ein vom Sturm gepeitschter Ozean

Ich sah einen dunklen, sturmgepeitschten Ozean. Über ihm hingen schwarze, schwere Wolken, durch welche hin und wieder grelle Blitze zuckten und schwere Donner rollten, während der Wind heulte, die Wellen sich erhoben und schäumende Brecher einander ohne Pause folgten.

In diesem Meer erkannte ich eine Unzahl von Menschen, die schreiend und kreischend dahintrieben und zeitweilig untertauchten. Sie fluchten und kreischten, kämpften gegen die See und waren dem Ertrinken nahe. Einige versanken, um nie wieder aufzutauchen.

Ich sah aus diesem schwarzen Meer einen gewaltigen Felsen emporragen, dessen Gipfel hoch über die schwarzen Wolken reichte. Am Fuße des Felsens bemerkte ich eine ausgedehnte Plattform, die den Felsen von allen Seiten umgab. Auf dieser Plattform befanden sich zu meiner großen Freude einige dieser armen, verzweifelt kämpfenden Menschen, die aus dem Wasser gerettet wurden.

Die Menschen auf dem Felsen

Als ich genauer hinschaute, bemerkte ich, dass sich einige der Geretteten eifrig darum bemühten – mit Leitern, Tauen, Booten und anderen Mitteln – Menschen, die um ihr Leben kämpften, aus dem Meer zu ziehen. Da und dort gab es sogar einige, die in ihrer Retterliebe sogar wieder ins Wasser sprangen, ohne nach den möglichen Folgen zu fragen. Ich weiß kaum, was mich mehr freute: der Anblick derer, die erschöpft auf den sicheren Felsen kletterten oder die Hingabe und Selbstaufopferung jener, die ganz darin aufgingen, andere zu retten.

Als ich weiter zuschaute, sah ich, dass die Menschen auf der Plattform eine ziemlich gemischte Gesellschaft darstellten. Sie waren in verschiedene Gruppen aufgeteilt und vertrieben sich die Zeit auf unterschiedlichste Art und Weise. Nur sehr wenige schienen es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, Ertrinkende aus dem Meer herauszuziehen.

Am meisten wunderte ich mich darüber, dass von all denen, die selber einmal aus dem Meer gerettet wurden, die meisten ihre Vergangenheit scheinbar vergessen hatten. Jedenfalls schien die Erinnerung an die damalige Finsternis und Gefahr sie überhaupt nicht mehr zu plagen. Ebenso seltsam und unfassbar war für mich, dass sie sich anscheinend überhaupt keine Sorgen um die Verlorenen machten, die direkt vor ihren Augen um ihr Leben kämpften und ertranken, zumal es sich bei vielen von ihnen sogar um ihre eigenen Ehegatten, Brüder, Schwestern oder sogar ihre eigenen Kinder handelte.

Diese Gleichgültigkeit konnte nicht auf Unwissenheit oder mangelnde Aufklärung zurückgeführt werden, denn die Menschen hatten die Not der Verlorenen vor Augen und redeten auch manchmal darüber. Viele gingen sogar zu Vorträgen und Predigten, in denen die schreckliche Lage dieser armen, ertrinkenden Geschöpfe beschrieben wurde.

Ich erwähnte, dass die Bewohner dieser Plattform ihre Zeit mit den unterschiedlichsten Beschäftigungen zubrachten. Manche wurden Tag und Nacht von ihrem Geschäft in Anspruch genommen und verstauten ihren Gewinn in Panzerschränken und dergleichen. Viele züchteten zum Zeitvertreib Blumen am Abhang des Felsens, andere malten auf Leinwänden oder machten Musik.

Die Menschen auf dem Felsen hatten Gottes Stimme gehört und fühlten, dass sie ihr gehorchen sollten – zumindest sagten sie es so. Sie bekannten, Ihn zu lieben und beteten Ihn an – oder taten zumindest so als ob. Am erstaunlichsten war für mich die Tatsache, dass die Menschen auf dem Felsen von ihrem Handel, ihrem Geldverdienen, von ihren Familien und Freunden, ihrer Religion und ihren Religionsstreitigkeiten so sehr in Anspruch genommen waren, dass sie den Schrei des Einen, der sich selbst für sie ins Meer geworfen hatte, nicht hörten. Wenn sie den Ruf dennoch hörten, schenkten sie ihm keine Aufmerksamkeit. Es kümmerte sie nicht und so kämpften Abertausende vor ihren Augen um ihr Leben, schrien auf und ertranken, umgeben von Finsternis.

Eine sonderbare Beobachtung

Danach sah ich etwas, das erschien mir sonderbarer als alles andere, was sich bis dahin in dieser merkwürdigen Vision zugetragen hatte.

Einige von den Leuten auf der Plattform, die bei dem schwierigen Rettungswerk helfen sollten, wünschten stattdessen, dass Gott zu Ihnen käme, um sie noch glücklicher zu machen. Andere wünschten, Er käme, um ihnen verschiedene Zweifel und Befürchtungen zu nehmen, die sie hinsichtlich der Echtheit einiger Briefe hegten, die Er ihnen geschrieben hatte. Einige wünschten, dass Er käme, damit sie sich auf dem Felsen noch sicherer fühlen könnten, so sicher, dass sie ganz gewiss sein könnten, niemals wieder in das Meer hineinzugeraten. Zahlreiche andere erhofften sich von Ihm die Gewissheit, eines Tages wirklich von dem Felsen weg auf das Festland zu kommen; denn es war ihnen wohlbekannt, dass einige, die sorglos spazieren gegangen waren, den Halt verloren hatten und wieder in die stürmische See gestürzt waren.

Deshalb war es die Angewohnheit dieser Leute geworden, sich zu versammeln und so weit wie möglich auf den Felsen hinaufzusteigen. Von dort aus schauten sie zum Festland hinüber, wo sie den Herrlichen vermuteten und riefen hinüber: »Komm zu uns! Komm und hilf uns!« Währenddessen war Er durch Seinen Geist unten in der wütenden Tiefe bei den armen Ertrinkenden, die um ihr Leben kämpften, schlang Seine Arme um sie und versuchte sie hinauszuziehen. Er schaute sehnsüchtig zu denen hinauf, die auf dem Felsen waren und rief mit heiserer Stimme: »Kommt her zu Mir! Kommt und helft Mir!«

Und dann verstand ich alles. Es war deutlich genug gewesen!

• Jenes Meer war der Ozean des Lebens, das Meer des alltäglichen menschlichen Daseins.

• Jene Blitze waren das Aufleuchten der alles durchdringenden Wahrheit, die vom Thron Gottes ausgeht.

• Jenes Donnern war der ferne Widerhall seines Zorns.

• Die schreiende Menschenmenge, die sich in der stürmischen See abmühte und um ihr Leben kämpfte, waren Tausende und Abertausende von verlorenen Menschen aus allen Sprachen und Nationen.

Der Kampf ums Überleben

Was für ein finsteres Meer das war! Wie viele Menschen kämpften dort um ihr Überleben: Reiche und Arme, Unwissende und Gebildete! Sie waren in ihren äußeren Umständen und Verhältnissen so verschieden und doch glichen sie sich alle in einem Punkt: Alle waren Sünder vor Gott, ließen von ihrer Ungerechtigkeit nicht los, waren von irgendeinem Götzen hingerissen, Sklaven einer teuflischen Lust und regiert von dem »altbösen Feind« aus der abgrundtiefen Hölle!

»In einem Punkt sind alle gleich?« Nein, sogar in zwei Punkten: Sie sind nicht nur gleich in ihrer Bosheit, sondern auch – solange sie nicht gerettet waren – in ihrem Untergang.

• Jener große, bergende Felsen war Golgatha, der Ort, an dem Jesus für sie gestorben war.

• Jene Menschen auf dem Felsen waren die Erlösten.

• Die Art und Weise, wie sie ihre Kräfte, ihre Gaben und ihre Zeit einsetzten, zeigte symbolhaft die Beschäftigungen und Vergnügungen der Menschen, die vorgaben, aus Sünde und Hölle errettet und Nachfolger des Herrn Jesus Christus zu sein.

• Die Handvoll kühner, entschlossener Helfer, die ihr eigenes Leben riskierten, um die Untergehenden zu retten, waren echte Jünger des Kreuzes Jesu.

• Jener Mächtige, der sie inmitten der wütenden See um Hilfe rief, war der Sohn Gottes, der noch immer kämpft und Fürbitte tut, um die unzähligen Menschen um uns her vor der schrecklichen Verdammnis zu bewahren. Seine Stimme ruft alle Geretteten auf, zu kommen und Ihm zu helfen, die Menschen zu erretten.

Meine Freunde in Christus, ihr seid aus dem Wasser gerettet worden, ihr seid bereits auf dem Felsen. Jesus aber steht mitten in der Brandung und ruft euch auf, Ihm zu Hilfe zu kommen. Werdet ihr ins Wasser hineingehen?

Wer steigt in die Fluten hinein?

Ich verlasse nun die Vision und rede jetzt von Tatsachen, die so wahr sind wie die Bibel und wie Christus, der für uns am Kreuz hing. Ich rede von Dingen, die ebenso real sind, wie der Tag des Jüngsten Gerichtes sein wird und wie der Himmel und die Hölle, die ihm folgen werden.

Freunde! Lasst euch nicht durch Äußerlichkeiten betrügen. Alle, die nicht auf dem Felsen sind, sind im Meer! Betrachten wir sie einmal vom Standort des großen weißen Thrones aus. Was für ein Ausblick bietet sich euch? Jesus Christus, der Sohn Gottes, ist durch Seinen Geist mitten unter den Verlorenen und kämpft um ihre Rettung. Er ruft auch euch auf, in das Meer zu springen, an Seiner Seite zu kämpfen und Ihm in Seinem heiligen Bemühen zu helfen. Werdet ihr hineinspringen? Wollt ihr euch Ihm zu Füßen werfen und euch Ihm ganz zur Verfügung stellen?

Wollt ihr, die ihr immer noch am Ufer steht und zögert und über die armen Verlorenen nachdenkt, von ihnen singt und für sie betet, es nicht ebenso machen wie der Mann am Strand, der sofort die hinderlichen Oberkleider auszieht und sich ins Meer wirft, um einen anderen zu retten, der um sein Leben kämpft? Wollt ihr nicht – wie dieser Mann – alles ablegen: euren Stolz, euer Hören auf die Meinung anderer Leute, euren Hang zur Bequemlichkeit – und den sterbenden Männern und Frauen schnellstens zu Hilfe kommen?  

Was kostet der Sprung?

Ist euch die wogende See zu finster und zu gefährlich? Der Sprung bedeutet für euch – wie für jeden anderen, der ihn wagt – Schwierigkeiten, Verachtung und Leiden. Für euch kann er noch mehr als das bedeuten, vielleicht sogar den Tod. Er aber, der euch aus dem Meer zu sich ruft, weiß, was der Sprung für euch bedeuten kann und trotzdem ruft Er euch und gebietet euch zu kommen.

Ihr müsst es tun! Ihr könnt euch dem nicht entziehen! Ihr habt euch lange genug im Christentum amüsiert. Ihr habt schöne Gefühle, schöne Lieder, schöne Versammlungen. Ihr habt gewandte Redner, viel Applaus und lautes Lobpreisen – sehr viel Himmel auf Erden. Dennoch geht zu Gott und sagt Ihm, dass ihr bereit seid, euch von allem abzuwenden, und dass ihr willens seid, den Rest eures Lebens im Kampf inmitten dieser untergehenden Millionen zu verbringen, was auch immer es euch kosten mag.

Ihr müsst es tun! Mit dem Wissen, das ihr habt, bleibt euch keine andere Wahl! Es ist eure Verantwortung, zu den Verlorenen zu gehen. Eure Freude wird dann darin bestehen, ihr Elend zu teilen, euer Behagen darin, ihren Schmerz zu teilen, eure Krone darin, ihnen zu helfen, ihr Kreuz zu tragen und euer Himmel darin, in den Rachen der Hölle zu steigen, um Verlorene zu retten. Was werdet ihr tun?

Von William Booth (1829-1912), dem Gründer der Heilsarmee

bearbeitet von Keith Green   

Der obenstehende Text kann als Traktat beim Missionswerk DIE BRUDERHAND e.V. [1] bestellt werden.