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Ein Angriff auf die Wirklichkeit

Familie im Gender-Zeitalter

Im Zusammenhang mit Familien- und Gleichstellungspolitik taucht immer wieder das Zauberwort Gender Mainstreaming auf. Wobei aber kaum jemand weiß, was es eigentlich bedeutet. Wer genau hinschaut, wird Erschreckendes finden: Einen Angriff auf die biologische Realität, auf die Familie und auf die Identität des Menschen. Was verbirgt sich dahinter, und wie können wir Christen damit umgehen?

1.  Ein Begriff wie ein U-Boot

Gender Mainstreaming, kurz GM, ist ein englischer Ausdruck: main heißt Haupt, stream ist der Strom, also Hauptstrom. Mainstreaming bedeutet, etwas in den „Hauptstrom“, ins Zentrum des Denkens und des Handelns zu bringen. Das Thema Gender soll also zur Hauptsache werden. Es spielt nicht nur in unserer Familienpolitik eine Rolle, sondern dringt auch in die Kirche ein und spaltet sie. Auf der einen Seite stehen alle, die GM unbedingt durchsetzen wollen. Auf der anderen Seite stehen viele, die dahinter Gottlosigkeit und totalitäre Grundzüge sehen.

Wo kommt GM her? Bei der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 wurde eine Abschlussresolution mit dem Titel „Mainstreaming a Gender Perspective“, kurz „Gender Mainstreaming“, verabschiedet. Ein Zitat daraus: „Wir wollen in den Mittelpunkt unserer Bemühungen das Ziel der Gleichheit von Mann und Frau stellen.“ 1 [1]

Gender ist ein anderes Wort für Geschlecht. Das normale englische Wort für Geschlecht ist „sex“ und meint die Unterscheidung männlich-weiblich. Aber darum geht es bei Gender nicht. Dahinter steht der Vorwurf, Jungen und Mädchen würden so erzogen, dass sie gar nicht anders können als Jungen oder Mädchen zu sein. Gender meint ein empfundenes und veränderbares Geschlecht – ohne Zusammenhang mit biologischen Fakten. Das klingt abstrus, soll aber allen Ernstes durchgesetzt werden. Die Grundeinsicht, dass die Gesellschaft Kinder braucht, um zu überleben und die Grundfrage, was den Kindern nützt, werden bei GM völlig außer acht gelassen. Es geht um die Durchsetzung des Geschlechtes, zu dem man sich zugehörig fühlt.

Dahinter steht eine radikalfeministische Ideologie. Diese wurde zur Frauenkonferenz in Peking formuliert und hat ein Ziel, das auf den ersten Blick gar nicht mal schlecht klingt: 50% aller Arbeitsplätze auf der ganzen Welt in allen Berufssparten sollen so schnell wie möglich mit Frauen besetzt werden. Diese Gender-Perspektive ist weltweit politische Vorgabe und Ziel.

Notfalls auch zwangsweise. Bei dieser Weltfrauenkonferenz waren auch Frauen aus ärmeren Ländern dabei, in denen die Familie einen sehr großen Stellenwert hat. Als es um GM ging, waren sie geneigt, darüber hinwegzuhören, weil es ihnen so unglaublich vorkam. Bis man ihnen zu verstehen gab: Wenn das in euren Ländern nicht umgesetzt wird, bleibt die Entwicklungshilfe aus! 2 [2]

Öffentlich wird über GM kaum diskutiert. „Über das, was die Gender-Perspektive will, gibt es keine offene Diskussion. Sie kommt nicht als großes Schiff daher, obwohl sie doch in allen politischen und öffentlichen Programmen verankert werden soll, sondern wie ein U-Boot, das keiner genau kennen soll.“ 3 [3]
Diese Unverständlichkeit ist gewollt. Zur Durchsetzungsstrategie gehört, die Bedeutung von Worten zu verändern. Wohin so etwas führen kann, kennen wir aus unserer Geschichte nur zu gut.

Das Geschlecht ist also nicht mehr eindeutig. Es gibt nicht zwei Geschlechter, sondern fünf: Männer, Frauen, homosexuell empfindende Männer, homosexuell empfindende Frauen und bi- oder transsexuell empfindende Menschen. (Bisexuelle Menschen verkehren mit beiden Geschlechtern. Transsexuelle Menschen haben zwar äußerlich eindeutige Geschlechtsmerkmale, fühlen sich aber innerlich dem jeweils anderen Geschlecht zugehörig, dass sie sich so kleiden und so leben.) Die Kategorie „Geschlecht“ soll aufgeweicht, die Zweigeschlechtlichkeit des Menschen abgeschafft werden, „Mann“ und „Frau“ wird auswechselbar.

Nun unterscheiden sich Frauen von den Männern ja u. a. durch ihre Fähigkeit, Kinder zu bekommen. Aber dass Frauen mit den Kindern beschäftigt sind und deshalb nicht arbeiten gehen können, passt nicht ins Gender-Konzept. Also wird die Abtreibung gefördert. Die Frau soll dem Mann gleichgestellt sein. Hier wird aber die Bedeutung des Wortes „Gleichstellung“ verändert. Sie wäre erreicht, wenn eine Frau z. B. für die gleiche Arbeit so viel Geld verdient wie ein Mann. Aber darum geht es hier gar nicht.

Auch für unser Rechtssystem hätte GM Konsequenzen. Maßgeblich für die rechtliche Bestimmung des Geschlechtes sollen nicht mehr die äußeren Geschlechtsmerkmale sein, sondern allein das subjektive Empfinden des Menschen. Jeder soll sein Geschlecht selbst bestimmen und im Lauf der Zeit auch verändern können. Heute fühlt man sich hetero-, morgen vielleicht homosexuell … (Diese Idee stößt übrigens ausgerechnet bei Homosexuellenverbänden auf Widerstand. Sie wehren sich gegen eine Veränderung der sexuellen Veranlagung; denn ihrer Meinung nach wird man homosexuell geboren und bleibt es sein Leben lang.)

Die Gender-Perspektive redet durchaus positiv von Familie. Aber sie definiert Familie völlig neu. Es gibt eine Abneigung gegen Worte wie „Vater“ und „Mutter“, statt von Ehemann und Ehefrau wird nur von „Partner“ gesprochen. „Familie“ soll durch „Freundschaft“ ersetzt werden. In einem der Arbeitspapiere der Pekinger Frauenkonferenz steht: „Stellen Sie sich vor, Sex unter Freunden wäre die Norm. (…) Vergnügen ist unser Geburtsrecht, dessen uns ein religiöses Patriarchat 4 [4] beraubt hat. (…) In meiner Vorstellung sehe ich Freunde, keine Familien, die in vollen Zügen das Vergnügen genießen, das uns zusteht, weil unsere Körper heilig sind.“

2.  Einige geschichtliche Wegbereiter

Der Vater der Gender-Perspektive ist Friedrich Engels. Er schrieb: „Der erste Klassengegensatz, der in der Geschichte auftritt, fällt zusammen mit der Entwicklung des Antagonismus 5 [5] von Mann und Weib in der Einzelehe, und die erste Klassenunterdrückung mit der des weiblichen Geschlechts durch das männliche.“ Anders ausgedrückt: Die Ehe ist eine Plattform zur Unterdrückung der Frau, weil dort der Klassengegensatz im kleinsten Rahmen stattfindet.

In den USA gab es einen Psychiater namens John Money, der 1965 in Baltimore eine Gender Identity Clinic, eine Klinik für Geschlechtsidentität, gründete. Dort wurden bei erwachsenen Menschen, die nicht länger als Männer oder Frauen leben wollten, operative Geschlechtsumwandlungen vorgenommen. 1967 wurde das unter Dr. Moneys Leitung sogar an einem zweijährigen Jungen vollzogen – in der Annahme, er würde sich dann zu einem Mädchen entwickeln. Was aber nicht geschah. Später beging der junge Mann verzweifelt Selbstmord, weil er dieses aus seiner Sicht verpfuschte Leben nicht mehr aushielt. Die Gender Identity Clinic wurde 1979 geschlossen. Trotzdem gelten Dr. Moneys Ansichten in vielen Kreisen noch immer als wissenschaftlich.

Simone de Beauvoir, eine französische Schriftstellerin, Philosophin und Feministin, vertrat folgenden Standpunkt: „Keine Frau soll das Recht haben, zu Hause zu bleiben und die Kinder zu erziehen. (…) Frauen sollten diese Wahlfreiheit nicht haben, denn wenn sie sie haben, werden zu viele Frauen sie wählen.“ 6 [6] Ihr Buch „Memoiren einer Tochter aus gutem Hause“ war das Buch der Frauenbewegung in den 1970er Jahren. Schon damals wurde im Namen der Emanzipation der Frau daran gearbeitet, Familie zu zerstören, Abtreibung zu fördern, den Status Mutter lächerlich zu machen. Auch der Mann als Familienoberhaupt wurde demontiert. Wenn die Frauen aufstanden und sich emanzipierten, konnte er ja nichts mehr zu sagen haben.

Eine Frau, die in Deutschland dafür steht, ist die Feministin Alice Schwarzer. Sie ist eine der größten Gegnerinnen von Gruppen wie KALEB, die für das Recht des ungeborenen Lebens einstehen.

GM hat Elemente aus dem Sozialismus und aus der 68er Bewegung. Nur scheint es heute, als würde hinter der Zusammenfassung dieser Idee im weltweiten Rahmen eine viel stärkere Kraft stehen.

3.  Auswirkungen auf die Familienpolitik

„Leitsatz, Leitprinzip und Querschnittsaufgabe der Politik ist GM. Die Geschlechtsdifferenzierung zwischen Mann und Frau soll aufgehoben werden, lesbische, schwule, bisexuelle und transsexuelle Lebensweisen sollen der Sexualität zwischen Mann und Frau gleichwertig sein“ (Gabriele Kuby). Das Bundesministerium für Familien ist dabei, diese Gender-Strategie umzusetzen.

Dazu gehört u.a. die Verstaatlichung der Kleinstkindererziehung. Nach Schätzungen sind in Deutschland ca. 5% der Eltern aus irgendeinem Grund der Erziehung ihrer Kinder nicht gewachsen. Ein gutes Argument für Kinderkrippen. Dann bräuchte man aber nicht für 60% aller Kleinstkinder Krippenplätze. Und die werden angestrebt.

Davon sind viele Eltern sehr verunsichert. Immer wieder höre ich von jungen Müttern die Frage: „Ja, muss ich mein Kind denn nicht in eine Kinderkrippe geben? So viele Angebote wie dort kann ich ihm doch gar nicht machen …“ Dabei ist das einzige Angebot, das ein Kind in den ersten vier Lebensjahren braucht, die Geborgenheit bei Mutter und Vater zu Hause. Alle anderen Angebote bekommt es noch das ganze Leben lang.

Ein weiteres Argument, das natürlich gut klingt, ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und das ist ja auch berechtigt. Aber gemeint ist eine staatlich gelenkte Kindererziehung zum neuen geschlechtsvariablen Menschen. Auf der Webseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung findet man zahlreiche Materialien zur sexuellen Aufklärung von Schulkindern. Diese Schriften werden kostenlos an Eltern, Erzieher und auch an Schulen verteilt. Diese Aufklärungsschriften propagieren die Sexualisierung von Kindern. Sie verführen Kinder und Jugendliche zu einer Sexualität, die auf Lustbefriedigung reduziert ist. Von Gefühl und dem Erleben von Liebe wird selten gesprochen. Dort geht es vorrangig um das Körperliche und Organische. Dass eine lebenslange Bindung, Liebe und Treue Grundlagen für Sex sind, sagt den Kindern niemand.

So sieht ein Teil unserer Familienpolitik aus. Und eigentlich hätte die genügend andere Sorgen: Die demographische Kurve sieht erschreckend aus, die Gesellschaft überaltert und es kommen zu wenig Kinder nach. Es müsste also vor allem darum gehen, Familien zu ermutigen, Kinder zu bekommen. Aber mit dieser Gender-Idee im Hinterkopf geht das nicht. Nicht Kinder sind das Leitprinzip, sondern GM. So wird das Problem der sinkenden Geburtenrate natürlich nicht gelöst.

Interessant ist, dass trotz der ganzen Propaganda für ein freies Ausleben der Sexualität immer noch 74% einer Gruppe von befragten Jugendlichen das „klassische“ Familienbild von Vater und Mutter als Vorbild haben. Knapp drei Viertel der Jugendlichen hofft, den Partner fürs Leben zu finden, zu heiraten und eine Familie zu gründen.

4.  Biologische Fakten

Aus der Bibel wissen wir: Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, als Mann und Frau. In dieser Zweiheit sind wir Gott ebenbildlich.

Als ich vor vielen Jahren in der Humangenetik meine Doktorarbeit schrieb, beschäftigte ich mich viel mit Chromosomen. Das sind kleine Fädchen aus Eiweißen, die in den Zellkernen der Körperzellen vorhanden sind. Jeder Mensch hat 46 Chromosomen, 22 identische Paare und ein Paar, an dem man erkennen kann, ob man es mit einem Mann oder einer Frau zu tun hat. Frauen haben an dieser Stelle ein XX-, Männer ein XY-Chromosomenpaar. Dieses eine Chromosom sorgt gewissermaßen dafür, dass die betreffende Person ein Mann oder eine Frau ist.

Dass es mehr als zwei Geschlechter gibt, ist biologisch nicht möglich. Es ist nur ideologisch möglich. Biologisch gesehen gibt es nur Männer oder Frauen 7 [7]. Unser Geschlecht ist angeboren.

5.  Familie aus biblischer Sicht

Wenn Jesus in einer Ehe etwas zu sagen hat, dann wird die Familie ein sicherer Ort für alle, die darin leben. „Wer den Herrn fürchtet, der hat eine sichere Festung, und seine Kinder werden auch beschirmt“ (Spr.14,26). In solchen Familien finden Kinder Geborgenheit – die wichtigste Grundlage für ein Leben ohne mögliche spätere psychische Folgeschäden. Wenn Kinder in den ersten Lebensjahren Geborgenheit erfahren – sei es von den Eltern, Großeltern oder auch einer Tagesmutter, wenn beide Eltern arbeiten müssen – wird damit ein wichtiger Grund gelegt. So erlernen Kinder Geduld, soziale Kompetenz und Bindungsfähigkeit.

Die Bindungstheorie – der Aufbau und die Veränderung enger Beziehungen im Lauf des Lebens – ist eines der am besten psychologisch erforschten Wissenschaftsbereiche. Und obwohl wir daraus wissen, dass Kleinkinder die Bindung an eine Bezugsperson, die Mutter, brauchen, wird die Idee der flächendeckenden Kinderkrippen propagiert. Kleinkinder sind unfähig, sich an mehr als an eine Person zu binden; im Zentrum des Interesses steht die Mutter, später auch der Vater. Ein ein- oder zweijähriges Kind kann sich nicht an mehrere Krippenerzieherinnen binden. Damit wird die Grundlage für eine spätere mögliche Bindungsunfähigkeit gelegt. Kinder brauchen gesunde Familien.

Familien, die mit Jesus leben, haben die Aufgabe, ihren Kindern auch den Glauben zu vermitteln. Wie das geschieht, kann sehr unterschiedlich sein. Einerseits müssen die Kinder Wissen vermittelt bekommen. Andererseits muss das Vorgelebte mit den Worten übereinstimmen. Ich weiß, dass das im Alltag oft nicht leicht fällt. Aber ich möchte dazu ermutigen, die Maßstäbe zu überdenken. Was brauchen Kinder? Sie brauchen nicht die teuren Geschenke, sondern unsere Zeit, unsere Liebe und unsere Geborgenheit. Und wenn wir unsere Geborgenheit vom Himmel beziehen, dann können wir sie auch weitergeben.

Dr. Christa-Maria Steinberg ist Kinder- und Jugendpsychiaterin und arbeitet seit ihrer Pensionierung als Lebensberaterin im Evangelisationsteam Sachsen [8].  Sie ist verheiratet und lebt in Limbach-Oberfrohna.

Der Text ist die bearbeitete Fassung eines Vortrages.

 

Fussnoten:
1 [9] Alle Zitate nach Deutsches Institut für Familie und Gesellschaft, Reichelsheim,
2 [10] Hintergründe dazu siehe Bulletin Nr. 13 (1/2007) www.dijg.de/bulletin.html [11]
3 [12] Christl Ruth Vonholdt, in „Die Gender Agenda“, ebd.
4 [13] Vorherrschaft des Vaters
5 [14] Widerspruch, Widerstreit
6 [15] www.bzga.de [16] Infomaterialien
7 [17] Mit der seltenen Ausnahme der sogenannten Hermaphroditen – Menschen, die männliche und weibliche Geschlechtsanteile haben