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Junge Christinnen verschwinden – oft für immer

Freitag 7. Dezember 2012 von Christian Solidarity International


Christian Solidarity International

Ein Tabuthema. In Ägypten verschwinden unzählige junge Christinnen und werden zu Heirat und Konversion gezwungen. Zweifellos sind es Hunderte. Sind es Tausende? Zehntausende? Wir wissen es nicht. Aber jedes einzelne Opfer ist eines zu viel! «Verletze dich mit einem Messer, damit du in ein Krankenhaus kommst», rät der verzweifelte Vater seiner Tochter Mariam (Name geändert).

«Bei Allah: Ich werde euch töten!»

Mariam war 19-jährig, als sie verschwand. Sie hatte ihre Ausbildung zur Computertechnikerin abgeschlossen. Am 20. Mai 2011 ging sie wie gewohnt zur Arbeit. Sie kehrte nicht mehr zurück. Um 18 Uhr meldete Mariams Mutter ihre Tochter bei der Polizei als vermisst. Um 23 Uhr kam die Polizei zum Haus von Mariams Eltern und informierte sie, dass ihre Tochter einen Muslim geheiratet habe. Die Mutter erlitt einen Schlaganfall. Die Familie akzeptierte die Heirat schließlich widerwillig.

Einen Monat nach ihrem Verschwinden rief Mariam ihren Vater an. Schluchzend entschuldigte sie sich für das Vorgefallene. «Sag meiner Mutter, dass ich sie vermisse», bat sie ihn. Durch das Telefon hörte der Vater, wie jemand den Raum betrat, dann wurde die Verbindung unterbrochen. Als er zurückrief, meldete sich der Ehemann. Er schwor bei Allah, dass er den Vater und seine Familie umbringen und ihre Kirche anzünden werde, wenn sie Mariam nicht in Ruhe lassen würden. «Du weisst, dass ich das tun kann», drohte er. Natürlich, der Vater wusste es. Dass Christen getötet und Kirchen zerstört werden, kommt in Ägypten erschreckend oft vor.

Vom Staat im Stich gelassen

Mariam hat ihren Vater bereits achtmal angerufen und um Hilfe gebeten. Sie werde gefangen gehalten und geschlagen. Der Vater weiss sogar, wo sich Mariam befindet, er fürchtet jedoch die Folgen, wenn er dorthin gehen würde. Er wagte es, einen Anwalt einzuschalten. Dieser richtete drei Forderungen an den Generalstaatsanwalt: Er solle sich erstens mit den Drohungen gegen den Vater und die Kirche befassen -der Vater hat das Telefongespräch nämlich aufgezeichnet. Zweitens müsse dem Vater erlaubt werden, seine Tochter zu besuchen. Drittens müsse die Tochter erzählen dürfen, was passiert sei. Wenn sie ihren muslimischen Ehemann wirklich freiwillig geheiratet habe, werde man das akzeptieren. Sechs Monate später hat der Generalstaatsanwalt immer noch nicht reagiert. In dieser hoffnungslosen Lage fügte sich Mariam tatsächlich selber Verletzungen zu. Sie wurde aber nicht ins Krankenhaus gebracht. Ein Arzt besuchte sie «zu Hause».

Unzählige betroffen

Mariam ist nur eine von vielen. Wie viele Koptinnen betroffen sind, ist unbekannt. CSI nennt keine bestimmte Zahl. Klar ist aber, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt. Viele junge Christinnen werden entführt. Manche werden unterwegs überfallen und in ein Auto gezerrt. Andere werden von (vermeintlichen) Freunden in eine Falle gelockt. Es gibt aber auch Koptinnen, die freiwillig zu muslimischen Männern gehen. Die Gründe sind verschieden: Es gibt junge Koptinnen, die sehr streng erzogen wurden und aus ihrem Elternhaus ausbrechen wollen. Andere sind unglücklich verheiratet, werden zum Beispiel geschlagen, und flüchten so in eine Beziehung mit einem Muslim. Bei allen dürfte der Wunsch nach Freiheit, nach Gleichberechtigung eine große Rolle spielen: Sie können die alltägliche Diskriminierung und Beschimpfung als Angehörige einer religiösen Minderheit nicht mehr aushalten und versuchen, «wie die andern» zu werden. Dass sie dann vom Ehemann und dessen Familie eingesperrt werden und jeden Kontakt zu ihrer eigenen Familie abbrechen müssen, damit rechnen sie nicht. Deshalb müssen diese Vorfälle unbedingt bekannter werden. Gerade die koptische Kirche kann da einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie die jungen Frauen darüber aufklärt, was aus einer «romantischen Liebesaffäre» werden kann. Klare Dokumentation nötig

Das Thema unsres Berichts ist heikel. Nur wenige sind bereit, diese Missstände öffentlich zu benennen. Unser Bericht schafft die Basis dafür, dass weitere Organisationen und Regierungsstellen das Thema aufnehmen und sich für eine Verbesserung der Lage einsetzen. CSI empfiehlt sowohl der ägyptischen Regierung als auch der koptischen Kirche, Zwangsheiraten und Zwangsbekehrungen gezielt zu dokumentieren und zu registrieren. Religiöse Diskriminierung im Bildungssektor, am Arbeitsplatz und in den Medien muss strafrechtlich geahndet werden. Zudem soll der Übertritt zu einem anderen Glauben erst ab 18 Jahren erlaubt sein. Häufig sind nämlich Minderjährige betroffen. Die Polizei wird dazu angehalten, Fällen nachzugehen, in denen das Verschwinden von jungen Koptinnen gemeldet wird – viel zu oft steckt sie mit den Tätern unter einer Decke.

Adrian Hartmann

CSI-newsletter 4.12.12

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Freitag 7. Dezember 2012 um 15:27 und abgelegt unter Christentum weltweit.