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Ein Bußgebet Heinrich Kemners

Dienstag 20. November 2012 von Dr. Joachim Cochlovius


Dr. Joachim Cochlovius

Ein Bußgebet Heinrich Kemners

Wer die Verkündigung Heinrich Kemners erlebte, merkte bald, daß bei ihm Buße, Umkehr zu Gott kein Randthema war, sondern zu seinen innersten Anliegen gehörte, ja im Grunde Ziel jeder Predigt wie auch seiner ganzen seelsorgerlichen Arbeit war. Ich höre ihn noch sein lautes „Schuwu“, „Kehrt um“ aus Jes. 31,6 rufen, das er in viele Predigten einbaute. Dabei war seine Leidenschaft nicht nur aufrüttelnd, sondern vor allem auch glaubwürdig, weil er selber offen von seinen Fehlern redete und spontan um Entschuldigung bitten konnte, wenn er einen Fehler eingesehen hatte. In unserer Zeit, in der die vollmächtige Bußpredigt selten geworden ist, kann es vielleicht nützlich sein, neu auf Heinrich Kemner zu hören und bei ihm zu lernen, was echte Buße ist und worauf demzufolge eine Bußpredigt zu achten hat. Ich wähle dafür eines seiner letzten öffentlichen Bußgebete aus. Es stammt aus der Ansprache, die er zur Gründung des Gemeindehilfsbundes am 31. Oktober 1992 in der Krelinger Glaubenshalle gehalten hat.

„Lieber lebendiger Herr, mein einziger Trost im Leben und Sterben – und für uns alle – ist, daß du unsere Buße geworden bist, daß wir nichts haben, was wir vor dir darbringen können, daß wir völlig verloren sind ohne dich, daß es ohne die Offenbarung, die in Dir uns geworden ist, – die alleinige im Himmel und auf Erden – kein Heil gibt. Herr, wir bitten dich für unser Volk, für unsere Kirche, für alle, die wir lieb haben, Herr, wir bitten dich, erbarme dich ihrer. Wir wollen mit der Buße anfangen, Herr, du wollest sie uns schenken, daß wir Tag und Nacht schreien wie Daniel, nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine Barmherzigkeit hin. Daß wir erkennen, daß wir deine Gerichte ja herausfordern, wenn wir Hunderttausende von Kindern abtreiben und das Wort „Du sollst nicht töten“ fälschen oder umdeuten, und daß man bei der Abwegigkeit einer Bewegung, wie ich sie täglich sehe in den Beichten, bei Homosexuellen und Lesbischen – diese furchtbare Täuschung bewirkter Leidenschaft – in Hormonlehren Zuflucht sucht, im Grunde, weil man vor sich selber flieht und nicht die Ehrlichkeit findet, die jeder finden muß, der selig wird.

Nur wer aus der Wahrheit ist, hört deine Stimme, nur im Kreuz ist Heil, nur in der Gewißheit deiner Auferstehung läuten Osterglocken. Laß sie heute läuten über uns und schenke uns Mut, aber hilf, daß wir nicht schimpfen und sorgen, und keiner hier weggeht, ohne angesprochen zu sein von der Botschaft, ohne sich gefragt zu haben: Bin ich in der Nachfolge? Worauf lebe ich, worauf sterbe ich? Daß ich meines Heilands eigen sei, daß wir das alle wissen, und dann getrost unseren Weg gehen als deine Zeugen in einer verlorenen Welt. Du wirst kommen, du wirst dein herrlich Werk vollenden, der du der Welten Heil und Richter bist. Du hast alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Wir bitten dich für unsere Kirche. Ich bitte dich für unseren Bischof, und ich bitte dich, daß nicht das Mißverständnis kommt, was der Teufel inspiriert, als wollten wir hier einen eigenen Laden, als wollte der Kemner sich wichtig machen. Herr, radiere meinen Namen aus, verwirf mich in die Hölle, Herr verwirf mich, wenn ich mich selbst suche, denn dann ist alles verloren. Hilf, daß dieser Bußschrei Echo hat bei uns allen, und nun Herr, rede du. Amen.“

Vier Kennzeichen wahrer Buße möchte ich diesem bewegenden Gebet entnehmen.

1.) Echte Buße ist zutiefst besorgt um das Heil. Sie läßt jede oberflächliche fromme Heilssicherheit hinter sich. Sie kennt die Not und die Angst vor dem Verlorensein. Sie weiß, daß jeder Mensch vor Gott mit leeren Händen dasteht. Sie gibt Gott recht in seinem Gericht. Wenn Heinrich Kemner in seinen letzten Lebensjahren manchmal von der Frage angefochten war, ob Gott ihn überhaupt annehmen wird, so hat diese existentielle Not hier ihre Wurzel. Er war von seiner Einsicht, daß nur das Geschenkte, nicht das Gewollte in der Ewigkeit gilt, so durchdrungen, daß er mit zunehmendem Alter immer mißtrauischer gegenüber dem eigenen Wollen wurde. Bloß nicht auf eigene, fromm kaschierte Pläne verfallen, das war seine große Sorge. Und die ging so weit, daß er am Ende des Bußgebets sogar seine eigene Seligkeit in Frage stellt für den Fall, daß er seinen eigenen Namen groß machen will.

2.) Genauso radikal wie die Selbstskepsis echter Buße ist auch ihr Christusvertrauen. Sie ist tief davon durchdrungen, daß es für den Menschen im Leben und Sterben nur einen einzigen Heilsbringer gibt, Jesus Christus. Menschen, die in der Sündenerkenntnis steckenblieben, ohne ihren Blick auf Christus zu lenken, ermahnte Heinrich Kemner liebevoll, aber dringend zum „Blickwechsel“ auf das Kreuz und die Auferstehung des Heilands. Dabei nahm er das biblische Christuszeugnis als vollgültig und letztverbindlich an, war es ihm doch die Selbstoffenbarung des lebendigen Gottes.

3.) Buße ist immer konkret, wenn sie echt ist. Allgemeine Sündenbekenntnisse mögen ihren berechtigten Platz in der kirchlichen Liturgie haben, doch wo der Einzelne vor dem lebendigen Gott echt wird, nennt er die Sünde beim Namen. Das wird auch an diesem Bußgebet deutlich. Die Sünde der Abtreibung und die Sünde praktizierter Homosexualität werden beim Namen genannt, doch nicht um irgend jemand anzuklagen, sondern um Gottes Barmherzigkeit herabzuflehen. Es war für Heinrich Kemner unfaßlich und er litt sehr darunter, daß die evangelische Kirche an diesen entscheidenden Eckpunkten evangelischer Ethik nicht nur den Bußruf versäumte, sondern durch Umdeutung des Wortes Gottes die Sünde, wie er sagte, „namenlos“ machte. Mit ganzer Energie hätte er sich auch gegen die kirchlichen Homosexuel-len-Segnungen gestellt, die neuerdings in verschiedenen Landeskirchen praktiziert werden, eine Entwicklung, die er bei der Gründung des Gemeindehilfsbundes schon vorausahnte.

4.) Wie in Daniels bekanntem Bußgebet (Dan. 9) weitet sich auch in Heinrich Kemners Gebet der Horizont über das persönliche Heil hinaus hin zum Volk, zur Kirche und zum Nächsten. Diese engagierte Fürbitte für das Ganze, für den anderen, der in seiner selbstgewirkten Not zugrunde zu gehen droht, ist ein viertes Kennzeichen wahrer Buße. Sie leidet stellvertretend und sie tritt für den anderen stellvertretend ein. Wir haben es bei ihm selten erlebt, daß er die zersetzenden gesellschaftlichen Trends und den bedrückenden kirchlichen Pluralismus kritisierte, ohne gleichzeitig zur Barmherzigkeit und zur Fürbitte für die Verantwortlichen und die Leidtragenden aufzurufen. Bloßes Schimpfen nützt niemand, betonte er immer wieder. Und er war davon überzeugt, daß jeder Ruf zur Umkehr nur dann von Gott beglaubigt werden kann, wenn der Rufer selber aufrichtig Buße tut.

Wenn es ein untrügliches Kennzeichen für echte Erweckung gibt, dann ist es die Buße, und zwar mit diesen vier Aspekten. Wenn der Mensch beginnt, sich als ein verlorener Sünder für sein ewiges Heil zu interessieren, wenn er sein Vertrauen allein auf Christus setzt, wenn er seine Sünde vor Gott konkret ausspricht und wenn er die Not der anderen zu Gottes Thron bringt, dann ist er geistlich wach geworden, dann ist er erweckt. Heinrich Kemner machte übrigens an dieser Stelle nie einen Unterschied zwischen den Frommen und Nichtfrommen. Sie alle, wir alle brauchen diese Umkehr zu Gott, einmal grundsätzlich, und dann immer wieder neu.

Pastor Dr. Joachim Cochlovius

 

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Dienstag 20. November 2012 um 17:24 und abgelegt unter Gemeinde, Seelsorge / Lebenshilfe, Theologie.