Gemeindenetzwerk

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Kirchenblues

Montag 12. November 2012 von Pfr. Dr. Theo Lehmann


Pfr. Dr. Theo Lehmann

Kirchenblues

DDR-Zeit. Von der FDJ-Gruppe der Hochschule in Karl-Marx-Stadt wurde ich eingeladen, einen Vortrag über Blues zu halten. Das kam daher, das ich – obwohl Pfarrer – das erste Buch über Blues in der DDR veröffentlicht hatte. Als ich zum Vortrag erschien, stellte sich heraus, dass er „leider nicht stattinden könne“. Der vorgesehene Hörsaal war nicht zugänglich, weil er justament an diesem Abend ausgeräumt war, um neu gestrichen zu werden. Das ergab ein Nachspiel – zwei Vertreter des Zentralrates der FDJ kamen aus Berlin angereist, um die Sache zu klären. Ich bekam das volle Honorar für den nicht gehaltenen Vortrag, der auch nicht zu einem anderen Termin in einem anderen Raum nachgeholt wurde.

35 Jahre später lud mich der Chemnitzer Jugendpfarrer ein, als Zeitzeuge ĂĽber meine Erlebnisse als Pfarrer in der DDR den Jugendlichen zu erzählen. Als Termin wurde der 14. September 2012 vereinbart. In diesem Vortrag wollte ich u.a. ĂĽber meinen oben geschilderten Rausschmiss erzählen, als Beispiel dafĂĽr, wie man damals unerwĂĽnschte Personen und Meinungen ausschaltete. Man nannte nicht den wahren Grund, – ein Pfarrer sollte nicht in der Hochschule auftreten – sondern schob einen äuĂźerlichen Grund vor: „kein Raum frei“. Nun hatte ich mich aber inzwischen gegen den Beschluss von Kirchenleitung und Synode gewandt, dass homosexuelle Paare unter bestimmten Bedingungen ins Pfarrhaus einziehen könnten, und hatte die Frage nach der GĂĽltigkeit von Gottes Wort gestellt. Der zuständige Superintendent hatte darauf hin seine Pfarrerschaft aufgefordert: „Wenn Veranstaltungen mit dem Evangelisationsteam oder mit einzelnen Personen daraus in nächster Zeit bei Ihnen geplant sind, dann erwarte ich, dass Sie mich davon unverzĂĽglich informieren. Und dann mĂĽssen wir uns dazu verständigen.“ Und siehe da, also bald bekam ich einen Brief vom Veranstalter, es sei am 14.09. kein Mitarbeiter da, der die Jugendkirche aufschlieĂźen usw. könnte, weshalb der Vortrag „leider nicht stattinden könne“.

Wie sich die Vorgänge doch gleichen! Einziger Unterschied: Damals war’s die Stasi, heute die Kirche. Da muss man ja, wenn man nicht das große Kotzen kriegt, den Blues kriegen, … den Kirchenblues!

Pfr. Dr. Theo Lehmann

Veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung des Verfassers.

Quelle: Zum Leben – Zeitschrift der Sächsischen Israelfreunde e. V. (4/2012) (www.zum-leben.de)

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 12. November 2012 um 16:59 und abgelegt unter Kirche.