- Gemeindenetzwerk - https://www.gemeindenetzwerk.de -

Gott erkennen in der Natur?

Gott erkennen in der Natur?
Chancen und Grenzen der natürlichen Gotteserkenntnis
Kongreßvortrag  Bad Gandersheim 28. 2. 2009

1. Was macht die Gotteserkenntnis anhand der Schöpfung so problematisch?

Es gibt mehrere Gründe, die eine Gotteserkenntnis anhand der Schöpfung problematisch machen. Der erste ist die Tatsache, dass Gott unsichtbar ist. Dazu gehört, dass er sich jeder direkten, empirischen Wahrnehmung entzieht; man kann ihn auch nicht hören, schmecken, riechen oder betasten. Infolgedessen hat der Mensch überhaupt keine Anschauung von Gott. Er kann sich anhand der Schöpfung nur einen sehr unklaren Gottesbegriff bilden. Hinzu kommt, dass ein Mensch auch keine Vorstellung haben kann vom Vorgang der Schöpfung, denn kein Mensch hat je beobachten können, wie Gott geschaffen hat. Insofern ist auch die Rede von der Schöpfung aufgrund der beobachtbaren Naturdaten in höchstem Maße unklar.

Des Weiteren ist der Mensch in seinem Erkennen begrenzt. Er kann nicht alles wissen, er hat keine umfassende Schau von der Schöpfung, geschweige denn vom Schöpfer. Schließlich muss im Licht der biblischen Aussagen festgestellt werden, dass der Mensch ein Sünder ist. Er kann irren und falsche Anschauungen bilden, ohne dass er es merkt. Die Sünde hat gerade auch sein Erkenntnisvermögen durchsetzt, so dass er bei der Interpretation dessen, was er in der Schöpfung wahrnimmt, auch Fehler machen kann.

In meinem Vortrag spreche ich zunächst über das, was die heilige Schrift zur Gotteserkenntnis aus der Schöpfung sagt. In einem weiteren Schritt stelle ich kurz die Sicht der römischen Kirche und die der Reformatoren zum Thema dar. Anschließend betrachte ich die Thematik anhand der Äußerungen der Aufklärung und besonders Kants sowie gegenwärtiger Positionen. Im Schlussteil stelle ich dar, welche Konsequenzen sich aus allem für die Kirche der Gegenwart ergeben.

2. Was sagt die Bibel?

Eine wesentliche Schriftaussage zur Gotteserkenntnis in der Schöpfung lautet: „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Feste verkündigt seiner Hände Werk. Ein Tag sagt’s dem andern, und eine Nacht tut’s kund der andern, ohne Sprache und ohne Worte; unhörbar ist ihre Stimme. Ihr Schall geht aus in alle Lande und ihr Reden bis an die Enden der Welt“ (Psalm 19,2-5). Als Subjekte der Verkündigung werden hier genannt: die Himmel, die Feste, Tag und Nacht. Damit sind der Sternenhimmel gemeint, der in einem Parallelismus (Himmel und Feste) genannt wird, und die Ordnung von Tag und Nacht. Dass beide aufeinander bezogen sind, sei nur am Rande bemerkt. In beiden Fällen hat der Psalmist die geschöpfliche Ordnung vor Augen, die ohne den sie erhaltenden Schöpfer im Chaos zusammenbrechen würde. Als Prädikate gebraucht der Psalmist Verben, die Kommunikation bezeichnen: „erzählen“, „verkündigen“, „sagen“ und „kundtun“. Infolgedessen haben wir es mit einer Information zu tun, die anhand der geschöpflichen Ordnung dem sie beobachtenden Menschen gegenübertritt. Als Modus wird vorgetragen, dass diese Kommunikation „ohne Sprache und Rede“, also nonverbal ist. Sie geschieht einfach durch das Dasein der Subjekte und ist weltweit wahrnehmbar. Inhalt der Verkündigung ist die Ehre Gottes; mit diesem Begriff ist wahrscheinlich gemeint, dass Gott als der Schöpfer auch der Besitzer der Erde ist. Er hat sie gemacht und sie gehört ihm, und seine Ehre steht darin, dass er es vermag, sie zu erschaffen und zu erhalten.

In der Sache das Gleiche sagt auch Paulus in Römer 1,19-21: „Denn was man von Gott erkennen kann, ist unter ihnen offenbar; denn Gott hat es ihnen offenbart. Denn Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, wird seit der Schöpfung der Welt ersehen aus seinen Werken, wenn man sie wahrnimmt, sodass sie keine Entschuldigung haben.“ Hier ist ausdrücklich vom Offenbarsein Gottes die Rede, und deswegen ist es berechtigt, in diesem Zusammenhang von einer allgemeinen Offenbarung Gottes zu sprechen: „Gott hat es ihnen offenbart.“ Auch hier sind die Gegenstände der Offenbarung „Gottes ewige Kraft und Göttlichkeit“. Damit sind sowohl die Schöpfermacht Gottes als auch seine Überlegenheit bezeichnet.

Paulus äußert sich hier auch über die Weise der Erkenntnis. Sie beginnt mit der empirischen Wahrnehmung der Schöpfung. Der Mensch schließt daraus, dass sie von einem ihm weit überlegenen Wesen gemacht sein muss. Daraus ergibt sich, dass der Mensch das Wissen hat, dass es ein ihm überlegenes Wesen geben muss. Der Schluss von der Schöpfung auf einen Schöpfer entspricht formal einen philosophischen Denkgesetz: dem Satz vom zureichenden Grund. Obwohl dieser Satz hinsichtlich seiner Gültigkeit bestritten wird, steht doch außer Zweifel, dass er der alltäglichen Denk- und Erfahrungsweise des Menschen entspricht. Er besagt, dass es keine Wirkung gibt ohne eine zureichende Ursache. Demzufolge erfordert das Dasein der Welt einen Urheber, der wirklich da ist und dem die Welt ihr Dasein verdankt. Der Naturalist behauptet, es sei normal und selbstverständlich, dass etwas da sei. Wir sollten uns vielmehr wundern, wenn nichts da wäre. Weil er an die Unendlichkeit der Materie glaubt, fragt er nicht nach deren Ursachen.

Doch bei aller Evidenz, die die Schöpfung hinsichtlich der Existenz eines Schöpfers bietet, bleibt eine große Ungewissheit hinsichtlich der positiven Bestimmung des Schöpfers. Der Mensch hat, wie Kant richtig hervorgehoben hat, keinerlei positive Anschauung von Gott. Die Schöpfung offenbart nicht mit Sicherheit, dass Gott eine Person ist; sie macht es allenfalls wahrscheinlich. Doch auch unter einem persönlichen Gott kann sich der Mensch noch nichts vorstellen. Er kann, wie in der Welt der Religionen üblich, versuchen, im Gebet mit Gott zu kommunizieren, doch eine Gewissheit, dass der gedachte Gott auch hört, gibt es nicht. Die Schöpfung offenbart erst recht nicht das, was wir aus der Heilsoffenbarung Gottes wissen: dass Gott dreieinig ist, die Welt liebt, seinen Sohn Mensch werden lässt zur Sühne für ihre Sünden, in dessen Heilswerk den Tod überwindet und eine neue Schöpfung verheißt. Mit anderen Worten: Trotz des allgemeinen Offenbarseins Gottes in der Schöpfung bleibt im Blick auf Gott vieles unbestimmt. Will der Mensch anhand der geschaffenen Dinge mehr über Gott wissen, verirrt er sich in seinen Spekulationen und Mutmaßungen.

Hinzu kommt noch ein weiterer wichtiger Aspekt. Ich betrachte ihn unter der Frage: „Was macht der Mensch aus der natürlichen Offenbarung?“ Paulus sagt dazu: „Denn obwohl sie von Gott wussten, haben sie ihn nicht als Gott gepriesen noch ihm gedankt, sondern sind dem Nichtigen verfallen in ihren Gedanken, und ihr unverständiges Herz ist verfinstert.“ (Röm 1,21). Aus der Sicht der Bibel begegnet der Mensch der allgemeinen Offenbarung immer schon als Sünder. Das hat zur Folge, dass er dem Schöpfer, dem wahrhaftigen Gott, die Anbetung verweigert und sich Götzen macht und sie verehrt oder anbetet. Es ist dabei unerheblich, ob der sich einen Totempfahl hinter sein Haus stellt, wie man es bei manchen Indios in Lateinamerika sehen kann, oder ob er einen Menschen verehrt, wie die zur immerwährenden Jungfrau hochstilisierte und in den Himmel gehobene Maria im Katholizismus, oder ob er als Naturalist an die schöpferische Kraft der Materie glaubt. In allen Fällen wird nicht der Schöpfer, sondern das Geschöpf verehrt oder angebetet. Es steht nicht zur Debatte, ob der Mensch anhand der Schöpfung Gott recht erkennen kann oder nicht, sondern die Tatsache steht im Raum, dass er die Erkenntnis des Schöpfers geringachtet und ihm die Anbetung verweigert. Die allgemeine Offenbarung dient ihm gegenüber dazu, dass er im endlichen Gericht Gottes überführt werden kann, gewusst zu haben, dass ein Gott ist, ihn aber nicht angerufen zu haben, sondern sich dem Götzendienst zugewandt zu haben. So weit allerdings reicht die Evidenz anhand der Schöpfung, dass sie als Grundlage dienen kann für den Aufweis der menschlichen Schuld, „sodass sie keine Entschuldigung haben“.

3. Die theologische Diskussion

Irenäus von Lyon († ca. 202), einer der frühkatholischen Väter, gibt wieder, was von Anfang an und über die Jahrhunderte der Kirchengeschichte hinweg Konsens war: „Die Schöpfung selbst verweist ja auf ihren Schöpfer, das Werk lässt erkennen, wer es gemacht hat, und die Welt tut kund, wer sie geordnet hat. Diese Tradition hat die ganze Kirche auf dem gesamten Erdkreis von den Aposteln empfangen.“ (Irenäus, Adversus haereses II, 9.1). Schärfer formuliert die römische Kirche auf dem Ersten Vatikanischen Konzil (1870): „Die heilige Mutter Kirche hält fest und lehrt: Gott, aller Dinge Grund und Ziel, kann mit dem natürlichen Licht der menschlichen Vernunft aus den geschaffenen Dingen mit Sicherheit erkannt werden.“ (Cap. De revelatione Neuner/Roos 27). Das ist eine sehr optimistische Sicht von der Leistungsfähigkeit der allgemeinen Offenbarung. Ein Problem bei dieser Sicht ist, dass die römische Theologie das Böse, das ja in der Schöpfung auch zu erkennen ist, praktisch ausblendet. Man hat oft den Eindruck, als würde es als bloßer Defekt an der an sich guten Schöpfung angesehen.

Als Protestanten, die am biblischen Schöpfungsglauben festhalten, neigen wir der römischen Position zu, weil sie so schlüssig zu sein scheint: Der Gott, den wir anhand seiner Schöpfungswerke zu erkennen meinen, passt nahtlos zu dem, was wir aus der Bibel von Gott wissen. Doch wir sollten uns darüber Rechenschaft ablegen, dass wir schon von der Heilsoffenbarung Gottes herkommen. Ist eine natürliche Gotteserkenntnis wirklich so unzweideutig möglich, wie es die römische Kirchenlehre behauptet?

Die Reformation hat keine natürliche Theologie entwickelt, weil sie angesichts der Offenbarung Gottes keinen Anlass dazu sah. Für die Gotteserkenntnis war die Offenbarung zuständig. Luther und Calvin waren beide der Meinung, dass alle Menschen einen Begriff von Gott haben (Allmacht, Geber aller Gaben). Doch Luther polemisiert gegen die Vernunft: „Die Vernunft spielt Blindekuh mit Gott“. Sie stochert im Dunkeln und kann von Gott nichts Rechtes erkennen. Sie hat sich der Schrift unterzuordnen, wenn sie Gott recht erkennen will. Calvin würdigt die natürliche Offenbarung, doch sie ist ohne die Heilsoffenbarung nur dazu da, uns unserer Sünde zu überführen. Er sagt: „… die unsichtbare Gottheit wird zwar durch solche sichtbaren Dinge zur Schau gestellt, aber uns fehlen die Augen, sie zu sehen, wenn wir nicht durch Gottes innere Offenbarung erleuchtet werden.“ (Inst. I,5.14) und: „Wir haben wirklich nicht das mindeste Recht zur Entschuldigung, wenn wir irrend und schweifend das Ziel verfehlen – wo doch alles den rechten Weg zeigt!“ (Inst. I,5.15). Die Grundlinien der reformatorischen Sicht sind also, dass sie die Tatsache der allgemeinen Offenbarung anerkennt, aber im Blick auf die menschliche Sündhaftigkeit feststellt, dass auch die Vernunft unter der Sünde steht und den Gottesdienst zum Götzendienst und Aberglauben verkehrt. Der Mensch hat ohne die Heilsoffenbarung keine Möglichkeit Gott anhand der Schöpfung recht zu erkennen.

4. Philosophie und Wissenschaft seit der Aufklärung

Was wollte die Aufklärung? Sie orientierte sich bewusst an den natürlichen Fähigkeiten des Menschen. Das entsprach ihrer generellen Hinwendung zur Natur, mit der sie die Ordnung des menschlichen Lebens begründen wollte. Das bedeutete unter anderem, dass sie meinte, ohne Gottes Offenbarung und ohne Gottes Gebote auskommen zu können. Das Naturrecht sollte das Zusammenleben garantieren und die naturgegebenen Möglichkeiten der Erkenntnis sollten ausreichen, um sicheres Wissen zu gewinnen. Wir können hier von einem methodischen Atheismus sprechen. Dabei war sie der Ansicht, die menschliche Vernunft sei das vom Schöpfer gegebene Licht, die Welt zu erkennen. Diese Ansicht beruht auf dem antiken griechischen Denken, das schon in früher Zeit von der Kirche aufgenommen wurde und dem zufolge die Gottesbildlichkeit des Menschen in der menschlichen Geistigkeit gesehen wurde. Doch mit der Hochschätzung der Vernunft fand sich die Aufklärung bald im Widerspruch zur biblischen Offenbarung.

Die frühe Aufklärung kann freilich nicht als eine gottlose oder unfromme Bewegung angesehen werden. Sie meinte, aus der Natur Gott erkennen zu können und führte mit Vorliebe den sogenannten physikotheologischen Gottesbeweis: Sie beobachtete in der Natur Zweckmäßigkeit und Ordnung und schloss daraus auf einen machtvollen und wohlwollenden Schöpfer. Sie erachtete aber die Gotteserkenntnis aus der Heilsoffenbarung für überflüssig. Ein Vertreter dieses Denkens ist Christian F. Gellert (1715-69), der in seinem bekannten Gesangbuchlied „Wenn ich, o Schöpfer, deine Macht“ die Herrlichkeit Gottes in der Natur preist. In diesem Lied kommt Christus nicht vor. Versöhnung, Rechtfertigung und Heiligung spielen keine Rolle. Die Gefahr, dass der mit Gott unversöhnte Mensch meint, sich an der Schöpfung zu Gott hoch hangeln zu können, ist sehr konkret.

Problematisch ist der physikotheologische Gottesbeweis auch deswegen, weil er die Gebrochenheit der Schöpfung nicht angemessen würdigt. Das Virus, das in eine Wirtszelle eindringt, seine DNS in deren Zellkern einschleust und sich vermehrt und den Wirtorganismus dadurch sogar töten kann, birgt in sich wohl Zweckmäßigkeit, doch leider nicht zum Guten. Soll auch eine Maus Gott loben für die zum Mausen ausgesprochen zweckmäßigen Krallen der Katze? Angesichts solcher Phänomene erscheint ein Schöpfer in hohem Maße zwiespältig; jedenfalls ist ein eindeutig gütiger Schöpfer darin nicht zu erkennen. Es ist zur Lösung dieses Problems wenig hilfreich, das Böse in der Welt als bloßen Mangel aufzufassen. In Wirklichkeit ist das Böse tödlich.

Kant verwies bei der Bewertung der Gottesbeweise darauf, dass die menschliche Vernunft nur über das sinnvoll reden könne, was auch empirisch zugänglich sei und wovon der Mensch eine Anschauung haben könne. Von Gott aber könne er sich kein Bild machen. Die Vernunft könne keine Brücke schlagen zur Ideenwelt (Gott), weil sie keine Anschauung von dieser habe. Auch der Begriff „Gott“ sei unklar und daher auch die Begriffe, mit denen die Philosophie Gott bezeichne („unbewegter Beweger“, „höchstes Sein“ usw.); der Mensch habe keine Vorstellung von dem, was er beweisen solle. Daher sei es auch unmöglich, „Gott“ im Sinne einer positiven, beschreibbaren Größe zu beweisen. Man könne von Gott allenfalls in menschlicher Analogie reden, ohne zu wissen, ob er wirklich so sei: „Wenn ich sage, wir sind genötigt, die Welt so anzusehen, als ob sie das Werk eines höchsten Verstandes und Willens sei, so sage ich wirklich nichts mehr, als: wie sich verhält eine Uhr, ein Schiff, ein Regiment, zum Künstler, Baumeister, Befehlshaber, so die Sinnenwelt (…) zu dem Unbekannten, das ich also hiedurch zwar nicht nach dem, was es an sich selbst ist, aber doch nach dem, was es vor mich ist, nämlich in Ansehung der Welt, davon ich ein Teil bin, erkenne.“ (Kant, Prolegomena § 57; A 175). Das bedeutet: Für Kant ist Gott ein „Noumenon“, ein Gedankending, ohne Anschauung; eine Idee, die sich aus der Überlegung ergibt, dass es eine Größe gibt, die alles umfasst. Die Die Gottesidee entspricht einer Naturanlage des Menschen. Diese Sicht erlaubt aber keine positiv-bestimmende Aussage über Gott

Die weitere Entwicklung der Wissenschaft verlief getrennt vom christlichen Denken oder im Gegensatz zu diesem. Der methodische Atheismus, der beim Forschen ohne die Annahme auskam, dass ein Gott sei, wurde zum im 19. Jahrhundert zum ontologischen Atheismus, der behauptete, dass es Gott überhaupt nicht gebe. Die Erfolge der Wissenschaften schienen ihm Recht zu geben. Auf jeden Fall blieb dann nur noch der Naturalismus übrig, der jeglichen Verweis auf eine empirisch nicht fassbare Dimension („Geist“, „Gott“, „Designer“) für „unwissenschaftlich“ oder für einen „Gotteswahn“ (Dawkins) hält.

Die moderne Theologie passte sich diesem Denken an. Sie versteht Gott abstrahierend als „die alles bestimmende Wirklichkeit“ (Bultmann u.a.). Das ist ein im Grunde philosophischer Gottesbegriff, der an der Begegnung mit der Natur gebildet wird, aber nicht zum Glauben an einen persönlich handelnden Schöpfer führt. Die gegenwärtige Theologie versteht den ersten Glaubensartikel einschließlich des biblischen Schöpfungsberichts als religiöse Projektion ohne Wirklichkeitsgehalt, als religiöse Interpretation der Welt. Dieser Interpretation zufolge kann man Gott wohl für den Schöpfer der Welt halten, aber wie die Welt wirklich entstanden ist, lässt sich die Theologie von den Naturwissenschaften sagen.

5. Welche Folgerungen ziehen wir?

Kant hat in großer Deutlichkeit gezeigt, dass ein Gottesbeweis nicht möglich ist. Man kann Gott als Schöpfer ist nicht vorführen. Kant hat damit dem spekulativen Denken des Abendlandes im Namen des Denkens einen Riegel vorgeschoben. Wir haben keine positive Vorstellung von einem „Schöpfer“, „Designer“ oder „Seinsgrund“.

Wir meinen wohl, Gott bewiesen zu haben, wenn wir Design-Signale sehen. Doch die Tatsache, dass wir allenfalls auf einen Designer schließen, zeigt uns, dass wir über die Grenzen der allgemeinen Offenbarung nicht hinauskommen. Wenn wir nur die Schöpfung vor Augen haben und dort Design-Signale entdecken, dann weist uns das ID-Argument auf eine Lücke, in der wir zwar mit Recht einen Designer vermuten, aber den wir nicht über seine Kraft und Göttlichkeit hinaus als eine positiv beschriebene Größe beweisen können. Wir dürfen nicht übersehen, dass wir, wenn wir Christen sind, in der Regel schon von der biblischen Offenbarung herkommen und mehr wissen als ein Mensch, der ohne diese die Schöpfung ansieht.

Wir sind im Blick auf die Erkenntnis Gottes auf die Selbstoffenbarung Gottes angewiesen. Gott hat sich in der empirischen Dimension offenbart: in der von der Bibel berichteten Geschichte, im fleischgewordenen Christus und in der vom Heiligen Geist geredeten heiligen Schrift. Obwohl Gott in die empirische Welt eingetreten ist, ist seine Offenbarung als solche auch nicht „beweisbar“. Aber die heilige Schrift gibt uns Anlass genug, sie als Offenbarung Gottes zu erkennen und Jesus Christus als den Sohn Gottes, der zur Rettung der Welt Fleisch wurde. Gott ruft uns auf, sein Wort zu hören und ihm zu glauben und schafft den Glauben durch sein Wort.

Die Erkenntnis Gottes anhand der Schöpfung findet erst dann eine positive Verwendung, wenn wir durch den Glauben (an Christus) erkennen, dass Gott, der Dreieinige, die Welt erschaffen hat, wie Hebr 11,3 sagt: „Durch den Glauben erkennen wir, dass die Welt durch Gottes Wort geschaffen ist.“ Dass Gott dies durch Christus getan hat, zeigt, dass die Erkenntnis Christi und der Glaube an ihn für das rechte Verstehen der Schöpfung notwendig sind. Dann aber gilt: In Christus „liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis“ (Kol 2,3) und wir erkennen einen sinnvollen Zusammenhang zwischen der Heilsoffenbarung Gottes und der allgemeinen Offenbarung. Dann ist das, was wir an der Schöpfung sehen, ein Anlass, Gottes Macht zu rühmen und ihm umso mehr zu vertrauen.