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Eden – nur eine schöne Illusion?

Eden – nur eine schöne Illusion? (1Mose 2,4-15;
15. n. Trin. VI)
Eine Predigt

4 Das ist aus Himmel und Erde geworden, als sie geschaffen wurden zu der Zeit, da Gott der HERR, Erde und Himmel machte. 5 Und alle die Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen; denn Gott der HERR hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute. 6 Da stieg ein Nebel auf von der Erde und feuchtete alles Land. 7 Und Gott der HERR machte den Menschen, Staub von der Erde, und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen. 8 Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. 9 Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. 10 Und es ging aus von Eden ein Strom, den Garten zu bewässern, und teilte sich von da in vier Hauptarme. 11 Der erste heißt Pischon, der fließt um das ganze Land Hawila und dort findet man Gold; 12 und das Gold des Landes ist kostbar. Auch findet man da Bedolachharz und den Edelstein Schoham. 13 Der zweite Strom heißt Gihon, der fließt um das ganze Land Kusch. 14 Der dritte Strom heißt Tigris, der fließt östlich von Assyrien. Der vierte Strom ist der Euphrat. 15 Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.

Zur Einführung

Unser heutiger Predigttext, bei dem ich den Text der neuen Lutherbibel an einzelnen Stellen nach dem Grundtext verbessert habe, berichtet die Erschaffung des Menschen. Wir haben es hier nicht mit einem zweiten, vom vorausgehenden Kapitel unabhängigen Schöpfungsbericht zu tun, wie die Bibelkritik gemeinhin behauptet. Der summarische Schöpfungsbericht in 1. Mose 1 stellt bekanntlich das Sechstagewerk Gottes in übersichtlicher Form dar. Doch auch wenn man weiß, daß Gott den Menschen am sechsten Tag erschaffen hat, will man mehr wissen über den Menschen, seine Herkunft, seine Lebensbedingungen und seine Zukunft. Man will wissen, was aus allem geworden ist.

Die Antwort darauf gibt unser Predigttext. In 1Mose 2,4 wird das mit einem etwas schwer zu übersetzenden hebräischen Wort angedeutet: Dies sind die „Erzeugungen“ von Himmel und Erde, also das, was aus Himmel und Erde geworden ist. Im Unterschied zu der neueren Lutherbibel sollte man den ganzen Vers 4 als Überschrift für den folgenden Bericht verstehen. Das wird auch aus dem Gebrauch des besagten hebräischen Wortes an den anderen Stellen im ersten Mosebuch deutlich.

Ebenso müssen wir betonen, daß wir es auch hier, im zweiten Kapitel des ersten Mosebuches, mit einem Bericht zu tun haben, der tatsächliche Geschehnisse berichtet. Auch wenn kein Mensch Gott bei der Schöpfung zugeschaut hat und darum als Augenzeuge in Frage kommt, müssen wir doch annehmen, daß ein menschlicher Autor unter dem Einfluß des Heiligen Geistes niedergeschrieben hat, wie die Schöpfung abgelaufen ist. Ob dies Mose war oder vielleicht Adam oder jemand anders, das entzieht sich unserer Kenntnis. Allemal ist Gott in der Lage, einem Menschen zu offenbaren, wie er die Welt geschaffen hat, und ihn zu veranlassen, dies niederzuschreiben.

Das freilich leugnet die moderne Theologie. Sie meint, unser Predigttext sei eine religiöse Projektion, bei der Menschen über den Ursprung der Welt nachgedacht und ihre Vorstellungen niedergeschrieben hätten. Doch das träfe nur dann zu, wenn es keine Offenbarung Gottes an die Menschen gäbe. Weil aber Gott einem Menschen etwas offenbaren kann, darum ist die Ansicht der modernen Theologie abwegig. Der Garten Eden ist keine Illusion, sondern von Gott geschaffene Wirklichkeit.

Unabhängig von der modernen Theologie lehrt die moderne Naturwissenschaft, daß der Mensch vom Affen abstamme und die Welt aus sich selbst heraus entstanden sei. Sie sei nicht von Gott geschaffen worden. Diese Denkweise findet sich zum Beispiel in Richard Dawkins’ jüngster Bestseller Der Gotteswahn. Das ist freilich ein Versuch, die Existenz des Menschen auf eine weltliche, nichtreligiöse Weise zu erklären. Doch es ist alles andere als eine Erklärung. Es ist eine unbewiesene Behauptung. Viele Menschen versuchen, sich mit dieser Weltanschauung der Verantwortung vor Gott zu entziehen. So mancher Naturwissenschaftler schlägt richtig kämpferische Töne an, weil er mit der atheistischen Erklärung der Welt seine Selbstmächtigkeit sichern möchte. Gott wird zu seiner Zeit diesem Wahn ein Ende machen. Doch abgesehen davon, daß die sichtbare Schöpfung von Anfang an die Macht ihres unsichtbaren Schöpfers offenbar machte, lesen wir in unserem Predigttext das, was der Schöpfer über den Menschen und seine Erschaffung zu sagen hat. Das wollen wir heute hören.

1. Die neuerschaffene Welt

Unser Predigttext hat den sechsten Schöpfungstag vor Augen und spricht davon, wie der Mensch geschaffen wurde und in seiner unmittelbaren Umgebung zu stehen kam. Das ganze Kapitel – der Zustand im Paradies, das Gebot Gottes an den Menschen, die Erschaffung der Frau – und dann im dritten Kapitel der Sündenfall und die Vertreibung aus dem Paradies sind der Inhalt der Erzählung. Sie berichtet, was aus der neugeschaffenen Erde geworden ist. Unser Predigttext ist ein Teil dieses Berichtes und spricht von der Stellung des Menschen im Paradies. Zunächst wird uns die Erschaffung des Menschen näher erklärt. Sträucher und Kraut, die am dritten Schöpfungstag erschaffen worden waren, waren noch nicht gesproßt, weil der Wasserkreislauf noch nicht in Gang gesetzt war. Es hatte bis dahin noch nicht geregnet auf der Erde und es gab auch noch keinen Menschen, der die üppig sprießende Vegetation hätte bebauen können. Doch das änderte sich mit dem sechsten Tag. Gott ließ Wasser aufsteigen, das die Erde bewässer-te. Ob es sich um einen Nebel oder um eine Regenflut handelte, läßt sich anhand des hebräischen Begriffes nicht bestimmen. Jedenfalls war der Effekt, daß die Erde bewässert wurde und damit der Wachstumsprozeß in Gang kommen konnte. Der Lebensraum des Menschen, der nun geschaffen werden sollte, begann zu funktionieren.

Zu dem Lebensraum gehörte, daß Gott einen Garten anpflanzte an einem Ort namens Eden. Doch die Geographie der damaligen Welt ist für uns praktisch nicht mehr zu rekonstruieren. Wohl sind uns die Flüsse Euphrat und Tigris bekannt, aber die beiden anderen, Pischon und Gihon, sind es nicht. Der Pischon umfloß ein Land namens Hawilah; dieser Name wurde in der nachsintflutlichen Welt wahrscheinlich für einen Teil Arabiens gebraucht, und Kusch ist der spätere Name für die Gegend am oberen Nil, etwa dem heutigen Äthiopien. Doch wir müssen bedenken, daß die urständliche Welt in der Sintflut versunken ist und gravierende Veränderungen erlebt hat. Vermutlich war der Text, den Mose vorliegen hatte, aus sehr früher Zeit. Wahrscheinlich wurde er in der Zeit zwischen Adam und Noah schon schriftlich überliefert, so daß die Menschen vor Noah die geographischen Angaben verstanden. Doch nach der Sintflut sah die Gestalt der Erde anders aus. Das ist wohl die Erklärung dafür, daß uns die Angaben heute wenigstens teilweise fremd sind.

Immerhin wird erwähnt, daß sich die Länder der damaligen Welt durch den Besitz wertvoller Bodenschätze auszeichneten: Gold, Edelsteine und ein wertvolles, wohlriechendes Harz werden hier genannt. Das zeigt, daß die frühe Menschheit diese Dinge durchaus gebrauchte und schätzte. Jedenfalls hält die Bibel diese Dinge nicht für nutzlosen Erdentand. Wir mögen daraus schließen, daß der Gebrauch der Güter dieser Welt etwas ganz Normales und vom Schöpfer gewollt ist.

Beachten wir, daß die Einleitungsformel für den Bericht in 1Mose 2,4 sich darauf bezieht, was aus „Himmel und Erde“ geworden ist. Der folgende Bericht aber spricht ganz und gar von Geschehnissen auf der Erde. Das deutet an, daß der Himmel nicht um seiner selbst willen da ist und daß die Erde nicht ein Himmelskörper unter vielen ist. Gott hat dem Menschen, dem einzigen Geschöpf, das er zu seinem Bild gemacht hat, die Erde gegeben. Die vielen Himmelskörper dürfen in steter Regelmäßigkeit ihre Bahn ziehen, um die Größe Gottes auch bei Nacht zu verdeutlichen, doch auf der Erde spielt die Musik. Die Geschichte Gottes mit dem Menschen – das ist das, was aus Himmel und Erde geworden ist.

2. Was ist der Mensch?

Betrachten wir zunächst die Erschaffung des Menschen. In Kapitel 1 wurde uns zusammenfassend gesagt: „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.“ Wie Gott den Menschen schuf, sagt das erste Kapitel noch nicht, dafür aber bestimmt Gott in grundlegenden Worten: „Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.“ Außerdem weist Gott den Menschen an, von den Früchten der Erde zu essen. Nach diesen grundlegenden Worten macht Kapitel 2 nähere Angaben darüber, wie Gott den Menschen geschaffen hat, was alles an jenem sechsten Schöpfungstag mit ihm geschah – das Gebot Gottes, nicht vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen zu essen, die Benennung der Tiere, die Erschaffung der Frau. Mit allem wird zugleich der Bericht vom Sündenfall in 1.Mose 3 vorbereitet.

Im Blick auf die Erschaffung des Menschen heißt es nun: „Da machte Gott der HERR den Menschen, Staub von der Erde, und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.“ Man darf sich das nicht so vorstellen, daß Gott erst den Menschen aus einem Tonklumpen gemacht hätte, so wie ein Bildhauer eine Terrakottafigur machen würde, und ihm dann anstatt die Figur zu brennen den Lebensodem eingehaucht hätte. Die Bibel sagt hier nur, daß der Mensch seiner materiel-len Seite nach Staub von der Erde ist. Dabei dürfen wir nicht dem Irrtum der alten Griechen und der Gnostiker verfallen, als wäre die Materie und damit der Leib etwas Schlechtes oder Böses. Nein, sie ist genauso von Gott geschaffen wie alles andere auch. Der Leib ist nicht das Gefängnis der Seele. Der Leib – das sind wir selbst. Ohne Leib sind wir nur ein Gedanke Gottes, aber mit dem Leib sind wir wirklich da. Auch dürfen wir den Begriff „Staub“ hier nicht im Sinne von „vergänglich“ oder „nichtig“ verstehen. Die Erde war von Gott gemacht und darum gut. Sie war noch nicht der Vergänglichkeit unterworfen. Also sagt unser Text, daß der Mensch wie alle anderen geschaffenen Dinge zur Erde gehört. Auf ihr soll er leben, Gott dienen und im Namen Gottes über sie regieren.

Doch es ist klar, daß er allein mit seiner materiellen Seite noch nicht Mensch ist. Gott erschafft den Menschen als ein lebendiges Wesen, indem er ihm Lebensodem gibt. Wir dürfen auch diesen Begriff nicht überinterpretieren, denn „Lebensodem“ haben auch die Tiere, wie aus anderen Schriftaussagen hervorgeht. Der Lebensodem ist nicht das, was den Menschen vor allen anderen Lebewesen auszeichnet, im Gegenteil: der Lebensodem verbindet ihn mit den anderen Lebewesen. Es ist darum nicht verwunderlich, daß rein biologisch gesehen der Mensch dem Affen, dem Hund, der Maus oder irgendeinem anderen Säugetier ähnlich ist. Das Besondere am Menschen ist das, wozu Gott ihn erschaffen hat: Er soll sich die Erde untertan machen und über sie herrschen. Dazu hat Gott ihn mit Gaben ausgestattet, die die Tiere nicht haben. Gott hat ihm körperliche und geistige Fähigkeiten gegeben, die ihn weit über das Tier hinausheben. Allein die menschliche Hand besitzt eine Geschicklichkeit, die kein Tier, auch kein Affe, auch nur annähernd erreichen könnte. Daß der menschliche Geist den der Tiere weit überragt, macht schon die Tatsache deutlich, daß der Mensch denken und sprechen kann – von den Fähigkeiten, Technik zu erzeugen und zu gebrauchen oder Liebe zu üben ganz abgesehen.

Der Apostel Paulus nimmt in 1Korinther 15, wo er von der Auferstehung redet, auf diese Stelle Bezug: „Der erste Mensch, Adam, »wurde zu einem lebendigen Wesen« (1.Mose 2,7), und der letzte Adam zum Geist, der lebendig macht … Der erste Mensch ist von der Erde und irdisch; der zweite Mensch ist vom Himmel“ (1Kor 15,45.47). Er stellt damit den neuen, himmlischen Menschen dem irdischen gegenüber und sagt damit, was aus unserem Predigttext deutlich wird: der Mensch, so wie er jetzt ist, ist irdisch, Staub von der Erde.

Behalten wir vor Augen, daß in unserem Predigttext vom Urstand des Menschen die Rede ist. Damals war der Mensch noch „sehr gut“, wie wir aus 1Mose 1,31 wissen. Die Sünde hatte sein Wesen noch nicht verdorben und er stand noch nicht unter dem Todesurteil Gottes. Von daher müssen wir in Betracht ziehen, daß einige Angaben heute relativiert werden müssen durch das, was die Bibel über die Folgen des Sündenfalles sagt. Nach dem Sündenfall ist der Mensch dem Tode unterworfen. Der „Staub“ von der Erde gewinnt eine neue, negative Bedeutung. Der Begriff deutet an, daß der Mensch im Tode zerfällt, sich verflüchtigt und zunichte wird, daß er das von Gott gesetzte Ziel des ewigen Lebens verfehlt und stattdessen zu seinem Ursprung zurückkehrt.

Das hat die Bibel in großer Deutlichkeit vor Augen. Gott sagt nach dem Sündenfall zu Adam: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden“ (1Mose 3,19). Hiob betet zu Gott: „Bedenke doch, daß du mich aus Erde gemacht hast, und läßt mich wieder zum Staub zurückkehren?“ (Hiob 10,9). Und der Psalmist sagt: „Verbirgst du dein Angesicht, so erschrecken sie; nimmst du weg ihren Odem, so vergehen sie und werden wieder Staub“ (Ps 104,29). Anhand dieser Aussagen wird deutlich, daß Gott dem Menschen das Leben zwar gegeben hat, aber es ihm als Gericht über seiner Sünde wieder nimmt. Dann bleibt nichts vom Menschen übrig als Staub. Der Mensch vergeht. Das aber bedeutet nicht, daß er die Welt verachten müßte und sein Leben als bloßes mühevolles Warten auf den Tod verstehen müßte. Nein, das menschliche Leben hat trotzdem einen Sinn. Darüber spreche ich im letzten Teil meiner Predigt.

3. Gott hat dem Menschen die Erde gegeben

Wir erinnern uns noch einmal an die Bestimmung des Menschen aus 1Mose 1,28: „Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan …“ Angesichts dieses weltumspannenden Auftrags ist es bezeichnend, daß Gott dem ersten Menschenpaar nicht einfach die ganze Erde als Lebensraum gab. Er pflanzte vielmehr einen Garten, ein bestimmtes und begrenztes Gebiet auf der großen weiten Erde, und ließ das erste Menschenpaar darin wohnen. Die Nachkommen des ersten Menschenpaares würden auf der Erde neue Gärten errichten. Es wird deutlich, wie Gott selbst im Urstand dem Menschen seinen besonderen Anteil an der Welt gab und daß dieser mit seinem Teil zufrieden sein konnte. Er hatte es nicht nötig, die ganze Welt zu gewinnen. So soll jeder Mensch sein Teil an der Schöpfung haben. Kein Mensch bringt etwas in diese Welt hinein und keiner trägt etwas aus ihr hinaus. Er lebt vielmehr mit und von dem, was Gott geschaffen hat. Das ist so bis auf den heutigen Tag.

Gott hatte den Garten mit allem ausgestattet, was der Mensch zum Leben brauchte. „Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen.“ Auch wenn in diesem Paradies keine gebratenen Tauben umherflogen, so waren die Bedingungen doch so, daß der Mensch die Früchte der Erde mit Appetit ansehen und essen konnte. Damit hatte der Mensch eine Lebensgrundlage. Es zeigt sich an diesem Sachverhalt, wie Gott dem Menschen alles gab: das Leben selbst, die Lebensgrundlage, eine schöne, heile Welt ohne Leid und Tod. So ist Gott – der Geber aller Gaben.

Diesen Garten sollte Adam „bebauen und bewahren“, wie wir lesen. Das „Bebauen“ ist im Grunde eine landwirtschaftliche Tätigkeit. Man kann also sagen, Adam war Landwirt. Die klimatischen Verhältnisse waren offenbar so, daß er ohne den Einsatz von alter oder neuer Landtechnik seine Arbeit tun konnte. Die Erde gab die Frucht, die er zum Leben brauchte. Kein Unkraut gab es, keine giftigen Pflanzen, keine Schädlinge, keine Mißernten. Es ist müßig darüber zu spekulieren, ob er Weizen angebaut, gedroschen, gemahlen und Brot daraus gebacken hat. Die Bibel sagt dazu nichts, vermutlich auch, weil er bald in Sünde fiel und damit der ungebrochene Urzustand nur zu bald der Vergangenheit angehörte. Den Garten „bewahren“ – das dürfte wohl bedeuten, daß er darauf achthaben sollte, den Garten nicht durch die Sünde zu verlieren. Umweltverschmutzung und Klimawandel jedenfalls waren in der urständlichen Welt kein Thema.

Die Erde bebauen – diese Aufgabe ist mit dem Sündenfall nicht aufgehoben worden. Aber sie ist durch den Fluch, den Gott wegen des Sündenfalls ausgesprochen hat, zu einer mühevollen Aufgabe geworden. Dornen und Disteln soll der Acker tragen und im Schweiße seines Angesichts soll der Mensch sein Brot essen. Auch wenn der Mensch meint, sich mit Hilfe der Technik der Mühe entziehen zu können, holt ihn der Fluch Gottes bald wieder ein. Technik ist nützlich und hilft der Erhaltung des Lebens. Aber sie hat, wie alles menschliche Handeln und alles, was zur gefallenen Schöpfung gehört, auch Risiken und Nebenwirkungen, die lebensfeindlich sein können. Wie die Weltkriege gezeigt haben, kann der Mensch Technik mißbrauchen, um Millionen und Abermillionen von Menschen zu töten. Auch in Friedenszeiten wird den Menschen die Sorge um das Leben nicht verlassen. Der Streß im Arbeitsleben, der Konkurrenzkampf, die Herzkrankheit, die drohende Arbeitslosigkeit und das Abgleiten ins soziale Abseits sind Negativfolgen unserer industrialisierten Welt. Gegenwärtig führt der weltweite Energiebedarf zu steigenden Lebensmittelpreisen, und prompt drohen Menschen in der dritten Welt zu verhungern. Trotz aller Technisierung sehen wir: Der Mensch hat das Paradies verloren und wird es in dieser Welt nicht wieder finden.

Wir können aus dem im Urstand gegebenen Auftrag, den Garten zu bewahren, nicht ableiten, daß der Mensch die Existenz der Welt retten oder sichern könnte. Nach dem Sündenfall vertrieb Gott den Menschen aus dem Paradies mit dem Ziel, „daß er die Erde bebaute, von der er genommen war“ (1Mose 3,23). Von einem Auftrag, den Garten oder die Erde zu bewahren ist nicht mehr die Rede. Wie kann auch der Mensch die Erde bewahren, wenn er nicht einmal sich selbst bewahren konnte? Der gefallene Mensch ist vielmehr in der Lage, die Erde zu mißbrauchen, Raubbau an ihren Gütern zu treiben, Leben zu zerstören, Arten auszulöschen und ökologische Skandale zu produzieren. Indes ist es ein Ausdruck größter Blindheit, wenn sich Menschen einerseits großspurig für die Bewahrung der Schöpfung und für globalen Klimaschutz einsetzen, aber skrupellos Kinder abtreiben und dieses Unrecht mit dem Schein des Rechts umgeben. Wenn überhaupt die Schöpfung bewahrt werden soll, dann doch vor allem in dem Sinne, daß der Mensch von Anfang bis Ende seiner Existenz wieder wertgeachtet wird, weil er im Bilde Gottes geschaffen ist und weil die übrige Schöpfung für ihn gemacht worden ist. Selbstverständlich wird dann zu fragen sein, wie der Mensch mit der Schöpfung recht umgeht und was er tun kann, um dem Leben dienliche Bedingungen auf dieser Welt zu gewährleisten. Aber den Tod abschaffen kann er nicht. Unter Mühen gelingt es ihm, die Mechanismen, die zum Tod führen, zu bremsen.

Zum Schluß

Der Garten Eden ist Geschichte. Gott hat den gefallenen Menschen aus dem Paradies vertrieben. Doch die Sehnsucht nach dem Paradies auf Erden, nach der heilen Welt, nach Leben, Frieden, Sicherheit und ungetrübtem Genuß verführt die Menschen immer wieder zu utopischen Weltanschauungen. Weltverbesserer und Gleichheitsapostel haben ihre Ideologien in menschenverachtenden Diktaturen umgesetzt. Hinterlassen haben sie zumeist Trümmer- und Gräberfelder. Gott aber spricht im Buch der Offenbarung von der neuen Schöpfung, und dabei werden Anklänge an das Paradies erkennbar: „Wer überwindet, dem will ich zu essen geben von dem Baum des Lebens, der im Paradies Gottes ist“ (Ofb 2,7). „Und er zeigte mir einen Strom lebendigen Wassers, klar wie Kristall, der ausgeht von dem Thron Gottes und des Lammes; mitten auf dem Platz und auf beiden Seiten des Stromes Bäume des Lebens, die tragen zwölfmal Früchte, jeden Monat bringen sie ihre Frucht, und die Blätter der Bäume dienen zur Heilung der Völker“ (Ofb 22,1-2). So wie Gott am Anfang die Welt geschaffen und den Menschen gegeben hat, so wird er auch die neue Welt schaffen und seinen Auserwählten auch ihr Erbteil an ihr geben. Die neue Schöpfung aber wird herrlicher sein als jene, die durch den Sündenfall verloren gegangen ist. Darum soll die Erinnerung an jene die Hoffnung auf diese beflügeln. Bis dahin werden wir einerseits unsere Berufung akzeptieren, als Geschöpfe im Bilde Gottes diese Welt zu gebrauchen, zu gestalten und uns an ihr zu freuen, aber andererseits uns damit abfinden, daß unser Leben in der gefallenen Welt vergänglich und mühselig ist.

Amen.

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