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Homosexualitätsdebatte, Weisheit und die Zukunft unserer Kirche

Donnerstag 10. Mai 2012 von Pfr. Gunther Geipel


Pfr. Gunther Geipel

„Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, und in deinem Lichte sehen wir das Licht.“  Ps 36,10

1. Einführung: Verlust oder Gewinn?

Grundsätzliches als konkrete Hilfe in der Homosexualitätsdebatte

Nach der Veröffentlichung meines Aufsatzes „Homosexualität und Pfarrhaus“ sind als Ergebnis vielerlei Gespräche, Zuschriften, Literaturempfehlungen und eigener Weiterarbeit am Thema die folgenden vertiefenden und weiterführenden Gedanken entstanden.

Es sind dies zunächst sehr grundsätzliche erkenntnis- und kommunikationstheoretische, philosophisch-theologische, rechtsphilosophische und ekklesiologische  Überlegungen, die dann aber zu sehr konkreten Schlussfolgerungen führen.[1] Wenn ich mich dabei als „juristischer Laie“ auch zu Rechtsfragen äußere, dann mehr im Sinne eines grundlegenden Andenkens und aus der Kenntnis theologisch-philosophisch-juristischer Schnittstellen und kulturgeschichtlicher Entwicklungen heraus als aufgrund einer profunden juristischen Detailkenntnis.

Als wichtiger Schlüssel für eine positive Wendung der Homosexualitätsdebatte sollen kategorial-differenzierende Lösungen vorgestellt werden. Dabei geht es um Dinge wie die Unterscheidung von Menschenwürde und beruflicher Eignung, von subjektivem Erleben und objektiven Folgen; oder auch wie die Diskussion in unserer Landeskirche um den sog. „status confessionis“, in der m.E. ein Begriff mit zwei unterschiedlichen Verständnisweisen bzw. kategorialen Zuordnungen ungeklärt benutzt wird und dadurch lediglich eine Scheinlösung entsteht.

Es steht viel auf dem Spiel!

In der Debatte um praktizierte Homosexualität und Pfarrhaus werden von verschiedenen Grundansätzen her sieben kostbare Perlen ins Spiel gebracht, die man als Maximalwert-Güter bezeichnen könnte. Mit jedem dieser Güter steht viel auf dem Spiel. Es sind dies:

– Die unantastbare Menschenwürde eines jeden Menschen,

– das unantastbare und verbindliche Wort Gottes,

– die konstante und lebensfördernde Schöpfungsordnung Gottes, insbesondere bezüglich der Ehe,

– Gottes Gnade und Barmherzigkeit gegenüber allen Menschen,

– die Einheit der Gemeinde Jesu,

– die Nachfolge Jesu und das Prinzip des Vorbilds

– und die Wahrheit in Wissenschaft und Verkündigung.

Jeder Abbruch und jeder Verlust bei auch nur einer dieser Perlen wäre ein schwerer Schaden für unsere Kirche und unsere Gesellschaft.

Bei allen grundsätzlichen Überlegungen sollte zudem nie vergessen werden, dass es immer auch um konkrete Menschen, ihren eigenen und persönlichen Willen zur Lebensgestaltung und um ihr zeitliches und ewiges Schicksal geht. Das macht unser Nachdenken doppelt verantwortungsvoll.

Wir könnten alle viel gewinnen!

Aber keines der so unendlich kostbaren Güter muss Schaden nehmen. Und dies ohne dass wir die „Quadratur des Kreises“ vollbringen müssten, die bekanntlich grundsätzlich nicht möglich ist! Wir müssen nichts verlieren und können sogar alle gemeinsam sehr viel gewinnen:

– Ehrliche Buße und das Geschenk göttlicher Vergebung für vergangene und gegenwärtige Schuld,

– eine tiefere Grundbejahung für uns selbst und für jeden Menschen,

– ein bewussteres Leben im Geheimnis der Ehe,

– einen liebevolleren und hilfreicheren Umgang mit homoerotischen und homosexuellen Menschen,

– eine klarere Sicht für die Autorität der Bibel und die Grundprinzipien ihre Auslegung,

– eine vertiefte und im Konflikt weiter gereifte Einheit in unserer Landeskirche

– und neuen Mut und neue Vollmacht, inmitten der dramatischen Verschiebung sittlicher Werte in unserem Land eine prophetische und eine heilende statt einer dem Zeitgeist angepasste Kirche zu sein.

Die Schatzkammer der Sexualität

Außerdem ist die Gabe der Sexualität selbst, um die sich unsere Gedanken hier drehen, in sich ein kostbarer Schatz, ja eine ganze Schatzkammer! Als Weg zu Identität, Lust, Beziehung und Fortpflanzung und außerdem noch als Gleichnis der Christusliebe ist Sexualität etwas außerordentlich Schönes! Und „in, mit und unter“ diesen Bereichen kann sich sogar noch ein weiterer Bereich auftun: die ganzheitliche Erfahrung von Transzendenz. Zwar kann die beste und gesündeste Sexualität nicht in dem Sinne den Himmel öffnen, wie es allein Christus für uns tun konnte. Aber ein Stück unendliche Weite und Vorgeschmack des Himmels kann dabei erfahren werden.[2]

Werden wir für unser persönliches Leben, für unsere Kirche und unsere Gesellschaft all diese großen Perlen und Schätze bewahren und umfänglicher gewinnen können? Oder werden wir sie mehr und mehr verlieren? Sicher hängt dabei nicht alles nur an der Debatte um die Homosexualität. Als wichtiger Mosaikstein in dem Gesamtbild aber hat sie eine große Bedeutung.

2. Grundlegendes und Aktuelles zur „Methodologie des Herzens“

Die unverstellte Offenheit für die Wahrheit und die Bereitschaft, angemessen zu differenzieren, zu kombinieren und zu formulieren, wäre eine wichtige Grundlage für eine zielführende Debatte um das Spannungsfeld von Homosexualität und Pfarrhaus. Thomas v. Aquin sprach vom „intellectus componens et dividens“: Einsicht muss zusammenfügen und unterscheiden bzw. differenzieren können. Dazu kommt bei Thomas – diesen beiden Funktionen des Verstandes nachgeordnet- der „intellectus formans definitionem“: der sprachliche Ausdruck des Eingesehenen. Leider mangelt es in der Homosexualitätsdebatte in allen drei geistigen Grundvollzügen nicht selten an Genauigkeit und Weitblick – und damit an Diskursqualität.[3]

Eine wesentliche Ursache dafür sind verstellende Emotionen: entweder Wut oder Angst. Allerdings gibt es neurobiologisch gesehen auch gar keine Kognition (als Weg zur Faktizität) ohne Emotion. Wir können nur fühlend denken und „abspeichern“. Und als soziales Wesen denkt, fühlt und entscheidet der Mensch nie ohne sozialen Kontext. Damit stehen wir ständig in einer anthropologischen Herausforderung: der ethikfähige Mensch muss innerhalb seines eigenen „inneren Teams“[4] und umgeben von äußeren Teams seine Entscheidungen treffen. Ja, es ist noch komplexer: Martin Luther beschrieb den Menschen in einem vierfachen Beziehungsgefüge: coram Deo, coram mundo, coram hominibus und coram meipso (angesichts bzw. in Gegenwart von Gott, Welt, Menschen und mir selbst).[5] In dieser vierfältigen coram-Relation suchen wir die Wahrheit.

Hier setzt nun die Notwendigkeit dessen ein, was im hebräischen Denken mit dem anthropologischen Zentralbegriff „Herz“ (858 Vorkommen im AT!) beschrieben wird: das innerste Miteinander von Vernunft, Wille/Intention und Emotion. Dieses „Herz“ sollte sich an der Schöpfung und am Schöpfer selbst orientieren. Was dadurch entsteht und was wir auch heute so dringend brauchen, nennt die Bibel dann „Weisheit“ oder „hörendes Herz“ (1 Kön 3,9).[6]  Und diese Weisheit oder das „hörendes Herz“ brauchen wir nicht nur im tagtäglichen Spannungsfeld von Emotion, Kognition, Intention, Sozialität und Spiritualität. Angesichts außergewöhnlicher und komplexer Problemstellungen brauchen wir sie in erhöhtem Maße. Neben dem einzelnen Faktum steht da ja seine Bewertung/Bedeutung. Und es stehen noch viele andere Fakten mit ihrer Bedeutung daneben. Das alles ergibt ein hoch komplexes Gefüge.

Dennoch ist eine sinnvolle Komplexitätsreduktion, Abstraktion und Konzentration möglich- und damit Wahrheitsfindung. [7] Andernfalls gäbe es weder Wissenschaft noch solche „Komplexitätsverdichtungen“ wie die altkirchlichen Glaubensbekenntnisse oder die Rechtfertigungsbotschaft der Reformation.

Glücklicherweise dürfen wir dabei sogar mit dem direkten göttlichen Beistand des Hl. Geistes rechnen.

Ich wünsche uns allen den Mut zur Wahrheit, die Kraft zur Liebe und ein hörendes Herz!

Christus, Du Fels der Wahrheit, Du Quelle der Liebe, Du Brunnen der Weisheit, wir rufen zu DIR!

3. Grundlegendes und Aktuelles zu den sieben Maximalwert-Gütern

Grundkonsens und christologische Verankerung

Alle sieben zur Debatte stehenden Maximalwert-Güter sind christlicher Grundkonsens.[8] Und sie sind zutiefst christologisch verankert:

  1. Die aus der Gottebenbildlichkeit abgeleitete unantastbare Menschenwürde eines jeden Menschen: Jesus Christus ist der menschgewordene Gott.
  2. Das unantastbare und verbindliche Wort Gottes bzw. die Offenbarung Gottes: ER bestätigt und erfüllt das Wort Gottes und ist selbst das Wort und die Offenbarung Gottes.
  3. Die konstante und lebensfördernde Schöpfungsordnung Gottes, insbesondere bezüglich der Ehe: ER ist der Schöpfungs-Logos und der Verteidiger der Unantastbarkeit der Ehe.
  4. Gottes Gnade und Barmherzigkeit gegenüber allen Menschen: ER ist der Barmherzige und die Gnade in Person.
  5. Die Einheit der Gemeinde Jesu: ER ist der Beter um die Einheit (Joh 17) und das Haupt des einen Leibes, der Gemeinde.
  6. Die Nachfolge Jesu und das Prinzip des Vorbilds: ER ist das Vorbild unserer Nachfolge, das wiederum gelebte Vorbilder hervorbringen will.
  7. Die Wahrheit in Wissenschaft und Verkündigung: Jesus Christus ist schließlich auch der Bote der Wahrheit und die Wahrheit in Person.

Historische und aktuelle Beschädigungen

Unsere heutige Diskussion über diese Güter erfolgt jedoch auf historisch vorbelastetem Boden, keineswegs also auf neutralem Feld, sondern geradezu auf einem „Schlachtfeld“ der Geschichte.

Die unantastbare Menschenwürde eines jeden Menschen wurde auf diesem „Schlachtfeld“ schwer beschädigt. Und nun ist es nach dieser hinter uns liegenden Geschichte der Diskriminierung und Kriminalisierung verständlich, dass jede Meinung, die praktizierte Homosexualität kritisiert, als Angriff auf die Person des homosexuellen Menschen und damit als Angriff auf seine persönliche Würde empfunden wird. Damit aber ist ein unverstelltes Hören nicht mehr möglich.- Wir sollten als Kirche Jesu Christi für uns selbst und stellvertretend für unser Volk Buße tun für diese lange Geschichte der Diskriminierung und Kriminalisierung homosexueller Menschen in unserem Land. Den Betroffenen wurde dadurch und wird in bestimmten Fällen leider immer noch schweres Unrecht und Leid zugefügt. Das rettende und helfende Evangelium von Jesus Christus wurde und wird damit verdunkelt.

Inzwischen erleben wir in unserem Land jedoch den entgegengesetzten Pendelschlag der Diskriminierung: Wer Homosexualität von seiner Schrifterkenntnis oder persönlichen Erfahrung her nicht als „etwas völlig Normales“ sehen kann und Hilfestellungen unter diesem Blickpunkt anbieten möchte, wird ausgegrenzt und in seiner Öffentlichkeitsarbeit behindert. Er wird als „homophober Fundamentalist“ gebrandmarkt.

Und damit gerät zugleich das hohe Gut der Wahrheit unter die Räder. Differenzierte Urteile werden nicht mehr gehört, ja werden geradezu verboten, weil es der neuen Diktatur eines Teiles der Homosexuellenbewegung nicht gefällt, dass Homosexualität auch nur im Geringsten kritisch betrachtet wird. „Hohe Rechtsgüter wie die Meinungs-, Wissenschafts- und Versammlungsfreiheit werden eingeschränkt, weil Homosexuellenverbände versuchen, jegliche sachgerechte Kritik mit verleumderischen Vorwürfen und aggressiven Gegenkampagnen zu unterbinden.“[9] Die Wahrheit wird damit einer Ideologie geopfert. Bei allem Schmerz um die einstige Diskriminierung sollte aber doch gelten: „Das Ende der Diskriminierung darf aber nicht zum Verbot von Differenzierung mißbraucht werden.“ (Klaus Baschang)

Das wird insbesondere dort deutlich, wo Therapieerfolge an homosexuellen Menschen hin zum heterosexuellen Empfinden grundsätzlich als unmöglich abgelehnt werden und wo auch das Konzept bewusster Enthaltsamkeit für Menschen, die sich eine Änderung ihres Empfindens derzeit nicht vorstellen können, als verklemmt und unmöglich belächelt wird. Seriöse anderslautende Untersuchungen des Therapieerfolges (wie die von Robert L. Spitzer) und persönliche Berichte von Betroffenen werden einfach nicht gehört. Therapeutische Konzepte sollten heute aber – ihre ethische Verantwortbarkeit vorausgesetzt, und dazu gehört in unserer Frage besonders die Freiwilligkeit der Therapie – an ihrer Evidenzbasierung gemessen werden. Also weder bloße Vermutungen und „Bauchgefühle“ noch ideologische Sperren noch auch verstreute Einzelerfahrungen können hier als Grundlage dienen. Eine durch einen eindeutigen Wirksamkeitsnachweis empfohlene Therapie besitzt einen höheren Empfehlungs- und  Verallgemeinerungswert als der Einzelerfolg bzw. der Einzelmisserfolg.[10]  Wer es aber – durch seriöse Untersuchungen gestützt und selbst aus eigener Erfahrung- anders sieht als die Homosexuellenbewegung, wird der  Zwangsumpolung, der psychische Grausamkeit oder gar des Treibens in den Selbstmord bezichtigt. – Ein schwieriger Ausgangspunkt für einen sachlichen Diskurs!

Positiv vermerkt sei hier die Aussage der Arbeitsgruppe der sächsischen Kirchenleitung zur Homosexualität in biblischem Verständnis: „Konsens besteht hinsichtlich der Bejahung unterschiedlicher Formen der Therapie und Beratung, trotz verschiedener Ansätze und Ziele. Es kann darüber eine Diskussion geben, aber keine grundsätzliche Diskriminierung von spezifischen Ansätzen der Beratung oder Therapie.“[11]

Eine Klima der Unsachlichkeit scheint heute zudem ziemlich grundsätzlich und themenunabhängig in der Luft zu liegen. In unserer „Reizwortgesellschaft“ genügt oft eine bestimmte Vokabel – und das rhetorische und mediale Feuer wird eröffnet, der „Shitstorm” (Anglizismus des Jahres 2011!) bricht los.

Auch die übrigen Maximalwert-Güter unterlagen im Laufe unserer Geschichte schlimmen Beschädigungen und werden deshalb aus besonderer Sensibilität heraus besonders intensiv verteidigt. Drei dieser Güter seien noch kurz beleuchtet:

Jesus ist das Vorbild unserer Nachfolge, das wiederum gelebte Vorbilder hervorbringen will. „Ihr seid das Licht der Welt“ (Mt  5,14), hören wir aus seinem Mund. Und speziell für die Hirten der Gemeinde lesen wir im 1. Petrusbrief: „…werdet Vorbilder der Herde“ (1. Petr 5,3). Wie oft hat die Kirche leider von Jesus weg statt auf ihn hin gewiesen – trotz der Sehnsucht der Menschen: „Herr, wir wollten Jesus gerne sehen!“ (Joh 12,21) Wo nun das Licht durch eine grundsätzliche ethische Fehlentscheidung erneut zum Irrlicht zu werden droht, wo insbesondere junge Menschen auf der Suche nach ihrer sexuellen Identität ausgerechnet vom Pfarrhaus her verunsichert und verführt zu werden drohen, wird das verständlicherweise als nicht hinnehmbar empfunden.

Insbesondere die deutsche Theologiegeschichte hat grauenhafte Opfer bezüglich der Autoritätsstellung der Bibel und der Haltung zur Bibel gefordert. Auch dafür können wir nur Buße tun. Und es ist sehr verständlich, dass geistlich-theologisch wache Christen ein weiteres Kapitel antibiblischer Verfallsgeschichte um keinen Preis hinnehmen wollen. Mit „Fundamentalismus“ hat das übrigens noch gar nichts zu tun, wenn man schlichtweg auf das Fundament unseres Glaubens insistiert.

Wolfhart Pannenberg sagt zur Einheit der Kirche und zum Thema Homosexualität: „Wer die Kirche dazu drängt, die Norm ihrer Lehre in dieser Frage zu ändern, muss wissen, dass er die Spaltung der Kirche betreibt. Denn eine Kirche, die sich dazu drängen ließe, homosexuelle Betätigung nicht mehr als Abweichung von der biblischen Norm zu behandeln und homosexuelle Lebensgemeinschaften als eine Form persönlicher Liebesgemeinschaft neben der Ehe anzuerkennen, eine solche Kirche stünde nicht mehr auf dem Boden der Schrift, sondern im Gegensatz zu deren einmütigem Zeugnis. Eine Kirche, die einen solchen Schritt tut, hätte darum aufgehört, evangelische Kirche in der Nachfolge der lutherischen Reformation zu sein.“[12]

4. Untaugliche Konfliktlösungen

Güterabwägung

Zwischen den sieben Maximalwert-Gütern kann es grundsätzlich keine Güterabwägung geben, sondern nur ein unumschränktes Anerkennen aller…oder aber ein Schuldigwerden. Es kann hier also keine Konfliktlösung durch Wertung geben  Eines dieser hohen Güter anzugreifen und zu verletzen bedeutet, Christus selbst anzugreifen.

Ideologisch-optativische Hermeneutik und Exegese der willkommenen Bestätigung

Die Bibel beurteilt nicht nur kultische homosexuelle Prostitution, Gelegenheitspartnerschaften und homosexuelle Gewalt, sondern homosexuelle Praxis generell als Verstoß gegen die Schöpfungsordnung und gegen die ausdrücklichen Gebote Gottes. Hermeneutisch-exegetische Lösungen, die die biblischen Aussagen zur Homosexualität historisch-kontextuell oder aktuell-kontextuell relativieren und dadurch homosexuelle Praxis für heute legitimieren wollen, halten dem Kriterium der Schriftgemäßheit (und damit der Wahrheit im theologischen Sinne) nicht stand, weil sie den vielfältigen, tiefen und grundsätzlichen Verankerungen der biblischen Aussagen zu Ehe und Homosexualität in Schöpfungstheologie, Weisheitslehre, Bundes- und Heiligkeitstheologie und Christologie/Ekklesiologie nicht gerecht werden. In meinem Aufsatz „Homosexualität und Pfarrhaus“ habe ich das konkret aufgezeigt und dann gesagt: „Man hat somit die ganze Wucht des biblischen Menschenbildes, des Schöpfungsauftrages, des Dekalogs, des Heiligkeitsdenkens, der alttestamentlichen Weisheitslehre über die Ehe und der neutestamentlichen Ethik und Christusmystik der Ehe gegen sich, wenn man praktizierte Homosexualität verteidigen möchte.“

Wolfhart Pannenberg fasst die biblischen Aussagen so zusammen: „In der Gesamtheit des biblischen Zeugnisses wird also praktizierte Homosexualität ausnahmslos zu den Verhaltensweisen gerechnet, in denen die Abwendung des Menschen von Gott besonders eklatant zum Ausdruck kommt. Dieser Befund setzt dem Urteil einer an die Autorität der Schrift gebundenen Kirche zum Thema der Homosexualität sehr enge Grenzen, zumal die biblischen Aussagen zu diesem Thema das negative Gegenstück zu den positiven Anschauungen über die schöpfungsgemäße Bestimmung des Menschen in seiner Sexualität bilden, sodass es sich also keineswegs um marginale Urteile handelt, die ohne Schaden für die christliche Botschaft im ganzen vernachlässigt werden könnten. Die biblischen Aussagen über Homosexualität lassen sich auch nicht dadurch relativieren, dass man sie als Ausdruck einer für den modernen Menschen überholten kulturgeschichtlichen Situation betrachtet. Es handelt sich hier ja gerade um ein Thema, bei dem die biblischen Zeugnisse schon ursprünglich ganz bewusst den in ihrer kulturellen Umwelt herrschenden Auffassungen entgegentraten, und zwar um des Glaubens an den Gott Israels willen hinsichtlich der von ihm dem Menschen bei seiner Schöpfung verliehenen Bestimmung.“[13]

Ein Paradigmenwechsel gegenüber unserer 3000- bzw. 2000-jährigen jüdisch-christlichen Geschichte wäre hier ein Rückschritt von der kulturgeschichtlichen Höhe des jüdisch-christlichen Ehebildes in eine selbstzerstörerische Beliebigkeit.

Zum Besten des Menschen gibt es in der biblischen Offenbarung auch klare Ordnungen. Das lateinische Wort für „Offenbarung“ heißt revelatio und kommt von einem velum, einem Vorhang, der weggezogen wird. Dass nicht der Mensch den Vorhang entfernt, sondern Gott, birgt die Chance frühzeitigen Wissens: einem Wissen noch vor manchem schmerzlichen Weg nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum.

Das frühe Offenbarungswissen bezüglich des hohen Gutes der Sexualität und des angemessenen Umgangs damit lässt sich inzwischen auch kulturgeschichtlich gut bestätigen.[14] Es heute nun wieder mit einem dicken Vorrang zu verschleiern, ist tragisch!

Verweis auf die Gefahrlosigkeit

Oft wird Homosexualität mit sexueller Gewalt verwechselt. Wo homosexuelle Menschen aber in den Generalverdacht des Kinderschänders oder Vergewaltigers geraten, tut man ihnen ebenso unrecht wie heterosexuellen Menschen, die man mit dem gleichen Generalverdacht belegt. Sexuelle Gewalt gibt es leider innerhalb jeder sexuellen Prägung. Und die sexuellen Übergriffe durch heterosexuelle Menschen sind – schon weil sie die Überzahl darstellen- das weitaus Häufigere.

Ist praktizierte Homosexualität damit aber grundsätzlich keine Gefahr? Es ist eine interessante Beobachtung, dass Menschen mit hohem Gerechtigkeitssinn sich vehement gegen Pädophilie und Kinderschändung einsetzen (und das mit vollem Recht!) und sich gleichzeitig für die unumschränkte Akzeptanz der „ungefährlichen“ homosexuellen Lebenspraxis aussprechen. Diese „Ungefährlichkeit“ jedoch ist sehr zu hinterfragen:

Zuerst sehe ich die Adoptivkinder in solchen Beziehungen in einer akuten seelischen Gefahr. Sodann berauben sich die homosexuellen Partner für sich selbst des vollen Segens Gottes.  Und schließlich: Praktizierte  Homosexualität – im Pfarrhaus zumal- ist eine Gefahr für ein eindeutiges und gesundes Bild von Ehe und Familie in unserer Gesellschaft, speziell unter der noch prägbaren Jugend. Hier ist homosexuelle Lebenspraxis sogar als systemische Gefährdung zu bezeichnen: Das Ehebild kann umkippen und als Leitbild immer mehr verschwinden![15] Ein Umkippen hin zu einer „homosexuellen Gesellschaft“ ist zwar unwahrscheinlich, weil die heterosexuelle Prägung wohl immer weit überwiegen wird. Und trotzdem ist die Zunahme homosexueller Lebensweise angesichts unserer demografischen Situation ein Mosaikstein innerhalb der großen systemischen Gefährdung durch Verweigerung und Verhinderung von Nachwuchs.[16]

Toleranzgedanke ohne Verantwortungsdenken

Die mit dem schönen Programmwort „Toleranz“ eingeforderte Anerkennung homosexueller Lebenspraxis mag als Ausdruck innerer Weite erscheinen (und in vielen Lebensbereichen ist Toleranz gut und richtig und Ausdruck der Weite!). Eine verantwortliche Toleranzhaltung aber wird nie alles und jedes anerkennen können. Was das Leben und die Gesellschaft bedroht, liegt außerhalb einer gesunden Toleranzbreite (wie ja auch die Toleranz gegenüber grundsätzlicher Intoleranz sinnlos wäre, weil sich die Toleranz damit selbst negieren würde). Sinnvolle Toleranz ist immer zugleich verantwortliche und damit begrenzte Toleranz.

Pragmatische Simplifizierung und pragmatische Resignation

Eine pragmatische Lösung, die den gordischen Knoten einfach durch den Hinweis auf die veränderte Zeitsituation und auf das (m.E. sehr ernst zu nehmende!) Einzelschicksal der Betroffenen sowie durch die Leugnung der großen Tragweite einer kirchenrechtlichen Öffnung für homosexuelle Lebenspraxis lösen möchte, hat – wie wir gesehen haben- die Bibel und – wie wir sehen werden- die theologische und juristische Wahrheit gegen sich. Auch kann der berechtigte Einwurf, auf anderen Gebieten würde die Bibel oft auch nicht ernst genommen, nur als Anstoß zur Änderung auf diesen andern Gebieten dienen, nicht aber als Legitimation eines legeren Umgangs mit dem Wort Gottes. Und wo es sich in der Bibel um zeit- und situationsbezogene Aussagen ohne unmittelbare Anwendungsverpflichtung für uns heute handelt (wie etwa beim Redeverbot für Frauen im Gottesdienst), muss sich das aus dem historischen Kontext einerseits und den biblischen Grundlinien andererseits erweisen lassen.

Eine pragmatische Lösung wäre natürlich auch die Resignation: eine schuldhafte Lösung als allein noch möglichen Ausweg einzugestehen. Es kann aber (auch in unserer gefallenen Welt) gerade nicht das Ziel kirchlicher Gesetzgebung sein, wissentlich schuldhaftes Recht zu setzen.[17] Und die ganz andere Kategorie des „Notrechtes“ für Grenzsituationen (wie das Notkirchenrecht der Bekennenden Kirche oder das Widerstandsrecht) steht überhaupt nicht zur Debatte, geht es doch den Befürwortern um die grundsätzliche Anerkennung und Legitimation praktizierter Homosexualität. – Damit haben wir nun zugleich das weite Feld unterschiedlicher Kategorien berührt:

5. Kategorial-differenzierende Lösungen

Glücklicherweise geht es gar nicht um einen unlösbaren Konflikt zwischen den o.g. Maximalwert-Gütern, sondern um einen Konflikt zwischen Werten und Ansprüchen unterschiedlicher Kategorien. Und eine kategorial-differenzierende Lösung ist unter Achtung aller Maximalwert-Güter sehr wohl möglich:

Berufliche Eignung und Menschenwürde

Berufliche Eignung ist eine andere (niedrigere) Kategorie als Menschenwürde. Niemand will ein grundsätzliches Berufsverbot für Menschen mit homosexueller Lebenspraxis durchsetzen. Gerade als Pfarrer aber, d.h. als Verkündiger des Wortes Gottes, als Lehrer und Verteidiger der Schöpfungsordnungen und als zur Einheit der Kirche Beauftragte scheiden Menschen mit homosexueller Lebenspraxis aus.  Das konkrete Leben des Pfarrers/der Pfarrerin ist eben auch Verkündigung. Es wird zwar – außer im Leben Jesu selbst- die biblische Botschaft nie vollkommen und damit nie vollständig integer übermitteln können, aber eine grundsätzliche Widerspruchshaltung ist eine grundsätzliche Blockade und damit weder für den Verkündiger selbst wünschenswert (und damit auch aus seelsorgerlicher Perspektive unbarmherzig) noch für seine Umwelt hinnehmbar.

Eine angemessene kategorial-differenzierende Lösungen ist hier: Eignung und Menschenwürde werden nicht länger unterschiedslos vermischt.

Ethik und Faktizität und Mehrheitsmeinungen und Emotionalität

Emotionalität und Popularität einerseits und Wahrheit (selbst heruntergebrochen als Faktizität) und ethische Verantwortbarkeit andererseits sind Kategorien mit unterschiedlicher Wertigkeit. Wahrheit (Faktizität) und Ethik stehen höher als gefühlsmäßige Äußerungen (die nachgeordnet auch ihr gutes Recht haben) und Mehrheitsmeinungen (die das Grundmuster der Demokratie bilden, damit aber noch lange kein letzter Wahrheitsmaßstab sind). Wo den jeweils lauteren und emotionaleren Stimmen und der verbreiteten Mehrheitsmeinung wider besseres Wissen nachgegeben wird, geschieht eine Umwertung der Kategorien.

Eine angemessene kategorial-differenzierende Lösungen ist hier: Der Mut zur Wahrheit steht vor allen Ängsten um die eigenen Haut und allen diplomatischen Überlegungen.

Echte und scheinbare Paradigmenwechsel

Dass sich einige evangelische Kirchen in der Frage der Homosexualität gegenwärtig von unserer 3000- bzw. 2000-jährigen jüdisch-christlichen Ethik verabschieden und sich damit – anders als die übergroße Mehrheit der Kirchen weltweit- dem Zeitgeist anpassen, [18] ist ein fundamentaler und radikaler Paradigmenwechsel.[19]

Dem gegenüber ist z.B. die Geschichte der christlichen Haltung zur Sklavenfrage im Kern lediglich eine Geschichte des Fortschritts von der zeitgeschichtlich bedingten Hinnahme zur besseren Lösung der Freiheit. Bei Paulus gibt es zunächst den Ansatz, sie als Sklaverei von innen her zu überwinden. Zu Recht wurde bemerkt, wenn ein Sklavenhalter sich so verhielte, wie Paulus es forderte, wäre der Sklave eigentlich kein Sklave mehr. Auch wird von Paulus bereits die Freiheit als die bessere Lösung angedeutet.[20] Hier handelt es sich also gegenüber dem NT keineswegs um einen echten Paradigmenwechsel, wenn – vor allem von bibelgläubigen Christen wie Harriot Beecher Stowe oder William Wilberforce – das Ende der Sklaverei gefordert wurde. Allerdings kam es trotz des biblischen Menschenbildes und trotz der Freiheitsaussagen des Paulus zwischenzeitlich auch im christlichen Bereich zu einer langen und schlimmen Geschichte der Verfestigung der Sklaverei, der gegenüber die Befreiungsbewegung im 19. Jahrhundert dann natürlich ein gewaltiger Paradigmenwechsel war. Als theologisches Beispiel und historisches Vorbild für den radikalen Paradigmenwechsels in der Frage der Homosexualität kann die Sklavenfrage allerdings gerade nicht gelten. Und die Zwischenzeit der sogar mit theologischen Argumenten gestützte Beibehaltung der Sklaverei zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, die Bibel kanonisch-intentional zu verstehen und damit weder veränderungswürdige Traditionen noch schädliche Neuerungen zu legitimieren.

Das Beispiel der Frauenordination ist vielschichtiger und würde hier bei einer angemessenen Abwägung den Rahmen sprengen. Kurz gesagt: Ich halte die Frauenordination für biblisch gerechtfertigt, würde aber einen Vertreter der gegenteiligen Meinung nicht überzeugen wollen, weil hier m.E. zwei verschiedene von der Bibel herkommende Argumentationslinien zu verschiedenen Ergebnissen führen können. Im Unterscheid dazu ist die Frage der Homosexualität aber biblisch-theologisch weit weniger diffizil, um nicht zu sagen völlig eindeutig. Und deshalb ist die Frauenordination ebenfalls keine passende Parallele zur Homosexualitätsdiskussion, weil letztere vor einem eindeutigen biblischen Befund stattfindet.

Befreite Sexualität und sexuelle Freizügigkeit

Unsere Überlegungen zielen keinesfalls auf ein leibfeindliches Denken und Leben oder auf eine asexuelle oder gar antisexuelle Spiritualität. Vielmehr geht es im Gesamtbereich Sexualität – aus dem wir hier ja nur den Teilbereich Homosexualität herausgreifen – darum, die vier uralten und heute an besonders vielen Stellen sichtbaren Gefährdungen der Sexualität- Kommerzialisierung, Gefährdung durch Gewalt, Pervertierung und (oft vom Betroffenen unverschuldet erlittene) Beschädigung[21]  zu sehen und möglichst zu überwinden. Wir wollen  Schutz-, Befreiungs- und Heilungswege finden satt durch Verdrängung „neurotische Fallen“ zu bauen. Zu einer gesunden Freiheit gehören aber immer auch gesunde Maßstäbe und Grenzen. Befreite Sexualität und sexuelle Freizügigkeit sind völlig gegensätzliche Zielvorstellungen und unterschiedliche Kategorien. Als „befreite Homosexualität“ kann ich nur die Therapie hin zur Heterosexualität oder aber den freiwilligen Verzicht und die bewusste Sublimierung, wie ihn ja auch viele heterosexuelle Menschen leben.

Subjektives Identitätserleben und biblische Zielvorgabe

Meine Aussage, Homosexualität bliebe bei der Identitätsstiftung rudimentär, wird von vielen homosexuellen Menschen vehement bestritten werden. Ich kann natürlich einem anderen das subjektive Empfinden nicht absprechen, dass er seine Identität gefunden habe. Hinsichtlich der biblischen Zielvorgabe einer klar bezeichneten geschlechtlichen Bipolarität des Menschen als Mann und Frau kann und muss dennoch von einer rudimentären Identität des homosexuellen Menschen gesprochen werden. Dies wiederum hat mit minderer Würde nichts zu tun, ist doch der Mensch zeitlebens ein Findender und zugleich tiefer Suchender, was seine Identität betrifft! Und wenigstens bei einer Form der Homosexualität lassen sich hier Stufen feststellen: Wo sich ein Mensch aufgrund erlittenen sexuellen Missbrauchs durch das andere Geschlecht in die Homosexualität als in einen habituellen Schutzraum flüchtet, ist das eine Befreiung und eine Beruhigung, eine wohltuende Identitätserfahrung. Dass dieser Mensch (nach längerer Zeit) dann doch ein Unwohlsein und ein Defizit empfindet und sich von der „Schutzhütte“ in die „eigene Wohnung“ aufmacht, kann eine noch viel tiefere Selbstfindung und Zufriedenheit bedeuten.

Empirische Erklärbarkeit und biblische Beurteilung

Dass über der Genese der Homosexualität (zumindest teilweise) ein dunkler Schleier liegt, beeinträchtigt die biblische Klarheit ihrer Bewertung nicht. Gerade in der Psychiatrie haben wir es noch immer mit manchen Störungen zu tun, die man nicht zufriedenstellend erklären kann, die man damit aber auch nicht zur Normalität erklärt. Eine schwere endogene Depression ist ein Rätsel, aber man sucht deshalb nicht weniger intensiv nach Auswegen aus der großen inneren Not. Und es gibt Erkrankungen, unter denen der Betroffene selbst gar nicht leidet, aber seine Umwelt leidet darunter. So ist auch Homosexualität keine Normalität, ihre dunkle Genese kein Beurteilungsverbot und ihre subjektiv von manchen Betroffenen leidfrei und sogar fröhlich erlebte Ausübung kein Beweis ihrer Richtigkeit.

Grundrechte und konditionale Einzelbestimmungen

Grundrechte bilden eine höhere Kategorie als konditionale Einzelbestimmungen im Dienst- bzw. Arbeitsrecht. Im Dienst- bzw. Arbeitsrecht kann und muss es unter geänderten Bedingungen Rechtsänderungen geben. Grundrechte aber sind grundsätzlich unverrückbar (sie sollten es zumindest sein!). Nun wird aber im sächsischen Kirchleitungsbeschluss vom 21.1.2012 zur Einzelfallermöglichung homosexueller Lebensgemeinschaften im Pfarrhaus eine dienstrechtliche Bestimmung so erlassen, dass ein Verstoß gegen ein Grundrecht geradezu zur Voraussetzung erhoben wird. Dies gilt jedenfalls im Verständnis dieses Grundrechtes, wie es unsere Landeskirche einst klar vertreten hat.  Die eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft wird nun vorausgesetzt- und damit genau das „Rechtsinstitut“, gegen das die Kirche einst vom biblischen Eheleitbild her und vom Grundrecht des besonderen Schutzes von Ehe und Familie her (Art. 6 Abs. 1 GG) Einspruch erhoben hatte! Im Kirchenleitungsbeschluss zur Homosexualität von 2001 (Abl. Jg. 2001 Nr. 21/ B 53) wird dieses Institut ausdrücklich abgelehnt, ja, der größere Rahmen für die Erklärung der Kirchenleitung zum homosexuellen Pfarrhaus ist die dezidierte Ablehnung des kurz zuvor (am 1.8.2001) in Kraft getretenen Lebenspartnerschaftsgesetzes und der Versuch unserer Landeskirche, den Schaden nun wenigstens zu begrenzen. Jetzt aber wird in einem neuen Gesetz genau das zur Bedingung erhoben, was 2001 noch grundsätzlich und für das Pfarrhaus im Besonderen als inakzeptabel galt. Damit haben wir das Dilemma der praktischen Demontage des Ehe-Grundrechtes, auch wenn die Ehe als Leitbild verbal in der Kirchenleitungserklärung vom 21.01.2012 bekräftigt wird.

Hintergrund des Rückgriffs auf das Lebenspartnerschaftsgesetz ist natürlich die Absicht, ein staatlich geordnetes Institut als ordnendes Element einzubauen. Nur wird dabei ein weiteres Mal dem Rechtsverfall Vorschub geleistet. Ein höheres und allgemeineres Gut (der besondere Schutz von Ehe und Familie) wird zugunsten einer konkreten Schutz- und Ordnungsregelung geopfert. Rechtsphilosophisch ist das in keinster Weise nachvollziehbar.

Eine angemessene kategorial-differenzierende Lösungen ist hier: Die Grundrechte bleiben unverletzt und können schon gleich gar nicht zugunsten konditionaler Bestimmungen im Dienst- bzw. Arbeitsrecht aufgegeben oder aufgeweicht werden.

Der reformatorische und der Bonhoeffersche „status confessionis“ (und der „status separationis“)

Als Kern des Abschlussberichts der sächsischen Arbeitsgruppe „Homosexualität in biblischem Verständnis“ darf wohl gelten: „Als Konsens kann formuliert werden: Weil sowohl das Verhalten in Ehe und Familie wie auch die homosexuelle Lebensweise nicht den Anspruch erheben kann und darf, Offenbarungsqualität zu besitzen oder das Erlösungswerk Christi infrage zu stellen, ist es nicht angemessen und möglich, angesichts unterschiedlicher Optionen in Fragen von Ehe, Familie und Sexualität den status confessionis auszurufen.“ [22]

Dass gerade dieser Kern aber theologisch fragwürdig ist, ist nach dem großen Fleiß der Arbeitsgruppe bedauerlich. Denn dass die Ehe als Institution und damit auch einige Verhaltensweisen in der Ehe (wie: „seid fruchtbar und mehret euch“) sehr wohl Offenbarungsqualität besitzen (keine Erlösungsqualität, aber das sind verschiedene Kategorien!), lässt sich nicht sinnvoll bestreiten. Die Bipolarität des Menschen als Mann und Frau ist nach Gen 1,27 sogar eine Konkretion der Gottesebenbildlichkeit und damit eine an Gewicht kaum zu überbietende Grundkonstante des Menschseins. Das ist die Offenbarungsqualität der Ehe!

Der reformatorische Kampfbegriff des „status confessionis“, der im Adiaphoristischen Streit während der Zeit des Augsburger Interims (1548–1552) wichtig wurde und sich dort ausschließlich auf das Erlösungswerk durch Christus einerseits und die „Adiaphora“ („Mitteldinge“ wie Zeremonien und Riten) andererseits  bezog, kann auf die Homosexualitätsfrage als einer ethischen Frage in der Tat nicht angewendet werden. Der Begriff ist eben kein umfassender Schutzwall gegen jegliche Verirrung in Dogmatik und Ethik, sondern ein Wall um die  Rechtfertigungslehre. Mit der Abweisung des reformatorischen „status confessionis“- Begriffes in einer ethischen Frage ist also im Grunde zur aktuellen Bekenntnissituation gar nichts gesagt – außer dass es sich um zwei verschiedene Kategorien handelt.

Dass die Fragen des 1. Glaubensartikels durch die Zentralstellung des 2. Artikels und der Rechtfertigung durch Christus nun aber belanglos würden, hat – dies dürfte allgemeiner Konsens sein – mit der Lehre der Bibel und auch mit lutherischer Theologie nichts zu tun. Hervorgehobene Konflikt- und Bekenntnissituationen können also auch im Bereich des natürlichen Lebens entstehen.

Und in diesem weiteren Sinne des Begriffes „status confessionis“, wie ihn Dietrich Bonhoeffer im Blick auf die drohende Judenverfolgung ins Gespräch brachte (Die Kirche vor der Judenfrage, 1933) und wie er seither eben auch allgemeiner das Bekenntnis und den Widerstand der Kirche in lebenswichtigen Fragen meint, ist bei der Homosexualitätsfrage sehr wohl der „status confessionis“ gegeben, d.h. das notwendige klare Bekenntnis und der entschiedene Widerstand gegen eine ethische Verirrung und eine Gefährdung der Kirche.[23]

Dass der so verstandene „status confessionis“ nicht auch schon den „status separationis“ (die Trennung) heraufbeschwört, ist m.E. richtig und wichtig zu betonen. Aber eine Beschwichtigung in der ethisch und kirchenpolitisch brisanten Frage durch den Rückgriff auf die alte reformatorische „status confessionis“-Definition geht m.E. am Problem vorbei.

6. Das Rechtsdilemma im Staat und die Not einer angepassten statt einer prophetischen Kirche

Seit dem Beschluss des Lebenspartnerschaftsgesetzes und seinen höchstrichterlichen Bestätigungen befinden wir uns in einem Rechtsdilemma: Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Grundsatzurteil vom 17. Juli 2002 entschieden, dass das Lebenspartnerschaftsgesetz nicht gegen den grundgesetzlich bestimmten Schutz von Ehe und Familie verstoße: „Der besondere Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG hindert den Gesetzgeber nicht, für die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft Rechte und Pflichten vorzusehen, die denen der Ehe gleich oder nahe kommen“. Das Abstandsgebot hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 17. Juli 2002 verneint, d.h. es sah keinen verfassungsmäßigen Zwang für einen Abstand zwischen Ehe und gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaft. Die Lebenspartnerschaft darf also der Ehe gleichgestellt werden. Und der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags hat in einem Infobrief vom 26. November 2009 die verfassungsrechtlich gebotene Gleichstellung von Lebenspartnern mit Ehegatten ausdrücklich bestätigt. Also gilt einerseits das verbürgte Grundrecht des besonderen Schutzes für die Ehe…und andererseits werden nun andere Partnerschaftsformen genauso geschützt. Nicht gleich und doch gleich! Das ist keine Dialektik, sondern der traurige Zustand, dass die Gesetze der Logik nicht mehr gelten: a>b und a=b kann bekanntlich nicht gleichzeitig wahr sein … (Um der Vollständigkeit willen sei angemerkt, dass es in einigen Rechtsbereichen wie dem Einkommensteuerrecht für gleichgeschlechtliche Paare noch abweichende Regelungen gibt, für die aber ebenfalls ein Prozess der Anpassung an die Ehe im Gange ist. Die völlige Gleichstellung ist also lediglich noch eine Frage der Zeit.)

Ähnlich unverständlich ging es auch bei der Aufhebung der Sittenwidrigkeit der Prostitution zu, die den besseren sozialen und rechtlichen Schutz der Prostituierten durch die Verletzung der Menschenwürde erkauft hat. Und man fand doch tatsächlich ein juristisches Mäntelchen für die Verletzung der Würde. Das Verwaltungsgericht Berlin meinte: „Die staatliche Verpflichtung zum Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG) darf nicht dazu missbraucht werden, den Einzelnen durch einen Eingriff in die individuelle Selbstbestimmung gleichsam vor sich selbst zu schützen“. Welche ein Hohn im juristischen Sprachgewand auf die Mädchen aus Osteuropa und auf die hintergangenen Ehefrauen!

Nun kann man sich nur wünschen, dass diese rechtsphilosophisch in keinster Weise nachvollziehbare Entwicklung nicht noch weitere Bereiche erfasst, die heute überwiegend noch als Tabu-Bereiche gelten. Eine „geordnete Pädophilie“, erlaubte sexuelle Geschwisterliebe und Polygamie sind nach dem gleichen Grundmuster aber nicht mehr schwer vorstellbar. In den Medien liest oder hört man inzwischen, der Mensch sei eben nicht für die Monogamie gemacht. Die Jungen Grünen fordern die Abschaffung des Schutzes der Ehe im Grundgesetz und rufen ganz offen nach der legalisierten Polygamie. Sie wollen „ eine absolute Gleichstellung aller Lebensgemeinschafts-formen unter dem Überbegriff “Lebensgemeinschaften”. Ob sie nun hetero- oder homosexuell sind, ob sie zwei oder mehr Menschen umfasst, darf nicht von Bedeutung sein.”[24] Und die (immerhin etwa 1% ausmachenden) primärpädophilen Männer in Deutschland werden das gegenwärtige Stimmungstief gegen sie  kaum dauerhaft hinnehmen, sondern „verantwortungsvolle“ Formen ihrer Lustbefriedigung vorschlagen.

Theologische Argumente für diese zu befürchtenden Irrwege fallen mir übrigens auf Anhieb ein, die aber eben vor dem Forum der Wahrheit und innerhalb einer intentional-kanonischen Schriftauslegung in keinster Weise bestehen können. Was ich bei den Argumenten für die praktizierte Homosexualität allerdings auch nicht anders empfinden kann…

Wird die evangelische Kirche nach der begonnenen Demontage des Grundrechtes des besonderen Schutzes von Ehe und Familie auch einer „geordnete Polygamie“ ihren Segen geben, wenn sie erst einmal salonfähig geworden sein sollten? Dann einer „geordnete Pädophilie“ und sexueller Geschwisterliebe? Wird also mit kirchlicher Unterstützung weiter untergraben werden, was Gott und den Christen vor und neben uns heilig war und ist? Wird gesegnet werden, was Gott ein Gräuel ist?

Deutschland könnte immer mehr zum großen Sodom und Gomorra werden- und die evangelische Kirche fördert diesen Prozess durch die scheibchenweise Übernahme gottwidrigen Rechts. Sie feiert teilweise sogar jeden Schritt dieser angeblichen Befreiung als Sieg für das Evangelium. Unsere Jugend verliert jegliche Orientierung, die Familien zerfallen- und die evangelische Kirche wird statt zum Bollwerk und zum „Sanatorium“ nun selbst zur Verführerin!

Dietrich Bonhoeffer schrieb im Rahmen seiner Ethik ein Schuldbekenntnis für die Kirche, das an den Zehn Geboten entlanggeht. Darin heißt es: „Die Kirche bekennt, kein wegweisendes und helfendes Wort gewusst zu haben zu der Auflösung aller Ordnungen im Verhältnis der Geschlechter zueinander. Sie hat die Verhöhnung der Keuschheit und der Proklamation der geschlechtlichen Zügellosigkeit nichts Gültiges und Starkes entgegenzusetzen gewusst. Sie ist über eine gelegentliche moralische Entrüstung nicht hinausgekommen. Sie ist damit schuldig geworden an der Reinheit und Gesundheit der Jugend. Sie hat die Zugehörigkeit unseres Leibes zum Leib Christi nicht stark zu verkündigen gewusst.“[25]

Und an anderer Stelle (S. 122f) sagt er: „Vor dem letzten Sturz in den Abgrund kann nur zweierlei bewahren: das Wunder einer neuen Glaubenserweckung und die Macht, die die Bibel als ‚den Aufhaltenden’… (2 Thess 2,7) bezeichnet, das heißt die mit starker physischer Macht ausgerüstete Ordnungsmacht.“

Dass sich ein kirchlicher Einspruch derzeit in diesen Fragen demokratisch-parlamentarisch kaum durchsetzen ließe, ist nüchtern zu sehen. Dass aber die Kirche zur prophetischen Stimme berufen ist (und damit nicht unbedingt zur erfolgreichen Stimme), gilt trotzdem. „Das Gewissen fordert in jedem Fall, Zeugnis abzulegen für die ganze sittliche Wahrheit, der sowohl die Billigung homosexueller Beziehungen wie auch die ungerechte Diskriminierung homosexueller Menschen widerspricht.“[26] Papst Benedikt XVI. und sein Amtsvorgänger haben mit guten Gründen das Rechtsinstitut der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft beharrlich abgelehnt, die evangelische Kirche baut es nun in ihr eigenes Recht ein statt mit der clausula Petri zu sagen: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Statt dass die Kirchen gemeinsam ihre Stimme von der Bibel und von unserer prägenden christlichen Tradition her (die das tragende Fundament unseres Staates außerhalb seiner selbst ist) erheben, ändert die evangelische Kirche ihre eigenes Rechtsgefüge ab: Ein staatlicher Irrwege findet Eingang in ihre eigenen Gesetze. Auf diesem Weg können wir nur immer mehr verlieren…

7. Zerstörung im Volk und eine angepasste statt einer heilenden Kirche

Wir sagten oben: Zwischen den sieben Maximalwert-Gütern kann es grundsätzlich keine Güterabwägung geben, sondern nur ein unumschränktes Anerkennen aller. Als Kontrapunkt dazu aber dürfen wir von der Übermacht der Gnade reden. Und davon wäre sehr viel zu sagen…

Diese Gnade aber darf  – um wieder mit Bonhoeffer zu reden- keine „billige Gnade“ sein, die den Preis der Erlösung durch Jesu Tod gering achtet und echte Umkehr scheut. Nur eine solche „Kirche der Freiheit“ kann wirkliche Freiheit verkündigen und Heilung in unser Volk bringen. Die Zerstörung in unserem Land ist- gerade im sexuellen Bereich und im Bereich der Familie – schon so groß, dass sie mich sehr traurig und besorgt stimmt. Und dass man noch mehr trauern muss, wenn die Kirche durch eine falsche Anpassungshaltung ihre Vollmacht zu leiten und zu heilen verschleudert!

8. Conclusio

Wir können alle gemeinsam gewinnen

– Ja zur unantastbaren Menschenwürde: konkret durch Wertschätzung, angemessene Aufgaben und seelsorgerliche Hilfe für jeden Menschen!

– Nein zur praktizierten Homosexualität, verschärft für Pfarrer mit ihrem Verkündigungsauftrag und in ihrer Vorbildfunktion für die Herde Christi!

– Ja zum unantastbaren und verbindlichen Wort Gottes: konkret durch Akzeptanz der befreienden Soteriologie, aber auch der Ethik der Bibel (im Blick auf die Sexualität wie im Blick auf alle anderen Lebensbereiche)!

– Nein zur sinnwidrigen Zweckauslegung der Bibel!

– Ja zur lebensfördernden Schöpfungsordnung: konkret durch Lehre und Leben des biblischen Eheleitbildes und durch das klare Bekenntnis zur Priorität der Grundrechte!

– Nein zum Lebenspartnerschaftsgesetz, verschärft für Pfarrer mit ihrer Vorbildfunktion!

– Ja zur Offenheit für die Wahrheit in Wissenschaft und Verkündigung: konkret durch die Kenntnisnahme der Möglichkeiten zölibatären Lebens und/oder der Heilung der polar-sexuellen Identität als sinnvolle Alternativen zur umstrittenen Lebenspartnerschaft für Pfarrer!

– Ja zur Einheit der Gemeinde Jesu: Hoffentlich so, dass sich der innerkirchlich begonnene Paradigmenwechsel im Bereich Homosexualität nicht weiter fortsetzt, die zeit- und konfessionsübergreifende Einheit des Glaubens wieder gesucht wird und sich der begonnene Irrweg nicht in neuen Gesetzen niederschlägt!

Eckpunkte

Zur konkreten Gesetzesentscheidung

Der sächsische Kirchenleitungsbeschluss zur Homosexualität von 2001 (Abl. Jg. 2001 Nr. 21/ B 53) könnte im Wortlaut unverändert bestehen bleiben. Lediglich das Verständnis von „Pfarrhaus“ im Sinne von Haus als Familie wäre nachzubessern, d.h. homosexuelle Lebenspraxis scheidet für Pfarrer grundsätzlich aus. Damit ist jeder Doppelmoral, bei der es lediglich auf den geografischen Ort ankommt, der Boden entzogen.

Weisheit für die „modernen Areopage“ und Mut

Sicher brauchen wir heute zudem eine besondere Weisheit, um eine differenzierte Stellung in den oft plakativ arbeitenden Medienbereich hinein vermitteln zu können. Auf den „modernen Areopagen“ (Papst Johannes Paul II.), d.h. in der Welt der Kommunikation und der Massenmedien ist das „hörende Herz“ wichtig.

Und wo wir trotzdem auf taube Ohren stoßen, dürfen wir uns mit den Propheten, mit Jesus und mit Luther trösten und wissen, dass – wie Luther am 20. Mai 1530 von Coburg aus an Kurfürst Johann zur Ermutigung für den Reichstag in Augsburg geschrieben hat- Gottes Freundschaft noch immer köstlicher ist denn aller Welt Freundschaft.

9. Not und Notlösungen

Wenn es aber doch in Sachsen durch die Synode zur Öffnung des Pfarrhauses für homosexuelle Lebenspraxis kommt? – Dann werde ich um des hohen Gutes der Einheit willen in unserer Kirche bleiben  und werde andere ausdrücklich zum Bleiben und zum Gebet um Gesundung unserer Kirche ermutigen. Die Kirche hat schon manche Krankheiten überwunden und sich sowohl als „semper reformanda“ als auch als reformfähig erwiesen. Sie hat durch die Krankheiten aber leider auch jeweils – und teils sogar für lange Zeiten – an Vollmacht verloren. Ich werde aber auch die organische Einheit mit denen weiter zu leben versuchen, die ggf. die organisatorische Einheit aus Gewissensgründen meinen verlassen zu müssen.

Und ich werde in allen an die Ordination gebundenen Aufgaben nicht mit Pfarrern/Pfarrerinnen, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben, konkret vor Ort zusammenarbeiten. Auch hier gilt: Wo ich durch klare Schrift- oder Vernunftgründe widerlegt werde, beuge ich mich gern. Ich werde mich aber nicht ohne Widerlegung beugen. Diese Weigerung besagt nicht, dass ich die Gültigkeit der durch solche Amtsträger verwalteten Sakramente in Abrede stelle. Das grundlegende Ergebnis des Ketztertaufstreites und meine zeichenhafte  Verweigerungshaltung an dieser Stelle sind – wie ich es in diesem Aufsatz für viele andere Bereiche in gleicher Weise betont haben- verschiedene Kategorien. Was ich aber in meinen Ausführungen ebenfalls mehrfach als einen unauflöslichen Zusammenhang dargestellt habe- die Verkündigung durch Beispiel und  Leben- sehe ich auch hier als wichtig an. Ich kann nicht durch Zeichen in eine falsche Richtung verschleiern, was der Bibel klar widerspricht.

Bad Elster am 31.3.2012


[1] Manchmal hilft ja doch das ganz Grundsätzliche für das Konkrete, das scheinbar weit Hergeholte für das Nahe.

[2] Im geheimnisvollen Wissen darum gab es eine große Menge an Sexualkulten, die aber eben leider in pervertierter und götzendienerischer Gestalt dieser tiefen Ahnung nachgegangen sind und damit zerstörerisch statt „Himmel-öffnend“ gewirkt haben. Als perverses Denken muss es deshalb bezeichnet werden, wenn heutzutage der evangelische  Pastoraltheologe  Gert  Hartmann anregt, heutige Prostituierte nicht länger als Huren, sondern als Priesterinnen zu sehen. Wer auch nur ein bisschen um das menschenunwürdige Geschäft der Prostitution und um die dabei vollzogene Entwürdigung der Sexualität weiß, kann sich über solche weltfremden Träumereien nur wundern!

[3] Ich will gerne eine eigene Ungenauigkeit in meinem Aufsatz „Homosexualität und Pfarrhaus“ nennen: Zusammen mit der Identitätsfindung habe ich den Fortpflanzungsbereich für die Homosexualität als „rudimentär“ bezeichnet. Richtig aber ist natürlich, dass dieser dort völlig wegfällt.

[4] Nach traumatischen Erfahrungen ist dieses „innere Gespräch“ noch einmal weit schwieriger.

[5] Ebeling, Gerhard : Luther. Einführung in sein Denken , Tübingen  52006, S. 220ff.

[6] Interessanterweise findet sich dieser Begriff  (natürlich noch ohne den konkreten Gottesbezug der Bibel) auch schon  in Altägypten.

[7] Das Faktisch-Objektive grundsätzlich zu leugnen und nur noch Subjektives anzuerkennen, ist die maßlose Übertreibung des radikalen Konstruktivismus (der vom Methodischen Konstruktivismus der Erlanger Schule unterschieden werden muss). Bei Kant ist das Objektive eindeutig vorhanden; es wird subjektiv nur gleichsam durch eine „bunte Brille“ gesehen und ist damit als „Ding an sich“ nicht (vollständig) erkennbar.

[8] Vom hohen Gut der Sexualität selbst kann man das leider nicht so uneingeschränkt sagen. Es gab im Laufe der Kirchengeschichte auch leib- und sexualfeindliche Strömungen. Eine Ursache dafür war die Verdrängung unserer hebräischen Wurzeln zugunsten eines Übergewichts griechischer Denkmuster. – Die zeitweilige Wissenschaftsfeindlichkeit der Kirche hingegen hat gerade nicht eine grundsätzliche Ablehnung der Wahrheit als Hintergrund, sondern den (teils töricht geführten) Kampf um unterschiedliche Wege hin zur verlässlichen Wahrheit.

[9] http://www.gemeindenetzwerk.de/?p=5370

[10] Angesichts der Komplexität und Individualität des Menschen kommt es freilich auch vor, dass im konkreten Einzelfall eine statistisch als wirksam erwiesene Therapie nicht wirkt, eine eher „abseitige“ Methode aber zum Erfolg führt. Deshalb ist es sinnvoll, dass in der Medizin und der Gesundheitsforschung eine statistisch-evidenzbasierte durch eine individuelle Sichtweise ergänzt wird.

[11] Abschlussbericht der Arbeitsgruppe der Kirchenleitung Homosexualität in biblischem Verständnis, S. 9.

[12] Pannenberg, Wolfhart: Maßstäbe zur kirchlichen Urteilsbildung über Homosexualität, http://www.gemeindenetzwerk.de/?p=2198

[13] Pannenberg, Wolfhart: Maßstäbe zur kirchlichen Urteilsbildung über Homosexualität, http://www.gemeindenetzwerk.de/?p=2198

[14] Siehe dazu: Unwin, J. D., Sex and Culture, Oxford University Press, London: Humphrey Milford, 1934

[15] Wie prinzipielle Nichtwähler eine systemische Gefahr für unsere parlamentarische Demokratie darstellen oder die immer mehr ausgeweitete Ladenöffnung am Sonntag eine systemische Gefahr für das hohe Gut des Sonntags, so stellt praktizierte (und durch Vorbild und Rechtsschutz ggf. vermehrte) Homosexualität auch eine Gefahr dar. Systemische Gefährdungen tragen oft die Tücke in sich, dass sie in kleiner Zahl kein Problem zu sei scheinen, dass ihre allmähliche Zunahme aber ein plötzliches Umkippen und eine Zerstörung des gesamten Systems bewirken kann.

[16] Damit soll keinesfalls gesagt sein, dass Homosexualität die Hauptursache des demografischen Problems sei. Aber auch jeder kleine Mosaikstein in dem Gesamtbild der Nachwuchsverweigerung ist eben schädlich.

[17] Auf pragmatischer Ebene kann es in unserer gefallenen Welt im schmerzlichen Ausnahmefall verantwortbare Verstöße gegen die Wahrheit geben („Nein, ich habe keine Juden versteckt.“). Auch tragische und doch verantwortbare Verstöße gegen die Ordnung und Bewahrung der Schöpfung sind möglich (30 Muttertiere verbrennen im Stall, während ein Mensch vor der Feuersbrunst gerettet wird). Verstöße gegen die Einheit (Konfessionsgeschichte) können mitunter als das geringere Übel gegenüber dem Verlust der biblischen Wahrheit gesehen werden (Reformationsgeschichte), sind aber auch dann nie ein schuldloser Weg – und werden hoffentlich so verstanden, dass organisatorische Trennungen dennoch keine organischen Trennungen im Christusleib bedeuten. Nie aber darf ein Verstoß gegen die o.g. Maximalwerte auf grundsätzlicher Ebene gerechtfertigt werden. Und konkrete Rechtssetzung und Rechtsprechung ist m.E. immer der Versuch, Grundrechte und damit Maximalwerte möglichst ungeschmälert in die konkrete Rechts- und Lebenslage zu transferieren.

[18] Wenn ich in diesem Aufsatz vom „Zeitgeist“ nur im negativen Sinne rede, dann geschieht das im gleichzeitigen Wissen darum, dass keinesfalls alles Neue schlecht ist und dass vieles weltweit sogar besser geworden ist. Man denke nur an die höhere Bildungsgerechtigkeit durch das Internet. Auch eine größere Offenheit und Ehrlichkeit in sexuellen Fragen statt der früheren Heimlichtuerei ist ein Fortschritt. Papst Johannes XXIII. wandte sich einst (am 11. Oktober 1962 zur Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils) gegen die einseitigen „Unglückspropheten“ und sagte: „Sie meinen nämlich, in den heutigen Verhältnissen der menschlichen Gesellschaft nur Untergang und Unheil zu erkennen. Sie reden unablässig davon, dass unsere Zeit im Vergleich zur Vergangenheit dauernd zum Schlechteren abgeglitten sei.“  – Andererseits aber ist eben vieles gerade im ethischen Bereich wirklich sehr besorgniserregend. Und dass eine größere Offenheit im sexuellen Bereich inzwischen in einen kollektiven Exhibitionismus umzukippen droht, ist kein Fortschritt mehr. Diese Negativerscheinungen werden von mir als „Zeitgeist“ angesprochen.

[19] Wie geradezu unglaublich dieser Paradigmenwechsel auf  viele unserer Brüder und Schwestern weltweit wirken muss, wird mir deutlich, wenn ich mit meinem nigerianischen Schwiegersohn spreche. Er kann es schlichtweg nicht fassen, was da derzeit in unserer Kirche diskutiert wird.

[20] Jeder bleibe in der Berufung, in der er berufen wurde. Bist du als Sklave berufen, so sorge dich nicht; doch kannst du frei werden, so nutze es umso lieber. 1. Kor7,20 f.

[21] Perverse Sexualität meint den pädophilen, prostitutionellen, pornografischen, exhibitionistischen, voyeuristischen sexsüchtigen, polyamoren, fetischistischen und sadomasochistischen Bereich oder Praktiken wie Partnerwechsel und „One-night-stand“. Beschädigte Sexualität findet sich beim asexuellen, homosexuellen, bisexuellen und pansexuellen Menschen. Freilich sind die Grenzen z.T. auch fließend; Pädophilie z.B. kann auch als beschädigte Sexualität angesehen werden.

[22] Abschlussbericht der Arbeitsgruppe der Kirchenleitung Homosexualität in biblischem Verständnis, S. 23

[23] Die Feststellung der heutigen Bekenntnislage besagt nicht, dass sie im Schweregrad und im quantitativen Ausmaß der Bonhoefferschen Situation gleich wäre. Dass die Vernichtung der Juden (und auch vieler homosexueller Menschen) im 3. Reich ein beispielloses Grauen darstellt, bleibt natürlich bestehen. Mir geht es hier um die Klärung der Begriffe und um die Feststellung, dass wir uns bei der Homosexualitätsdebatte nicht in einem Gespräch über Nebensachen befinden. Es geht dabei eben – wie oben dargestellt- von der Sache her um sehr hohe Güter.

[24] http://www.gruene-jugend.de/show/107269.html

[25] Bonhoeffer, Dietrich, Ethik, hg. v. Ilse Tödt, Heinz Eduard Tödt, Ernst Feil und Clifford Green, DBW 6, München 1992, S130f.

[26] Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 162. Kongregation für die Glaubenslehre: Erwägungen zu den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen, Hrsg. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 3. Juni 2003, S. 8. Die Verlautbarung bietet auch konkrete Hilfen dafür.

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 10. Mai 2012 um 15:11 und abgelegt unter Ehe u. Familie, Gesellschaft / Politik, Kirche, Sexualethik.