Gemeindenetzwerk

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Stellungnahme zur Frühjahrstagung 2012 der 26. Landessynode der EVLKS

Sonntag 29. April 2012 von Dr. Jörg Michel


Dr. Jörg Michel

In der Frühjahrstagung der 26. Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens vom 20.-23. April 2012 hat die Synode zu dem umstrittenen § 39 des EKD-Pfarrdienstgesetzes Stellung bezogen. Dabei wurde ein Ergänzungsgesetz zum Pfarrdienstgesetz verabschiedet. In dieses wurde ein Passus integriert, der den § 39 des Pfarrdienstrechts der EKD so auslegt, daß „Pfarrerinnen und Pfarrer […] auch in ihrer Lebensführung in Ehe und Familie ihrem Auftrag verpflichtet“ sind. Ein Zusammenleben von Pfarrerinnen und Pfarrern in homosexuellen Partnerschaften in sächsischen Pfarrhäusern ist somit dem Grundsatz dieses Gesetzes nach nicht intendiert. Jedoch gibt es auf der Grundlage des Kirchenleitungsbeschlusses vom 21. Januar2012 in seelsorgerlichen Ausnahmefällen Einzelerlaubnisse für homosexuelle Partnerschaften, die das Zusammenleben im Pfarrhaus gestattet, wenn sie in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft leben. Die Synode hat beide Vorgehensweisen in ihrer Erklärung (zu § 39 des EKD-Pfarrdienstgesetzes und zum Beschluß der Kirchenleitung vom 21. Januar 2012) bestätigt.

Vorausgegangen waren heftige Diskussionen über einen Kirchenleitungsbeschluß vom Januar diesen Jahres, der für eine große Erschütterung sorgte. Bisher gültig war der Kirchenleitungsbeschluß von2001, indem klar geregelt war, daß eine homosexuelle Beziehung im Pfarrhaus nicht gelebt werden darf. In diesen elf Jahren hat sich nichts geändert; Bibel und Bekenntnisschriften sind die gleichen geblieben. Jedoch hat sich die Zusammensetzung der Kirchenleitung geändert. Durch diesen Beschluß wurde eine sehr hohe Zahl der Kirchgemeindeglieder in große Gewissensnot gebracht. Als Reaktion auf den Beschluß der sächsischen Kirchenleitung, das Pfarrhaus für homosexuelle Partnerschaften zu öffnen, haben Gemeinden und Werke die Sächsische Bekenntnis-Initiative ins Leben gerufen (http://www.bekenntnisinitiative.de). Diese hat die Kirchenleitung und die Synode eindringlich aufgefordert, den Beschluß von 2001 beizubehalten. Unterstützt wurde diese Initiative von einer hohen Anzahl Kirchgemeinden, Landeskirchlichen Gemeinschaften, Gruppen, Werken und Einzelpersonen. Dieser Initiative ist es maßgeblich zu verdanken, daß es in der Frage einen kirchenpolitischen Ausgleich zu dem Kirchenleitungsbeschluß von Januar 2012 gegeben hat. Eine offene Konfrontation gegen den Kirchenleitungsbeschluß hätte keine Chance gehabt, Mehrheiten zu finden.

Was bedeutet diese Lage für die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens? Festzuhalten ist, daß aktuell in mindestens zwei Pfarrhäusern der sächsischen Landeskirche Pfarrer bzw. Pfarrerinnen ihre homosexuelle Beziehung leben. Es ist nun kirchenrechtlich möglich, daß sich diese Zahl über eine Einzelfallregelung weiter erhöhen kann. Es ist festzustellen, daß die 26. Landessynode der EVLKS Sünde, wie sie in der Heiligen Schrift benannt und bezeugt ist, nicht mehr Sünde nennt.

Was bleibt ist die Anerkennung der feststehenden Bedeutung der biblischen Ordnung von Ehe und Familie. Es bleibt das ausdrückliche Anerkennen des Standpunktes der Sächsischen Bekenntnisinitiative als aufrichtig, hörenswert und als positiver Bestandteil in der Mitte der Kirche. Ein Abtun des Standpunktes als unmodern, hinterwäldlerisch oder gar menschenfeindlich ist nicht mehr möglich. Die bibel- und bekenntnistreue Position wurde als geistlich und theologisch angemessen bezeichnet und ihr ausdrücklich Schutz und Raum in der sächsischen Landeskirche gewährt. Dabei ist, und das ist nicht unbedeutend, eine theologische Klärung der Frage offen geblieben. Gleichzeitig hat die Synode erkannt, daß grundsätzlich verschiedene Schriftverständnisse gegenüberstehen (und hat sich geweigert, hier zu entscheiden). Sie regt einen dreijährigen Diskussionsprozeß über die Hermeneutik der Bibel an. Hierin liegt sicher eine gute Gelegenheit, bibel- und bekenntnistreues Schriftverständnis einzubringen, hochzuhalten und –erneut- bewußt zu machen. Die Sächsische Bekenntnisinitiative hat am 26. April beschlossen, diese Diskussion engagiert mitzugestalten. Möge der HErr sie dabei reichlich segnen.

Eine bibel- und bekenntnistreue Auslegung der Heiligen Schrift kommt augenscheinlich nicht mehr aus den Reihen der kirchenleitenden und kirchenverwaltenden Organe. Sie kann heutzutage offensichtlich nur noch aus Zusammenschlüssen Bibel- und bekenntnistreuer Gemeinden, Werke und Einzelpersonen kommen. Es wird für das Bild der modernen sächsischen Landeskirche aufschlußreich sein, zu sehen, wie sich diese Tendenz weiterentwickelt, gerade wenn zusätzliche weitere Bedrängnisse auf die Landeskirche zukommen: eine mögliche Segnung homosexueller Paare zeichnet sich am Horizont schon ab.

Dr. Jörg Michel, Jubilate AD 2012
Der Verfasser ist Studienleiter für „Naturwissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung“ bei der Evangelischen Akademie Meißen/Sachsen und Gründungsmitglied der „Sächsischen Bekenntnis-Initiative“. Die Stellungnahme wurde für www.gemeindenetzwerk.de verfaßt.

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Sonntag 29. April 2012 um 17:18 und abgelegt unter Ehe u. Familie, Kirche, Sexualethik.