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Rechtliches zum EKD-Pfarrdienstrecht und zur Situation in der Württembergischen Landeskirche

§ 39 Abs 1 Pfarrdienstgesetz der EKD: „Pfarrerinnen und Pfarrer sind auch in ihrer Lebensführung im familiären Zusammenleben und in ihrer Ehe an die Verpflichtungen aus der Ordination (§ 3 Absatz 2) gebunden. Hierfür sind Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und gegenseitige Verantwortung maßgebend.“ Anders formuliert ist Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes unseres Staates (GG): „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.“ Hier steht – im Gegensatz zum Pfarrdienstgesetz – die Ehe vor der Familie. Außerdem steht hier die „Familie“ statt des nebulösen Ausdruck „familiäres Zusammenleben“.

Weil im GG die Ehe steht, nicht andere Lebensgemeinschaften, muss auch nicht, wie im Pfarrdienstrecht, der Satz stehen: „Hierfür sind Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und gegenseitige Verantwortung maßgebend.“ Denn dies ist im Begriff / dem Institut der Ehe enthalten. Dass das Pfarrdienstrecht diesen Satz (§ 39 Abs. 1, Satz 2) aufnimmt, zeigt, dass es nicht nur die Ehe und Familie im Sinn des GG im Blick hat, auch wenn sie § 39 unter die Überschrift „Ehe und Familie“ stellt (und damit diese gegenüber dem Gebrauch im Grundgesetz unseres Staates neu definiert, nämlich den Familienbegriff auflöst). So heißt es auch ausdrücklich in der Begründung zu diesem Gesetz: „Der Begriff ‚familiäres Zusammenleben‘ ist hingegen bewusst weit gewählt. Er umfasst nicht nur das generationsübergreifende Zusammenleben, sondern jede Form des rechtsverbindlich geordneten Zusammenlebens von mindestens zwei Menschen, das sich als auf Dauer geschlossene, solidarische Einstandsgemeinschaft darstellt und damit den in Satz 2 genannten inhaltlichen Anforderungen Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und gegenseitige Verantwortung genügt.“

Diese Formulierung ermöglich also auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften und ist für eine künftige „Weiterentwicklung“ des staatlichen Rechts offen: Auch Lebensgemeinschaften von mehreren Personen gleichen oder verschiedenen Geschlechts, wie sie in den Niederlanden jetzt schon rechtlich möglich sind, oder eine Vielehe wie in islamischen Staaten sind damit nicht ausgeschlossen. Auch ist dabei nicht von Bedeutung, ob Kinder dabei sind, wie es beim Familienbegriff des Grundgesetzes der Fall ist. Wenn das Pfarrdienstgesetz – zum Beispiel vor Gericht – angewendet wird, wird die genannte Begründung dieses Gesetzestextes durch den Rat der EKD bei der Auslegung dieses Gesetzes herangezogen, denn sie zeigt, was der Gesetzgeber gewollt und gemeint hat.

Eine Öffnungsklausel, die Landeskirchen erlauben würde, hier anders zu entscheiden, gibt es zwar für andere Vorschriften dieses Gesetzes, nicht jedoch für diese Vorschrift § 39. Nur die Begründung des Rates der EKD spricht davon, es bleibe „den Gliedkirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüssen überlassen, ihr eigenes Profil für die Anwendung von § 39 Abs. 1 zu entwickeln und die Norm auf diese Weise näher auszugestalten. Das kann im Rahmen des § 117 durch ein Kirchengesetz geschehen. Möglich ist aber auch jede Form von untergesetzlicher Regelung oder eine Ausgestaltung durch schlichte Rechtspraxis.“

Das ist – wie gesagt – nur in der Begründung gesagt, im Gesetzestext von § 117 Abs 1, Satz 2 heißt es aber ausdrücklich: „Abweichungen von Bestimmungen dieses Kirchengesetzes sind nur in den gesondert genannten Fällen möglich.“ – Solch eine Öffnungsklausel ist in § 39 aber nicht vorhanden! Die Begründung zu § 39 Abs. 1 ist also irreführend!!

In Württemberg wurde vor Jahren ohne Beschluss der Synode durch den Oberkirchenrat eine solche Praxis begonnen, von der die Begründung des EKD-Gesetzes durch den Rat der EKD spricht: Eine Praxis, die in Ausnahmefällen Homopfarrhäuser erlaubt. Inzwischen haben sich die Gesprächskreise der Synode öffentlich geäußert, sie sind sich nämlich einig, dass sie die „bewährte“ Praxis fortsetzen wollen.

Wenn also die Synode hier nicht klar anders entscheidet, ist das Homopfarrhaus in Württemberg eingeführt. Dann hat Prof. Isolde Karle (Meldung ideaSpektum 8.2012, S. 31) recht, dass der Grundsatz, dass Pfarrhäuser für homosexuelle Paare verschlossen bleibt, sich nicht durchhalten lässt. Sie behält damit aber auch dann recht, wenn die Landessynode überhaupt dem EKD-Gesetz zustimmt, auch wenn sie sich dabei denkt, in dieser Sache per Gesetz oder Verordnung anders zu entscheiden, nämlich die Weite des EKD-Gesetzes auf die Ehe einzuschränken.

Nach dem EKD-Gesetz ist das Homopfarrhaus ja eine Möglichkeit, dem hat dann auch Württemberg zugestimmt, und das ist das höherrangige Gesetz gegenüber württembergischen Gesetzen; und das wird sich – auch angesichts der staatlichen Antidiskriminierungsgesetze – als stärker erweisen, wenn es vor Gerichten um konkrete Entscheidungen geht, zumal § 39 keine Öffnungsklausel enthält.

Nur wenn klar ist, dass die Kirche absolut nach ihren Bekenntnisgrundlagen nicht anders kann (wie es in der katholischen Kirche ist), werden staatliche Gerichte das akzeptieren, nicht wenn eine Landeskirche solch einem Gesetz (EKD-Pfarrdienstgesetz mit seinem § 39) zustimmt, also solch eine Regelung grundsätzlich mitträgt, und nur für sich selbst in einem niederrangigen Gesetz das anders regelt – und sogar da noch Ausnahmen zulässt. Es gibt eben Grenzen, wo sich die Bekenntnisfrage stellt und keine Kompromisse mehr möglich sind. Das ist an dieser Stelle der Fall, auch wenn die VELKD es anders sieht. Es sind die Grundordnungen Gottes, die insbesondere Ehe und Familie und Schutz des menschlichen Lebens betreffen, angetastet.

23.02.2012 – Karl Baral